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Leben und Sterben unter dem neuen Präimplantationsgesetz

Donnerstag 3. Mai 2012 von Dr. Jörg Michel


Dr. Jörg Michel

Leben und Sterben
unter dem neuen Präimplantationsgesetz

Dieser Artikel beschreibt die Situation kurz nach dem Beschluß des Deutschen Bundestages im Juli 2011, per Gesetz die genetische Untersuchung von künstlich befruchteten Eizellen zu erlauben. Es handelt sich um eine Momentaufnahme, die sich der Kritik des Gesetzes widmet und einen kurzen Überblick über die wichtigsten Bedenken bieten soll.

Die Hoffnung auf ein gesundes Kind entspricht dem natürlichen Wunsch der Eltern. Die moderne Medizin stellt dabei ein Methodenarsenal bereit, welches diesem Wunsch dienlich sein soll. Jenen Eltern, die bereits ein Kind mit schwerer Behinderung haben, scheint bei einem weiteren Kinderwunsch durch die Präimplantationsdiagnostik eine Methode zur Verfügung zu stehen, die vor einem „Wieder­holungsrisiko“ zu schützen scheint.

Der Bundestag beschloß vor der Sommerpause 2011 ein neues „Gesetz zur Präimplantationsdiagnostik“ (PräimpG). Nach diesem Gesetz ist eine solche Präimplantationsdia­gnostik (PID) zulässig, wenn die Nach­kommen eines Paares „eine hohe Wahr­schein­lichkeit für eine schwer­wiegende Erb­krankheit“ haben oder eine gene­tische Schädigung bzw. eine Ab­weichung in den Chromosomen dazu führen würde, daß die Schwanger­schaft mit einer Fehl- oder Totgeburt endet. In der Praxis soll das so aussehen: Bevor der Gentest am Embryo gemacht werden darf, müssen sich die Frau bzw. das Paar fachlich beraten lassen. Dann muß eine interdisziplinär zusammengesetzte Ethik­kommission an einem (noch zu berufenden) zugelassenen Zentrum für PID über den Einzelfall entscheiden, also abwägen, ob es sich um eine schwerwiegende Erbkrankheit handelt. Stimmt die Kommission zu, darf ein qualifizierter Arzt an einem solchen Zentrum die grundsätzlich durch künstliche Befruchtung gezeugten Embryonen genetisch untersuchen. Nur ein „gesunder“ Embryo wird der Frau in die Gebärmutter eingesetzt. Alle Embryonen mit unerwünschten Merkmalen werden „verworfen“, d.h. sie sterben.

Ist dies ein geeignetes moralisches Verfahren? Soll es, wenn es die Gesetzeslage eben erlaubt, in begrenztem Umfang möglich sein, Embryonen zu selektieren und „gesunde“ in die Gebärmutter einzusetzen und die „anderen“ zu „verwerfen“, also absterben zu lassen? Oder ist es nicht vielmehr so, daß der moralisch achtenswerte Wunsch, daß das Kind gesund sein möge eben nicht mit dem Willen gleichgesetzt werden kann, es nur unter diesen (gesunden) Bedingungen anzunehmen?

I.                         Die formale Kritik

Das Gesetz hat, kaum daß es beschlossen wurde, förmliche Kritik hervorgerufen. Der Medizinrechtler Oliver Tolmein betrachtet die Einrichtung der Ethikkommissionen kritisch. Es sei unklar, wer die Mitglieder berufe. Würden dies die Ärztekammern übernehmen, herrsche oft ein Übergewicht an Medizinern in den Gremien, schreibt Tolmein in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung[1]. Der Jurist spricht sich dafür aus, daß auch Betroffene, also etwa behinderte Menschen, in die Ethikkommissionen berufen werden. Der Jurist und Rechtsphilosoph Thomas Gutmann hält das Präimplantationsgesetz verfassungsrechtlich für bedenklich. Der Gesetzgeber habe sich seiner Verantwortung entzogen, indem er auf die Festlegung genauer Kriterien für die Zulässigkeit einer PID verzichtet habe. „Der Streit im Bundestag wird damit in die Ethikkommissionen verlagert“, kritisiert Gutmann vom Forschungsverbund ‚Religion und Politik‘ an der Universität Münster. Eine letztlich willkürlich zusammengesetzte Ethikkommission habe jedoch keine rechtsstaatliche Legitimation und sei kaum kontrollierbar. „Welchen Rechtsweg soll der Bürger einschlagen, wenn er sich gegen die Entscheidung einer Ethikkommission wehren will?“, fragt Gutmann[2]. Die EKD kritisierte das PID-Gesetz als „zu weitgehend“, und die römisch-katholische Kirche hat sich klar gegen jedwede Präimplantationstechnik ausgesprochen.

