Komm nach Hause! (Lk. 15,11-24)
Freitag 16. Mai 2025 von Prädikant Thomas Karker

In vielen Dingen unseres Lebens sind Ursache und Wirkung so fest miteinander verknüpft, dass, wenn das eine eintritt, mit Notwendigkeit das andere folgen muss. Wer sich im Sommerurlaub auf Mallorca unvernünftig in die Sonne legt, weil er partout schnell braun werden will – der muss eben einen wüsten Sonnenbrand kriegen. Wer bei Rot über die Ampel geht, muss gewärtig sein, unfreiwillig ins Krankenhaus mitgenommen zu werden. Wisst ihr, dass Gottes Wort auch von solch einem Gesetz von Ursache und Wirkung spricht? In Jeremia 2,19 lesen wir: „Du musst innewerden und erfahren, was es für Jammer und Herzeleid bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen.“
Man kann dieses Wort auf die Welt anwenden. Auf Whatapp wurde ich im Schirikanal an Ostern gefragt: „Wie kann Gott nur all den Jammer in der Welt zulassen?“ Darauf gibt es nur eine Antwort: „Du musst innewerden und erfahren, was es für Jammer und Herzeleid bringt, den Herrn, deinen Gott, zu verlassen.“
Man kann dieses Wort auf unser Volk anwenden. Und dann kann einem angst und bange werden.
Wir aber wollen an uns selbst denken. Das ist immer das Fruchtbarste beim Betrachten von Gottes Wort. Hier wird uns ja in unserer Geschichte erzählt, wie es zugeht, wenn man Gott verlässt.
„Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie. 13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen. 14 Als er aber alles verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land und er fing an zu darben 15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm. 17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich einem deiner Tagelöhner gleich! 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater und es jammerte ihn, und er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße. 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße 23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.“ (Lk. 15,11-24)
Dieser junge Mann wollte leben, er wollte glücklich leben, er wollte ganz leben, er wollte endlich leben. Bitte, das war kein Protestler, der Marx und Lenin studiert hat, sich dann einen Bart wachsen ließ, eine Lederjacke kaufte und sich an den Umsturz der häuslichen Verhältnisse machte. So nicht. Er war nicht undankbar für sein Heim. Er hatte Bett, einen Tisch und ein Dach über dem Kopf. Auch für die jahrelange Versorgung hatte er zu danken. Nein, ein Protestler war er nicht.
Er war auch kein verspäteter Aufklärer, so wie ein fußkranker Rumlungerer, der kurzerhand seinen Vater für tot erklärte und dann mit dem Bekenntnis eines Ludwig Feuerbach bekannte: Ich glaube an den Menschen. Ich glaube an den Heiligen Geist des Fortschritts. So hinkte er nicht hinter der Zeit drein. Er wusste, dass sein Vater nicht mit irgendwelchen Bekenntnissen zufrieden ist, er konnte mit ihm sogar sprechen und diskutieren. Nein, ein Aufklärer war er nicht.
Ein Playboy war er erst recht nicht, der über die Regenbogenpresse Publicity suchte und deshalb stadtbekannte Lokale aufsuchte. Eine zweideutige Persönlichkeit war er nicht, keine Silbe davon, dass er ein zwielichtiger Mann war.
Er war der Herrensohn, der den aufrechten Gang des Vaters geerbt hatte. Ein Playboy war er nicht. Er war kein Protestler, kein Aufklärer, kein Playboy, sondern ein Denker. Nachdenker wollte er sein und nicht Nachbeter und Nachahmer. Er ließ sich die Dinge durch den Kopf gehen. Er fragte nach dem Leben und stellte ernsthafte Überlegungen an.
Etwa so: Jeder Mensch hat ein Grundrecht auf Leben. Es geht nicht an, dass ein 3 Monate altes Kind im Mutterleib wegen des Willens seiner Eltern abgetrieben wird. Jedes Kind darf leben. Es geht nicht an, dass ein Erwachsener wegen Hautfarbe oder Abstammung von der Gesellschaft diskriminiert wird. Jedermann darf leben. Es geht nicht an, dass ein alter Mensch auf der Intensivstation wegen einer unheilbaren Krankheit vom Tropf abgehängt wird. Lebensunwertes Leben gibt es nicht.
