Gemeindenetzwerk

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Die Auflösung der Geschlechterordnung und die Gender-Ideologie – Teil II

Montag 28. Juli 2008 von Monika Hoffmann


Monika Hoffmann

Die Auflösung der Geschlechterordnung
und die Gender-Ideologie – Teil II

III. Ausblick und konstruktive Alternativen

Der Mensch, geschaffen als Mann und Frau, kann sich seine Identität und den Rahmen für ein „gutes Leben“ nicht selbst geben oder nach seinem Belieben neu erfinden. Beide, Mann und Frau sind herausgefordert in ihrer Männlichkeit bzw. Weiblichkeit zu reifen, ihre Unterschiedlichkeit wahr- und anzunehmen und mit den Gegebenheiten kreativ umzugehen. In Wirklichkeit lebt die fruchtbare Spannung zwischen Mann und Frau – aus der allein heraus, Kinder und Familie, ja überhaupt Zukunft entstehen können – gerade aus der Verschiedenheit der beiden Geschlechter.

Die biologische Forschung gibt uns zahlreiche Anhaltspunkte über die Unterschiedlichkeiten zwischen männlicher und weiblicher Identität. Diese sind nicht nur im hormonellen Bereich oder in der Anatomie angesiedelt, sondern auch die Verhaltensbiologie nennt Unterschiede, die nicht allein soziokulturell bedingt, also nur anerzogen sind. Anlagebedingte Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich bereits im Kleinkindalter. Ein besonders anschauliches Beispiel dafür bietet eine Studie (35), die sich mit den in der 68er-Bewegung gegründeten „Kinderläden“ befaßt. Dabei wurden Mädchen und Jungen, die in Kinderläden antiautoritär, repressionsfrei und vor allem ohne Vorgabe von Geschlechterrollen aufwuchsen, mit Kindern verglichen, die in traditionellen Kindergärten erzogen wurden. Die Ziele der Kinderladenpädagogik, nämlich Förderung von Kooperation, Solidarität und geschlechtliche Angleichung wurden zur Enttäuschung der Untersucher jedoch weit verfehlt. Tatsächlich stellte sich heraus, daß zwar in den traditionellen Kindergärten die Jungen im Vergleich zu den Mädchen sich häufiger aggressiv verhielten. Dies hatte man als typisch männlicher Rollenstereotyp auch erwartet. Höchst enttäuscht war man dagegen über die Beobachtung, daß in den Kinderläden die Aggression bei Jungen noch deutlicher zutage trat als bei „traditioneller“ Erziehung. Bei beiden Geschlechtern war im Kinderladen das Aggressionspotential höher, jedoch bei den Jungen noch wesentlich höher. Diese Untersuchung widerspricht somit dem Vorurteil, erhöhte Aggressionsbereitschaft sei bei Jungen einfach nur anerzogen.

Um die Spannung zwischen den Geschlechtern in guter Weise fruchtbar werden zu lassen, kann es helfen, die Wesensunterschiede zwischen den Geschlechtern nicht nur im Kindes-, sondern auch im Erwachsenenalter in den Grundzügen zu kennen.(36) Alltägliche Spannungsmomente in Ehe oder Kindererziehung und am Arbeitsplatz, die sich aus den Geschlechtsunterschieden ergeben, können so besser verstanden und – oft auch mit Humor – entschärft werden.

Daß es heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist, daß Männer und Frauen ihre Unterschiedlichkeit als Ergänzung und Bereicherung erleben, zeigt uns die Verletzlichkeit und Brüchigkeit der Ehe, die sich leidvoll in der steigenden Scheidungsrate und der wachsenden Zahl an Scheidungswaisen äußert. Hier ist jeder persönlich, aber gerade auch die christliche Gemeinde herausgefordert, den Umgang mit der Verschiedenheit der Geschlechter, mit Neid (37) und Konflikten (38) einzuüben. Es geht nicht darum, Mann und Frau nur feste Rollen und Aufgaben zuzuteilen sondern darum, miteinander im Gespräch zu bleiben und in der weiblichen bzw. männlichen Identität zu wachsen.

