Irrungen und Wirrungen
Montag 23. Januar 2023 von Johann Hesse

In seinem PrĂ€sesbericht fĂŒr die Mitgliederversammlung des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes hatte sich Michael Diener noch im Februar 2011 fĂŒr ein bibelgebundenes VerstĂ€ndnis gleichgeschlechtlicher SexualitĂ€t eingesetzt: âAufgrund unseres VerstĂ€ndnisses des Willens Gottes können wir zu praktizierter HomosexualitĂ€t kein Ja finden. Sie ist SĂŒnde und steht unter dem Gericht Gottes. Wir halten es fĂŒr einen verhĂ€ngnisvollen Irrweg, dass die meisten kirchlichen Verlautbarungen spĂ€testens seit 1996 das eindeutige biblische Zeugnis zur HomosexualitĂ€t dadurch zu entkrĂ€ften suchen, dass sie es als zeitbedingt einschĂ€tzen und das Liebesgebot nicht mehr an die konkreten Weisungen der Heiligen Schrift zurĂŒck binden. Anstatt Orientierung zu bieten, wird Verwirrung noch vergröĂert.â
In den zurĂŒckliegenden Jahren hat sich Michael Dieners Haltung zu diesem Thema grundlegend geĂ€ndert. Nachlesen kann man das z.B. in seinem Buch âRaus aus der Sackgasseâ (adeo-Verlag, 2021): âUnd so fand ich einen Weg â ganz klar, weil ich ihn gesucht habe. Ich WOLLTE meine ablehnende Haltung gegenĂŒber queeren Menschen aufgeben, weil ich felsenfest davon ĂŒberzeugt war und bin, dass Gott das Elend, das Leid, die Not, die âwir Frommenâ diesen Menschen zugefĂŒgt haben, nicht will.â Er wendet sich gegen eine âfundamentalistische oder biblizistische Lesart der Heiligen Schriftâ (S. 187) und fordert alle Gemeinden, VerbĂ€nde und Werke auf, die bisherige Haltung zu Ă€ndern und sich fĂŒr LSBTIQ-Menschen zu öffnen: âEs wird die Aufgabe der nachfolgenden Generationen sein, die ich hiermit besonders anspreche, diesen Weg der Ăffnung weiter voranzutreibenâ (S. 189). Weiter schreibt er: âDa die evangelischen Kirchen in reformatorischer Tradition die Ehe als ein âweltlich Dingâ betrachten, ist es nur folgerichtig, wenn sie gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen Gottes nicht verweigernâ (S. 193).
Am 10. September 2022 sprach sich Diener bei der Konferenz âComing-Inâ in Niederhöchstadt (veranstaltet wurde die Konferenz von Zwischenraum e.V. in Kooperation mit der evangelischen Andreasgemeinde Niederhöchstadt) dafĂŒr aus, fĂŒr christliche Gemeinden zu arbeiten, âin denen Menschen nach ihrem Coming Out ein herzliches Coming In erfahren, egal, ob lesbisch, schwul, bi, trans, hetero oder anders queer.â Michael Diener teilte den rund 400 Teilnehmern der Konferenz mit, dass er sich heute fĂŒr den PrĂ€sesbericht von 2011 schĂ€me und in gender- und sexualethischen Fragen eine Entwicklung durchgemacht habe; er sei vom âSaulus zum Paulusâ geworden.
Paulus? Einen Moment bitte! Meint er etwa den Paulus, der die Korinther lehrte: âNicht ĂŒber das hinaus, was geschrieben stehtâ (1 Kor 4,6)? Den Paulus, der an die Römer schrieb, dass homosexuelle Praxis eine widernatĂŒrliche Verirrung sei (Röm 1,26-27)? Den Paulus, der lehrte, dass ein gleichgeschlechtlicher Lebensstil mit vielen anderen Verhaltensweisen zum Ausschluss aus dem Reich Gottes fĂŒhrt, der aber auch wusste, dass eine VerĂ€nderung der sexuellen Orientierung oder ein enthaltsamer Lebensstil mit Gottes Hilfe möglich ist (1 Kor 6,9-11)?
