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Was predigen die Pfarrer am 29. Juli 2012 über 1.Kor 6,9f: „Homosexuelle werden das Reich Gottes nicht ererben“?

Sonntag 22. Juli 2012 von Pfr. Dr. Tobias Eißler


Pfr. Dr. Tobias Eißler

Was predigen die Pfarrer am 29. Juli 2012 über 1.Kor 6,9f: „Homosexuelle werden das Reich Gottes nicht ererben“?

Regulärer Predigttext am 29. Juli 2012, dem achten Sonntag nach Trinitatis, ist 1.Kor 6,9-14.18-20. Vers 9f lautet in der Lutherbibel: „Weder Unzüchtige noch Götzendiener, Ehebrecher, Lustknaben, Knabenschänder, Diebe, Geizige, Trunkenbolde, Lästerer oder Räuber werden das Reich Gottes ererben.“ Die Übersetzung Luthers ist insofern ungenau, als es statt „Lustknaben“ „Weichlinge“ (malakoi) heißen muss, statt „Knabenschänder“ „homosexuelle Männer“ (arsenokoitai; Männer, die mit Männern den Koitus vollziehen).

Der Neutestamentler Eckhard J. Schnabel schreibt in seinem Korinther-Kommentar dazu (Brockhaus Wuppertal 2006, 319f):

„Das Wort ‚Homosexuelle‘ bezeichnet Männer, die mit Männern sexuell verkehren. Der sexuelle Verkehr mit Kindern oder Jugendlichen (Päderastie) war die am weitesten verbreitete Form homosexuellen Verhaltens; deshalb übersetzen viele mit ‚Knabenschänder‘ (wofür es im Griech. das Wort paidophtoros gibt; vgl. Lev 17,11 LXX). Der Ausdruck bezeichnet allgemein den Homosexuellen (vgl. Röm 1,27; Lev 18,22 LXX). Im Anschluss an das AT galt Homosexualität im Judentum als charakteristische Sünde der Heiden, die die Todesstrafe verdient… Die Aufzählung der Laster in V. 9 und der Hinweis auf die Konsequenz, die sich aus der Praxis dieser Laster ergibt (V.10) macht deutlich, dass Paulus die Homosexualität nicht nur aufgrund seiner jüdischen Herkunft negativ beurteilt… Für Paulus ist das Gericht Gottes eine in der Zukunft eintreffende Realität, an der sich die moralischen Vorstellungen und Verhaltensweisen der Gesellschaft, in der die Christen Korinths leben, massiv stoßen. Aber er kontextualisiert die Sünden der heidnischen Umwelt – und der eigenen Glaubensgemeinschaft – genau so wenig wie Philo in Alexandrien, weil er überzeugt ist, dass sich die Maßstäbe Gottes für die Beurteilung des menschlichen Verhaltens nicht ändern.“

Ein klarer Text: Einige Korinther Christen waren vor ihrer Umkehr zu Christus Homosexuelle. Durch ihre Hinwendung zu Christus wurden sie „reingewaschen“, „geheiligt“, „gerecht“ (11). Das bedeutete: Abwendung von der Praktizierung der Homosexualität. Wenn nun Christen in Korinth in die alte Praxis zurückfallen und dabei bleiben, schließen sie sich selbst aus dem Reich Gottes aus. Das Urteil Gottes im Jüngsten Gericht wird ihnen den Himmel verwehren.

Was sagen aktuelle Predigthilfen zu dieser Belehrung des Apostels, die von der Gemeinde des Herrn Jesus als Gottes Wort gehört wird?

Pfarrer Christian Lehmann (Zuversicht und Stärke 4, Christusbewegung Lebendige Gemeinde, Hänssler-Verlag, 80) meint: „Wenn wir… die aggressive Befürwortung praktizierter Homosexualität in den Blick nehmen, dann sind Paulus‘ Ausführungen nicht nur höchst aktuell, sondern geradezu explosiv.“ In seiner Predigtskizze kommt das Thema nicht explizit vor. Sollte es behandelt werden, rät er zu seelsorgerlicher „Feinfühligkeit“ „anstelle von ethischem Dogmatismus“. Soll das heißen, dass die Paulus-Sätze zu „ethischem Dogmatismus“ tendieren? Was meint dieser abwehrende Begriff?