II.                      Die ethische Kritik

Neben diesen Protesten formaler Art bestehen weiterhin schwere ethische Bedenken gegen die PID. Im Folgenden werden drei Gebiete in den Blick genommen, die einzeln wie insgesamt, nur einen Ausschnitt dieser Kritik abbilden. Erstens werden die weiteren möglichen Entwicklungen betrachtet: Wie sieht die Praxis in den Ländern aus, die die Präimplantationsselektion seit längerem erlauben? Zweitens wird sich der Frage zugewendet, wer entscheidet, was eine schwerwiegende Behinderung ist? Und drittens wird der Frage nach dem Beginn des Lebens und seiner Schutzwürdigkeit nachgegangen.

II.1. Zur Frage der Praxis in anderen Ländern

Die sogenannte Präimplantationsdiagnostik breitet sich nach einer kurzen Etablierungsphase in der Praxis schnell aus, wenn es keine starken rechtlichen Barrieren gibt. Zu diesem Schluss kommt das Büro für Technikfolgenabschätzung des Bundes­tages in einer Untersuchung der Praxis und rechtlichen Regulierung der PID in sieben Ländern, die der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen­abschätzung als Unter­richtung schon im Jahre 2004 vorgelegt hat. Gerade diese starken rechtlichen Regelungen läßt eben das neue deutsche Präimplantationsgesetz vermissen. „Die Untersuchung der Länder Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen und den USA machte deutlich, daß die praktische Anwendung der PID international weiter fortgeschritten sei, als weithin angenommen“[3].

So werden im Vereinigten Königreich wie in Spanien „Retter-Geschwister“ (engl. „Saviour Siblings“[4]) erzeugt. Als Retter-Geschwister werden Kinder bezeichnet, die einem kranken älteren Geschwisterkind für die Behandlung notwendiges Blut oder Gewebe liefern sollen. Da die Eltern selbst aufgrund fehlender Eigenschaften nicht als Spender geeignet sind, wird eine künstliche Befruchtung durchgeführt und mittels PID der Embryo mit der größten genetischen Ãœbereinstimmung mit dem erkrankten schon geborenen Kind ausgewählt und der Frau eingepflanzt. Nach der Geburt soll dann mit den Stammzellen aus dem Nabelschnurblut oder dem Knochenmark des Neugeborenen dem kranken Geschwisterkind geholfen werden. Dabei werden alle andere Embryonen, die eine geringere genetische Ãœbereinstimmung besitzen, aber kerngesund sind, „verworfen“, d.h. man läßt sie absterben. Das „Retter-Geschwisterkind“ verdankt den Umstand seines ins-Leben-kommen seinen vorgeburtlich bestimmten positiven Selektionsmerkmalen!

In den USA ist, je nach Bundesstaat, die Geschlechtswahl erlaubt. Embryonen, die das nicht gewünschte Geschlecht besitzen, werden ebenfalls „verworfen“ (z.B. in Kalifornien). Als nächstes sollen Eigenschaften wie die Augenfarbe bestimmbar und wählbar sein. Die stärksten Argumente gegen diese Anwendung der PID werden durch die Begriffe „Designer-Baby“ und „Verzweckung“ ausgedrückt. Es werden hier gezielt Menschen nach positiven Merkmalen (wie bestimmte Blut­eigenschaften, genetische Merkmale, Geschlecht) ausgewählt und diese Eigenschaften sind dann eben notwendig, um geboren zu werden. Hier ist der Mensch in seinem Anfang nicht mehr um seiner selbst willen lebens- und schützenswert; er muß sich sein Geborensein durch seine Eigenschaften verdienen. Dies ist, dann folgerichtig, ein erster Schritt in Richtung „Designer-Babys“, also ein Schritt hin zu der Konstruktion von Menschen mit verschiedenen erwünschten und möglichst wenig „unerwünschten Eigenschaften“. Der Erlaubnis zur PID schlossen sich in allen betrachteten Fällen sukzessive immer weitere Selektionen von Merkmalen an, die mit einer schwerwiegenden Erbkrankheit immer weniger zu tun haben.

II.2. Wer entscheidet, was schwerwiegend ist?

