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Ziel ist das ‚adult-worker-Modell‘

Montag 14. September 2009 von Institut fĂĽr Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut fĂĽr Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Elterngeld: Ziel ist das „adult-worker-Modell“

Das Elterngeld ist aus Sicht von Beratern der Bundesregierung ein zentrales Instrument „nachhaltiger Familienpolitik“. Zentrale Ziele dieser Politik sind eine höhere Geburtenrate und eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen. Mit dem Elterngeld soll deshalb sowohl die Entscheidung für Kinder als auch eine raschere Rückkehr von Müttern in den Beruf gefördert werden. Konzipiert ist das Elterngeld als eine Lohnersatzleistung: Es ersetzt den Eltern von Neugeborenen für eine „Baby- Pause“ von zwölf bzw. (sofern der Vater mindestens zwei Monate beansprucht) 14 Monaten bis zu einer Höchstgrenze von 1800 € brutto 67 Prozent des im Jahr vor der Geburt verfügbaren Nettoerwerbseinkommens. Begründet wird das Elterngeld mit den Opportunitätskosten der Familiengründung durch den (vorübergehenden) Verzicht von Eltern bzw. Müttern auf eine Erwerbstätigkeit. Diese Kosten sollen mit dem Elterngeld reduziert werden, um „die Nachfrage nach Kindern und damit die Fertilitätsrate zu erhöhen“ (1).

Mit der Elterngeldreform im Jahr 2007 wurde – damit Mütter früher ins Erwerbsleben zurückkehren – das bis dato für bis zu 24 Monate nach der Geburt ihres Kindes gezahlte Bundeserziehungsgeld abgeschafft. Ursprünglich war das Elterngeld als reiner Lohnersatz geplant – nicht erwerbstätige Eltern hätten dann keinerlei Leistungsansprüche gehabt. Nach Kritik von Seiten der Familien- und Wohlfahrtsverbände wurde dann nicht oder geringfügig erwerbstätigen Eltern ein Sockelbetrag von 300 € zugestanden (2). Mehr als 40 Prozent der Elterngeldbezieher insgesamt bzw. knapp 48 Prozent der Mütter erhalten – so die jüngste Statistik – diesen Mindestbetrag (3). Leben weitere Kinder unter sechs Jahren im Haushalt wird dieser Mindestbetrag um einen „Geschwisterbonus“ von 75 € erhöht. Für Eltern mit einem Einkommen unter 1.000 € gibt es einen „Geringverdienstzuschlag“ (4). Trotz dieser – politischen Kompromisserfordernissen geschuldeten – Abstriche am reinen Lohnersatzkonzept sind viele Eltern durch die Elterngeldreform schlechter gestellt worden: Dies trifft insbesondere Geringverdiener, kinderreiche Eltern und nichterwerbstätige Mütter. So erhalten z. B. Studentinnen, die ein erstes Kind bekommen, statt für 24 Monate nur noch für 12 Monate 300 € – ihr Leistungsanspruch hat sich halbiert.