Nicht nur in der Ehe ergänzen sich Mann und Frau sondern auch ledige Männer und Frauen sind herausgefordert sich dem notwendigen gegenseitigen heilsamen Einfluß auszusetzen und sich in ihrer tiefen Verschiedenheit gegenseitig zu ergänzen, zu bereichern und geistig zu befruchten. Es geht nicht darum, daß jeder seine Männlichkeit bzw. Weiblichkeit gezielt anstrebt und lebt, sondern daß jeder nach dem „objektiv richtigen“ in seinem Leben strebt. Wer sich absichtslos der prägenden Liebe und Leitung Gottes aussetzt, kann erleben, wie er in seiner Männlichkeit bzw. Weiblichkeit wächst. Am Ziel dieses manchmal auch steinigen Weges, der Reifung, der Vergebung und Hingabe beinhaltet, steht die Ergänzung der Geschlechter. Reife und in ihrer Identität gefestigte Menschen sind nicht mehr Konkurrenten, sondern sind sich ihrer Ergänzungsbedürftigkeit bewußt und lassen sich ergänzen.

Der aus diesem Miteinander von Mann und Frau, von Vater und Mutter wachsende Raum ist identitätsstiftend, nicht zuletzt für Kinder. Dieser Raum muß gestärkt und Eltern in ihrer Erziehungs- und Bindungsfähigkeit unterstützt werden. Zunehmend werden sonst Kinder durch schwache oder fehlende Bindungserfahrung und mangels Erleben eines friedlichen Miteinanders der Eltern unsicher in ihrer Identität, ihrer Beziehungs- und Konfliktfähigkeit. Durch die staatlich geförderte Gender-Ideologie und den dadurch aufgebauten Druck auf die Geschlechtsidentität werden sie dann noch weiter verunsichert. Der Leiter einer schweizerischen psychiatrischen Klinik wies vor zehn Jahren bereits darauf hin, daß die Identitätsstörungen unter Jugendlichen drastisch zunähmen. Er gab der Identitätsstörung in der Zukunft den traurigen ersten Platz.

Die Bindung der Kinder an die Eltern hat deshalb Priorität. Das bedeutet in einem bestimmten Lebensabschnitt berufliche Einschränkung meist für die Frauen. Doch bedeutet es gleichzeitig auch Freude, menschliche Reifung oder in biblischen Worten: Segen. Eine Familie zu haben, ist ein Segen. Als Frau einen Lebensabschnitt für Kinder da zu sein, ist ein Privileg. Fast alle Mädchen äußern den Wunsch, später einmal „Mama“ zu werden. Irgendwann bleibt im „emanzipierten“ Klima unserer Gesellschaft dieser Wunsch aber bei vielen auf der Strecke, bis es manchmal dann auch zu spät ist. Verlierer sind dann besonders die Frauen.

Manchmal können sich Frauen aber auch überhaupt nicht mehr vorstellen, die ersten drei Lebensjahre ganz für ihr Kind da zu sein. Die äußeren Umstände haben sich in den letzten 30 bis 40 Jahren für Familien nicht nur zum Guten entwickelt. Z. B. sind Frauen heute bei der Kinderbetreuung zunehmend ganz auf sich alleine gestellt, weil sie bedingt durch die hohe berufliche Mobilität in einer fremden Stadt ohne Verwandtschaft und Freunde zurechtkommen müssen. Manche fühlen sich überfordert: Sie haben nie gelernt, für ein Kind zu sorgen, weil es in ihrem Umfeld auch kaum mehr junge Mütter mit Kindern gibt, bei denen sie die Pflege von Kleinkindern und den Umgang mit ihnen hätten miterleben können.

Darum ist es entscheidend, über Ängste, innere oder äußere Hindernisse im Zusammenhang mit Familienplanung zu sprechen. So kann auch eine bei manchem verlorengegangene Offenheit für Ehe und Kinder wieder geweckt werden. Wie und wann kann der Kinderwunsch in der Lebensplanung junger Frauen und Männer realisiert werden? Die Thematisierung dieser Fragen anläßlich einer Ehevorbereitung, in der Seelsorge oder in einer anderen Vertrauensbeziehung kann jungen Menschen helfen, realistisch mit ihren Wünschen und Zielen umzugehen. Der Verweis auf die Priorität der Karriere und das Verschieben auf später sind oftmals eine Selbsttäuschung und in jedem Fall zu unkonkret.

