Ordination von Frauen?
Montag 25. November 2024 von Prof. Dr. Hermann Sasse (1895-1976)
Während der 1. Session des 2. Vaticanums tauchte in Rom eine Dame auf und bat um eine Audienz bei dem Papst, um mit ihm die Frage der Ordination von Frauen zum röm.-kath. Priesteramt zu erörtern. Es war Dr. Gertrud Heinzelmann, eine Rechtsanwältin aus Luzern, jenem bedeutenden Zentrum der röm. Kirche in der Schweiz. Papst Johannes, der sonst die Freundlichkeit und Geduld in Person war, wurde höchst ungehalten. ,,Sagt dieser Frauenrechtlerin (suffragette), daß ich sie niemals empfangen werde. Sie soll hingehen, wo sie hergekommen ist!“ Warum gab dieser Papst eine so schroffe Antwort, wo er doch sonst stets zum Dialog bereit war, auch mit den ärgsten Feinden der Kirche?
Hätte er nicht etwa folgendes erwidern können: ,Sagt meiner Tochter, daß die Frauenordination gegen Gottes Wort ist!‘? Das war nämlich sein Argument, als der Erzbischof von Canterbury erklärte, eine solche Ordination sei gegen die kirchliche Tradition. Hätte er sie nicht zwecks weiterer Information an einen seiner Theologen verweisen können? Johannes XXIII. war nicht ein Intellektueller wie sein Vorgänger; er war auch kein großer Theologe. Aber er war – wie seine Tagebücher zeigen – ein großer Seelsorger. Und jeder Seelsorger weiß, oder sollte wissen, daß es Fälle gibt, in denen jede Diskussion unmöglich ist, und die einzige Antwort auf eine Frage die sein kann: ,,Hebe dich weg von mir, Satan“ (Matth. 4,10)! Diese Antwort gab Jesus nicht nur dem Teufel, sondern auch seinem treuen Bekenner, Simon Petrus (Matth. 16,23). Nicht jede Frage kann auf dem Weg freundlicher Diskussion entschieden werden. Man muß daran erinnern, besonders in einer Zeit, die wie die unsere geradezu abergläubische Erwartungen in den Dialog setzt als dem unfehlbaren Mittel jeder Entscheidung.
Es gibt Fragen, die der Teufel erfindet, um die Kirche Jesu Christi zu zerstören. Um dieses Ziel zu erreichen, benutzt er als seine bevorzugten Werkzeuge nicht nur ehrgeizige Theologieprofessoren, sondern auch einfältige fromme Seelen. Ob etwa Frauen ordiniert werden können, ist eine dieser Fragen. ,Diese Suffragette‘ nannte Papst Johannes die Frau, die er unter anderen Voraussetzungen als ,unsere geliebte Tochter‘ angeredet hätte. Der Ausdruck ,suffragette‘ (,Frauenrechtlerin) weist deutlich auf die Wurzel dieser Streitfrage hin. Ihr Ursprung findet sich nicht in der Kirche, sondern in der Welt außerhalb der Kirche, in der großen Frauenbewegung, wodurch die Frauen in der modernen Gesellschaft solche politischen und gesellschaftlichen Rechte forderten und erreichten, zu denen sie als Bürger des modernen Staates berechtigt sind. Sie ist eine weltweite Bewegung, in der freilich gute und schlechte, richtige und falsche Grundzüge, berechtigte Forderungen und ungerechtfertigte Ansprüche vermischt sind. Abgesehen von der jüngsten Entwicklung zu einer revolutionären ,Bewegung der Frauen-Befreiung‘ mit ihren überspitzten Ansprüchen völliger Gleichheit der Geschlechter hat sich diese Bewegung als ein Segen für die moderne Gesellschaft erwiesen. Daß das auch starke Rückwirkungen auf die Kirche hatte, war unvermeidlich. Auch diese Rückwirkungen sind in vieler Hinsicht für die Kirchen segensreich gewesen. Man denke nur an die Frauen in Lehr- oder Arzt-Berufen. Das allein gewichtige Problem dabei ist dies, daß es ein einziges Amt gibt, das einer Frau nicht zugänglich ist: das Hirtenamt, das Pfarramt. Es ist verständlich, daß alle Bemühungen sich auf die Eroberung dieses letzten Bollwerks ,männlicher Ãœberlegenheit‘ konzentrieren. Auch Menschen, die sich für nichts in der Kirche interessieren und die sich noch viel weniger darum kümmern, wer den Gottesdienst hält (weil sie ihn doch nicht besuchen!), führen einen leidenschaftlichen Kreuzzug für das Recht der Frauen auf das volle Amt der Kirche.
Es gab schon früher christliche Gruppen und Sekten vor allem in USA mit weiblichen ,Pfarrern‘: Quäker, Heilsarmee, Pfingstler, einzelne methodistische oder kongregationalistische Kirchen. In Deutschland drangen so nach und nach ,Vikarinnen‘ (Frauen mit vollem theol. Studium, die an Frauen in kirchl. Einrichtungen oder als Gemeindehelferinnen Dienst taten) in das volle Amt ein, als während des Krieges viele Pfarrer zum Wehrdienst einberufen waren. Es ist erstaunlich, auf welch geringen Widerstand diese Bewegung für Frauenordination stieß. Viele der jungen Damen hatten zwar erhebliche Bedenken, aber ihre Zweifel legten sich bald.
Die Gründe für den Sieg dieser Bewegung im deutschen Protestantismus sind verschiedenartig: die Unwissenheit des christlichen Volkes, der Verfall der Autorität der HI. Schrift bei den Theologen, die Zersetzung des geistlichen Amtes in der Kirche, das vielen nicht mehr das göttlich gestiftete war, sondern ein akademischer Beruf wie andere, die geschickte und zielbewußte Politik des ,Theologinnen-Verbandes‘, einer Organisation, deren Hauptinteresse an der Öffnung des Berufsstandes für Frauen lag und nicht an der geistlichen und kirchlichen Seite dieser Angelegenheit, und endlich – nicht zu vergessen, die außerordentliche Autorität des Schweizer Reformierten Karl Barth, mit der er eine heimliche Diktatur über den deutschen Protestantismus ausübte. Das Ergebnis ist, daß nun Hunderte von ,Pastorinnen‘ in den Kirchen West- und Ostdeutschlands amtieren. Es gibt noch Zentren des Widerstandes vor allem unter den konfessionsbewußten Lutheranern. Aber das sind Minderheiten. Für den deutschen Protestantismus als Ganzes scheint die Angelegenheit mit einem Kompromiß erledigt, wie das in Landes- oder National-Kirchen zu sein pflegt. Was daraus noch erwächst, bleibt abzuwarten.
Viel aufregender war die Entwicklung in Schweden, dem progressivsten Land Europas. Die Sache war ein jahrelanger Gegenstand schwerer Auseinandersetzungen, die durch streitbare Frauenorganisationen angeheizt wurden. Die Kirche von Schweden ist Staatskirche im strengsten Sinn; ihre Bischöfe und Pfarrer sind Staatsbeamte und werden vom König ernannt. Jedermann wußte, daß die sozialistische Regierung die notwendige Gesetzgebung vorbereitete. Der schwedische Episkopat, einst berühmt ob seiner Gelehrsamkeit, war gespalten. Diese Verteidiger des Glaubens wußten nicht genau, ob die Glaubenswahrheit auf dem Spiele stand. Sie suchten deshalb Rat von außerhalb. Sie fragten den Weltrat der Kirchen und den Lutherischen Weltbund und erhielten unverbindliche Antworten. Sie fragten die schwedischen Gewerkschaften und Frauenorganisationen, – die waren natürlich dem Plan günstig gesonnen. Sie fragten die Jugendorganisationen und erhielten die Antwort: Nein, Frauenordination ist gegen Gottes Wort!
Sobald der Reichstag das Änderungsgesetz beschlossen hatte, paßte sich die Kirchenversammlung an und änderte entsprechend die Ordinationsliturgie. Von einem der Bischöfe wird berichtet, daß er temperamentvoll ausrief: ,,Das ist das Ende der Kirche von Schweden.“ Er wurde durch seine Kollegen rasch beruhigt, durch den Hinweis auf die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium, das große Beruhigungsmittel für verwirrte Gewissen in modernen Kirchen.