Junge Mütter werden durch das Elterngeld strukturell benachteiligt: Mehr als die Hälfte der Mütter zwischen 25 und 30 Jahren und sogar mehr als vier Fünftel der jungen Mütter zwischen 20 und 25 Jahren erhalten maximal 500 € Elterngeld. Nur knapp ein Zehntel der 25-30-Jährigen und nur etwa jede hundertste Mutter im Alter von 20-25 Jahren hat Anspruch auf 1000 € und mehr Elterngeld (5). Ebenso im Nachteil sind beim Elterngeld kinderreiche Mütter: Mehr als zwei Drittel der Mütter mit einem dritten und annähernd 90 Prozent der Mütter vierter und weiterer Kinder erhalten höchstens 500 €. Mehr als 1000 € bekommen maximal etwa ein Zehntel der Mütter dritter und ganze 2-3 Prozent der mit vierten und weiteren Kindern. Selbst von den Frauen mit einem ersten Kind erhalten nur etwa ein Fünftel mindestens 1000 € und nicht einmal drei Prozent den Höchstbetrag von 1800 € (6). Sehr viel besser schneiden dagegen ältere Väter ab: An mehr als die Hälfte der über 40-Jährigen Elterngeld beziehenden Männer werden 1000 € oder mehr ausbezahlt. Fast ein Drittel der 40-45-jährigen neuen Väter beziehen sogar 1500 € und mehr. Unter den jungen Vätern im Alter von 25-30 Jahren hat nur etwa jeder zwanzigste einen vergleichbaren Elterngeldanspruch. Junge Familien und kinderreiche Mütter haben beim Elterngeld also das Nachsehen – im Vorteil sind Eltern, die sich spät im Lebensverlauf für ein (erstes) Kind entscheiden (7). Dies entspricht der Steuerungslogik des Elterngeldes als Lohnersatzleistung: Unabhängig vom Vorhandensein von Kindern sollen Erwerbstätigkeit, berufliche Karriere und ein gutes Einkommen für junge Frauen Priorität haben. Sie sollen sich nicht mehr in die Abhängigkeit von einem Mann begeben, sondern wirtschaftlich selbständig sein (8).

So fordert es auch das neue Unterhaltsrecht von Geschiedenen. Dass mit diesem Paradigmenwechsel hin zum „adult-worker-Modell“ der Erwerbsdruck auf Eltern massiv erhöht wird, ist offenkundig. Fraglich bleibt, ob damit auch die „Nachfrage nach Kindern“ steigt.

 (1) Sandra Gruescu / Bert Rürup: Nachhaltige Familienpolitik, S. 3-5, in: Aus Politik und Zeitgeschichte – 23-24/2005, S. 3.

(2) Vgl. ebd., S. 5. Aus Sicht des Familienbundes der deutschen Katholiken zum „Mindestelterngeld“: Markus Warnke: Die Betreuungsgeld- Strategie, Editorial (S. 2) in: Stimme der Familie 54. Jg., Heft 5- 6 2007.

(3) Statistisches Bundesamt: Öffentliche Sozialleistungen: Statistik zum Elterngeld – gemeldete beendete Leistungsbezüge 2. Vierteljahr 2009, Wiesbaden 2009; T6(1), eigene Berechnung.

(4) Zu den Elterngeldregelungen: Bundesministerium fĂĽr Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das Elterngeld, http://www.bmfsfj.de/Politikbereiche/familie,did=76746.html.

(5) Datenquelle: Statistisches Bundesamt: Öffentliche Sozialleistungen: Statistik zum Elterngeld – gemeldete beendete Leistungsbezüge 2. Vierteljahr 2009, Wiesbaden 2009; T10 – eigene Berechnungen.

(6) Datenquelle: Statistisches Bundesamt: Öffentliche Sozialleistungen: Statistik zum Elterngeld – op. cit. T 9 – eigene Berechnungen.

(7) Auf diese Problematik hat der Erfurter Staatsrechtler Christian Seiler schon in der Anhörung vor Einführung des Elterngeldes hingewiesen. Siehe: http://www.i-daf.org/143-0-Woche-14-2009.html.

(8) In der Stellungnahme der Bundesregierung zum Siebten Familienbericht wurde die Elterngeldreform wie folgt begründet: „Das Bundeserziehungsgeld bietet finanzielle Unterstützung, kann jedoch nicht den Wegfall eines Erwerbseinkommens kompensieren. Insbesondere Mütter, die in der Mehrzahl die Elternzeit in Anspruch nehmen, verlieren ihre wirtschaftliche Selbständigkeit und sind ökonomisch abhängig – entweder vom Mann oder vom Staat. Die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach dem Elterngeldbezug wird rascher als bisher erfolgen. Die wirtschaftliche Selbständigkeit beider Elternteile wird gefördert.“ Siehe: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik – Siebter Familienbericht, Bundestagsdrucksache 16/1360, Berlin 2006, XXXVII-XXXVIII.

 Nachricht der Woche 36/2009

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 14. September 2009 um 21:44 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik.