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„Starke Mitarbeiter – Starke Gemeinden“

Mittwoch 9. Februar 2011 von Prediger Oliver Ahlfeld


Prediger Oliver Ahlfeld

„Wir haben lauter Pärchen!“  –
Beziehungen unter Jugendlichen und welche Auswirkungen sie auf Jugendarbeiten haben können
 

Ein Team von Jugendleitern setzt zweimal im Jahr das Thema „Beziehungen“ auf den Plan des Jugendkreises. Außerdem ist es ein Dauerthema in allen möglichen weiteren Gesprächen. Sie versuchen ihren Jugendlichen nicht nur mit erhobenem Zeigefinger zu sagen, was alles verboten ist. Sie bemühen sich darum, Alternativen zu zeigen und Vorbilder zu sein. Vorbilder in beidem: Möglichst im Verzicht auf eine Beziehung als Jugendlicher oder – wenn schon – konsequent nach biblischen Maßstäben geführt.

Wieder einmal ist im Jugendkreis eine Einheit zum Thema „Freundschaft, Liebe, Sexualität“ vorbei. Nun waren also erneut intensiv und mit kreativen Methoden die Dinge angesprochen worden. Viele Jugendliche haben sich vorgenommen, ernsthaft und konsequent danach zu fragen, was Gott mit ihrem Leben vor hat. Man will sich nicht mehr so schnell verlieben. Nicht mehr so viel auf Jungs/Mädchen achten. Man möchte „warten“, zurückhaltender sein. Sich nicht mehr so davon anstecken lassen, dass „alle“ mitmachen im Beziehungskarussell, die Gedanken und Gespräche um kaum noch etwas anderes kreisen… Kurz: Eine Fülle guter Vorsätze wird gefasst.

Eine Woche später im Jugendkreis. Irgendwie ist es an diesem Abend unruhig. Die offizielle Runde hat noch nicht begonnen und ein ganzer Haufen junger Mädchen gackert und flattert noch vor der Tür herum. Die Leiter sind noch nicht im Bilde, wodurch die Aufregung verursacht wird. Später dann die Erklärung von einer Mitarbeiterin. Ein Mädchen aus dem Jugendkreis, vor sieben Tagen noch voller guter Vorsätze, war an diesem Nachmittag mit ihrem Traumtyp im Kino. Deshalb die Unruhe. Denn nun wartete der ganze „Hühnerhaufen“ schon sehnsüchtig schmachtend auf die Berichterstattung. Deren Höhepunkt stellte die Beantwortung der Frage dar: „Hat er dich geküsst?“

1. Eine seltsame Geschichte 

Es darf geschmunzelt werden über die kleine Geschichte. Irgendwie – man traut sich fast nicht, es zu sagen – ist das alles ja auch unwahrscheinlich schön. Gott hat uns wirklich wunderbar geschaffen, mit all diesem Gefühlschaos, dieser Neugier, dem Kribbeln und dem sehnsüchtigen Wunsch nach Nähe und Beziehung zum anderen Geschlecht[1]. Fast fällt es schwer korrigierend einzugreifen. Dürfen denn nicht auch junge Christen die abenteuerliche Welt der Beziehungen, der verliebten Gefühle und schließlich der Sexualität so entdecken, wie sie wollen? 

Es wäre naiv und verantwortungslos, ihnen das Feld aus purem Verständnis für das Abenteuer ohne Begleitung zu überlassen. Wer sich viel mit jungen Leuten beschäftigt muss erschrecken, mit welcher Naivität viele von ihnen sich auf Beziehungen einlassen. Leider sind sie in einer Gesellschaft großgeworden, die theoretisch zwar riesiges Potential besitzt, gesunde und verantwortungsbewusste Menschen hervorzubringen, die um die wichtigen Dinge im Leben wissen: Glaube, Liebe[2] und Hoffnung zum Beispiel. Oder die Fähigkeit, eine vitale Beziehung aufzubauen, die in eine stabile Ehe mündet, mit den Jahren wächst und die Partnerschaft trägt[3]. Denn die so entstehenden Familien sind immer noch Träger unserer Gesellschaft und – das sollten wir sehr aufmerksam wahrnehmen – unserer Gemeinden. Noch[4]. 

