Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dokumentation zu einem Presbyteriumsbeschluss über die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare

Freitag 26. August 2011 von Administrator


Dokumentation zu einem Presbyteriumsbeschluss über die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare

Die folgenden Dokumente, die hier anonymisiert wiedergegeben werden, sind ein typischer Beleg für den tiefgehenden Riss, der heute an der Frage der Bewertung praktizierter Homosexualität durch viele evangelische Kirchengemeinden geht. Sie wurden uns von einem Gemeindeglied aus einer großen westdeutschen evangelischen Landeskirche zur Verfügung gestellt.

1.) Gemeindeversammlung anlässlich der Frage, ob das Presbyterium Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zulassen solle

Anlässlich der Frage, ob die Ev. Kirchengemeinde Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare zulassen solle, berief das Presbyterium Anfang 2011 eine Gemeindeversammlung ein. Diese hatte zwar keine Entscheidungsbefugnis, sollte aber ein Meinungsbild vermitteln, das in die Entscheidung des Presbyteriums einfließen sollte. In der Gemeindeversammlung wurde deutlich, dass ein Riss durch die Gemeinde geht. Während die ältere Generation mehrheitlich gegen eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare eintrat, sprach sich die jüngere Generation mehrheitlich zu Gunsten der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aus. Der Pfarrer der Kirchengemeinde machte deutlich, dass die Segnung homosexueller Paare für ihn ein seelsorgerliches Problem sei. Da er niemanden zurückweisen könne, setze er sich auch für die Segnung homosexueller Paare ein. Die zuständige Landessynode hatte die Kirchenleitung beauftragt zu prüfen, ob eine gottesdienstliche Begleitung homosexueller Paare theologisch zu verantworten und liturgisch umsetzbar sei. Es sollte weiterhin geprüft werden, ob es einer gesamtkirchlichen Regelung durch die Landessynode bedarf oder die einzelnen Presbyterien individuell entscheiden sollten.

2.) Stellungnahme eines Gemeindegliedes im Anschluss an die Gemeindeversammlung zur Situation der Gemeinde

Sehr geehrter Herr Pfarrer,

die Enttäuschung nach unserem Telefongespräch vorigen Samstag war auch bei mir riesengroß. Aber was heißt Ent-Täuschung? Da ist eine Täuschung – eine falsche Sicht – weggenommen. Darin kann etwas Positives liegen. Ich denke, daß auch unserer beider Erfahrungs- und Informationshintergrund ein sehr verschiedener ist.

Mit dem Zitat von Sebastian Haffner* hatte ich versucht, darauf hinzuweisen, wie sehr sich unsere Gesellschaft in den letzten ca.100 Jahren verändert hat. Das gravierendste Moment ist sicher die Entchristlichung. Wenn der Mensch Gott vergißt oder ihn verdrängt und sich selbst zum Maß aller Dinge macht, dann geht alles daneben, was wir ja im Augenblick wieder vor Augen haben.

Die Gottvergessenheit bringt auf der anderen Seite Unsicherheit, Angst und Orientierungslosigkeit bei den Menschen mit sich. Dahin paßt dann auch die enorme Zunahme der Homosexualität in den letzten Jahren und die Gender-Mainstreaming-Geschichte. Hier wird die gute Schöpfungsordnung Gottes auf den Kopf gestellt. Wer weiß, viel1eicht gibt es demnächst auch Versuche, daß Männer Kinder zur Welt bringen können.

In diese Welt ist die Gemeinde Jesu hineingestellt. Sie soll Licht und Salz sein. Die Gemeinde Jesu ist in dieser We1t, aber nicht von dieser Welt, weil sie den Bezug zu Gott hat. Ihr ist auch die Fähigkeit verheißen, die Geister zu unterscheiden.

Aber wenn ich entscheiden will, muß ich vorher unterscheiden. In diesem Sinne hatte ich den Vorschlag mit der Vortragsveranstaltung von Frau Dr. Vonho1dt** gemacht. Sie als Ärztin arbeitet seit Jahren mit Homosexuellen, die sich verändern möchten. Sie ist eine feine Frau und Persönlichkeit.

