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Das unselige Beratungssystem ist gescheitert

Montag 13. Juli 2009 von Medrum


Medrum

Unseliges Beratungssystem ist gescheitert
Mit Hartmut Steeb im Gespräch

MEDRUM: Herr Steeb, der Professor für Systematische Theologie Rainer Mayer hat kürzlich das Thema Schwangerschaftskonfliktberatung in der EKD wieder aufgegriffen. Er fordert eine Abkehr von der Mitwirkung an der Beratung nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz. Wie stehen Sie als evangelikaler Christ zu diesem Beratungssystem?

Steeb: Mir geht es um das Lebensrecht jedes Menschen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Dafür setze ich mich seit Jahrzehnten ein. Ich habe darum auch das unselige Beratungssystem immer abgelehnt.

MEDRUM: Weshalb nennen Sie das Beratungssystem „unselig“? Ziel dieses Systems war es doch stets, der schwangeren Frau in einer Konfliktlage zu einer Entscheidung zu verhelfen, die auch das Lebensrecht des Kindes bedenkt. Erfüllt das Beratungssystem diese Zielsetzung nicht?

Steeb: Nein, dieses Ziel wird eklatant verfehlt. Und das ist tragisch. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte seinerzeit die Beratungsregelung nur als möglichen Weg als verfassungsrechtlich unbedenklich gebilligt, wenn es nachweislich dazu führe, dass dadurch mehr ungeborenen Kindern das Leben gerettet werden könne als bisher. Darum hat das höchste deutsche Gericht auch dem Gesetzgeber aufgetragen, diese Wirksamkeit zu überprüfen. Dies aber ist bisher leider nicht geschehen. Wenn aber mehr als 100.000 Kinder jährlich aufgrund dieser Beratungsregelung straflos liquidiert werden können, dann ist das Scheitern dieser Regelung sehr offensichtlich. Hinzu kommt, dass die schon ohnehin viel zu hohe Zahl an Abtreibungen noch nicht einmal korrekt ermittelt wird. Das Statistische Bundesamt verzichtet z.B. auf Plausibilitätsprüfungen, ob denn die statistischen Zahlen richtig erfasst sind.

MEDRUM: Was meinen Sie damit?

Steeb: Es wäre doch mindestens nötig, die statistisch gemeldeten Zahlen einmal mit den Abrechnungen über die Krankenkassen und aus Steuermitteln ersetzten Staatsleistungen an die Krankenkassen abzugleichen.

MEDRUM: Was müsste noch getan werden?

Steeb: Die Beratungsstellen müssten daraufhin überprüft werden, ob sie denn verfassungsgemäß beraten. Einer der großen Beratungskonzerne, Pro Familia, tritt für die verfassungswidrige völlige Freigabe der Abtreibungen ein. Woher nehmen die Landesbehörden den Mut zu glauben, dass dort dann verfassungsgemäß zugunsten des Lebens der Kinder beraten wird? Entsprechende Umfragen der Juristenvereinigung Lebensrecht bei den zuständigen Landesbehörden haben eine ernüchternde Bilanz hervorgebracht.

MEDRUM: Geschieht eigentlich genügend, um diese Fragen öffentlich zu diskutieren?

Steeb: Nein, es ist eine Katastrophe, dass die schlimmste Menschenrechtsverletzung, die es auf dieser Welt gibt, öffentlich fast totgeschwiegen wird. Man muss sich das einmal klarmachen: 20.000 Kinder sterben weltweit täglich wegen mangelnder Nahrung, Gesundheitsvorsorge und Gesundheitspflege. Das ist absurd, wo doch die Staatengemeinschaft bei mehr Entschlossenheit diese Zahl ganz entscheidend vermindern könnte. Aber noch schlimmer ist, dass 86.000 Kinder – mehr als das vierfache – täglich an dem Ort umgebracht werden, wo sie am behütetsten sein sollten, im Leib ihrer eigenen Mütter. Und dafür wenden wir auch noch viel Geld auf, international und bei uns im Land. Eine humane Gesellschaft darf sich damit nicht abfinden. Nach meiner Ãœberzeugung müsste der Einsatz gegen diese Menschenrechtsverletzungen Priorität 1 auf der politischen Tagesordnung sein. Und auch die Medien müssten sich hier ganz eindeutig für das Leben der Kinder einsetzen.

MEDRUM: Und wie stehen Sie zur Aktion des Gemeindehilfsbundes, der sich jetzt an die Synode der EKD wenden will, um das System der Beratungsscheine abzuschaffen?

Steeb: Ich halte diese Initiative für sehr unterstützenswert. Deswegen habe ich mich als Vorsitzender des „Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen“ für diese Aktion eingesetzt und wünsche ihr den größtmöglichen Erfolg. Wir haben als Deutsche Evangelische Allianz schon seit Jahren darauf hingewiesen, dass dieses Beratungskonzept gescheitert ist. Eine Neubesinnung auf einen besseren Lebensschutz ist überfällig.

MEDRUM: Geben Sie denn der Aktion eine Chance?

Steeb: Das ist schwer zu sagen. Man muß abwarten. Wir haben es in Berlin bei „pro Reli“ gesehen. Trotz enorm großer Unterstützung hat es am Ende doch nicht ganz gereicht, das Unterrichtsfach Religion wieder gleichberechtigt einzuführen. Dennoch, man muß es versuchen. Schweigen wäre ganz sicher der falsche Weg. Da halte ich es lieber mit Benedikt XVI., der in seiner Enzyklika vor wenigen Tagen ja auch seine Stimme erhoben und ein Umdenken gefordert hat. Wieviel er damit bewirken kann, weiß auch er heute nicht. Aber wir wollen wie er wenigstens unsere Stimme für das Lebensrecht der Ungeborenen erheben und dafür beten, dass unsere Stimme gehört wird.

MEDRUM: Ich danke Ihnen herzlich im Namen der Leser von MEDRUM für dieses Gespräch.

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Hartmut Steeb ist Vorsitzender des „Treffen Christlicher Lebens-Recht Gruppen e.V.“ und Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz. Das Treffen Christlicher Lebensrecht-Gruppen (TCLG) ist ein Netzwerk von Initiativen, Beratungsstellen und Mutter-Kind-Einrichtungen, das sich einsetzt für das Lebensrecht jedes Menschen – von der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Das TCLG veranstaltet zweimal jährlich ein Lebensrechts-Forum, bei dem sich Engagierte und Interessierte kennen lernen, austauschen und weiterbilden können. Das Herbstforum 2009 findet am 21.11.2009 statt.

Das Interview mit Hartmut Steeb führte Kurt J. Heinz

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 13. Juli 2009 um 19:44 und abgelegt unter Demographie, Gesellschaft / Politik, Lebensrecht.