Jeder hat ein Grundrecht auf Leben, und dazu kommt das Selbstbestimmungsrecht des Lebens. Ich muss doch frei bestimmen können, wo und wie ich mein Leben verwirklichen will. Es geht nicht an, dass der eine nur in Ghettos und Reservaten leben darf. Es geht nicht an, dass andere nur in ideologischen Rastern denken dürfen. Es geht nicht an, dass der Dritte seine persönlichen Überzeugungen nicht ausdrücken darf. Jeder muss ein Selbstbestimmungsrecht auf Leben haben.
In 4 Schritten vollzieht sich dieser Niedergang:
1. Er schaut um sich.
An diesen Lebensproblemen saß unser junger Freund. Und dann verglich er seinen erträumten Lebensraum mit dem wirklichen Spielraum, den ihm sein Vater einräumt. Dann überkam ihn die heimliche Angst, er könnte daheim sein Leben nicht voll zum Zuge bringen. Er könnte daheim etwas versäumen. Er könnte daheim zu kurz kommen.
Liebe Freunde, ist das nicht auch unsere geheime Befürchtung? Dieser Gott könnte unser Grundrecht auf Leben und Selbstbestimmungsrecht des Lebens beschneiden. Ist das nicht auch unsere geheime Befürchtung, wir könnten bei diesem Gott zu kurz kommen? Ist das nicht auch unsere geheime Angst, wir könnten bei diesem Gott dieses Leben nicht ganz ausschöpfen und nicht alles genießen, was dieses Leben zu bieten hat? Der junge Mann kam zum Schluss, weil mir der Vater nur die kurze Leine gibt, deshalb führe ich letztlich ein Hundeleben. Weil ich aber wie ein Mensch leben möchte, deshalb muss ich die Verbindung kappen.
So war es schon bei Adam und Eva. Da kommt die Schlange und suggeriert ihnen: Euch fehlt etwas Entscheidendes zu eurem Glück! Gott möchte euch das Wichtigste vorenthalten. Erst wenn ihr wisst, was gut und böse ist, dann seid ihr richtig frei, unabhängig von Gott, dann seid ihr wie Gott.
Leider haben sie sich verzockt und sind furchtbar hereingefallen. Ja, die Augen sind ihnen aufgegangen, aber nicht darüber, was gut und böse ist, sondern was böse ist und gut wäre.
Die Sünde, die Rebellion des Menschen gegen Gott, hat Konsequenzen. Das wird hier auf drastische Weise sichtbar. Das Vertrauensverhältnis zu Gott zerbricht. Der Mensch bezieht ein Versteck, denn er hält es in der Nähe Gottes nicht mehr aus. Und wo der Mensch von Gott getrennt lebt, da gerät auch sein Verhältnis zum Mitmenschen in Unordnung. Eva hat ihren Mann mit sich ins Verderben hineingerissen. Eine Seite später berichtet die Bibel, wie nun ein Mensch gegen den andern seine Hand erhebt, wie er zum Mörder an seinem Bruder wird. Und der Mensch selbst zerbricht an seiner Orientierungslosigkeit und Sinnlosigkeit.
Ich hörte von dem jungen Mann, der die Kirchenaustrittserklärung dem Vater auf den Tisch knallte, die Tür zuschlug und ging. Er ließ sich später nicht vor dem Altar trauen, weil das eben zu einer rechten Hochzeit gehört, so wie Brautkleid und Hochzeitstorte, er ging. Er holte auch nicht den Pfarrer zur Beerdigung seiner Mutter, weil man ja alte Menschen nicht wie Tiere verscharren dürfe. Er ging. Er sprach später auf seinem Sterbebett nicht noch schnell ein Vaterunser, weil man ja nicht wissen könne, was danach noch kommt. Er ging. Er war ehrlich, so wie der verlorene Sohn. Er sagte: Wenn schon, denn schon. Wenn schon leben ohne Gott, dann auch sterben, ohne Gott.
2. Er beschwert sich.
So kam es eines Tages zu jener denkwürdigen Unterredung zwischen Vater und Sohn. Eines Tages sagte der Junge zum Alten: „Gib mir das Teil, das mir gehört!“
Dieses Wort zeigt uns den natürlichen Menschen in seinem Normalzustand, wo er noch an Gott glaubt und auch Religion hat. Aber er weiß nichts vom Heil Gottes in Jesus und von einem Leben mit Gott. Ich bin überzeugt, dass viele von uns hier ihre eigene Biografie finden.
Der Sohn ist noch beim Vater, so wie der natürliche Mensch in der Nähe Gottes geboren ist. Die Bibel sagt: „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns.“ Der Sohn spricht sogar mit dem Vater. Aber was ist dies für ein armseliges Gebet! „Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört.“ Eine Eiseskälte schlägt uns hier entgegen.
O prüft euch, Freunde, ob ihr auch so kalt seid! Dann ist man, trotz all seiner Religion, ein verlorener Sohn. Wie betet der? „Gib mir, Vater . . .“ Ja, der unbekehrte Mensch betet auch. Aber wie armselig betet er! In diesem Gebet ist kein Dank für alle Güte des Vaters. Dieses Gebet ist kein Ausdruck der herzlichen Liebe. O nein! „Gib mir, Vater!“ Man braucht den Vater nur, wenn man etwas von ihm will.
Du behandelst Gott wie einen Kellner. Nicht wahr, an einem Kellner liegt dir nichts? Er soll nur etwas Gescheites bringen. So machst du es mit Gott. Man will was von ihm, aber nicht ihn selbst.
„Gib mir!“ sagt der Sohn. Und da offenbart er sein Herz. Ja, so ist unser Herz: Es geht uns nur um uns. „Was kümmert mich der Vater,“ denkt der Sohn, „und was kümmert mich mein Bruder. Ich will mein Teil. Gib mir, Vater!“
Dies „Ich,“ das sich durchsetzen will, hat dem Sohn den Jammer gebracht. Und daher kommt alle unsere Not, unsere Unruhe, unser Unfriede. O selige Erlösung, wenn unser dickes Ich mit Christus gekreuzigt ist!
„Gib mir, Vater.“ Seht, das Gleichnis ist eine unwahrscheinliche Geschichte. Ein irdischer Vater hätte wahrscheinlich seinem Sohn was anderes gesagt. Aber Gott ist anders. Er lässt die Menschen ihre eigenen Wege gehen. So gibt er.
Erstaunlicherweise hob der Vater nicht den moralischen Zeigefinger und sagte: Pass auf, Bürschchen, dein Denk-Schluss ist ein Kurz-Schluss. Man kann das Leben auch verspielen, so einfach liegen die Dinge nicht. Der Vater schlug nicht mit der Faust auf den Tisch: Das dulde ich nicht, solche Unverschämtheiten in meinem Hause! Du und das Geld bleiben hier! Und der Vater begann nicht wieder mit der alten Leier: So, das ist der Dank für 18 Jahre Kleidung, das ist der Dank für 18 Jahre Nahrung, das ist das Ergebnis meiner Bemühungen! O diese Jugend von heute! Undank ist der Welten Lohn. So warnte, schimpfte und lamentierte der Vater nicht. Sondern er ging, holte die Kasse und den Schlüssel, machte auf und gab ihm das Geld. Der Vater hat seinen Sohn nicht gezwungen. Gott zwingt keinen, er zwingt auch sie nicht, er hält keinen zurück. Jeder darf gehen, wir sind keine Marionetten, die an Fäden hängen, wir sind keine Lebewesen, die von Instinkten getrieben sind. Wir sind keine Puppen, die nach seiner Musik tanzen. Wir sind Menschen mit einem Grundrecht auf Leben und einem Selbstbestimmungsrecht des Lebens. Das ist unsere Würde. Gott gibt jedem die Freiheit, die volle Freiheit, die er will.
Ja, Gott gibt ununterbrochen: Leben, Gesundheit, Geld, Gut, Essen, Kleidung, Sonne, Regen. Ja, er gibt seinen Sohn, „dass wir Leben und volle Genüge haben sollen.“
Und der Sohn nimmt. Ich höre nirgendwo, dass er „Danke“ sagt. Schau, so sind wir.
