Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Wem gehört das Heilige Land?

Dienstag 20. Mai 2025 von Pfr. Manfred Baral


Pfr. Manfred Baral

Im Juli vergangenen Jahres war in einer Zeitung zu lesen, dass nach Auffassung des höchsten UN Gerichts in  Den Haag Israels Siedlungspolitik illegal sei. Es gibt einfach  keine Ruhe, wie auch die jüngste Vergangenheit deutlich macht, nachdem am 7. Oktober 2023 Terroristen der Hamas Israel überfallen haben und ein grausames Massaker verübten. Bei der Berufung Abrahams in 1. Mose 12 verspricht ihm Gott, dass er Abraham segnen werde und dass durch ihn alle Geschlechter der Erde Gottes Segen empfangen werden und in diesem Zusammenhang verspricht Gott dem Abraham, dass seine Nachkommen das Land Kanaan gehören soll. In anderen Bibelstellen wird Gott noch konkreter, was das versprochene Land angeht.

Sollte sich Israel jedoch nicht an den Bund halten, den Gott mit ihm gemacht hat, wird das schlimme Folgen haben. In 5.Mose 28 heißt es in den Versen 64 bis 66: „Denn der Herr wird dich zerstreuen unter alle Völker von einem Ende der Erde bis ans andere, und du wirst dort anderen Göttern dienen, die du nicht kennst, noch deine Väter: Holz und Steinen. Dazu wirst du unter jenen Völkern keine Ruhe haben, und deine Füße werden keine Ruhestatt finden. Denn der HERR wird dir dort ein bebendes Herz geben und erlöschende Augen  und eine verzagende Seele und eine verzagende Seele. Und dein Leben wird immerdar in Gefahr schweben; Nacht und Tag wirst du dich fürchten und deines Lebens nicht sicher sein.“ Diese Unheilsankündigung verwirklichte sich zuerst, indem sich das Assyrische Reich über Nordisrael, über das Zehnstämmereich hermachte und große Teile der Bevölkerung deportierte und Menschen anderer Völker in diesen Gebieten ansiedelte (siehe 2. Könige 17,6-7). Juda wurde dann vom Babylonischen König weggeführt (siehe 2. Chr. 36,20-21). Die Juden konnten zwar wieder zurückkommen und Jerusalem wieder aufbauen, nach dem Wort des HERRN. Doch der entscheidene Einschnitt in der Geschichte Israels war der, dass der ihm von Gott gesandte und schon lange zuvor verheißene Messias Jesus Christus nicht angenommen wurde, ja, sogar verworfen wurde.

Dies hatte ein schlimmes Gericht zur Folge. Wie Jesus in Matth. 24,1+2 voraussagte, wurde Jerusalem mit dem wunderbaren Tempel zerstört, was dann auch 70 nach Christus eingetroffen ist. In Luk. 21,20-24 kündigte Jesus das schlimme Gericht über Jerusalem an. In den Jahren 132 bis  134 n. Chr. wurde dann in einem schrecklichen Krieg durch den römischen Kaiser Hadrian das Ende des jüdischen Staates herbeigeführt. Allerdings leuchtet am Ende dieses Abschnitts ein Licht auf, das Licht der Verheißung als Bestätigung der Verheißung des Alten Testaments, so in Vers 24 „ … und sie werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt unter die Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der Heiden erfüllt sind.“

Jesus sagte in seinen Endzeitreden vieles, was heute besonders zu beachten ist, dass z.B. die Verführung groß und gefährlich sein wird vor seiner Wiederkunft. Aber er spricht auch davon, dass der Feigenbaum, ein Symbol für Israel, Blätter gewinnen wird (Matth. 24,32 f.), dass also der Staat Israel neu als politische Größe entstehen wird. Und Paulus erläutert im Römerbrief das Geheimnis um Israel in den Kapiteln 9-11. Da gab es Christen in Rom, die etwas von oben herab auf die Juden schauten. Paulus wehrt sich dagegen. Seid nicht stolz! Israels teilweise Verwerfung dient eurem Heil! „Nun sprichst du: Die Zweige sind ausgebrochen worden, damit ich eingepfropft würde. Ganz recht! Sie wurden ausgebrochen um ihres Unglaubens willen; du aber stehst fest durch den Glauben. Sei nicht stolz, sondern fürchte dich!

Hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, wird er dich doch wohl auch nicht verschonen. Darum sieh die Güte Gottes aber dir gegenüber, sofern du bei seiner Güte bleibst; sonst wirst durch auch abgehauen werden.“ (Röm. 11,19-22)

Durch den Fall Israels ist den Heiden das Heil widerfahren, damit Israel ihnen nacheifern sollte. Jetzt ist die Zeit der Gemeinde, der weltweiten Mission. Solange ist Israel sozusagen mit seiner heilsgeschichtlichen Bestimmung auf dem Abstellgleis. Aber: „Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, solange bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt  ist; so wird ganz Israel gerettet.“ (Vgl. Kap. 11,25b-26b).

Nun, wie wird Israel gerettet?

Der Prophet Sacharja schildert das in prophetischer Weitsicht (Sach. 12,10):

„Aber über das Haus David und über die Bürger Jerusalems will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets. Und sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen.“

Bei Jesu Wiederkunft geschieht das! Da wird Israel als Ganzem die Einsicht geschenkt über ihren Messias. Und es ist beispielhaft bei Paulus als Einzelnem geschehen, der plötzlich vor Damaskus erkannt hat, als ihm Jesus erschien, welche Bedeutung Jesus hat und wie er mit ihm umgegangen ist. So wird es kommen für ganz Israel. Und es gilt: „Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen“ (Röm. 11.29). Er ist auch der Landverheißung gegenüber der Treue und Wahrhaftige. Gott ist treu. Er hält sein Wort. Darauf dürfen wir uns auch ganz persönlich verlassen!

Der Umgang mit Israel in der Kirchengeschichte, bis in die Gegenwart

Bis zum Kirchenvater Augustin (354-430) hat die Alte Kirche das so geglaubt und gelehrt, wie im Vorigen ausgeführt. Augustin ist allerdings zu der Meinung gekommen, dass sich die Verheißungen Israel betreffend nun auf die Kirche beziehen und nicht mehr auf das Volk Israel. Ein schlimmer Einschnitt weg von der biblischen Theologie. Man nennt diese Veränderung „Substitionstheorie“ (Ersatztheorie).

Das hatte auch schwerwiegende rechtliche und politische Folgen für die Juden.

Luther, als ehemaliger Augstinermönch, war in seiner Auslegung von Augustinus beeinflusst. Er deutete die Stelle: „ … und so wird ganz Israel gerettet“ (Röm. 11,26) folgendermaßen: Die Verheißung sei schon durch diejenigen Juden, die seit der Apostelzeiten bis zu seiner Zeit sich bekehrten zur Genüge erfüllt worden.

Der Theologe Philipp Jacob Spener (1635-1705), der als Vater des Pietismus gilt, und der ein sehr treuer Lutheraner war, schrieb in seiner Reformschrift „Pia Desideria“ etwa so: (dem heutigen Deutsch angeglichen) Wir können uns doch „von dem Buchstaben, mit dem die ganze Absicht des Paulinischen Kontextes lieblich übereinstimmt, nicht abtreiben lassen …“. Das meint, Spener kann sich von der Meinung nicht abbringen lassen, die ursprüngliche Deutung von Römer 9-11 anzuerkennen und zu vertreten, auch wenn dies seinem sehr geschätzten Lehrer Martin Luther widerspricht.

Auch in neuerer Zeit wird sogar im evangelikalen Lager die Sache um Israel zum Teil wieder anders gedeutet. Die sogenannte „Neue Paulusperspektive“ kommt zu dem Schluss, die Erfüllung des Bundes durch den Messias Jesus schließe die Neudefinition Israels mit ein, indem Israel vom ethnischen Volk zu einer weltweiten Familie werde, einem Volk unter den anderen Völkern, ohne das besondere Volk Gottes des alten Bundes zu sein, mit dem Gott weiterhin seine Verheißungen verbindet.