Unsere Gesellschaft dreht sich im Kern um andere Dinge: Macht, Geld und Sex. Ich will das zunächst gar nicht verurteilen. Es sind von sich aus keine negativen Dinge. Nur was wir Menschen damit und daraus machen hat oft negative Auswirkungen. Zweifellos haben wir es mit Dingen zu tun, die schnell zu „Götzen“ werden können. Was wir aber bedenken müssen, bevor der theologische Zeigefinger anfängt Gesetzlichkeit zu predigen: Ob wir es wollen oder nicht, wir machen mit! In die eben kurz geschilderte Welt wachsen nicht nur unsere Kinder und Jugendlichen hinein. Auch alle die, die heute zwischen 20 und 50 sind, sind schon so groß geworden. Und davor war auch nicht alles anders, nur fand es etwas mehr im Verborgenen statt. 

Legen wir also die Tatsache zugrunde, dass eine Gesellschaft sich auf bestimmte „Linien“ eingerichtet hat, dann macht das den unendlich großen Wunsch nach „Freund/Freundin[5]“ nicht besser, aber erklärbar. Was sonst sollte beim Lebensstil einer Gesellschaft herauskommen, die sich langsam aber sicher von Gott verabschiedet, als dass sie sich „Ersatzgötter“ schafft? Überraschen sollte uns das jedenfalls nicht. Vielleicht war es auch noch nie anders. Nur abfinden will ich mich nicht damit. 

Wir können einzelne Menschen prägen, die Gott in Jesus Christus bekennen und vorleben. Sie sollen besser gewappnet sein, der tiefgehenden und alles erfassenden Sexualisierung gegenüber zu treten, um nicht als gesellschaftliches „Treibgut“ der Meinungs- und Willenlosen zu enden. 

Es ist nicht unsere Aufgabe, jungen Menschen zu verbieten, was sie von allen Seiten als schön und intensiv serviert bekommen. Denn es ist ja auch schön. Für viele. Zumindest mit schönen Gefühlen verbunden, mit Anerkennung, mit Geborgenheit. Die Neugier wird befriedigt und im Freundeskreis stellt man auch etwas dar. Das ist eine ziemlich explosiv-positive Mischung. Deshalb sind Verbote wie so oft eher kontraproduktiv. Aber wo liegt das Problem und was können wir tun? 

2.  Beziehungen sind Beziehungskiller 

Bevor ich einige praktische Hinweise dazu gebe, wie wir dem Phänomen begegnen können, muss eine Frage erlaubt sein: Was ist denn in Bezug auf Mitarbeitergewinnung und Gemeinde so schlimm daran, wenn Jugendliche eine Liebesbeziehung untereinander haben? 

Denn auch das gibt es: Einen kleinen Teil gläubiger Jugendlicher, die es in wirklich guter und vorbildlicher Weise schaffen, eine Jugendliebe zur reifen Partnerschaft zu entwickeln. Sie enthalten sich geschlechtlich einander vor, aber sie kommunizieren viel und offen, sie leben in gesunder Weise erkennbar, dass Gott der Mittelpunkt ihrer Beziehung ist. Sie dokumentieren zwischendurch immer wieder, dass das Ziel ihrer Beziehung die Ehe ist. Sehr gut! 

Bei der folgenden Liste der Probleme muss deshalb vorweg klargestellt werden: Es muss nicht so kommen. Es kann auch gelingen. In aller Regel waren mir bekannte junge Leute, die an einer so positiv geschilderten und im guten Ansatz gelingenden Liebesbeziehung arbeiteten deutlich über 16 Jahre. Sie bilden damit in ihrer Altersklasse eine äußerst seltene Ausnahme – in noch jüngeren Jahren eine gelingende, in eine Ehe führende Beziehung zu leben dürfte absoluter Einzelfall sein. 

Die Realität sieht meist anders aus. Wohlgemerkt handelt es sich dabei um Erfahrungen, die bei mangelhafter Begleitung von Jugendkreisen vorkommen. Sie können einzeln, aber auch alle auf einmal auftreten: 

  • Pärchen ziehen sich gerne zurĂĽck, auch sehr junge Teens sind als Pärchen oft ständig zusammen und verlieren andere Themen als sich selber, den Jugendkreis, neue Gäste – kurz, alles was wirklich wichtig ist – aus dem Blick.

Dieses Problem ist besonders eklatant, wenn es sich um Mitarbeiter handelt. Diese können in penetranter Selbstzufriedenheit dermaßen mit sich beschäftigt sein, dass eine ganze Jugendgruppe den Bach runtergeht. 

