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Die Aufl̦sung der Geschlechterordnung und die Gender-Ideologie РTeil I

Dienstag 29. Juli 2008 von Monika Hoffmann


Monika Hoffmann

Die Auflösung der Geschlechterordnung
und die Gender-Ideologie – Teil I

In einem vielbeachteten Artikel mit dem Titel „Gender Mainstreaming – Politische Geschlechtsumwandlung“ (1) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hat vor einiger Zeit Volker Zastrow zum ersten Mal auf eine gesellschaftliche und politische Strömung aufmerksam gemacht, von der bis dahin viele noch nie etwas gehört hatten. Trotz des Aufsehens freilich, den dieser Artikel und weitere kritische und aufklärende Artikel in „Spiegel“, „Stern“, „Cicero“, aber auch in christlichen Medien wie „idea“ und „pro“, dann auch durch Bücher wie „Die Gender Revolution“ von Gabriele Kuby (2) erregte, gilt heute immer noch, wie eine Journalistin es einmal in einem Bild ausgedrückt hat: Gender Mainstreaming ist wie ein U-Boot: Keiner weiß genau, was es will, wohin es fährt und wann seine Ziele offen zu Tage treten.

I. Ein erster Teil dieses Aufsatzes ist dem Begriff „Gender“ sowie den dahinter stehenden Ideologien gewidmet. Wie kam es dazu, daß die Gender-Ideologie heute zwar verdeckt und oft nicht auf den ersten Blick erkennbar aber doch omnipräsent ist? Was sind die treibenden Kräfte, was die Strategien?

II. Als zweites werde ich einige Beispiele für Gender Mainstreaming – der Anwendung bzw. politischen Umsetzung der Gender-Ideologie – nennen und auf deren gesellschaftliche Auswirkungen eingehen. Wir werden dabei sehen, daß Gender uns schon weit näher gerückt ist, als wir denken.

III. Zum Schluß wollen wir einen Blick auf die konstruktiven Alternativen werfen, die wir der Gender-Ideologie entgegenhalten können. Als Christen wollen wir nicht nur Gefahren benennen, sondern auch Hilfen und Lösungen aufgreifen, die vor dem christlichen Menschenbild Bestand haben.

 I. Begriff/ Ideologien

Beginnen wir mit der Definition des Begriffs „Gender“: Das englische Wort „gender“ stammt von lateinisch „genus“. „Genus“ meint auch im deutschen „Geschlecht“ als grammatikalische Klassifikation. So unterscheiden wir bei den Substantiven zwischen Maskulinum, Femininum und Neutrum und sprechen z. B. von „der Sonne“ und „dem Mond“, die ja beide kein natürliches, wohl aber ein grammatisches Geschlecht haben. Das Wort „Gender“ hat inzwischen jedoch eine von der Grammatik abgelöste, erweiterte Bedeutung angenommen und steht als Synonym für „soziales Geschlecht“. Dem gegenüber steht der Begriff „sex“ (von lateinisch „sexus“) für das natürliche, biologische Geschlecht. Zunehmend gilt dabei, daß „sex“ und „gender“, also biologisches und soziales Geschlecht voneinander abgelöst werden, nicht mehr zusammengesehen werden, sondern unverbunden nebeneinander stehen, ja sogar in Opposition zueinander geraten. In der Gender-Ideologie kommt so von vornherein eine geschöpfliche Ganzheit von Leib, Seele und Geist nicht mehr vor. Mit anderen Worten: das jüdisch-christliche Menschenbild, das von zwei Geschlechtern spricht, wobei das biologische männliche bzw. weibliche Geschlecht je eng verwoben ist mit dem geistig-seelischen Wesen von Mann und Frau, hat gemäß der Gender-Ideologie ausgedient. Vielmehr soll das soziale Geschlecht, also Gender, veränderbar und wählbar sein, und das biologische Geschlecht einer Person wird zunehmend irrelevant. Damit kennt Gender auch keine Ergänzungsfähigkeit oder Ergänzungsbedürftigkeit und Verwiesenheit der beiden Geschlechter aufeinander, wie sie in der jüdisch-christlichen Anthropologie deutlich wird:

In 1. Mose 1,2 (3) heißt es: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ Der Mensch als Mann und Frau gemeinsam sind also zum Bild Gottes geschaffen.(4) Mann und Frau zusammen sollen sich die Erde untertan machen und sie bevölkern und damit gilt: Erst Mann und Frau zusammen haben eine Zukunft. Wie kam es dazu, daß Gender – fließend und nicht über sich selbst hinausweisend, nicht an biologische Vorgaben gebunden, selbst wählbar – die bisher allgemein unhinterfragte jüdisch-christliche Anthropologie ablösen konnte; diese spricht von Geschlecht als nicht in der eigenen Verfügbarkeit, als polar männlich und weiblich, sich ergänzend und korrespondierend mit der Biologie?