,Das Evangelium steht nicht auf dem Spiel!‘ – ,Lediglich eine äußere Ordnung wurde geändert!‘ Als später einige führende Kirchenmänner erklärten, sie seien unter Druck gesetzt worden, antworteten die Politiker: ,Niemand hat euch unter Druck gesetzt.‘ Was sie veranlaßte, so zu handeln, wie sie es taten, war der Wunsch, einen schweren Konflikt zwischen Staat und Kirche zu vermeiden und dem schwedischen Volk seine Nationalkirche zu erhalten mit all ihren Möglichkeiten der Verkündigung des Evangeliums, was auch immer man darunter verstehen mag. Das ist der tragische Konflikt, der in allen Nationalkirchen Europas besteht.
Aber in diesem Fall trat ein Ereignis ein, das in anderen Ländern nicht geschah. Unter der Führung des Bischofs von Göteburg, Bo Giertz, und anderen erwuchs eine starke Bewegung in kirchlichen Vereinigungen und in der Pfarrerschaft. Es war ein erstes Zeichen für das Erwachen des konfessionellen Luthertums, besonders unter der jüngeren Generation. Diese Bewegung leidet im Augenblick noch unter einem Mangel an Klarheit im Blick auf ihre Ziele und Möglichkeiten. Aber ihr Einfluß ist im Wachsen, nicht nur in Skandinavien. Ein neues Sich-Sammeln um Bibel und Bekenntnis ist überall im Entstehen als Reaktion des christlichen Volkes auf den Modernismus in Theologie und Kirche, der die Substanz des christlichen Glaubens bedroht. Wir finden hierzu eine interessante Parallele im Entstehen der evangelikalen Bewegungen in der englisch-sprechenden Welt, besonders in England und USA, aber auch in Australien und den jungen Kirchen Asiens. Es scheint dafür bezeichnend zu sein, daß  die ,Student Christian Movement‘ die akademische Welt verliert zugunsten der ,Inter-Varsity Fellowship Movement‘ und ihrer evangelikalen Vereinigungen. Man kann das auch aus dem großen Erfolg der Zeitschrift ,Christianity Today‘ schließen.
Es ist bezeichnend, daß ausgerechnet die Frauenordination der Anlaß zu einem Stimmungsumschwung in Skandinavien wurde. Für einfache Laien ist es nicht immer leicht, in der Predigt einen dogmatischen Irrtum herauszufinden, besonders deshalb, weil die gefährlichsten Modernismen sich der Begriffe des rechten Glaubens bedienen, wenn auch in völlig anderem Sinn. Aber wenn am Altar eine junge Dame erscheint als ,Botschafter an Christi Statt‘, dann merkt jeder eine solche Veränderung. Möglicherweise steht auch die strenge liturgische Tradition der Kirche von Schweden hinter dem Widerstand des schwedischen Volkes: schwedisch ist eine der schönsten liturgischen Sprachen der Welt.
Einwände gegen die Frauenordination
Welches sind aber nun die Einwände gegen die Frauenordination? Eine Menge menschlicher Argumente wurde vorgebracht, aber sie sind nicht ausschlaggebend. Maßgebend allein ist Gottes Wort; und es schließt eindeutig Frauen vom Amt der Predigt und Sakramentsverwaltung in der Kirche aus. Die Schriftstellen sind gut bekannt und brauchen hier nicht im einzelnen ausgelegt zu werden. Sie stehen in den Briefen von St. Paulus 1. Kor. 14 und 1. Tim. 2. Wenn wir nur diese beiden Stellen hätten, könnte die Frage auftauchen, ob St. Paulus hier eine Anordnung für sein Missionsfeld gibt, die nicht verbindlich sein möchte für die Kirche aller Zeiten. Jedoch l. Kor. 14 zeigt, daß diese Regel in der Tat Allgemeingültigkeit beansprucht.