3. Er beeilt sich.
In dem bisher geschilderten Zustand kann der Mensch nicht auf die Dauer bleiben. „Religion muss sein,“ sagen die Leute. Und da meinen sie: Es ist ganz gut, wenn man so einen Gott weiß als Zuflucht und Trost. – Aber der Vater verlangt nun, dass wir seine Gebote halten: „Du sollst Vater und Mutter ehren!“ „Du sollst den Feiertag heiligen!“ „Du sollst nicht ehebrechen!“ „Du sollst nicht töten! Nicht stehlen! Nicht falsch Zeugnis reden!“ Und seht, das wird dem Sohn lästig. Man will doch nicht dauernd die vorwurfsvollen Blicke sehen, wenn man mal ein bisschen über die Stränge schlägt. Man will doch nicht dauernd ein schlechtes Gewissen haben. – Ich höre immer wieder: „Ich tue meine Pflicht. Und wenn Gott mehr verlangt, ist er ein Kleinigkeitskrämer.“ Seht, so spricht der natürliche Mensch, dem es in der Nähe Gottes zu eng wird.
Da fasst er einen Entschluss. Nicht sofort. Einen Augenblick erschrickt er selbst davor. Wir lesen: „Nicht lange danach . . .“ Es ist doch eine Sache, seinem Gott den Rücken zu kehren! Aber dann geht er doch. „Er zog ferne über Land.“ Man kann auch nach dem griechischen Text übersetzen: „in ein weites Land.“ Ach ja, das ist eine weite Welt ohne Gott! Da leben Millionen Menschen ohne ihn und sind froh und frei. Na, also! Was soll man dann noch länger an diesem rückständigen Vaterhaus festhalten?! Mit der Zeit muss man gehen!
In dem weiten Land, wohin der verlorene Sohn zog, gab’s Schweine. Die waren in Israel unrein. Da war der Unterschied von rein und unrein aufgehoben. Seht, das zog den jungen Mann. „Herrlich!“ sagte er, „das Land ohne Hemmungen!“ Da hatten junge Männer ihre „Freundin.“ Und keiner dachte was dabei. Da konnte man lügen – und galt als schlau. Da konnte man sich streiten und fluchen, wie man wollte. So zog er weg. Nein, er stahl sich weg.
Fern – vom Vater. Von nun an steht über dem Leben des jungen Mannes der Satz: „Du musst innewerden und erfahren, was es für Jammer und Herzeleid bringt, den Herrn, Deinen Gott, zu verlassen.“
4. Er verkalkuliert sich.
Und so zog er, über Land, unser junger Freund. Jetzt konnte er tun, was er wollte. Er hatte Freunde und Freundinnen. Er hat eine Wohnung mit Geschmack und Niveau. Er hat eine schicke Garderobe. Er hatte alles, wonach sich sein Herz sehnte. Endlich war er frei. Und dann, dann passierte es. Einer schrieb einmal, man kann nicht immer aus vollen Eisschränken leben. Man kann nicht immer aus dem Vollen schöpfen. Man kann nicht immer Urlaub machen, man kann nicht immer Cola trinken. Man kann nicht immer auf den Fernsehschirm starren. Einmal ist ein Sättigungsgrad erreicht.
„Daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.“ Es ist zum Verwundern, wie Jesus erzählt. Nicht wahr, wir würden gerne Näheres über diese Zeit wissen. Aber so ist die Bibel. Wenn sie von der Sünde spricht, hat sie nur einen Satz. „Er brachte sein Gut um mit Prassen.“ O Freunde, die Bibel braucht uns das Leben ohne Gott nicht zu schildern. Das kennen wir ja. So lebt der junge Mann, als könne er in alle Ewigkeit so weiterleben. Aber es geht nicht immer so weiter. Auch mit uns nicht. „Es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach das Gericht.“
Der, der eigentlich kein Hundeleben führen wollte, der landete bei den Schweinen. Er rief: Ich lebe, ich bin frei! Und dann hatte ihn das Heimweh. Und er musste dem großen Lebensstil folgen. Er rief: Ich lebe. Ich bin frei, und dann hatten ihn die Triebe und er musste sie befriedigen. Er rief: Ich lebe. Ich bin frei und dann hatte ihn das Heimweh, und er musste sich amüsieren. Sehen Sie, so sieht doch die Freiheit aus, die wir uns wünschen. Gebunden sein, müssen, nicht mehr anders können. Der Satz, „ich bin frei,“ ist glatte Illusion. Entweder wir stehen unter Gott und sind damit Söhne und Töchter dieses Gottes, oder aber wir stehen unter uns selbst und unseren Trieben und Lüsten. Und dann sind wir Stiefelknechte und erleben die größte Unfreiheit, die es überhaupt gibt.
Janette Kennedy hat es damals so formuliert: Die Menschen müssen sich entscheiden, sich von Gott regieren zu lassen, oder sie verdammen sich dazu, von Tyrannen beherrscht zu werden. Der Entscheidungsfrage gilt uns. Wollen wir Kinder des einen sein oder Knecht der vielen anderen? Wollen sie Kind des einen oder Knecht der vielen andern sein? Wir haben nur die Wahl zwischen Freiheit und Fesseln. Das Wahlrecht muss jeder ausüben. Freiheit oder Fesseln.
Der junge Mann entschloss sich schließlich zur Freiheit, und zwar in drei kurzen Schritten wollte er umkehren:
5. Er kam zu sich.
Das war nicht die neue Welle, die wir gegenwärtig erleben. Nach der Aktion die Frustration und dann die Resignation und schließlich die Meditation. Meditation ist in, so hören wir überall, und Zeitgenossen steigen mit Hilfe fernöstlicher Heilslehren in sich hinunter, was sie da wohl an Dunklem und Bösem und Unerledigtem finden werden. Der junge Mann kam zu sich. Er horchte nicht in sich hinein, sondern er dachte zurück an seinen Vater: Wie viele Hilfs-Arbeiter hat mein Vater, die essen genug haben, und ich komme im Hunger um? An die Stelle des Ichs trat wieder die Gestalt des Vaters. Wir kommen zu allem: zum Arbeiten, zum Schlafen, zum Zeitungslesen, zum Essen, zum Trinken, aber wir kommen doch von Sinnen, wenn wir nicht wieder zur Besinnung kommen und an den Vater denken, dem wir aus den Fingern gelaufen sind. Er kann zu sich.
6. Er schlug in sich.
Das ist das glatte Gegenteil von dem, was wir in psychologischen Büchern nachlesen können. Heute schlägt man um sich und weist auf eine negative Erbanlage hin oder auf eine mangelnde Nestwärme, auf das erzieherische Versagen oder auf die krankmachende Gesellschaft. Mit einem Rundumschlag werden Eltern und Lehrer und Pfarrer und Meister dingfest gemacht. Er aber schlug in sich und tröstete sich auch nicht mit dem Satz von Paul Sartre, dass alle Gewissensbisse ja nur lästige Fliegen seien, die man nur verjagen müsse. Er sagte den schwersten Satz, den ein Mensch über die Lippen bringen kann: Vater, ich habe gesündigt, gegen den Himmel und vor dir. Er sagte nicht: Vater, ich bin ein bisschen entgleist. Ich habe einige über den Durst getrunken gekommen. Ich bin aus dem Tritt gekommen. Ich befand mich in schlechter Gesellschaft. Ich habe es gar nicht so böse gemeint. Entschuldigung, Vater. Entschuldigung. Nein. Er sagte: Ich bin abgehauen. Ich wollte ohne dich leben. Doch ich wollte ohne dich leben, ohne Gott leben wollen, das ist Sünde. Ohne Gott denken wollen, das ist Sünde. Ohne Gott handeln wollen, das ist Sünde.