Eine erste Antwort auf diese Frage kann bei den Vordenkerinnen des radikalen Feminismus und der von ihnen zumindest implizit propagierten Leibfeindlichkeit gefunden werden. Aber auch marxistisches Gedankengut und Thesen des Dekonstruktivismus, finden wir in der Gender-Ideologie wieder. Als Einstieg in eine kurze geistesgeschichtliche Analyse der Gender-Bewegung kann ein Zitat von Simone de Beauvoir dienen, einer der bekanntesten Feministinnen des letzten Jahrhunderts und Lebensgefährtin Jean Paul Sartres: Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Keine biologische, psychische oder ökonomische Bestimmung legt die Gestalt fest, die der weibliche Mensch in der Gesellschaft annimmt. Die gesamte Zivilisation bringt dieses als weiblich qualifizierte Zwischenprodukt zwischen dem Mann und dem Kastraten hervor.(5) Beauvoir verneint hier eine selbständige Existenz der Frau als Frau. Die Frau sei zur Frau erst durch gesellschaftliche Kräfte gemacht, also in ihrem Frausein eigentlich nur Objekt und damit unfrei und nicht Subjekt und freies Individuum.

Diese nicht nur von Simone de Beauvoir zum zentralen Thema des Feminismus erhobene These der „Unfreiheit und Unterdrückung der Frau“ ist dem Marxismus entlehnt. So schreibt Friedrich Engels: In einem alten, 1846 von Marx und mir ausgearbeiteten, ungedruckten Manuskript finde ich: ‚Die erste Teilung der Arbeit ist die von Mann und Weib zur Kinderzeugung.’ Und heute kann ich hinzusetzen: Der erste Klassengegensatz, der in der Geschichte auftritt, fällt zusammen mit der Entwicklung des Antagonismus von Mann und Weib in der Einzelehe, und die erste Klassenunterdrückung mit der des weiblichen Geschlechts durch das männliche.(6) Marx und Engels sprechen – wie auch die Feministinnen – von einer universalen Unterdrückung der Frau durch den Mann und sehen die Mann-Frau-Einzelehe als Ursprung und Urtypus aller Unterdrückung. Die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau, heißt es bei Marx und Engels, führten zur ersten Arbeitsteilung basierend auf dem Merkmal Geschlecht, und diese Unterschiede seien der Ursprung aller weiteren Teilungen in ökonomische und kulturelle Klassen. Wenn die erste Klassenteilung, auf der alle übrige Klassenteilung und damit alle Ungerechtigkeit überhaupt fußten, auf das Merkmal „Geschlecht“ zurückgingen, liege der Schluß nahe, daß ihre Ursache, – das Geschlecht – beseitigt werden müsse. Dies ist auch die Ansicht der Gender-Ideologen: Um Befreiung für die Frau zu erreichen, muß der Mensch grundsätzlich von der „Klasse des Geschlechts“, d.h. von der Mann-Frau-Einteilung, befreit werden. Wenn die Unterschiede zwischen Frau und Mann Ursprung aller Ungerechtigkeit sind, muß das Ziel eine „Gleichheit“ sein, in der alle Unterschiede beseitigt werden. Die Formel des Marxismus und aller sich auf ihn stützenden Ideologien lautet darum: Verschieden ist ungleich, und ungleich ist ungerecht.