Diese beschriebene Vorgehensweise ist weit davon entfernt, lediglich „schwere unzumutbare Erkran­kungen“ auszuschließen, also nur auf die Selektion „negativer Merkmale“ zu zielen. Im Bereich des deutschen Gesetzes zur Regelung der Präimplantations­diagnostik ist es erlaubt, Embryos, die eine „hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erb­krankheit“ aufweisen oder „schwerwiegende Schä­digung [besitzen], die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen“ straffrei zu diagnostizieren und bei entsprechendem Befund zu „verwerfen“[5]. Dies führt uns zum nächsten Punkt: Wer entscheidet, was eine schwerwiegende Behinderung ist?

Der Gesetzgeber hat sich gescheut, eine solche Liste mit zur Abstimmung zu stellen. Somit ist der praktische Geltungsbereich des Gesetzes immer noch unklar, was eine überaus bemerkenswerte Besonderheit in diesem Geschehen darstellt. Die oben angesprochenen Ethikkommissionen werden also mit dieser Aufgabe betreut werden. Dies führt hoffentlich nicht dazu, daß diese Arbeit wie die Ergebnisse weniger im Interesse der Öffentlichkeit stehen als die Debatte um die Bundes­tagsabstimmung. Böse wäre, wer Arges dabei denkt. Doch die Frage bleibt: was ist eine schwerwiegende Behinderung und wie wird sie diagnostiziert? Zur Diagnose selbst ist festzuhalten, daß sie grundsätzlich eine Momentaufnahme des Embryos ist; sein muß. Die weitere Entwicklung des Embryos ist damit nicht zwingend vorhersagbar. Die Ärzte haben es häufig versucht: Sie haben Embryonen auf Chromosomenstörungen hin untersucht, ehe sie diese implantierten. Sie mußten jedoch feststellen, daß der Anteil von „krankhaften“ Embryonen extrem hoch ist – viel höher, als es der Anteil von geborenen „kranken“ (hier: Trisomie-)Kindern erwarten ließe. „Offenbar gibt es frühembryonale Reparaturmechanismen, mit deren Hilfe der Embryo sich selbst überschüssiger Chromosomen zu entledigen weiß.“[6] Mit anderen Wor­ten: die Prognose­fähigkeit der Präimplan­tations­diag­nostik ist nicht in allen Fällen sehr hoch. Was hier am Beispiel eines „genetischen Defektes“ gezeigt ist, muß nicht für andere Beispiele „schwerer genetischer Erkrankungen“ gelten.

Doch die Aufgabe, die Krankheiten zu definieren, die eben diese „Schwere“ mit sich bringen, bleibt. Sicherlich gibt es dabei viele Aspekte zu bedenken. Genannt seien: die Wahrscheinlichkeit der Vererbung des „Gen-Defekts“, die Wahrscheinlichkeit der Manifestation der Krankheit, die Beeinflussung der Lebenserwartung durch die Krankheit, das Manifestationsalter der Krankheit, die Beeinflussung der Lebensqualität durch die Krankheit. Doch auf welcher Basis entscheidet es sich denn nun wirklich, was „gutes Leben“ ist? Reicht eine medizinisch-statistische Bewertung aus? Wie kann die hypothetische Bewertung fremden Lebens gelingen? Es läßt sich gerade nicht von vorneherein sagen, ob das Leben eines behinderten Kindes unglücklicher sein wird als das eines Kindes ohne Behinderungen. Dies ist von vielen Variablen abhängig: der Hilfestellung, die das Kind von seinen Eltern, Geschwistern, Kameraden erhält; von der Anerkennung und Förderung von Seiten der Gesellschaft. Und mit Sicherheit kann niemand vorherbestimmen, ob „ein behindertes Kind die eigene Nichtexistenz der ihm vom Schicksal aufgenötigten Existenz mit einer schweren Behinderung vorziehen würde.“[7] Mit der Krankheit wird mittels der PID der Kranke beseitigt. Entspricht diese Vorgehensweise unserer Vorstellung von einem geeigneten moralischen Verfahren?