„Vater, ich habe gesündigt.“ Das ist der schwerste Satz, den ein Mensch über die Lippen bringen kann. So ist’s. Wir lassen es gelten, wenn es heißt: „Wir sind eben alle Sünder.“ Aber der verlorene Sohn sagt: „Ich habe gesündigt.“ Und auf das „Ich“ kommt’s an. Beim verlorenen Sohn war es so. „Ich habe gesündigt.“ Das war Erschrecken. Das war Jammer. Das war Abscheu und Abschied von der Sünde.
Paul Schütz hat gesagt: Sünde ist die Kunst des Lebens ohne Gott. Unser junger Mann wollte ein solcher Lebenskünstler nicht mehr sein. Deshalb schlug er in sich.
7. Er ging heim.
Aber – was hätte das genützt? Nichts! Nein! Umkehren musste er zu seinem Vater. Ohne eine Bekehrung kommen wir nicht zurecht.
Wir wollen uns den Mann genau ansehen, der dort seine Schweineherde im Stich gelassen und sich auf den Heimweg gemacht hat.
Hat denn der noch irgendein Recht an den Vater und an die Güter seines Hauses? O nein! Er hat jedes Recht verscherzt. Er hat dem Vater den Rücken gekehrt und ohne ihn sein Leben gestaltet. Nein, der hat kein Recht mehr an dem Vater.
O Freunde, wir haben kein Recht mehr an Gott. Und wenn sich einer bekehrt, tut er es nur auf Gnade hin. Und doch: „Er machte sich auf und kam zu seinem Vater.“ Er hat kein Recht zur Heimkehr. Und doch — und doch, er hat ein Recht, er darf umkehren. Denn – er ist Sohn.
Du bist Gottes Geschöpf, ein Gedanke von ihm. Und für dich gab der Gott Jesus dahin. Darum darfst du dich zu ihm bekehren. „Und er machte sich auf.“ Ja, was nahm er denn mit? Er nahm mit, was jeder mitnimmt, wenn er sich bekehrt:
Er hat sich nicht vorher fein gemacht. Er ging zu keinem Friseur. Bei einer Kleiderreinigung ist er nicht aufgetaucht. Er kam so, wie er war, mit seinen Lumpen und seinen Fetzen. Seine Lumpen. Er hat sich nicht erst schön gemacht. Das machte später der Vater. Wer sich bekehren will, darf und soll kommen, wie er ist. Mit all seinen Sünden, seinen Gebrechen, seinen Zweifeln, seinem Unglauben. Was dir fehlt, gibt dir später der Vater.
Er nahm sein beladenes Gewissen mit. Unser Gewissen wird erst frei, wenn Gott uns um Jesu willen vergeben hat.
Er nahm ein großes Vertrauen mit. „Ich habe des Vaters Liebe zwar mit Füßen getreten. Aber er wird mich doch nicht verstoßen.“ Ohne dieses Vertrauen, das an Jesus entsteht, gibt’s keine Bekehrung.
Und dann jene Szene: hier der Hof, dort die Straße, hier der Vater und dort die armselige und abgerissene Gestalt, und der Vater hat ihn nicht wie einen räudigen Hund vom Hofe gejagt, er las ihm nicht die Leviten, er fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
So ist unser Gott, der Vater Jesu Christi. Er ist kein ferner Weltenlenker, der in großen Sphären eine festgeschriebene Reise vollendet, er ist kein ferner Nebel oder eine nebelhafte Ferne, er ist kein unnahbarer Richter, der uns das Sündenregister unter die Nase hält. Nein, er ist ein erbarmender und barmherziger Gott, der uns wieder neu in seine Gemeinschaft aufnehmen will. Er hat unendlich viel getan, um dies möglich zu machen. Es kostete ihn nicht nur etwas Mitleid. Es kostete ihn nicht nur etwas Überwindung, es kostete ihn seinen einzigen Sohn, den schickte er ans Kreuz, damit wir nicht zu Kreuze kriechen müssen. Jesus nahm unsere ganze Verlorenheit auf sich, damit wir keine Verlorenen mehr sein müssen.
Verstehen Sie, deshalb kommen Sie zu sich, schlagen Sie in sich, gehen Sie doch wieder zum Vater. Amen
Prädikant Thomas Karker, Mai 2025
Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 16. Mai 2025 um 8:46 und abgelegt unter Predigten / Andachten.