Am deutlichsten äußern sich nun aber schwer zu bestreitende Unterschiede zwischen Mann und Frau in ihrer Leiblichkeit und in der spezifischen Fähigkeit der Frau zur Mutterschaft. Bereits Simone de Beauvoir greift dieses zentrale Thema auf und nennt die Schmerzen der Schwangerschaft ein „schweres Lösegeld“ für ein „kurzes, ungewisses Vergnügen“. Schwangerschaft sei ein Drama, der Fötus sei gleichzeitig ein Teil des eigenen Körpers aber auch ein Parasit, der auf Kosten der Frau lebe. Andere prominente Vertreterinnen der Gender-Ideologie wie die deutsche Alice Schwarzer und die Amerikanerinnen Kate Millet und Shulamit Firestone äußern sich ähnlich: „’Ich gratuliere mir jeden Tag dazu, daß ich keine Kinder habe’, verkündete ‚Mutter’ Simone de Beauvoir ihren unschlüssigen Töchtern. ‚Ich denke nicht daran, der Gesellschaft ein Kind zu schenken!’ rief die getreue Alice Schwarzer. Kate Millett definierte Mutterschaft als einen Zustand, der Frauen auf Grund ihrer Anatomie hindere, ein freier Mensch zu sein, und Shulamit Firestone nannte Schwangerschaft barbarisch, eine Verunstaltung des Körpers zugunsten des Fortbestehens der Gattung.“ (7) Diese feministischen Philosophinnen und Aktivistinnen sehen in der weiblichen Fruchtbarkeit, in diesem zentralen Unterschied zum Mann, ausschließlich Einschränkung und Last. Das heranwachsende Kind bezeichnen sie als Parasiten, als Räuber der eigenen Freiheit, und was einmal „guter Hoffnung sein“ bedeutete, wird vom feministischen Blickwinkel her zur „Barbarei“ degradiert. Diese offene Leibfeindlichkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Gender-Feminismus und mündet zuletzt in den heutigen Gender-Begriff, der das biologische Geschlecht überhaupt leugnet.

Bedenken wir dabei: Schwangerschaft und Mutterschaft nennt auch die Bibel in der Situation nach dem Sündenfall eine Last für die Frau, aber gleichzeitig sind und bleiben Kinder aus biblischer Sicht schon vor dem Fall ein Segen.(8) Sie sind Gabe und Aufgabe zugleich. Und eine Abwertung des Leibes als solchen findet sich in der Bibel nicht. Die gender-feministische Sicht auf den Leib und die Geschlechtlichkeit des Menschen ist dagegen klar abwertend, wohl gerade auch deshalb weil sich in der Geschlechtlichkeit die Unterschiedlichkeit – und damit gemäß dem bereits genannten marxistischen Ansatz die „Ungerechtigkeit“ – am offensichtlichsten äußert.

Seit den 90-er Jahren arbeitet darum – im Anschluß an andere Theorien der „Dekonstruktion“, die vor allem aus der neueren französischen Philosophie und Literaturwissenschaft stammen – der feministische „Dekonstruktivismus“ an Theorien, die darlegen sollen, daß Geschlecht nicht ein biologisches Faktum, also gegeben, sondern grundsätzlich durch die Gesellschaft und die Sprache konstruiert sei. Judith Butler, Professorin für Rhetorik in Berkeley, eine Wortführerin der Geschlechterdekonstruktion geht in einem ihrer Bücher der Frage nach: Wie kann man am besten die Geschlechter-Kategorien stören, die die Geschlechter-Hierarchie und die Zwangsheterosexualität stützen.(9)

Die beiden Geschlechter, die nur zusammen auf natürliche Weise den Fortbestand der Menschheit sichern können und darum eindeutig für eine Vorrangstellung der Heterosexualität gegenüber anderen Lebensformen sprechen, sind Butlers Ansatzpunkt ihres Dekonstruktivismus. Nach Butlers Meinung ist unser Leben, ist die gesamte Wirklichkeit nur eine Konstruktion aus gesellschaftlichen Normen und Sprache. Alles sei deshalb veränderbar und könne de-konstruiert werden. Sie folgert aus ihrer Theorie, daß es jenseits von Sprache und Deutung der Kulturen auch keine natürlichen Geschlechter gäbe. Die natürliche Differenz zwischen den Geschlechtern sei ebenso ein kulturelles Produkt wie das soziale Geschlecht. Frausein/Mannsein sei, wie es Butler formuliert, eine „kulturelle Performanz und Inszenierung“, nicht eine „natürliche Tatsache“. So deutet sie auch den Umstand, daß Menschen homo-, bi- und transsexuell leben, als Beweis dafür, daß auch Heterosexualität nur ein Zufallsprodukt von Kultur und Sprache und letztlich eine „Performanz“ unter vielen sei.