Pfarrer Harry Waßmann (Für Arbeit und Besinnung 13, Zeitschrift für die Ev. Landeskirche in Württ., 5) stellt fest: „Paulus kritisiert Sexualpraktiken theologisch. … Da Paulus sowohl hetero- als auch homosexuelle Praktiken kritisch in den Blick nimmt, möchte ich hier nicht differenzieren und auch nicht der Frage nach der Liebe gleichgeschlechtlicher PartnerInnen eigens nachgehen. Mir scheint, Paulus‘ Worte können jedwede sexuelle Praxis oder Nichtpraxis sensibilisieren helfen.“ Dementsprechend wird das Thema in seinen Gedanken zur Predigt ausgespart.

Pfarrer Dr. Peter Haigis (Dt. Pfarrerblatt 6/2012) kommentiert: „In einem hoch ‚sexualisierten‘ Klima, wie wir es in unserer Gesellschaft erleben (‚Generation Porno‘), ist es leicht, einer rigoristischen (Sexual-)Ethik das Wort zu reden; um so schwerer fällt es, zu einem differenzierten Urteil zu kommen. M.E. fordert der Abschnitt aus 1.Kor 6 genau dazu heraus… Es geht darum, problematische, nämlich pervertierte und deformierte Körperverhältnisse zu reflektieren und Perspektiven für eine Leiblichkeit (und Leibfreundlichkeit) zu eröffnen, die dem biblischen Schöpfungszeugnis wie dem Evangelium gerecht werden.“ Was bedeutet diese Leitlinie konkret für die Predigt über 1.Kor 6,9f? Auch diese Predigthilfe lässt das „heiße Eisen“ am Anfang des Predigttextes unkommentiert.

Woher kommt dieses Schweigen der Predigthilfen zu der eindringlichen Warnung des Paulus: „Homosexuelle werden das Reich Gottes nicht ererben“? Ob sich das fortsetzt in einem Schweigen der Prediger am 29. Juli 2012 über jenes Thema, das die EKD mit ihrem neuen Pfarrerdienstgesetz auf die Tagesordnung gesetzt und damit reihenweise Entschlüsse von Landeskirchen zur offiziellen Zulassung von homosexuellen Pfarrern ausgelöst hat? Also zur Zulassung von Pfarrern, die das Reich Gottes nicht ererben werden? Dieses Schweigen wäre nicht nur eine Verdrängung des Gesetzes, das vor Sünde warnt und zur Umkehr ruft, sondern auch eine Verdrängung des Evangeliums, das jedem Homosexuellen die Liebe Gottes zuspricht, die als befreiende Rechtfertigung und Heiligung sein Leben rettet.

Der Prophet Hesekiel wird von Gott in die Pflicht genommen (Hes 3,18): „Wenn ich (Gott!) dem Gottlosen sage: Du musst des Todes sterben! und du warnst ihn nicht und sagst es ihm nicht, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Wege zu warnen, damit er am Leben bleibe, – so wird der Gottlose um seiner Sünde willen sterben, aber sein Blut will ich von deiner Hand fordern.“ Paulus kommt der Verpflichtung nach, durch deine deutliche Warnung vor dem Todesgericht zum Lebensweg mit Christus hinzuführen. Prediger in seiner Spur werden am 29. Juli 2012 ebenso handeln, d.h.: die Gesellschaft, die Kirche und die Kollegenschaft warnen und ihr die überaus freundliche Einladung Gottes zum Leben aufleuchten lassen.

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Pfr. Dr. Tobias Eißler, Gunzenhausen – 21. Juli 2012

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 22. Juli 2012 um 13:56 und abgelegt unter Kirche, Sexualethik, Theologie.