Der 1. Korinther-Brief ist ein wahrhaft bemerkenswertes Dokument, ein Trost für jeden modernen Großstadtpfarrer. In Korinth war eine vergleichsweise junge Kirche die Frucht der zweijährigen Arbeit eines großen Missionars. Jetzt aber war sie eine zerfallende Kirche, menschlich geredet eine sterbende. Korinth war eine der großen Hafenstädte des Römischen Reiches voller Laster und abergläubischer Kulte. Die ethischen Probleme einer solchen Umgebung spiegelten sich wieder im Leben dieser Gemeinde: z.B. Unzucht in übelster Form, Prozesse zwischen Gemeindegliedern, Parteiungen und Hader, Unglaube, etwa die Verwerfung des Artikels von der Totenauferstehung, eine unglaubliche Unkenntnis Hand in Hand mit dem Dunkel der ,Erkenntnis‘, Klatschereien über die Apostel, ihre Vorzüge und Nachteile. Die hl. Sakramente waren in völligem Zerfall. Paulus machte ihnen klar, daß ihr ,,Altarsakrament“ nicht mehr das Sakrament Christi sei. Es war zersetzt zu einer gemeinsamen Mahlzeit ohne wirkliche Gemeinschaft, während die Hl. Taufe zum Gegenstand des Aberglaubens geworden war. Aber diese Leute hatten den ,,Geist“. Es ist dies der erste Fall von enthusiastischem ,,Pfingstlertum“ in der Kirche. Die Sonntagsgottesdienste entarteten zu lärmerfüllten, unordentlichen Versammlungen, in denen ,Zungenredner‘ und Leute, die sich selbst als Propheten ausgaben, die Gemeinde auf den Kopf stellten.
Mit einer bewundernswerten Geduld, mit der Liebe Christi zu den verlorenen Schafen, mit pastoraler Weisheit, mit der Tatkraft eines erfahrenen Missionars tat der Apostel das Menschenmögliche, um diese Gemeinde zu retten, die in völliger Auflösung zu sein schien. Er hat den Glauben, daß auch diese Gemeinde noch Kirche Jesu Christi ist, daß sie in all ihren Sünden noch Heilige und Gottes Volk sind. Denn Gottes Wort ist noch gegenwärtig unter ihnen. Christus, der Gute Hirte, ist noch ihre Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. In diesem Zusammenhang muß man 1. Kor. 14 lesen. Paulus ruft diese Gemeinde mit ihren lärmenden, meist sehr liederlichen pfingstlerischen Treffen zur Ordnung. Er erhebt keinen Einspruch gegen das, was als Werk des HI. Geistes angesehen wurde, wie Zungenreden und Prophetie, obgleich er in den vorangehenden Kapiteln immer wieder klargelegt hat, daß diese außerordentlichen Gaben von wesentlich geringerer Bedeutung sind als die Gaben, die jeder Christ besitzen kann und muß: Glaube, Liebe, Hoffnung.
In diesem Zusammenhang schreibt Paulus sein bekanntes Wort: ,,Mulier taceat in ecclesia!“ – ,,Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen in den Gemeindeversammlungen schweigen, denn es kann ihnen nicht gestattet werden zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, sollen sie daheim die eigenen Männer fragen; denn es ist für eine Frau unschicklich, in der Gemeindeversammlung zu reden. Oder ging das Wort Gottes von euch aus, oder kam es einzig zu euch? Wenn jemand meint, er sei Prophet oder vom Geist geleitet, so erkenne er an dem, was ich euch schreibe, daß es das Gebot des Herrn ist. Wenn es aber jemand nicht erkennt, so wird er auch von Gott nicht erkannt“ (1. Korinther 14, 34-38). Gemeindeversammlung bedeutet hier die feierliche gottesdienstliche Versammlung. Es ist anscheinend vorgekommen, daß Frauen im Gottesdienst auftraten mit der Behauptung, Prophetinnen zu sein oder durch Inspiration des Geistes zu reden. Möglicherweise hat dieser Anspruch der Frauen und die abschlägige Antwort, ,,den Geist zu dämpfen“, diese tumultartigen, pfingstlerischen Szenen in Korinth veranlaßt.