Nein, eine Bekehrung vom Saulus zum Paulus kann Michael Diener in dieser Frage sicher nicht fĂŒr sich beanspruchen. Es gibt allerdings ein mahnendes Paulus-Wort, das Dieners Entwicklung prĂ€gnant auf den Punkt bringt: âDenn das weiĂ ich, dass nach meinem Abschied reiĂende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden MĂ€nner aufstehen, die Verkehrtes reden, um die JĂŒnger an sich zu ziehenâ (Apg 20,29-30).
Michael Diener stellt sich offen gegen die biblische Sexualethik und fordert Evangelikale und Pietisten auf, gleichgeschlechtliche bzw. queere LebensentwĂŒrfe zu akzeptieren und zu segnen. Es ist offensichtlich, dass Diener, der immer wieder das BrĂŒckenbauen betont (S. 64), auf diese Weise Uneinigkeit unter Christen sĂ€t und die Gemeinden spaltet. Schlimmer noch, er verhindert, dass Menschen umfassend zu Gott umkehren und zu einem geheiligten Leben angeleitet werden. In Anlehnung an seinen eigenen PrĂ€sesbericht von 2011 könnte man auch sagen: Statt Orientierung zu bieten, hat Diener die Verwirrung in Gemeinden und Werken noch vergröĂert.
Der Herr sagt durch den Propheten Jeremia: âDenn wenn sie in meinem Rat gestanden hĂ€tten, so hĂ€tten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehrenâ (Jer 23,22). Michael Diener bestĂ€rkt Menschen, an ihren SĂŒnden festzuhalten, und hindert sie, einen Weg der Heiligung einzuschlagen und die verĂ€ndernde Kraft des Heiligen Geistes zu erfahren. Ist das die Liebe, die uns die Schrift lehrt?
Michael Diener fordert eine Willkommenskultur fĂŒr LGBTIQ-Menschen in evangelikalen und pietistischen Gemeinden. In der Tat: Willkommen sind alle! Er macht aber den Fehler, mit dieser Forderung zugleich die biblische Ethik aus den Angeln zu heben. Dass es eine ĂŒberzeugende Alternative zu Dieners Ansatz gibt, kann man in dem Buch âIst Gott homophob?â von Sam Allberry nachlesen (Christliche Verlagsgesellschaft, 2021). Der anglikanische Pastor, der anders als Michael Diener selbst Betroffener ist, setzt sich ebenfalls dafĂŒr ein, dass sich Gemeinden fĂŒr schwul oder lesbisch empfindende Menschen öffnen, aber unter Beibehaltung der apostolischen Sexualethik: âWie tief verwurzelt es in manchen auch sein mag, homosexuelles Verhalten ist nicht unausweichlich. Auch jemand, der seine HomosexualitĂ€t auslebt, kann von Gott erneuert werden. GefĂŒhle und Versuchungen mögen bleiben. Paulusâ Warnung an seine Leser, nicht in ihren frĂŒheren Lebensstil zurĂŒckzufallen, lĂ€sst vermuten, dass ein gewisses Verlangen noch da ist. Aber in Christus sind wir nicht mehr die, die wir einmal waren. Wer aus einem aktiven homosexuellen Lebensstil kommt, braucht einen neuen Blick auf sich selbst. Was uns einmal bestimmt hat, definiert uns nicht mehrâ (S. 50).
Es ist den christlichen Gemeinden und Werken nur zu wĂŒnschen, dass sie nicht den Irrungen und Wirrungen Michael Dieners folgen, sondern sich an einer Willkommenskultur orientieren, die an Gesetz und Evangelium gebunden ist.
Johann Hesse
Quelle: Aufbruch â Informationen des Gemeindehilfsbundes 3/2022 (Dezember)
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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 23. Januar 2023 um 11:45 und abgelegt unter Gemeinde, Kirche, Seelsorge / Lebenshilfe, Sexualethik, Theologie.