Wie können junge Paare ihr zukünftiges Familienleben als ein gutes Miteinander gestalten, bei dem auch die Bedürfnisse der Kinder ihren Platz erhalten? Kreativ über Mutter- und Vaterschaft nachgedacht haben z. B. Prof. Dr. Doris Bischof-Köhler, Entwicklungspsychologien in München und Mutter von drei Kindern, aber auch andere Autorinnen wie Prof. Dr. Janne Haaland-Matlàry,(39) Professorin für internationale Politik, Oslo und Mutter von vier Kindern. Beide bringen das Modell von „Karrierezyklen“ ins Spiel und beschreiben Familie und Beruf als zyklisches Geschehen. Dabei wechseln die Phasen der Kinderbetreuung ab mit außerhäuslicher Arbeit. Janne Haaland-Matlàry plädiert zudem dafür, daß Erfahrungen und Fähigkeiten, die bei der Hausarbeit und Kindererziehung erworben werden, wie Verantwortungsbewußtsein, Selbstlosigkeit aber auch Leitung, Kreativität und Konsequenz die angemessene Anerkennung erfahren. Vaterschaft und Mutterschaft, als persönlichen aber auch gesellschaftlichen Reichtum müßten gewürdigt und deshalb auch in angemessener Weise staatlich unterstützt werden. Über solche Modelle kann neu in den einzelnen Familien, aber auch in der Öffentlichkeit nachgedacht werden. Kreativität ist gefordert und findet ihre Umsetzung z.B. in der Flexibilisierung von Arbeitszeiten und der Einrichtung von Arbeitsplätzen zu Hause, in Initiativen für Betriebskindergärten (für Kinder ab drei oder vier Jahren) und Gemeindenetzwerke in denen Familien, aber auch Ledige oder Kinderlose sich gegenseitig unterstützen, in der Ernennung von Wahlgroßeltern und Initiierung von Projekten, die junge Eltern in der Wahrnehmung ihrer Erziehungsaufgaben unterstützen. Das alles sind wichtige positive Gegenakzente zur Gender-Kinderkrippen-Politik. Diese Ideen können Engagierte gleichzeitig auch in den politischen Diskurs – z. B. beim „Familiennetzwerk“(40) oder beim „Bündnis Ehe und Familie“(41) einbringen. Beide Organisationen setzen sich für die Freiheit von Ehe und Familie und gegen die zunehmende Einengung durch die Politik des Gender Mainstreaming ein.

Die Gender-Ideologie wird sich nicht durchsetzen können, wenn genügend Frauen und Männer da sind, die ihr Frausein bzw. Mannsein bejahen und bereit sind, sich auf das Abenteuer einzulassen, das die Schöpfung für uns bereithält. Es geht in dem allem um das Wagnis verläßlicher, gegenseitiger Ergänzung, das von der Wertschätzung der Unterschiede und der Vergebung lebt und an dessen Ziel der Friedensschluß der Geschlechter steht, der ein guter Nährboden für neues Leben ist.

Anmerkungen Teil II

35 Nickel, Herbert/ Schmidt-Denter, Ulrich: Sozialverhalten von Vorschulkindern, München: Ernst Reinhardt 1980.

36 s. dazu auch Bischof-Köhler, Doris: Von Natur aus anders, Stuttgart 2006.

37 s. dazu auch: Dem Neid auf der Spur – Vom falschen Vergleichen und der Angst, zu kurz zu kommen, Salzkorn, Anstiftungen zum gemeinsamen Christenleben von der ökumenischen Kommunität Offensive Junger Christen (OJC), Nr. 227, März-April 2/2007.

38 s. dazu auch: Aufrichtig Streiten – Aneinandergerüsselt? – Konflikte austragen statt nachtragen!, Salzkorn, Anstiftungen zum gemeinsamen Christenleben von der ökumenischen Kommunität Offensive Junger Christen (OJC), Nr. 221, März-April 2/2006.

39 Haaland-Matlàry Janne: Blütezeit – Feminismus im Wandel, Augsburg 2001.

40 http://www.familie-ist-zukunft.de/

41 http://www.buendniseheundfamilie.de/

Deutsches Institut für Jugend und Gesellschaft
Helene-Göttmann-Str. 1
64385 Reichelsheim

Das DIJG ist das Studien- und Forschungszentrum der ökumenischen Kommunität Offensive Junger Christen e.V. (OJC).

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 28. Juli 2008 um 10:56 und abgelegt unter Sexualethik.