Um das zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß es in der frühen Kirche – abgesehen von den örtlichen Amtsträgern, die entweder von der Gemeinde gewählt oder von einem Apostel ernannt wurden (z.B. Apg. 14,23) – drei Ämter gab, die Gott allein verleihen konnte und die in der gesamten Kirche (nicht nur in der Ortsgemeinde) Geltung hatten: die Ämter des Apostels, des Propheten und des Lehrers. Das Amt der Prophetie steht auch Frauen offen. So kennt das Alte Testament als weibliche Propheten Mirjam, Deborah und Hulda. Im Neuen Testament erscheinen als Prophetinnen die vier Tochter des Philippus, eines der sieben Diakone (Apg 6), die später mit ihrem Vater von Caesarea nach Hierapolis übersiedelten. Andere werden nicht mit Namen genannt. Es war eine Frage, ob sie ihr Amt auch ,,in der Kirche“ oder nur privatim ausüben konnten. Nirgends im Neuen Testament wird angedeutet, daß dies auch in der Kirche, d.h. im feierlichen Gottesdienst geschah, wo sonst die Propheten die Eucharistie, das feierliche Dankgebet mit der Konsekration sprachen, wenn solche Männer anwesend waren. Sonst blieb das dem Bischof oder einem der Bischöfe, also einem örtlichen Amtsträger vorbehalten. Es mag in Korinth vorgekommen sein, daß auch Frauen unter der Berufung auf ihr prophetisches Charisma das versucht haben. Dagegen wendet sich Paulus. Er hat nichts dagegen, daß sie ihre Gabe ausüben, aber nicht in der ,,Kirche“. Sie können das bei anderen Gelegenheiten tun und haben dann das Haupt zu bedecken. Das Amt der Propheten verfiel, als falsche Propheten in die Kirche eindrangen. Wie Paulus die öffentliche Prophetie der Frauen zu bekämpfen hatte, so führte die große montanistische Krisis in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zum Ausschluß der Prophetie aus der Kirche, nachdem der falsche Prophet Montanus mit seinem weiblichen Gefolge die Kirche durcheinander gebracht hatte.
Es ist nicht allein die apostolische Autorität, auf Grund deren Paulus die ,prophetischen‘ und ,geistlichen‘ Frauen angreift, die Autorität der Gesamtkirche (alle Gemeinden der Heiligen), auf die er sich beruft. Es ist vielmehr der Herr selbst, auf den er sich bezieht. Was er über das Schweigen der Frauen im Gottesdienst schreibt, ist ,,ein Gebot des Herrn“. Er muß das gekannt haben, denn er zitiert auch bei anderer Gelegenheit ein Wort Jesu, das auch nicht in unseren Evangelien enthalten ist (Apg. 20,35). Wir nehmen dieses Herrenwort auf Grund der apostolischen Autorität des Paulus an, besonders deshalb, weil es auch mit der Art des Handelns Jesu übereinstimmt. Die Jünger Jesu waren gut organisiert. Da war der Kreis der Zwölf, die das Gottesvolk mit seinen zwölf Stämmen darstellten (Luk. 22,30). Inmitten dieser Gruppe finden wir den engeren Kreis der Drei: Petrus, Johannes, Jakobus, die er bei besonders bedeutsamen Gelegenheit mit sich nahm (Auferweckung von Jairi Töchterlein, Verklärung, Gethsemane). Unter diesen war Simon Petrus der Sprecher (Matth. 16,16; Apg. 1,15; 2,14; u.a.), der ,erste‘, als er berufen wurde (Matth. 10,1), aber nicht ihr Herrscher. Es ist ein bemerkenswerter Zug zum Primat unter den Jüngern ; Jesus aber sprach sich sehr bestimmt gegen jede Art von Primat aus (Luk. 22,23f). Wir hören, daß Jesus zu einer bestimmten Zeit seines Wirkens einen weiteren Kreis der Siebzig (Luk. 10,1) zur Predigt des Evangeliums berief. Daneben war eine Gruppe von ,Frauen‘, die Ihm nachfolgten und dienten. Sie spielten eine Rolle in der Passions- und Ostergeschichte und sie gehörten mit den Zwölfen, mit Maria und den Brüdern Jesu zum Kern der Gemeinde von Jerusalem (Apg. 1,14).
Die Frage ist berechtigt: Warum lud Jesus keine einzige von ihnen zur Teilnahme am letzten Mahl ein, nicht einmal zu dessen Vorbereitung? War die Einstellung Jesu zu diesen getreuen Jüngerinnen etwa durch das jüdische Vorurteil gegenüber der religiösen Gleichheit von Mann und Frau diktiert? Hinter dieser Stellung steht natürlich auch die Stellung des Alten Testaments in der Abwehr der heidnischen Kults, in welchen Priesterinnen und Prophetinnen eine so große Rolle spielen, daß  man sagen kann, Priesterinnen seien das Kennzeichen des Heidentums. Man kann auch beobachten, daß Jesus eine bemerkenswerte Distanz zu seiner Mutter einnimmt. Ahnte er etwa im Voraus den künftigen Marienkult? Die frühesten Spuren davon oder wenigstens die psychologischen Wurzeln findet man ja schon in seinen Erdentagen (Lk. 11).
