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Botschaft des Erzbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands zum Christfest 2011

Freitag 30. Dezember 2011 von Erzbischof Janis Vanags


Erzbischof Janis Vanags

Botschaft des Erzbischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche Lettlands Jānis Vanags zum Christfest des Jahres 2011

Jeder Tag kommt zu uns mit neuen Botschaften, die eigentlich gar nicht neu sind. Wir sind es gewohnt, dass wir am Morgen, wenn wir im Hörfunk die Nachrichten vernehmen oder eine Zeitung aufschlagen, über die Unsicherheit des Stoffes im Inhalt hinweghören oder hinweglesen. Was wird uns der heutige Tag bringen? Was wird nach einem Monat oder nach einem Jahr geschehen? Wird es uns nicht ebenso wie Joseph und Maria gehen, deren Zeit gekommen war, ein Kind zu gebären weit weg von zu Hause und ohne eine Herberge?

Eine solche Unsicherheit ist kein gutes Milieu für ein Kind, das zur Welt kommen soll. Dieses Empfinden von Unsicherheit ist vor allem die Ursache dafür, dass in Lettland so wenig Kinder geboren werden. Dabei geht es nicht nur um die Unsicherheit des Einkommens und der Arbeitsstelle in der Zukunft, sondern auch um die Unsicherheit gegenüber unserer Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, eine Ehe zu schließen, eine Familie zu gründen und Eltern zu werden. Kinder erscheinen vielen heute als eine Belastung und ein Kreuz.

Doch der Weihnachtstag kam mit einer frohen Botschaft an: „Fürchtet euch nicht. Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren soll, denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr.“ Der Engel verkündigte diese Botschaft den Hirten auf dem Felde, aber die konnten sie nicht verstehen. Sie sprachen untereinander: „Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die uns der Herr kundgetan hat.“ Vielleicht fällt es auch uns nicht leicht zu begreifen, weshalb die Botschaft von der Geburt Jesu eine frohe Botschaft sein soll. Wie kann sie uns in dieser unbeständigen Zeit helfen? Ja, dann reagieren wir vielleicht auch selbst wie damals die Hirten: „Ich gehe und erforsche alles, was mir Gott damit hat sagen wollen?“ Ja, tatsächlich: das wahre Weihnachtswunder ist nicht auf der Oberfläche ausgebreitet. Bis zur großen Freude müssen wir den langen Weg der Anerkennung und des Vertrauens zurücklegen. In Bethlehem ist uns der Heiland – oder in der Sprache unserer Zeit der Befreier – geboren.

Gewöhnlich fangen wir an, das mit großen und ewigen Begriffen zu erklären: alle, die glauben und getauft werden, befreit Jesus von dem Schicksal, von Gott am Tage des Jüngsten Gerichtes verurteilt zu werden. Gottes Liebe hat uns den eingeborenen Sohn beschert, auf dass alle, die in Christus sind, nicht verloren werden. Wer sein Wort vernimmt und an den glaubt, der ihn gesandt hat, der hat das ewige Leben. Der kommt nicht in das Gericht, sondern ist aus dem Tod in das ewige Leben eingegangen. Das ist wirklich eine frohe Botschaft, die uns hilft, ruhig über den Tod nachzudenken. Gemeinsam mit Jesus können wir auf ihn zu- gehen in der Gewissheit, dass uns danach der Friede und die Seligkeit in der Gemeinschaft mit Gott erwartet.

Trotzdem werden unsere Gedanken viel mehr damit befasst, wie wir diese Woche und diesen Tag überleben. Kann uns Jesus auch von der Unsicherheit unseres irdischen Lebens befreien? Wenn er den Kummer und die Sorgen seiner Jünger erblickte, sagte er jedes Mal: Fürchtet euch nicht, fürchtet euch nicht, fürchtet euch nicht… Er verspricht ihnen nicht, sie vor Schwierigkeiten zu bewahren. Er verspricht ihnen auch nicht, dass ihnen nichts weggenommen würde. Er befreit sie nicht von der Besatzungsmacht und verändert nicht ihr politisches System. Statt dessen lässt er sie in seiner Gegenwart Frieden und Sicherheit erfahren. Diejenigen, welche Jesus nachfolgten, besaßen fast gar nichts. Ihre Zukunft war ihnen fast völlig unbekannt. Und dennoch lebten sie vollblütig und begeistert. Gemeinsam mit Christus lebten sie so, als ob ihnen jeder Verlust hundertfach vergolten würde.

Einer von ihnen, Johannes, schrieb später: „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus.“ Wenn wir Christus lieben dann erfahren wir, dass er unser teuerster Schatz ist, und er uns die Ruhe des Herzens schenkt. Wenn die Liebe, mit der wir Christus lieben, wirklich vollkommen ist, dann gibt es nichts mehr, wovor wir uns fürchten müssten, denn er hat alles, was dem Leben Trost und Freude schenkt. Niemand kann ihn uns fortnehmen. Mit ihm haben wir alles. Das kann man weder erklären noch beweisen, sondern nur selbst erfahren.

Natürlich haben wir bis zur Vollkommenheit der Liebe immer noch einen Weg vor uns. Gehen auch wir nach Bethlehem, um dort zu erfahren, was dort geschehen ist und was uns Gott geschenkt hat. Christus befreie uns von aller Furcht zum wirklichen Leben. Christus wurde in der Armut geboren und lag in einer Krippe, doch das Wichtigste dabei ist, dass er erwartet und geliebt wurde. Joseph und Maria hatten miteinander alles geklärt, es gab keinen Verdacht und keinen Zweifel mehr. Sie wollten zusammen mit Gott leben und Jesus bei seinem Aufwachsen begleiten, so gut sie es konnten. Heute nennen wir sie auch die Heilige Familie. Lass uns zu Weihnachten Gott darum bitten, dass durch die Gegenwart Christi unser Zweifel und unsere Unsicherheit von uns weichen möchten. Dass in unserem Lande wieder Hochzeiten gefeiert werden und dass es viele Familien gebe, die wir auch als Heilige Familien bezeichnen könnten. Dass die Kinder, die noch nicht geboren sind, zur Welt kommen und geliebt werden, auch wenn das in Armut und in einer Krippe geschieht. Dass sie heranwachsen, von Gott und den Eltern behütet, allen zur Freude und zum Segen. Möge uns unser Weg zum Leben hinführen.

Mit herzlichen Grüßen

Euer / Ihr Erzbischof Jānis Vanags

Übersetzung aus dem Lettischen: Johannes Baumann

Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 30. Dezember 2011 um 11:31 und abgelegt unter Christentum weltweit, Predigten / Andachten.