  • Auch gute Freundschaften zu anderen Teilnehmern einer Gruppe  stehen auf dem Spiel, da wenig Zeit fĂĽreinander und fĂĽr Gespräch da ist. Neid und Eifersucht bestimmen den Umgang[6].
  • Bei den meist unvermeidlichen Trennungsszenarien verlassen unter Umständen beide den Jugendkreis oder es bilden sich GrĂĽppchen um die einzelnen Partner. Im schlimmsten Fall fĂĽhrt das zu einer Spaltung der ganzen Gruppe. Trennungen sind riesiger ZĂĽndstoff, sowohl fĂĽr Gruppen, als auch fĂĽr die Betroffenen. „Liebeskummer“ ist ein unsinnig verharmlosendes Wort. Beziehungsabbruch und/oder Ablehnung können uns völlig fertigmachen!

Junge Mädchen können unermesslich eifersüchtig untereinander sein und sich dabei in einen brennenden Hass (und Selbsthass) hineinsteigern. Jungs können unglaublich zerstörerisch agieren und in tiefste Verzweiflung geraten, wenn sie in der schönen, heilen Beziehungswelt außen vor bleiben. 

Je weiter eine Beziehung körperlich geht, desto tiefer wird die seelische Abhängigkeit. Die Schmerzen einer Trennung  können unerträglich sein und führen in manchen Fällen bis zum Selbstmord. 

  • FĂĽr die Mitglieder einer Gruppe ist es nicht immer leicht zu ertragen, wenn Pärchen besonders demonstrativ ihre innige Verbundenheit zur Schau stellen. Das BedĂĽrfnis nach körperlicher Nähe ist bei fast allen da und wird dadurch noch viel mehr hervorgerufen.
  • Pärchen im Jugendkreis unterstreichen den gesellschaftlichen Druck nach Beziehung dieser Art. Statt gegen den Strom zu schwimmen, was bekanntlich ein Zeichen von Lebendigkeit ist, fĂĽhlt man sich gezwungen mitzumachen. Mindestens in Gedanken.
  • Wenn es viele Pärchen gibt, dann stehen Leute ohne Partner als „AuĂźenseiter“ da. Keine gute Basis fĂĽr eine Gemeinde, in der ein Kerngedanke der von Gemeinschaft aller ist.
  • Das Pärchen hat schlicht weniger Zeit fĂĽr Aktivitäten der Gemeinde, fĂĽr Unternehmungen mit anderen. Man kann sich nicht endlos aufteilen.
  • Bei vielen Jugendlichen ist die Hemmschwelle, auch in der Ă–ffentlichkeit  auf körperliche Entdeckungsreise zu gehen gleich null. Ein solches Pärchen ist in einer Gruppe wirklich auffällig und verunsichert andere. Jugendliche, besonders neue Leute wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Unwohlsein in der Gemeinde ist die Folge.
  • Gerne geben sich Pärchen demokratisch. Die beiden unter sich. Sie entscheiden alles zusammen. Ein Partner, der Mitarbeiter ist, wird nicht mehr so frei seine Mitarbeit weiterfĂĽhren können, wie bisher, die Jugendlichen der Gruppe verlieren damit eine wichtige Bezugsperson, deren Mitarbeit rĂĽckt in den Hintergrund.
  • Manche Personen geben sich in einer Beziehung nahezu völlig auf. Es gibt sie nur noch im Doppelpack. Das macht es schwer ein Gespräch zu fĂĽhren, Vertrauen aufzubauen, geistliche Begleitung oder Seelsorge zu ermöglichen.
  • Neue Leute unserer Jugendgruppen könnten zutiefst irritiert sein. Denn: Da wurde im letzten Jugendgottesdienst darĂĽber gesprochen, dass junge Leute sich anderen Themen als „Partnerschaft mit 13“ zuwenden können. In ĂĽberzeugender Weise wurde in Gesprächen mit Mitarbeitern ein gutes Bild von engagierter Jugend gemalt. „Jemand“ kam dem Geheimnis auf die Spur, dass man mit 13 keinen Sexualpartner braucht, darĂĽber hinaus auch auf die Spur des Glaubens. Nun kommt eine solche Person in einen Jugendkreis, in dem es selbstverständlich ist, dass zahlreiche Pärchen sich mehr oder weniger intensiv miteinander beschäftigen, statt sich fĂĽr seine Lebens- und Glaubensfragen zu interessieren.

Dieser Punkt geht mir besonders nahe. Pärchen haben einen Hang zu grenzenloser Ignoranz. Es scheint weniger Liebe, als vielmehr Selbstliebe im Spiel zu sein. 