Es ist bedeutsam, daß der gleiche Apostel, der so offen und ernsthaft gegen das Predigen von Frauen redet, sich so nachdrücklich für den Grundsatz einsetzt, daß in Christus ist ,,weder Jude noch Grieche, weder Knecht noch Freier, weder Mann noch Frau; denn ihr seid allzumal Einer in Christus“ (Gal. 3,28). Wenn hier ein Widerspruch bestünde zwischen den Aussagen von Gal. 3 und l. Kor. 14 – wie unsere modernen Feministen denken – hatte St. Paulus, der doch ein scharfer Denker war, das etwa nicht bemerkt? Es wäre seiner Aufmerksamkeit sicher nicht entgangen, welche große Rolle die Frauen im Leben der frühen Christenheit spielen, nicht nur als Ehefrauen und Mutter, sondern auch als Witwen und Diakonissen im unmittelbaren kirchlichen Dienst, wofür sie auch besoldet wurden. Aber wir hören nichts von einem Begehren ihrerseits, Bischöfe oder Älteste sein zu wollen. Und wenn die Gabe der Prophetie einigen unter ihnen zuteil geworden war, so wollten sie darauf jedoch keinen Anspruch gründen. Denn sie liebten ihren Herrn und wußten, seinen Geboten zu gehorchen.
Wenn wir fragen, warum Jesus so handelte, müssen wir zugeben, daß wir seine Gründe nicht genau kennen. Paulus deutet an, daß ein Zusammenhang bestehe zwischen seiner oder vielmehr Christi Vorschrift und der Schöpfungsordnung, die die Geschlechter unterschied. Gleiche Rechte in der Heilsordnung als Kinder Gottes heben den Unterschied zwischen Mann und Frau nicht auf. Ein Mann kann nicht Mutter und eine Frau kann nicht Vater werden. Und der Sohn Gottes wurde Mann, und nicht Frau. Einer der tiefsten Gründe, warum eine Frau zwar Diakon, aber nicht Bischof oder ordinierter Ältester (1. Tim. 5,17) werden kann, scheint der zu sein, daß im Hirtenamt Funktionen enthalten sind, die der Pfarrer verrichtet als ,,an Christi Statt“. Beim letzten Mahl stiftete Christus nicht nur (wie sogar heute in manchen lutherischen Kirchen gesagt wird) die ,hl. Kommunion‘, sondern das ,Sakrament des Altars‘, wobei der Pfarrer die Worte der Konsekration ,in persona Christi“ spricht, indem er die von Christus gesprochenen Einsetzungsworte wiederholt. Und diese Worte sind wirksam alle Zeit, wie die Worte bei der Schöpfung ,,Seid fruchtbar und mehret euch!“ wirksam sind, solange die Erde steht. Das ist auch die Lehre der Konkordienformel und der Kirchenväter. Das Gebot ,,Das tut zu meinem Gedächtnis!“ enthält eine Art Ordination. Diese Worte verleihen nicht magische Kraft, aber sie umschließen das Gebot, Brot und Wein zu segnen, daß sie Christi wahrer Leib und Blut werden dürfen. Gewiß ist dieser Auftrag der ganzen Kirche gegeben. Aber ihn auszuführen, dazu sind ordinierte Männer bestimmt.