Die Schwächen dieser Sicht werden sehr deutlich, wenn Butler sie auf die Realität anwendet: Sie bestreitet z. B., daß ein Körper, durch seine Befähigung schwanger zu werden, als weiblich definiert werden könne. Diese Bestimmung sei nichts anderes als eine soziale Norm, welche die Reproduktion als entscheidendes Merkmal der geschlechtlichen Identität willkürlich festlege. Eine Person müsse ihre individuelle Identität, die geschlechtliche Identität inbegriffen, jederzeit frei wählen und ohne Rücksicht auf soziale Normen formen können. Nur so könne die Zwangsheterosexualität und die damit verbundene Unterdrückung der Frau endgültig abgeschafft werden.

Diese Ideologie leugnet eine Schöpfung sowie Berufung und Ziele des Menschen im Sinne von 1. Mose 1, 27f. Anstelle der zutiefst im Menschen verwurzelten Anlage zur Transzendenz, der Fähigkeit, über sich hinauswachsen zu Gott hin und sich ergänzen zu lassen vom andern Geschlecht, tritt im Dekonstruktivismus ein Ich, das des andern nicht bedarf, das sich völlig unabhängig vom andern immer wieder neu entwerfen kann und muß. Eine natürliche Folge der Berufung zur Gemeinschaft und Ergänzung wie in 1. Mose beschrieben, ist die Gabe und Aufgabe Kinder zu bekommen und eine Familie zu gründen und damit im weitesten Sinne Gesellschaften zu bilden. Anstelle dieser gesellschaftlichen Netze, die durch die Bindung zwischen Menschen in der Familie und zwischen den Generationen geknüpft werden, steht als die Folge eines konsequenten Dekonstruktivismus eine Vereinzelung der Menschen. Die Zukunft ist dabei nicht im Blick; allerhöchstens spricht man von Kinder-Erzeugung mittels Reproduktionstechnik.

Ich ziehe ein erstes Fazit: Wir sehen, daß das Menschenbild der Gender-Ideologie sich konträr zur jüdisch-christlichen Anthropologie verhält und von verschiedenen geistigen Strömungen und Ideologien mitgeprägt ist, hauptsächlich: vom Marxismus, der die natürlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau als erste Klassenteilung verurteilt und darum alles, was zum Merkmal „Geschlecht“ gehört, als ungleich und daher ungerecht definiert und deshalb im Sinne der Gender-Ideologie jegliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern leugnet und von einem radikalen Gender-Feminismus, der alles Leibliche abwertet und der deshalb der gesellschaftlich geprägten „sozialen Rolle“, dem „Gender“, das angeblich frei wählbar ist, gegenüber dem biologischen Geschlecht den absoluten Vorrang gibt, und schließlich von einem Dekonstruktivismus, der belegen will, daß es ein biologisches Geschlecht überhaupt nicht gäbe. Aus dieser Ideologie ist Geschlecht etwas kulturell Angelerntes, sprachlich Konstruiertes, das erfunden wurde, um die Heterosexualität und damit die Unterdrückung „der Frau“ aufrechtzuerhalten. „Freiheit“ von dieser Unterdrückung gibt es nur, wo die Wirklichkeit umgedeutet wird: Die Kategorie Geschlecht gibt es nicht, es ist nur ein Konstrukt, quasi eine „fixe Idee“.

Eine weitere tonangebende Gender-Feministin, Susan Okin, bringt diese Theorien insgesamt auf den Punkt: Eine gerechte Zukunft wäre eine Zukunft ohne genitale Unterschiede. In ihren gesellschaftlichen Strukturen und Praktiken hätte das eigene Geschlecht nicht mehr Relevanz als die Farbe der Augen oder die Länge der Zehen. Es würden keine Vermutungen über ‚männliche’ und ‚weibliche’ Rollen geäußert…(10)

