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Irrungen und Wirrungen

In seinem Präsesbericht für die Mitgliederversammlung des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes hatte sich Michael Diener noch im Februar 2011 für ein bibelgebundenes Verständnis gleichgeschlechtlicher Sexualität eingesetzt: „Aufgrund unseres Verständnisses des Willens Gottes können wir zu praktizierter Homosexualität kein Ja finden. Sie ist Sünde und steht unter dem Gericht Gottes. Wir halten es für einen verhängnisvollen Irrweg, dass die meisten kirchlichen Verlautbarungen spätestens seit 1996 das eindeutige biblische Zeugnis zur Homosexualität dadurch zu entkräften suchen, dass sie es als zeitbedingt einschätzen und das Liebesgebot nicht mehr an die konkreten Weisungen der Heiligen Schrift zurück binden. Anstatt Orientierung zu bieten, wird Verwirrung noch vergrößert.“

In den zurückliegenden Jahren hat sich Michael Dieners Haltung zu diesem Thema grundlegend geändert. Nachlesen kann man das z.B. in seinem Buch „Raus aus der Sackgasse“ (adeo-Verlag, 2021): „Und so fand ich einen Weg – ganz klar, weil ich ihn gesucht habe. Ich WOLLTE meine ablehnende Haltung gegenüber queeren Menschen aufgeben, weil ich felsenfest davon überzeugt war und bin, dass Gott das Elend, das Leid, die Not, die ‚wir Frommen‘ diesen Menschen zugefügt haben, nicht will.“ Er wendet sich gegen eine „fundamentalistische oder biblizistische Lesart der Heiligen Schrift“ (S. 187) und fordert alle Gemeinden, Verbände und Werke auf, die bisherige Haltung zu ändern und sich für LSBTIQ-Menschen zu öffnen: „Es wird die Aufgabe der nachfolgenden Generationen sein, die ich hiermit besonders anspreche, diesen Weg der Öffnung weiter voranzutreiben“ (S. 189). Weiter schreibt er: „Da die evangelischen Kirchen in reformatorischer Tradition die Ehe als ein „weltlich Ding“ betrachten, ist es nur folgerichtig, wenn sie gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen Gottes nicht verweigern“ (S. 193).

Am 10. September 2022 sprach sich Diener bei der Konferenz „Coming-In“ in Niederhöchstadt (veranstaltet wurde die Konferenz von Zwischenraum e.V. in Kooperation mit der evangelischen Andreasgemeinde Niederhöchstadt) dafür aus, für christliche Gemeinden zu arbeiten, „in denen Menschen nach ihrem Coming Out ein herzliches Coming In erfahren, egal, ob lesbisch, schwul, bi, trans, hetero oder anders queer.“ Michael Diener teilte den rund 400 Teilnehmern der Konferenz mit, dass er sich heute für den Präsesbericht von 2011 schäme und in gender- und sexualethischen Fragen eine Entwicklung durchgemacht habe; er sei vom „Saulus zum Paulus“ geworden.

Paulus? Einen Moment bitte! Meint er etwa den Paulus, der die Korinther lehrte: „Nicht über das hinaus, was geschrieben steht“ (1 Kor 4,6)? Den Paulus, der an die Römer schrieb, dass homosexuelle Praxis eine widernatürliche Verirrung sei (Röm 1,26-27)? Den Paulus, der lehrte, dass ein gleichgeschlechtlicher Lebensstil mit vielen anderen Verhaltensweisen zum Ausschluss aus dem Reich Gottes führt, der aber auch wusste, dass eine Veränderung der sexuellen Orientierung oder ein enthaltsamer Lebensstil mit Gottes Hilfe möglich ist (1 Kor 6,9-11)?

Nein, eine Bekehrung vom Saulus zum Paulus kann Michael Diener in dieser Frage sicher nicht für sich beanspruchen. Es gibt allerdings ein mahnendes Paulus-Wort, das Dieners Entwicklung prägnant auf den Punkt bringt: „Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes reden, um die Jünger an sich zu ziehen“ (Apg 20,29-30).

Michael Diener stellt sich offen gegen die biblische Sexualethik und fordert Evangelikale und Pietisten auf, gleichgeschlechtliche bzw. queere Lebensentwürfe zu akzeptieren und zu segnen. Es ist offensichtlich, dass Diener, der immer wieder das Brückenbauen betont (S. 64), auf diese Weise Uneinigkeit unter Christen sät und die Gemeinden spaltet. Schlimmer noch, er verhindert, dass Menschen umfassend zu Gott umkehren und zu einem geheiligten Leben angeleitet werden. In Anlehnung an seinen eigenen Präsesbericht von 2011 könnte man auch sagen: Statt Orientierung zu bieten, hat Diener die Verwirrung in Gemeinden und Werken noch vergrößert.

Der Herr sagt durch den Propheten Jeremia: „Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren“ (Jer 23,22). Michael Diener bestärkt Menschen, an ihren Sünden festzuhalten, und hindert sie, einen Weg der Heiligung einzuschlagen und die verändernde Kraft des Heiligen Geistes zu erfahren. Ist das die Liebe, die uns die Schrift lehrt?

Michael Diener fordert eine Willkommenskultur für LGBTIQ-Menschen in evangelikalen und pietistischen Gemeinden. In der Tat: Willkommen sind alle! Er macht aber den Fehler, mit dieser Forderung zugleich die biblische Ethik aus den Angeln zu heben. Dass es eine überzeugende Alternative zu Dieners Ansatz gibt, kann man in dem Buch „Ist Gott homophob?“ von Sam Allberry nachlesen (Christliche Verlagsgesellschaft, 2021). Der anglikanische Pastor, der anders als Michael Diener selbst Betroffener ist, setzt sich ebenfalls dafür ein, dass sich Gemeinden für schwul oder lesbisch empfindende Menschen öffnen, aber unter Beibehaltung der apostolischen Sexualethik: „Wie tief verwurzelt es in manchen auch sein mag, homosexuelles Verhalten ist nicht unausweichlich. Auch jemand, der seine Homosexualität auslebt, kann von Gott erneuert werden. Gefühle und Versuchungen mögen bleiben. Paulus‘ Warnung an seine Leser, nicht in ihren früheren Lebensstil zurückzufallen, lässt vermuten, dass ein gewisses Verlangen noch da ist. Aber in Christus sind wir nicht mehr die, die wir einmal waren. Wer aus einem aktiven homosexuellen Lebensstil kommt, braucht einen neuen Blick auf sich selbst. Was uns einmal bestimmt hat, definiert uns nicht mehr“ (S. 50).

Es ist den christlichen Gemeinden und Werken nur zu wünschen, dass sie nicht den Irrungen und Wirrungen Michael Dieners folgen, sondern sich an einer Willkommenskultur orientieren, die an Gesetz und Evangelium gebunden ist.

Johann Hesse

Quelle: Aufbruch – Informationen des Gemeindehilfsbundes 3/2022 (Dezember)

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