  • Ohne bewusstes Gegensteuern setzt es sich als Normalität durch, dass „man eben eine/n Freund/in“ hat. Wenn das erstmal normal ist, ist eine andere Form kaum noch denkbar. Man arrangiert sich oder anders gesagt, man passt sich dem an, was sonst in der Welt auch ĂĽblich ist. Das ist auf Dauer der „Tod im Topf“ fĂĽr einen vorher lebendigen Jugendkreis.
  • Wer war schon mit wem zusammen? Kein schöner Gedanke, wenn „er“ bei seiner Hochzeit acht bis zwölf Leute in den Kirchenbänken hinter sich sitzen hat, die auch schon an der Frau herumgespielt haben, der er jetzt gleich das Ja-Wort geben will. Keine gute Grundlage, wenn „sie“ weiĂź, dass er den Körper ihrer besten Freundin auch schon erkundet hat[7] und den seinen entdecken lieĂź. Man hat sich leider schon verschenkt – und einmal ging es nur. Zugegeben: Dieses Argument wird viele heutzutage ĂĽberhaupt nicht erreichen. Aber das könnte bei den vorher genannten ebenso sein. Die emotionale Abgestumpftheit wächst.

Es war passiert: Zwei sehr junge Mitarbeiter einer Gemeinde hatten sich ineinander verliebt. Ihre Beziehung sollte vernünftig und verantwortungsbewusst geführt werden. Sie gaben sich große Mühe, hatten wirklich gute Gespräche miteinander und ließen sich beraten. 

Schließlich endete die Beziehung, weil einer von beiden sich die eine in ganz ferner Zukunft liegende  Ehe dann doch noch nicht vorstellen konnte. Was folgte, war ein monatelanger Kampf mit unzähligen Missverständnissen und Tränen, Vorwürfen und Glaubenskrisen. Das Ende der Beziehung schuf Parteien in der Jugendgruppe und Ablehnung der ganzen Gemeindearbeit bei einem Elternteil. Über einen langen Zeitraum hinweg gab es für die beiden kaum noch ein anderes Thema, als die Bewältigung ihrer beendeten Beziehung. Vielen ihrer Freunde erging es ebenso. 

 3.  Was wir tun können! 

Bei diesem Thema ist eines besonders wichtig: Nicht beim Klagen und Anklagen stehenbleiben, sondern etwas tun. Wir sind nicht Opfer dieser Entwicklungen, sondern Mittäter, wenn wir unsere Jugendlichen nicht aktiv begleiten. Weil die guten Möglichkeiten dieser aktiven Begleitung so zahlreich sind[8], folgt nun eine ganze Reihe von Schritten, die wir gehen können um starke Mitarbeiter zu formen. 

Schritt 1:  Kommunikation und Seelsorge 

Wir stehen in ständiger Kommunikation mit den Gruppenleitern und Mitarbeitern. Es muss deutlich werden, wer Seelsorge braucht[9], das Team muss „um seine Leute Bescheid wissen“. 

Die Probleme, die durch verfrühte Beziehungen entstehen,  machen wir zum Thema, erschöpfen uns also nicht in Verboten mit erhobenen Zeigefingern. 

Schritt 2:  Geistliche Elternschaft 

Geistliche Elternschaft ist unerlässlich. Der eine Teil davon ist, bereits junge Leute zu ermutigen, sich Vorbilder, Mentoren, Helfer für ihr Glaubensleben zu suchen. Wenn sie erst gute Erfahrungen damit gemacht haben, werden sie diese Form geistlicher Begleitung für ihr ganzes Leben wahrnehmen – und sie werden ihrerseits Verständnis dafür haben, dass sie selber einst als geistliche Eltern gefragt sind. 

Der andere Teil liegt bei den Erwachsenen, besonders den alten, erfahrenen Christen, Mitarbeitern und Leitern. Sie bieten jüngeren Leuten bewusst das Gespräch an. Dabei geht es nicht sofort um die Frage, wie man sein Sexualleben gestalten soll – Vertrauen muss wachsen, sich entwickeln. Schritt für Schritt ist es aber möglich, die Dinge anzusprechen. Es gibt ein riesiges Beratungsdefizit bei jungen Christen. Mit unserem Interesse an den jungen Leuten fängt es an, mit gesundem, ehrlichem, manchmal distanziertem, manchmal ganz nahe kommendem Interesse. Der Rest baut sich von alleine auf. Noch einmal: Diese Form geistlicher Elternschaft ist unerlässlich, wenn wir die Beziehungsproblematik offen und konsequent behandeln wollen. 