Letztlich ist es die Frage, wie begegne ich Homosexuellen mit Liebe? Ist es der kirchliche Segen – oder doch vielmehr die Hilfe zur Veränderung?

Ich hoffe, daß die Enttäuschung auf beiden Seiten abnimmt. In diesem Sinne grüße ich Sie

Ihre N. N.

*„Es gibt drei große gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die schon im späten Kaiserreich begannen, sich unter Weimar wie auch unter Hitler fortsetzten und in der Bundesrepublik und DDR immer noch reißend weitergehen. Das sind erstens die Demokratisierung und Egalisierung der Gesellschaft, also die Auflösung der Stände und Auflockerung der Klassen; zweitens die Umwälzung der Sexualmoral, also die zunehmende Abwertung und Ablehnung christlicher Askese und bürgerlicher Dezenz (Anstand, Zurückhaltung) und drittens die Frauenemanzipation, also die fortschreitende Einebnung des Geschlechtsunterschiedes in Rechtsordnung und Arbeitswelt.“

Sebastian Haffner, Anmerkungen zu Hitler, 22. Auflage, 1978, bei Kindler, S. 48.

** Der Vorschlag, Frau Dr. Vonholdt einzuladen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dies sei „nicht zielorientierend“.

3.) Einspruch des Gemeindegliedes gegen den Presbyteriumsbeschluss, Segnungen homosexueller Partnerschaften zuzulassen

An das Presbyterium
der Evangelischen Kirchengemeinde

Sehr geehrte Damen und Herren Presbyter, sehr geehrter Herr Pfarrer,

in einer Zeit der Umwertung vieler Werte durch den Nationalsozialismus in Politik, Gesellschaft und Kirche, hatte das Presbyterium unserer Gemeinde damals den Mut und die Weisheit, sich hinter die klaren Aussagen der Bekennenden Kirche zu stellen. Wir wissen heute, wie richtig diese Entscheidung war. Dafür können wir heute unseren Vätern und Müttern im Glauben nur danken.

Nun haben Sie in einer Ihrer letzten Sitzungen durch einen Beschluß den Weg freigegeben zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Sind Sie sich der Tragweite dieses Beschlusses bewußt?

1. Sie mißachten damit die Gültigkeit des Wortes Gottes.

In Artikel 1 ihrer Verfassung vom 11.Juli 1933 steht zu lesen:

„Die unantastbare Grundlage der Deutschen Evangelischen Kirche ist das Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt und in den Bekenntnissen der Reformation neu ans Licht gebracht ist (sola scriptura). Hierdurch werden Vollmachten, deren die Kirche für ihre Sendung bedarf, bestimmt und begrenzt“.

Zu Artikel 1 der Theologischen Erklärung von Barmen 1934 lesen wir:

„Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Gott hat die Menschen als Mann und Frau geschaffen. Praktizierte Homosexualität ist ihm ein Greuel(3. Mose 18,22 u.a.).

2. In seiner „Predigt“ in der Berliner Marienkirche anläßlich des diesjährigen Christopher-Street-Days hat Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister, zur Rechtfertigung des homosexuellen Lebens wieder das Doppelgebot der Liebe beschworen mit dem Hinweis auf Joh.15,12: „Das ist mein Gebot, daß ihr euch untereinander liebt, gleichwie ich euch liebe“.

Das Liebesgebot Christi wird hier – und das gilt auch für Ihre Entscheidung – in gravierender Weise verletzt! Jesus Christus hat die Menschen niemals ihrer Sünde überlassen und sie darin bestätigt (gesegnet), sondern er hat die Sünde vergeben und zur Umkehr gerufen: „Gehe hin, und sündige hinfort nicht mehr“ (Joh.8,11).