Die Gender-Ideologie sieht den Menschen als Machwerk seiner eigenen Vorstellungen und propagiert die absolute Auswechselbarkeit von Frau und Mann und die „Veruneindeutigung“ von Geschlecht. Diese Ideen fließen heute nun aber fast unbemerkt nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in der EU, ja in weltweit agierenden Institutionen – wie der UNO – in Richtlinien und Gesetzestexte ein. Gender soll nach Vorstellung seiner Verfechter keine Idee von wenigen bleiben, sondern in den „Mainstream“ (11) kommen: d. h. Gender soll alle gesellschaftlichen Bereiche bestimmen und damit zunehmend uns alle betreffen. Mit dem Organisationsprinzip „Gender Mainstreaming“ soll die Gender-Ideologie mit der „Top-down-Strategie“ (12) – also politisch von oben nach unten diktiert – in die Gesellschaft eingeführt werden. Wie dabei die Freiheit des Menschen durch Gender Mainstreaming bis in den privatesten Bereich der Familie hinein kontrolliert und mitbestimmt werden soll, wie die praktischen Ziele von Gender Mainstreaming aussehen und was sie für unsere Zukunft, aber auch die Zukunft unserer Kinder bedeuten können, soll nun an einigen Beispielen sichtbar gemacht werden.

II. Umsetzung von Gender Mainstreaming
und gesellschaftliche Auswirkung

Den politischen Auftakt für Gender Mainstreaming gab im Jahre 1995 die UNO-Weltfrauenkonferenz und danach die UNO-Generalversammlung, die eine Resolution verabschiedete, welche die Gender-Ideologie für alle Maßnahmen und Programme der UNO verpflichtend gemacht hat.(13) Seither sind zahlreiche weitere Richtlinien und Gesetze im Sinne von „Gender“ auch in Deutschland eingeführt worden. Um nur ein wichtiges Beispiel zu nennen: Im Jahr 2000, in der Ära-Schröder, wurde in § 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien die Verpflichtung festgelegt, den Gender Mainstreaming-Ansatz bei allen politischen, normgebenden und verwaltenden Maßnahmen der Bundesregierung zu beachten.(14) Eine solche Festlegung an oberster Stelle bleibt nicht ohne Auswirkungen. Die Gender-Ideologie ist jetzt nicht länger ein akademisches Glasperlenspiel. Sie geht in das Leben der Menschen über. Insbesondere in drei Bereichen soll dabei Gender-Mainstreaming nach dem Willen ihrer Verfechter praktische Auswirkungen zeigen: in der Einführung einer verpflichtenden statistischen Gleichheit von Mann und Frau in allen Lebens- und Aufgabenbereichen, in der Abwertung der mütterlichen bzw. elterlichen Erziehung der Kinder und der Propagierung von Fremdbetreuung mit dem ökonomischen Ziel, Frauen als sozialabgabenpflichtige Arbeiterinnen zu nutzen; gleichzeitig wird weltweit unter den irreführenden Begriffen „Förderung von reproduktiven Rechten“ und „gender equality“ (Gleichstellung) die totale Freigabe der vorgeburtlichen Kindstötung propagiert, um Frauen als Arbeiterinnen am Arbeitsmarkt zu erhalten und in staatlichen und gesetzlichen Umerziehungsmaßnahmen gegen sogenannte Geschlechterstereotype.

Beginnen wir mit dem ersten Punkt: Fast immer werden Gender Mainstreaming und Gleichberechtigung in einem Atemzug genannt. Der Gleichheitsbegriff, der von Gender-Ideologen vertreten wird, ist jedoch nicht der des Grundgesetzes. Es geht nicht mehr um Rechtsgleichheit sondern um eine quantitative statistische Gleichheit, um eine verpflichtende 50/50 (Mann-Frau)-Quotengleichheit für alle Lebens- und Arbeitsbereiche. Dahinter steht die Gender-Ideologie, also die Vorstellung, es gäbe keine Unterschiede zwischen Mann und Frau, die sich auch in unterschiedlichen Fähigkeiten und Begabungen und daran anknüpfenden Unterschieden z. B. in der Berufswahl äußern könnten. Auf dem Weltfrauentag im März 2007 forderte die stellvertretende UN-Generalsekretärin Asha-Rose Migiro eine verpflichtende 50/50-Quoten-Gleichheit für alle Männer und Frauen in der UNO bezüglich aller Berufpositionen und Lebensbereiche.(15) Insbesondere der Anteil der erwerbstätigen Frauen soll erhöht werden, um irgendwann die utopische 50-Prozent Quote zu erreichen. Obwohl eine Mehrheit der Frauen mit Kindern gemäß einer Umfrage vom März 2007 (16) sich wünscht, die ersten Jahre bei ihren Kindern zu bleiben, wird immer wieder behauptet, die Frauenerwerbstätigkeit würde um der „Teilhabe“ der Frauen willen gefördert.