Schritt 3:  Emotionale Sensibilität fördern 

Eine seltsame Erfahrung mache ich immer wieder in der Schule. Um nur ein Beispiel für emotionale Sensibilität zu nennen: Kommt das Thema auf „ungewollte Schwangerschaft“, so blökt eine ganze Klasse im Herdenchor: „Na und? Dann lässt man’s eben wegmachen.“ Sobald aber eine Beschreibung davon gegeben wird, was „wegmachen“ eigentlich bedeutet, ändert sich die Haltung.  Ein paar Bilder von Babys im Mutterleib, ein paar deutliche Erklärungen zum Absaugen, zu den psychischen Folgen für die Mutter – das genügt. Zumindest nachdenklich werden die Schüler, emotional sensibler. 

Diese emotionale Sensibilität wecken und fördern wir in unseren Gemeinden generell im Hinblick auf die Frage der Beziehungen – gerade dieses so wichtige Feld überlassen wir nicht kampflos den Medien und der „Straße“, sondern die Gemeinde wird zu einem Übungsfeld für emotionale Sensibilität. 

Wie geschieht das?Wir laden junge Paare ein, die sich entschieden haben, zu „warten“[10]. Sie berichten davon, wie sie dadurch von Gott beschenkt wurden. 

Wir machen vor allem gelungene Beziehungen, solche die sich durch Streit und Probleme hindurch erhalten haben und solche, die schwere Zeiten (auch Glaubensprobleme) durchgestanden haben zum Thema. Das Stichwort ist dann nicht „der Versuchung nachgeben“, sondern „überwinden“. 

Wir pflegen einen offenen Umgang mit dem Thema. Beziehung, Liebe, Sexualität – all das sind Themen für den Gottesdienst. Leider habe ich in fünfzehn Jahren keinen einzigen Gottesdienst als Gast erlebt, in dem es wirklich einmal konkret darum ging, wie man Sexualität nach Gottes Maßstäben gesund leben kann. Es muss nicht ständig darum gehen – aber einmal im Jahr darf es in verschiedenen Variationen schon dran sein[11]. Mit Tabus erreichen wir nichts, außer dass man sich anderswo orientiert. 

Schritt 4:  Gruppenspezifische Arbeit 

Im Zuge der Entwicklung auf dem Gebiet „Transgender“ wird es vermehrt zu dem staatlich geförderten Wunsch kommen, „geschlechtsspezifische Angebote“ zu unterbreiten. Das bedeutet dann etwas verkürzt, dass Jungs auch kochen, Mädchen auch an Autos schrauben sollen. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Es sei der Verdacht erlaubt, dass man auf lange Sicht geneigt ist, die spezifischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern (die es eigentlich sowieso nicht gibt) vor allem per „spezifischer“ Erziehung abzuschaffen. 

Ich verstehe „geschlechterspezifisch“ durchaus anders. Wir gestalten Jugendarbeit mit dem Erfahrungswert, das Gott ganz bewusst Frauen und Männer unterschiedlich geschaffen hat[12] , was für die Praxis bedeutet, dass es jungen Menschen hilft, wenn Jungs von Männern begleitet werden und Mädchen von Frauen. Dafür stellen wir keine Gesetzlichkeiten auf – aber wir schaffen die Voraussetzungen. 

Wie kann das geschehen? 

Eine Kindergruppe wird zu einem wunderbaren Ort zur Erkundung von Sensibilität, Abenteuer und Mann-sein, wenn die Jungs dort von einem Team aus älteren Jungs und Männern angeleitet werden. Selbstverständlich kann auch eine Frau so eine Gruppe leiten, selbstverständlich geht es auch, dass wir Geschlechter mischen. Gehen tut das alles. Die Frage ist: Was hilft jungen Menschen, eine Identität in ihrem Geschlecht und für ihr diesbezügliches Verhalten zu finden? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es ihnen hilft, wenn sie Vorbilder, Anleiter, Helfer haben, die aus ihrem Geschlecht stammen. 

Dasselbe gilt für junge Mädchen. Was einige geistlich gegründete Mitarbeiterinnen in der Mädchenarbeit an Wegweisung mitgeben können, gerade in „ihrer Sprache“, von Frau zu Mädchen, das kann ein junger Mann weder leisten noch nachvollziehen.  Am Ende ticken wir eben doch anders – Gott sei Dank! 