Im Grunde genommen wird hier wieder das gelehrt, was Augustinus schon vertreten hat. Nach dieser Deutung wird die Aussage in Röm. 11,26, dass ganz Israel gerettet werden wird, so verstanden, dass „ganz Israel“ nicht das leibliche Israel, nicht Israel als Volk, sondern das neue Israel, der an Jesus Glaubenden aus Juden und Heiden meint. Israels Weg als natürliches Volk mit Verheißung, einschließlich der Landverheißung, ist nach dieser Lehre zu Ende.

Johann Michael Hahn, der von 1758 bis 1819 gelebt hat, der Vater der Hahn’schen Gemeinschaft, der seine Bibel kannte und sehr ernst nahm, schrieb zu seiner Zeit, in der viele Christen den Eindruck hatten, die Wiederkunft Christi stehe unmittelbar bevor, ein Gedicht, in dem es im Blick auf Jesu Wiederkunft heißt:

Du wirst mich fragen: was ich damit meine,
da mir die Sache so nahe nicht scheine.
Israel muss sich vorher noch versammeln
dort in ihr Erbland gewiss nach der Schrift;
weil die Propheten nicht nur davon stammeln,
Weil sie ein deutliches Zeugnis gestift’t.

Also dies ist noch nicht wirklich geschehen,
dies hat kein Auge noch also gesehen.
Auch ist Jerusalem noch nicht gebauet,
sonst hätt‘ man solches auch schon gehört.
Also was muss nicht noch vorher geschehen,
ehe des Herrn Tag mit Augen zu sehen?

(Zitiert nach G. Salomon, Die Gefahren der Endzeit für die Gläubigen, S. 26)

Zum Schluss noch ein sehr interessantes und eindrückliches Zeugnis:

Siegfried Lichtenstaedter, ein jüdischer Verwaltungsjurist aus Bayern, der in seiner freien Zeit gelehrte, scharfsinnige und oft auch satirische Texte schrieb, hatte die Ermordung der deutschen Juden vorausgeahnt. Er wurde am 8. Januar 1885 geboren. Am 6. Dezember 1942 wurde er im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet.

In einem fiktiven Brief, „Brief an einen antisemitischen Freund“, 1926 geschrieben unter dem Pseudonym „U.R. Deutsch“, schrieb er unter anderem überraschende Gedanken zum Thema „Wiederinbesitznahme des Landes ihrer Vorväter“. In diesem Brief lässt er den Christen (er bezeichnet den Briefschreiber als Christen), aber er drückt darin seine Meinung aus) schreiben: „Eines ist mir als Christen vollkommen klar, dass dies überhaupt geschehen konnte, weil es Gottes ganz besonderer Wunsch und Wille ist. Er lenkt die Geschichte der Völker (Er schreibt so, im Jahr 1926, als wäre Israel schon gegründet!). Seine wiederholten Zusicherungen, dass jenes Land Abraham und seinem Samen ‚ewiglich, zu einem ewigen Besitztum‘ gegeben werden solle, dass er sein Volk bis auf den letzten Mann aus der Fremde wieder in das verheissene Land führen werde, können nicht  gebrochen werden“.

Alles sei in der Bibel „genau bestimmt“, „bis ins Kleinste geweissagt“, einschließlich der „künftigen Grenzen des Landes“, so heißt es an seinen antisemitischen Freund. „Sieh, lieber Rudi“, so wendet sich der Briefschreiber an den fiktiven Adressaten, „da fordert Gottes Wort wieder einmal die Menschen in die Schranken.“ So gewiss erfüllen sich seine Vorhersagen „und wir, die wir den Anfang der Erfüllung mit sehenden Augen erleben, sollten auch nicht zweifeln, dass der Rest in Erscheinung treten wird. Aber es geht auch heute schon wie früher: „Sie haben Ohren und hören nicht, sie haben Augen und sehen nicht.“ (vgl. factum 2/2022, die Seite 20. Artikel: Thomas Lachenmaier,Prophet der Vernichtung. www.factum-magazin.ch)

Pfarrer i.R. Manfred Baral

Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 20. Mai 2025 um 15:48 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Israel.