Allerdings zeigen sich schon hier sehr schnell Ambivalenzen, die darauf schließen lassen, daß es nicht alleine um die wirklichen oder angeblichen Interessen von Frauen geht. Befaßt man sich beispielsweise mit den Gender Mainstreaming-Berichten der EU, tauchen hier interessanterweise in erster Linie ökonomische Gründe für die sogenannte Gleichstellung auf. Durch die Überalterung bzw. Unterjüngung der Gesellschaft steigt die Zahl der älteren Rentenbezieher im Verhältnis zur jüngeren rentenversicherungspflichtigen Bevölkerung überproportional. Die sozialen Sicherungssysteme sind damit zunehmend gefährdet. Gemäß den EU-Vorgaben soll die Erhöhung der Frauenerwerbsquote ein Mittel sein, den Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften einzudämmen und die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer zu erhöhen.(17) Mit anderen Worten, die Frau wird in der Arbeitswelt gebraucht, weil sie so dem Staat Steuern bringt und die Wirtschaft ankurbelt. Diese Rechnung geht langfristig natürlich nur auf, wenn die erwerbstätigen Frauen trotzdem Kinder gebären – darum wird heute mit Vehemenz „die Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ gefordert und staatlich gefördert. So sollen insbesondere Frauen, die im EU-Bericht despektierlich auch als „Humankapital“ (18) bezeichnet werden, das es zu aktivieren gilt, für die Lösung wirtschaftlich- und sozialpolitischer Probleme in die Bresche springen. Verkauft wird diese Mogelpackung den Betreffenden aber als „gleichberechtigte Beteiligung am Arbeitsmarkt“. So wird aus der Wahlmöglichkeit, einer Berufstätigkeit nachzugehen oder ganz zu Hause zu sein, sehr bald eine Erwartung von Staat und Gesellschaft gegenüber Frauen, daß sie mit oder ohne Kinder einer sozialabgabenpflichtigen Erwerbstätigkeit nachzugehen haben. Zunehmend müssen sich darum Mütter für ihre unbezahlte Familienarbeit rechtfertigen. Sie fehlen nach Ansicht des auch staatlich geförderten Ökonomismus, der sich der Gender-Ideologie mit ihren abstrakten Gleichheitsvorstellungen bedient, am bezahlten Arbeitsmarkt.

Die Arbeit in der Familie wird dadurch mißachtet und abgewertet. Familie ist idealerweise der Raum in dem Beziehung und zweckfreies Sein als Voraussetzungen für eine gesunde Identität gelebt werden. Solidarität und Fürsorge werden in der Familie an Kinder weitergegeben. Wo der Staat unter der Prämisse von Gender Mainstreaming und Ökonomie zunehmend in diesen Raum eingreift, werden Kinder Konkurrenz, Leistungsdruck und Entsolidarisierung – die Gesetze der Ökonomie buchstäblich am eigenen Leibe lernen. Die nächste Generation wird so voraussichtlich mit instabileren Menschen und einem Manko an Solidarität leben müssen, die sich ein Staat eigentlich nicht leisten kann.