Wir arbeiten in unseren Gemeindegruppen wo immer es möglich ist geschlechtsgetrennt. Begegnungen zwischen den Geschlechtern[13] finden sowieso ständig statt: Im Gottesdienst und bei allen anderen Festen, Feiern oder sonstigen Anlässen. 

Schritt 5:  Gedanken umlenken, neues Bewusstsein schaffen 

Durch die zuvor geschilderten Schritte, wie auch dadurch, dass wir unsere Leute offen ansprechen, sie begleiten, für sie da sind, auch korrigieren – wecken wir über mehrere Jahre hinweg ein neues Bewusstsein.   Die Gedanken werde umgelenkt auf das, was wirklich wichtig ist: Ein gute und gesunde Beziehung zu Gott, den Eltern, Lehrern, Mitschülern, Freunden – schließlich zu allen Menschen. 

Die Gedanken umzulenken geschieht auch durch weitere Schritte: 

Wir lenken den Fokus auf Themen, die bewusst andere Verhaltensweisen fördern. Wenn eine Jugendgruppe sich beispielsweise mehr um ein Projekt zu kümmern hat, rücken die ewig gleichen Gespräche über „wer-ist-in-wen-verliebt“ in den Hintergrund. Es ist das gute alte Prinzip, wie man seine Kinder am schnellsten vom Fernseher wegbekommt: Man bietet ihnen etwas Besseres und führt es mit ihnen durch[14]. 

Auf ähnlicher Schiene läuft das Angebot besonderer Herausforderungen. Gruppenprojekte nur unter Jungs oder Mädchen schaffen nicht nur Identitätshilfen, sondern lenken auch ab[15]. 

Schritt 6:  Gute biblische Beziehungen als Orientierung bieten 

Wir bieten aus der Bibel immer wieder gute Beziehungen als Vorbild an. Nicht nur Abraham und Sarah eignen sich (ein orientalischer Patriarch, der seine Gäste verwöhnt – hervorragend!), auch die vielen anderen Berichte „starker“ Frauen und Männer sind eine Fundgrube für ein gesundes Verständnis des eigenen Geschlechts. Gerade für Jugendliche lässt sich der Fokus auch einmal darauf lenken, wie sich die Personen in ihrer Geschlechterrolle verhalten. Die Bibel ist auch darin ein Vorbild offener Kommunikation, wie sie Verfehlungen aufdeckt und Heilungs- und Alternativwege schildert (z. Bsp. König Davids Ehebruch). 

Schritt 7:  Jüngerschaftsgruppen 

In manchen US-amerikanischen Gemeinden ist es üblich, dass Jugendliche ein Bekenntnis abgeben. Ich bin unschlüssig, ob das Sinn macht – aber wo eine Gruppe von echten Freunden sich darin ermutigt, ein gegebenes Versprechen einzuhalten, da kann das schon eine Hilfe sein, ein paar hormongetränkte Jahre durchzustehen. Hier mag eine Freundschaft im Stil einer Jüngerschaftsgruppe helfen. Eine solche Gruppe ist eine gleichgeschlechtliche Freundesgruppe, die größtmögliche Transparenz der Teilnehmer fördert und fordert. Sie läuft niemals ohne eine Form geistlicher Elternschaft. Diese Form eines (täglichen) kleinen Hauskreises ist enorm hilfreich, wenn junge Leute vor Beziehungsproblemen bewahrt bleiben sollen. Sie benötigt aber kontinuierliche und fähige Mitarbeiter – für jede Gruppe mindestens zwei. 

Schritt 8:  Regeln und Tabus erarbeiten (lassen) 

Eine Gruppe braucht Regeln. In kaum einem Bereich helfen klare Regeln so gut, wie bei der Vermeidung von Pärchenbildung. Ausgerechnet zu diesem Bereich gibt es sie in kaum einer Jugendgruppe. Ist es zu schwer, mit Jugendlichen darüber zu reden? 

Wie wäre es, wenn die Jugendlichen in einer gut gemachten kleinen Programmserie dazu motiviert werden, für sie gültige Regeln selber zu erarbeiten? 

Das läuft so: Wir nehmen das Thema auf den Plan. Zwei oder drei Einheiten und Austauschrunden leiten die Findungsaktion der geltenden Grundsätze ein. Dann werden Tabus formuliert, möglicherweise durch Kleingruppen. Das kann so aussehen, dass diese dann gut sichtbar auf einem schmucken Plakat ausgehängt werden: 

Wir möchten in unserem Jugendkreis keine Knutscherei!  