II.3. Zur Frage des Lebensbeginns

Der Zeitpunkt des Beginns des menschlichen Lebens ist aus wissenschaftlicher Sicht nicht eindeutig definiert. Als mögliche Zeitpunkte werden in der biologischen Diskussion sehr häufig die Befruchtung, die Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut (ca. 14. Tag nach der natürlichen Befruchtung) und die Entwicklung der Organe, besonders des Nervensystems (12. Woche nach der natürlichen Befruchtung), genannt. Doch es gibt sehr viele gute Gründe, den Beginn des biologischen Lebens des Menschen an den für uns allerfrühsten wesenhaften Moment zu legen, der Befruchtung der Eizelle durch die Samenzelle. „Wer dem menschlichen Embryo nicht von Anfang an rechtlichen Schutz gewährt, findet später keinen überzeugenden Zeitpunkt mehr, von dem an dieser Schutz gelten soll, und zwar ohne interessengeleitete Willkür.“[8]

Die Entstehung des Menschen ist ein Prozeß, ein Ablauf. Dabei entwickelt sich der Mensch immer als Mensch, nie zum Menschen. Es entspricht einem Prozeß: dem des Werdens, vom Anfang bis zum Ende. In diesem Werden hat der Mensch seine Identität und seine Würde. Diese bleibt ihm, unabhängig, ob er zu allen Lebensäußerungen fähig ist oder nicht. Seine Würde und Identität ist ebenfalls unabhängig von seiner Erinnerung bzw. von seinem Bewußtsein. Sie setzt nicht erst mit zwei oder drei Lebensjahren ein, und schon gar nicht hört sie vor seinem leiblichen Tod auf. Sie geht zurück bis zum unhintergehbaren Punkt seiner leiblichen Existenz: der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle zum Embryo.[9] Der biologische Beginn des menschlichen Lebens geht immer und nur und ausschließlich über diese befruchtete Eizelle.

Der Embryo ist alles andere als eine „Zellmasse“. Er ist Entwicklung und Dynamik pur. Er ist aktiv darauf ausgerichtet, sich in der Gebärmutter­schleimhaut einzunisten und er ist auf die Geburt hin angelegt. Die befruchtete Eizelle ist der nicht hintergehbare biologische Beginn der Lebensentstehung. Diese Definition ist zugleich die willkür­ärmste und ermöglicht umfassenden Lebensschutz, der die Interessen der Geborenen wie auch die Perspektive des Embryos angemessen berücksichtigt.

Die deutsche, wie auch nun die europäische Rechtsprechung haben sich ebenfalls mit dem Beginn des Lebens beschäftigt. Die Folgerungen daraus sind eindeutig. „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Der erste Artikel des deutschen Grundgesetzes sieht den Menschen vor dem christlichen Hintergrund.[10] Das impliziert, daß die Menschenwürde unaufgebbar mit dem gesamten Leben des Menschen verbunden ist. Leben und Menschenwürde sind nicht trennbar. Die Menschenwürde kann nie verloren, wohl aber verletzt werden.

Die Idee einer abgestuften Schutzwürdigkeit des Lebens beinhaltet den Gedanken, daß es Stadien menschlichen Lebens gibt, denen etwas zur Vollständigkeit der Existenz fehlt: wie z.B. vor der Einnistung in die Gebärmutter, vor der Ausbildung eines Nervensystems oder bei fehlender Möglichkeit, ein Interesse zu bekunden. Der Mensch, als Geschöpf Gottes, ist aber sprichwörtlich „mit Leib und Seele“ das Werk seines Schöpfers. Seine irdische Personalität ist von seinem irdischen Leib nicht zu trennen, „die ganze Leiblichkeit ist Träger der Gottebenbildlichkeit“[11]. Wenn überhaupt der Begriff „Abstufung“ hier eine Rolle spielen sollte, dann doch gerade am Beginn des Lebens insofern, daß seine größere Hilfsbedürftigkeit einen umso höheren Schutzanspruch begründet, nicht zuletzt, um eben der Möglichkeit einer Verletzung der Menschenwürde zu wehren.

Es sei besonders angemerkt, daß das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Straffreiheit des Schwanger­schafts­abbruchs nicht mit der fehlenden Würde oder des niederrangigen Schutzes des Embryos begründet hat. Das BVG argumentiert vielmehr, daß in bedrohlichen Konfliktsituationen das Töten von Leben zugunsten des Lebenserhalts anderen Lebens (hier das der Mutter) straffrei bleibt (dies entspricht hier einer von der Bestrafung freigestellten Straftat).[12]

Der Europäische Gerichts­hof hatte (bezeich­nenderweise) einen Patentstreit zu entscheiden. Hier ging es um die Patentier­barkeit eines Verfah­rens, das die Ent­nahme von Stamm­zellen aus einem menschlichen Embryo im frühen Stadium vorsieht, wodurch dieser Embryo zerstört wird. Der Europäische Gerichtshof entschied, daß ein solches Verfahren von der Patentierung auszuschließen sei. In seiner Begründung im Oktober 2011 führte er aus, „[…] daß der Begriff des menschlichen Embryos weit auszulegen ist. Insofern ist jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an als „menschlicher Embryo“ anzusehen, da die Befruchtung geeignet ist, den Prozeß der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen.“[13] Der deutsche Gesetzgeber ist im Sommer 2011 beim Beschluß zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik diesen nationalen wie europäischen Auslegungen nicht gefolgt.