Zur Durchsetzung der verpflichtenden statistischen Gleichheit wird neben der Übernahme der Kinderfürsorge durch den Staat auch die völlige Freigabe der Abtreibung weltweit gefördert. Diese beiden Strategien widersprechen einander nur scheinbar. Beide dienen dem kurzfristigen Ziel, daß Frauen zur Erwerbstätigkeit und damit als Steuerzahler dem Staat völlig zur Verfügung stehen. Für die Verfechter von Gender Mainstreaming sind also bereits Schwangerschaft und Geburt potentielle Störfaktoren für die sogenannte Gleichstellung. Dieselben Organisationen und staatlichen Stellen, die auch die Gender-Ideologie vorantreiben, führen den Kampf um die weltweite Straffreigabe von Abtreibung unter dem Decknamen der „reproduktiven und sexuellen Gesundheit und damit verbundenen Rechten“. Ich nenne dazu Beispiele: In einer Broschüre der Bundesregierung für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern wird Abtreibung als Maßnahme zur Förderung von Frauen in den Armutsgebieten der Welt genannt.(19) So gab Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) nachdem Nicaragua in einem demokratisch beschlossenen Gesetz die Abtreibung verboten hatte bekannt: Die internationale Gebergemeinschaft hat Daniel Ortega [nicaraguanischer Präsident, sic.] unmißverständlich deutlich gemacht, daß es zu Konsequenzen in der weiteren Zusammenarbeit mit seinem Land kommen wird, wenn das Gesetz nicht geändert wird.(20)

Die hier leitenden Ziele – Gender Mainstreaming, Recht auf „sexuelle Selbstbestimmung und reproduktive Gesundheit“ als geeignet zur Bekämpfung der Weltarmut und die Förderung von Gleichberechtigung – finden sich auch in den sogenannten „Milleniumszielen“ der UNO (21) wieder. Diesen „Milleniumszielen“ haben sich leider auch verschiedene evangelikale Gruppen, denen diese Problematik wohl nicht bekannt ist, in der sogenannten „Micha-Initiative“ angeschlossen.

Ein weiteres Beispiel: Die globale Initiative „Deliver Now for Women and Children“ (22), zu der unter anderem International Planned Parenthood Federation (IPPF) und Entwicklungsorganisationen der Regierungen der USA, Großbritannien, Kanada und Bangladesch wie auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen (UNFPA) und Unicef, das Kinderhilfswerk der UNO gehören, lud im Oktober 2007 zu einem Kongreß in London ein. Die Initiative warb für den Kongreß mit „Gender Equality“, also mit mehr Gerechtigkeit für Frauen. Schwerpunktmäßig wurde an der Tagung aber die Legalisierung von Abtreibung verhandelt. Bei dieser Abtreibungskampagne scheute sich „Deliver Now for Women and Children“ nicht, unlautere Methoden anzuwenden. Müttersterblichkeit wurde in einem Atemzug mit „unsicheren“ Abtreibungen genannt und die Legalisierung von Abtreibung als adäquates Mittel zur Senkung der Müttersterblichkeit hingestellt. Ein Zusammenhang zwischen Müttersterblichkeit und „unsicherer“ Abtreibung kann allerdings nicht nachgewiesen werden. Statt dessen nennt ein vom UNFPA 2004 veröffentlichter Bericht als die wichtigsten Maßnahmen zur Senkung der Müttersterblichkeit die Anwesenheit von ausgebildetem Geburtshilfepersonal und der Zugang zu gynäkologischer Notfallversorgung, die auch saubere Blutkonserven einschließt. Trotzdem warben 35 der 98 Veranstaltungen der Londoner Tagung für vorgeburtliche Kindstötung. Lediglich zwei Veranstaltungen thematisierten die Gesundheitsvorsorge für Neugeborene. Im Kongreßprogramm suchte man im übrigen vergeblich nach Beiträgen zur Kindersterblichkeit, Ernährungsberatung und Unterstützung bei der Pflege und Gesundheitsvorsorge von Kleinkindern.

Eine Legalisierung von Abtreibung ist in jedem Fall der falsche Weg, um die Gesundheit für Mütter und Neugeborene zu unterstützen und Frauen auf geeignete Weise zu fördern und damit Gleichberechtigung voranzutreiben. Legale Abtreibung heißt nie sichere Abtreibung. Eine Abtreibung bezahlt das Kind immer mit seinem Leben und die Mutter mit physischen, emotionalen und psychischen Beeinträchtigungen, dem Post-Abortion-Syndrom (PAS), vor dem sie im Normalfall nicht gewarnt wird.(23)

Aber nicht nur gegen Ungeborene, sondern auch gegen geborene Kinder richtet sich die Politik des Gender-Mainstreaming. Fast 70 Prozent der Frauen äußerten, wie bereits erwähnt, gemäß einer Umfrage im März 2007 den Wunsch, ihr Kind bis zu drei Jahren nach der Geburt selbst zu betreuen, wenn ein Wiedereinstieg ins Berufsleben nach drei Jahren garantiert wäre.(24) Auch eine Studie der Bundesregierung von 2005 (25) kommt zum Ergebnis, daß über 60 Prozent der Frauen in Deutschland eine Teilzeitstelle einer Vollbeschäftigung bevorzugen würden. Durch die Einführung des einjährigen Elterngeldes wird ihnen jedoch politisch die Wiederaufnahme der vollen Erwerbstätigkeit bereits nach einem Jahr nach der Geburt nahegelegt.