Wir fördern und respektieren die Entscheidung „solo“ zu bleiben!  

Wir wollen keine als „Massage“ getarnten Fummeleien beim jeweils  anderen Geschlecht!  

Wir wünschen uns… 

Fünf oder sechs Punkte[16], die so als nett gestalteter, kreativer Aushang festgehalten werden, werden von allen Teilnehmern – gerade auch Neuen – schnell entdeckt werden. Sie sorgen für eine klare Linie, auf die man sich berufen kann. 

Ein schöner Nebeneffekt, wenn wir diese Regeln dann in der Gruppe als Leitschnur haben, ist Folgendes: Was sich in der Jugendgruppe festigt, kann viel einfacher auf das gesamte Leben übertragen werden. Deshalb ist die im Jugendalter als Bereich „Nr. 1“ auftretende Frage der Beziehungen gerade an dieser Stelle so wichtig. Wir müssen uns damit auseinandersetzen[17]. Sonst wird sich das Thema verselbstständigen. 

Zu diesem Schritt 8 gehört unbedingt die Vorsicht vor Missbrauch in unseren Gruppen und generell in der Gemeinde. Je familiärer und offener für „jedermann“ die Gemeinde ist, desto verwundbarer wird sie. Wenn eine offene, familiäre Lebensart zu ihren genuinen Kennzeichen gehört[18] und wir diese nach Kräften leben und fördern, so können wir die Gefahren trotzdem nicht wegidealisieren. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese „Familie“ von labilen Charakteren leicht als rechtsfreie Zone ausgenutzt werden kann. Gerade in diesem Fall sind feste, aushängende Regeln für eine Gruppe äußerst wichtig – auch als erste Maßnahme zum Selbstschutz. Im Übrigen gibt es hervorragendes, kostenloses Material vieler Dachverbände[19]. 

4.  Ein Fazit 

Das Anliegen unserer Gemeinde ist es, das Evangelium unter die Menschen zu bringen, die uns umgeben. Missionarische Gemeinde zu sein ist das größte Lebensabenteuer, das es gibt. Das gilt besonders für Jugendliche, junge Mitarbeiter, frisch und knackig im Glauben stehende junge Christen. Leider merken sie das oft nicht, erleben es nicht, haben es noch nie so gesehen. Selbst wenn sie aufbrechen dieses echte Abenteuer zu entdecken, dauert es eine Weile, bis sie das intensiv merken. Wenn wir mit unserer Jugendarbeit einen Durchbruch erzielen, bei dem viele erkennen, dass es schlicht und ergreifend besser ist, sein Leben von gelebtem, ansteckendem Glauben durchzogen zu leben, anstatt von der ständigen Sorge wie man wirkt, jemand „abzukriegen“ und möglichst sexuell viel  zu erleben, dann ist ein Meilenstein der Glaubensentwicklung gelegt[20]. 

Wer als junger Mensch erlebt, wie Gott tröstet und stärkt und auch durch bewegende Phasen der Sehnsucht hindurch begleitet und trägt, weil er sich selber mehr um die Bedürfnisse anderer Menschen kümmert, als sich permanent um seine wechselhafte Gefühlswelt zu drehen, der wird gesegnet[21]. Sich über Jesus zu definieren und darüber, was er tat, das schafft Freiheit[22]. Vielleicht gilt diese biblische Wahrheit nirgendwo so zutreffend, wie im Bereich der Beziehungen. Das durfte ich bei vielen jungen Menschen erleben und irgendwann mit ihnen feiern. 

  


[1] Ich schreibe das hier jetzt einfach mal so, ohne Rücksicht auf die „moderne“ Geschlechterforschung. Ich weigere mich auch, den angesichts von Verliebtheit verwirrten Ausdruck menschlicher Existenz nur Jugendlichen zuzugestehen. Als ich mit 26 Jahren meine Frau kennenlernte, habe ich genauso gesponnen. 

[2] Hiermit ist nun allerdings die Liebe nach 1. Korinther 13 gemeint. 

[3] Mit all dem, was da an Schmerz und Schwierigkeiten, Kämpfen und auch Freuden dazugehört… 

[4] Siehe Kapitel „Irgendwie sind bei uns alle angeschlagen“. 

[5] Damit sind hier Freundschaften gemeint, wie sie unter Jugendlichen heutzutage ab 12/13 Jahren üblich sind; der geschlechtliche Kontakt ist  darin früher oder später mehr oder weniger selbstverständlich. 