Ein anderer Anlaß, wo der Pfarrer ,,in persona Christi“ spricht, ist die Absolution. Gewiß ist das Amt der Schlüssel der ganzen Kirche übergeben, einschließlich der Laien und Frauen. Aber zur Ausführung dieses großen Auftrags Christi – der Sündenvergebung – ordiniert die Kirche Diener, die an Christi Statt auf seinen Befehl nicht nur den tröstlichen Glauben verkündigen, daß es eine Sündenvergebung gibt, – sondern die tatsächlich Sünden vergeben ,,an Christi Statt und auf Seinen Befehl.“ Wiederum ist es bezeichnend, daß keine Frau mit diesem Amt betraut wurde, als der Auferstandene an Ostern Seinen Jüngern diese Vollmacht übertrug: ,,Welchen ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten“ (Joh. 20,23). Wir alle wissen, wie ernst Luther sein ganzes Leben lang die Vollmacht der Absolution nahm. Für uns Moderne ist sie mehr oder weniger belanglos geworden. So lassen wir weibliche ,,Pastoren“ dieses angeblich nicht weiter belanglose Stück Arbeit verrichten. Sollte es je passieren, daß eine dieser ordinierten Frauen die Frage stellt: ,,Glaubt Ihr, daß meine Absolution im Himmel gelte und vor Gott kräftig sei?“ – könnte eine christliche Gemeinde nur antworten: ,,Nein, das glauben wir gewiß nicht!“ Auch hier haben wir am Willen Christi festzuhalten. Wir haben nicht zu versuchen, diesen in einer Weise zu interpretieren, die dem alten Adam gefällt.
Warum hat Christus dieses Amt niemals einer Frau übertragen? Wir müssen die Antwort ihm überlassenen. Nicht einmal seiner Mutter übertrug er die Vollmacht seiner Absolution. Die Kirche hat das verstanden. Wie jeder Gläubige konnte seine Mutter für die Sünder beten, wie auch die Apologie zur Augsburgischen Konfession zugibt, daß Maria für die Kirche, für uns arme Sünder in dieser Welt beten kann. Deshalb sind wir freilich nicht berechtigt, aus dem biblischen ,,Ave Maria“ des Engels ein menschliches Gebet an Maria zu machen. Alle diese Ãœberlegungen auf Grund des klaren Schriftwortes machen es für die Kirche Lutherischer Reformation unmöglich, die Ordination von Frauen als gültig und erlaubt anzuerkennen. Denn diese Kirche klammert sich nicht an menschliche Ãœberlieferungen, sondern sie bleibt gewissenhaft bei der HI. Schrift als dem Wort Gottes. Hunderte von Frauen amtieren jetzt in Deutschland als ,,Pastorinnen“. Sie sind für uns keineswegs Pastoren. Man muß diese armen Frauen bemitleiden, die durch falsche Lehrer irregeführt sind. Wir streiten nicht ab, daß Gott in seiner unergründlichen Barmherzigkeit seinen Segen auch auf geistliche Handlungen legen kann, die unerlaubt und ungesetzlich vollzogen sind. Aber ein gläubiger Christ sollte ihren Diensten nicht beiwohnen, auch nicht aus Neugier, und den Empfang des HI. Abendmahles aus ihren Händen meiden. Wir können auch nicht Gemeinschaft haben mit Pfarrern und Bischöfen, die solche Ordinationen vollziehen, die gegen Gottes Wort sind. Die Kirchen, die in die Einführung dieses Amtes einwilligten, werden bald die Wirkungen in ihrem geistlichen Leben bemerken. In Deutschland sind sie mancherorts schon augenfälllig. Falsche Prophetinnen standen auf, die als geistliche Töchter Karl Barths junge Mütter belehrten, daß sie ihre Kinder nicht zum Sakrament der HI. Taufe bringen sollten. Andere proklamierten den Tod Gottes und ersetzten den christlichen Gottesdienst durch ein ,politisches Nachtgebet‘, wo Christus keinen Platz hat und an Stelle Gottes der Mensch gesetzt ist und seine angeblichen sozialen Bedürfnisse.
Was können wir tun?
Laßt uns mit unseren Vätern beten:
Ach bleib bei uns, Herr Jesu Christ, weil es nun Abend worden ist.
Dein göttlich Wort, das helle Licht, laß ja bei uns auslöschen nicht!
In dieser schwern, betrübten Zeit verleih uns, Herr, Beständigkeit, daß  wir Dein Wort und Sakrament rein halten bis an unser End!
Prof. Dr. Hermann Sasse (1895-1976)
Übersetzung aus dem Englischen von Hans-Siegfried Huß. Das englische Original des Aufsatzes erschien in: The Lutheran vom 3.5.1971, S.227ff unter dem Titel: Ordination of woman?, abgedruckt in: Lutherische Blätter Nr. 110, 26. Jg. 1974, S.1-9 und in: Lutherische Beiträge 16, 4/2011, S. 207–214.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 25. November 2024 um 11:22 und abgelegt unter Gemeinde, Kirche, Theologie.