Jesus Christus hat die Liebe Gottes nie vom Gehorsam gegenüber dem Gebot Gottes getrennt: „Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten“(Joh.14,15).

Mit Ihrer Entscheidung rechtfertigen Sie die Sünde und versagen dem Sünder den Ruf zur Umkehr und die rechtfertigende Gnade.

3. Ihr Beschluß hilft mit, die so dringend benötigte Einheit der christlichen Konfessionen unmöglich zu machen.

Als langjähriges Mitglied der Kirchengemeinde ist es mir aus den drei oben genannten Gründen nicht möglich, Ihren Beschluß zur Segnung homosexueller Paare mitzutragen. Das wird Konsequenzen haben.

Maranatha! Komme bald, Herr Jesus!

Ihre N. N.

4.) Antwort des Vorsitzenden des Presbyteriums der Ev. Kirchengemeinde

Liebe Frau N. N.

vielen Dank für Ihren Brief an das Presbyterium!

In der Sitzung am … habe ich Ihr Schreiben vollständig verlesen.

In der folgenden Aussprache wurde noch einmal bewusst, dass der Presbyteriumsbeschluss vom … nicht alle Gemeindemitglieder zufrieden stellen konnte. Dies wurde ja damals auch ausdrücklich formuliert, und die Meinung derer, die dem Presbyterium nicht zustimmen konnten, wurde mit allem Respekt gewürdigt. So war es nun auch mit dem Anliegen Ihres Briefes.

Nichtsdestotrotz sah sich das Presbyterium in seiner geistlichen Verantwortung am … dazu berufen, den bekannten Beschluss zu fassen.

Die Bitte ergeht weiterhin und erneut an alle, die dies nicht mittragen können, die gleichwohl von Seiten des Presbyteriums sehr ernst genommen werden, dem Presbyterium die geistliche Seriosität nicht abzusprechen. Meinem Eindruck nach geschieht dies auch weithin in unserer Gemeinde: man will beisammen bleiben trotz unterschiedlicher Auffassungen.

So kann ich Sie nur herzlich bitten, dies nach M̦glichkeit auch zu tun Рtrotz schwer wiegender Differenzen das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen.

Mit freundlichem Gruß

Ihr

5.) Kurze abschließende Bewertung des Vorgangs durch das Gemeindeglied

Das Presbyterium der Kirchengemeinde beruft sich zur Rechtfertigung seines Beschlusses, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, auf seine geistliche Verantwortung und verlangt, dass man ihm die geistliche Seriosität nicht absprechen möge. Doch gerade diese muss angesichts des gefassten Beschlusses tatsächlich bezweifelt werden. Das Presbyterium muss an die eigene Kirchenverfassung erinnert werden. Diese bindet es an das „Evangelium von Jesus Christus, wie es uns in der Heiligen Schrift bezeugt und in den Bekenntnissen der Reformation neu ans Licht gebracht ist“. Durch die Heilige Schrift werden „Vollmachten, deren die Kirche für ihre Sendung bedarf, bestimmt und begrenzt“. Mit seiner Entscheidung, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen, verstößt das Presbyterium gegen Gottes Wort und die eigene Verfassung. Pfarrer und Presbyterium unternehmen in ihren Briefen nicht einmal den Versuch, ihre Entscheidung biblisch fundiert zu begründen.

Der Presbyteriumsbeschluss verletzt in grober Weise das Liebesgebot Christi. Es ist eben gerade kein Zeichen der Liebe, praktizierenden homosexuellen Menschen den Segen Gottes zu spenden, sie damit in ihrem sündhaften Verhalten zu belassen und ihnen damit Wege in die Vergebung und Veränderung und in letzter Konsequenz sogar den Weg in das Himmelreich zu verschließen. Hier muss in der Tat gefragt werden, ob das Presbyterium sich der Tragweite seiner angeblich „geistlich verantworteten“ Entscheidungen bewusst ist.

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 26. August 2011 um 9:08 und abgelegt unter Kirche, Sexualethik.