[6] Welche  nicht grade als Früchte des Geistes gelten (vgl. Gal. 5). 

[7] Das Beispiel ist dem Buch entnommen „Ungeküsst und doch kein Frosch“ (Joshua Harris, Gerth Medien). 

[8] Für alle Lebensbereiche, die besonders gefährdet sind, hat Gott auch besonders gute Ideen. Er will ja, dass wir ihre positiven Seiten genießen können und nicht an den Schattenseiten kaputtgehen. 

[9] Für gewöhnlich braucht sie jeder Jugendliche. 

[10] Ja, es gibt sie! 

[11] Oder aus situationsorientiertem, gegebenem Anlass. 

[12] Nicht unterschiedlich bewertet – nur unterschiedlich geschaffen, begabt, anatomisch geformt. 

[13] Es ist ja nicht so, dass diese Begegnungen sonst nicht stattfinden. Im Grunde sind (zumindest) Jugendliche die meiste Zeit des Tages in der Schule vom jeweils anderen Geschlecht umgeben. Allein deshalb schon lohnt sich in der Gemeinde ein Experiment mit geschlechtsgetrennten Gruppen. 

[14] Wenn ich mit meinen Söhnen auf den Fußballplatz gehe, kann (noch) kein Fernsehprogramm mithalten. Wo im gemeinsamen Spielen „die Post abgeht“, haben Oberflächlichkeiten weniger die Chance, sich permanent aufzuspielen und selber in den Mittelpunkt zu drängen. Viele Jugendliche – auch in der Jugendgruppe – haben einfach zu viel Zeit, sich mit Unwichtigem zu beschäftigen. 

[15] Es ist ja auch wirklich schlimm mit dem Testosteron – manchmal hilft nur, einen ganzen Haufen überschüssiger Energie in ein powervolles Projekt zu investieren… 

[16] Viele dieser Regelkataloge haben den Nachteil, dass sie zirka 28 Punkte umfassen. Niemand liest so etwas und vor allem: Keiner hält sich dran. Das geht ja auch gar nicht. Wenig, aber prägnant ist besser. 

[17] Wir müssen es, wenn wir merken, dass es dran ist oder wenn die entsprechenden Phänomenen es zeigen. Wir tun es natürlich nicht, um schlafende Hunde zu wecken. Vorsicht! 

[18] Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen. (Apg. 2, 46) 

[19] z. Bsp. EC-Verband Kassel und „Gemeindejugendwerk des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland K.d.ö.R („Auf dem Weg zur sicheren Gemeinde“, Materialien zum Kindes- und Jugendschutz) 

[20] Nicht ohne die Klarheit, dass es auch Rückschritte geben kann. 

[21] Eine Grundstruktur von Gottes Handeln wird in der Segensverheißung an Abraham deutlich. Abraham bekommt hier den „Dreischritt des Lebens“ (T. Maier, Unterweissach) aufgezeigt: Empfangen, gebrauchen, weitergeben. Gott sagt: „Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein.“ (Gen. 12, 2) 

[22] „Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.“ (Joh. 8, 36) 

Prediger Oliver Ahlfeld, Parchim, 30.01.2011 

Wir empfehlen Ihnen das Buch von Oliver Ahlfeld, „Starke Mitarbeiter – Starke Gemeinden – Mitarbeiter gewinnen und fördern – Als Gemeinde leben und wachsen„, Born-Verlag 2009, 192 Seiten, ISBN-10: 3870924853;  ISBN-13: 9783870924850, 12,90 €. 

Starke Mitarbeiter-Starke Gemeinden-Buchcover 

„Jesus Christus, Schöpfer des Universums und Retter jedes Einzelnen! Wie kann dieses absolute Urwort „Jesus“ rüberkommen in eine teils säkularisierte, teils ideologisierte, teils schlicht gelangweilte Welt? Das zu praktizieren ist die Leidenschaft, das zentrale Engagement in Oliver Ahlfelds Leben. Wie es geschehen kann, hat er von der Kindergruppe bis zur kritischen, gymnasialen Oberstufe praktisch und sehr ansprechend erprobt. Nun will er seine Erfahrungen weitergeben, Motivierte motivieren, Träge herausfordern. Ein Lebens-Buch, theologisch fundiert – inspirierend!“ (Pfr. Dr. Siegfried Kettling, Schwäbisch-Gmünd) 
 
 
 
 
 
 

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 9. Februar 2011 um 16:35 und abgelegt unter Buchempfehlungen, Gemeinde.