III.                    Fazit

Die befruchtete Eizelle stellt den für uns frühesten wägbaren Zeitpunkt da, einen Menschen als solchen zu beschreiben und ihn um seiner selbst willen wahrzunehmen und wertzuschätzen. Die PID ist wesentlich darauf angelegt, Embryonen mit negativen genetischen Merkmalen zu „verwerfen“, d.h. einen werdenden Menschen zu töten. Das technische Prozedere der PID erzeugt dabei fast immer mehr Embryonen, als später eingesetzt werden können. Eingesetzt werden ausschließlich Embryonen, die nur dann eine dem natürlichen Zeugungsvorgang vergleichbare Entwicklungschance haben, wenn sie den Vorstellungen seiner Erzeuger entsprechen. Es bestehen demzufolge schwerwiegende ethische Bedenken gegen die PID. Ebenso erhebt sich bedeutsame formale Kritik an den Durch­führungs­bestimmungen des Präimplan­tationsgesetzes wie auch gewichtige Anfragen an die rechtsstaatliche Legitimation von Ethikkommissionen, die über Leben und Tod entscheiden. Dagegen warten Gebiete wie Adoption(srecht), eine familienfreundliche Politik und Gesellschaft (die sich nicht im Erschaffen immer neuer Hortplätze erschöpft, sondern behinderten­freundliche und alle im Umgang mit Behinderten Beteiligten unterstützende gesellschaftliche Strukturen schafft) sowie eine umfassende Neubesinnung auf das Leben als Geschenk GOTTES als dankbare Entwicklungsfelder der weiteren Bearbeitung. In diese Bereiche Energie, Verstand und Wohlwollen zu setzen, wird Kindern und dem ganzen Volk zugutekommen. Und nicht zuletzt jenen Eltern Möglichkeiten geben, die den Wunsch nach einem gesunden Kind dem Wert und Recht des menschlichen Lebens unterordnen wollen.

 Dr. Jörg Michel, Meißen, im November AD 2011


[1]„Wer entscheidet, was schwerwiegend ist?“ Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.Juli 2011.

[2] Kritik an der PID-Regelung: Ein Gesetz, das nichts entscheidet, in: http://www.evangelisch.de/themen/gesellschaft/kritik-an-pid-regelung-ein-gesetz-das-nichts-entscheidet45941 Zugriff am 7. Oktober 2011

[3]Bundestag aktuell, HIB 186/2004 vom 14.07.2004.

[4] Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, in http://www.drze.de/im-blickpunkt/pid/module/retter-geschwister-saviour-siblings Zugriff am 7. Oktober 2011.

[5]Vom Bundestag beschlossenes Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG); § 3 a, Abs. 2.

[6]Eberhard Schwinger, SPIEGEL ESSAY vom 12.07.2010

[7]Eberhard Schockenhoff, Positionen christlicher Ethik zur Präimplantationsdiagnostik, in: zur debatte 2/2011, S. 15.

[8]Robert Leicht, in: Die Zeit Nr. 21, 2001.

[9]Dies vollzieht auch der Gesetzgeber nach: im „Gesetz zum Schutz von Embryonen“, EschG, 1991; im „Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen“, Stammzellgesetz, StzG, 2002)

[10]Dies wird im ersten Satz der Präambel des Grundgesetzes deutlich („Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen […]“).

[11]Ulrich Eibach, Gentechnik und Embryonenforschung, Wuppertal, 2002, 1. Aufl., S. 59.

[12] Zweites Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Abtreibungsstrafrecht, in: Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht, amtliche Sammlung, Bd. 88, S. 203 ff. (BVerfGE 88, 203 ff).

[13] Gerichtshof der Europäischen Union, Pressemitteilung Nr. 112/11 vom 18.10.2011, Urteil in der Rechtssache C-34/10 Oliver Brüstle / Greenpeace e.V.  Hervorhebung durch den Autor.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 3. Mai 2012 um 12:21 und abgelegt unter Lebensrecht, Medizinische Ethik.