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J. Diestelmann, Einladung zu Wort und Sakrament (Rezension)

Montag 20. August 2012 von Administrator


Was für ein Gottesdienstverständnis hatte Martin Luther? Wie sollte nach seiner Meinung der Gottesdienst gefeiert werden? In seinem Buch „Einladung zu Wort und Sakrament“ beschäftigt sich der Autor Jürgen Diestelmann ebenso leidenschaftlich wie kompetent mit diesen Fragen. Dies ist für den Leser von heute von besonderem Interesse, da er in der Evangelischen Kirche eine verwirrende Fülle unterschiedlichster Gottesdienstformen wahrnimmt. Das Buch richtet sich an theologisch interessierte Gemeindeglieder, „die Wort und Sakrament lieb haben und sich nach einer gottesdienstlichen Erneuerung in unserer Zeit sehnen“ (Diestelmann) und möchte verhelfen zur Freude an den „schönen Gottesdiensten des Herrn“. (Ps.27,4)

Der Verfasser schreibt nicht nur als ausgewiesener Theologe und Lutherexperte, sondern auch aus seiner langjährigen Erfahrung als Seelsorger und Pfarrer an St. Ulrici in Braunschweig. In fünf Kapiteln entfaltet er die Bedeutung der lutherischen Messe und bezieht sich im Wesentlichen ausdrücklich auf die Heilige Schrift, die Confessio Augustana (Augsburger Bekenntnis als luth. Bekenntnisschrift) und den Großen Katechismus. Auf spannende Weise vermittelt dieses Buch Kenntnisse und Wissen der Gottesdienst-Theologie Martin Luthers, die zum Teil selbst bei Kirchenleitenden lutherischer Kirchen unbekannt sein dürften.

Im ersten Kapitel geht es darum, die regelmäßige Feier der lutherischen Messe als Gottesdienstform mit dem Hinweis auf Confessio Augustana 24 zu betonen: „…dass die Messe, ohn Ruhm zu reden, bei uns mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird“. Diestelmann räumt auf mit der weit verbreiteten, aber falschen Meinung, Luther habe die Messe abgeschafft habe und an deren Stelle den schlichten Predigtgottesdienst gesetzt und betont, dass Predigt (Wort) und hl. Abendmahl stets die beiden Hauptbestandteile der Messe (lutherischen Messe) waren. „Über der lutherischen Messe lag die Faszination des Heiligen und des Geheimnisses, die dem Glauben an die Realpräsenz Christi (seiner wirklichen Gegenwart im hl.Abendmahl unter Brot und Wein) entspricht. „Das konfessionelle Charakteristikum der Lutheraner war also die sonntägliche Feier der Gemeindemesse und die häufige Kommunion (Abendmahlsempfang) der Gemeindeglieder“.(Jürgen Diestelmann)

Im zweiten Kapitel geht es dem Verfasser um ein vertieftes Sakraments- und Kirchenverständnis. Es komme beim hl. Abendmahl nicht nur darauf an, beim Essen von Brot und Wein an den Heiland Jesus Christus zu denken, sondern Leib und Blut Christi zu empfangen und seine wirkliche Gegenwart in diesen Elementen zu glauben. Der Autor betont die einsetzungsgemäße Feier (Verwaltung) des hl. Abendmahles: „Das ist mein Leib das ist mein Blut“. Martin Luther sieht hier ein Wunder, das eucharistische Geheimnis, das sich jedem philosophischen Erklärungsversuch entzieht. Daher verwirft er die Lehre von der Wandlung (Transsubstantiationslehre) und bekräftigt um so stärker den Geheimnischarakter und die wirkliche Gegenwart Christi (Realpräsenz) im heiligen Mahl.

In seinem dritten Kapitel geht es dem Autor um das apostolische Schriftverständnis und die vollmächtige Predigt im Gottesdienst. Dabei setzt er sich kritisch mit der „historisch-kritischen“ Bibelauslegung auseinander. „Hätte Luther als Reformator in Berufung auf Gottes Wort so unerschütterlich auftreten können, wenn er die Bibel ‚historisch-kritisch‘ gelesen hätte?“ Diestelmann führt aus, dass die Bejahung der Textkritik, die behauptet, der Bibeltext sei nicht zuverlässig und hinsichtlich der Wahrheit zu hinterfragen, einer vollmächtigen Predigt im Wege steht: „Es muss mit aller Deutlichkeit festgestellt werden, dass sich das Schriftverständnis, das der historisch-kritischen Bibelauslegung zugrunde liegt, grundsätzlich von dem traditionellen apostolischen Schriftverständnis unterscheidet, das jahrhundertelang galt und das auch von Luther und den lutherischen Vätern vertreten wurde.“

Das vierte Kapitel trägt die Überschrift „Für die ehrfürchtige Feier der Messe und häufige Kommunion“. Der Verfasser zitiert Martin Luther im Großen Katechismus: „… weil wir nun den rechten Verstand und die Lehre von dem Sakrament haben, ist wohl auch eine Vermahnung und Reizung nötig, dass man solchen großen Schatz, den man täglich unter Christen handelt und austeilt, nicht lasse umsonst vorübergehen. Das ist, dass die Christen sein wollen, sich dazu schicken, das hochwürdige Sakrament oft zu empfangen.“ Jürgen Diestelmann geht der Frage nach: Was geschieht eigentlich mit den übrig gebliebenen Hostien und dem Rest des konsekrierten Weines? Für den ehrfurchtsvollen Umgang mit dem Altarsakrament sei es nicht hinnehmbar, das konsekrierte Sakrament mit gewöhnlichem Brot und Wein zu vermischen oder gar zu entsorgen.

Eine gewisse Provokation liegt im 5. Kapitel mit der Überschrift Für ein lutherisches Fronleichnamsfest. Hier lässt sich Diestelmann vom ökumenischen Anliegen der Einheit der Kirche leiten. So sehr er sich gegen eine lutherische Fronleichnamsprozession ausspricht, so sehr spricht er sich dafür aus, an diesem Tag bewusst anbetend und ehrfurchtsvoll das hl. Abendmahl zu feiern, das „Hochfest des Leibes und Blutes Christi“. Schließlich resümiert der Autor, dass Luthers Abendmahlsglaube der röm.-kath. Eucharistielehre erstaunlich nahestehe. Für das ökumenische Miteinander sei diese Erkenntnis sehr belebend. Dieses Buch eignet sich nicht nur für theologisch interessierte Laien, sondern auch für Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter im Gespräch in der Bibelstunde und in Gesprächsgruppen. Es ist eine Hilfe zu einem tiefen, ehrfurchtsvollen Gottesdienstverständnis, zu freudiger und anbetender Glaubenspraxis und Gottesdienstfeier.

Pastor Ulrich Rüß, Hamburg

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 20. August 2012 um 8:00 und abgelegt unter Buchempfehlungen.