Wie die Ergebnisse der kinderpsychologischen Bindungsforschung – diese thematisiert die Identitätsentwicklung im Kleinstkindalter – zeigen, brauchen Kinder besonders in den ersten drei Lebensjahren eine intensive Bindung zur Mutter. Auf die fundamentale Bedeutung dieser Bindung verweist der Frankfurter Appell des Familiennetzwerkes, der von renommierten Bindungsforschern und Pädiatern wie Prof. Dr. Johannes Pechstein, Sir Richard Bowlby, Prof. Dr. Gordon Neufeld, Dr. Steve Biddulph und Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Theodor Hellbrügge unterzeichnet wurde. Darin heißt es: Die Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit dieser Bindung (intensive Mutter-Kind-Bindung in den ersten drei Jahren sic.) prägt nachweislich in hohem Maße die emotionale, geistige und soziale Entwicklung für das ganze Leben. Mutterentbehrung in den ersten drei Lebensjahren gefährdet die störungsfreie Entwicklung des Kindes. Daher dürfen Eltern aus finanziellen Gründen nicht gedrängt werden, ihr unter dreijähriges Kind fremd betreuen zu lassen.

Wenn dennoch außerfamiliäre Fürsorge notwendig wird, ist der Betreuung durch eine vertraute Tagesmutter-/vater der Vorzug zu geben. Denn neueste wissenschaftliche Erkenntnisse belegen: Krippenerziehung war und ist Risikoerziehung. Wenn Krippenbetreuung unvermeidlich ist, sollte ein Betreuungsschlüssel von drei Babys/Kleinstkindern pro Erzieherin und eine mehrmonatige Eingewöhnungszeit mit der Mutter gewährleistet sein. Wir appellieren an die Gesellschaft, Mütter und Väter in dem entscheidenden primären Bindungsprozeß mit ihrem Kind zu unterstützen. Der Staat ist aufgefordert, Eltern und Kindern genügend Zeit und Geld zu belassen, bzw. zur Verfügung zu stellen, um jedem Kind die ersten drei Lebensjahre in seiner Familie zu ermöglichen.(26)

Das sind eindeutige Worte von erfahrenen Spezialisten! Die Gender-Ideologie treibt trotzdem die Verstaatlichung der Erziehung, die wir heute in Deutschland erleben immer weiter voran. Doch trotz staatlicher Umerziehungsversuche und finanzieller Anreize lassen sich viele Eltern nicht umstimmen. Sie regeln die Betreuung ihrer Kinder, indem sie intuitiv oder auch bewußt eine längere Babyphase meist der Mutter einplanen und der Vater in dieser Zeit allein für das Familieneinkommen sorgt. Wo Eltern sich für ein solches Ergänzungsmodell von Frau und Mann entscheiden, will die Bundesregierung nun eingreifen. In einem Bericht der Bundesregierung zu diesem Ergänzungsmodell ist folgender Kommentar zu lesen: Häufig treffen Elternpaare diese Entscheidung zugunsten einer Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit der Frau aber auch dann, wenn – wie es im Bereich des Bundes häufiger vorkommt – beide auf derselben Ebene tätig sind und die finanziellen Motive daher nicht ausschlaggebend sein können. Hier dürften auch Rollenstereotype eine Rolle spielen. Das BMFSFJ wird dieser gleichstellungspolitisch bedeutsamen Frage weiter nachgehen, Initiativen zum Abbau von Rollenstereotypen … ergreifen und dazu im Rahmen der weiteren Berichterstattung berichten.(27)

Das natürlich angelegte Bedürfnis vieler Frauen nach Fürsorge für ihr Kind, das mit dem Bedürfnis des Kindes nach Nähe korrespondiert und Voraussetzung für sein gesundes körperliches, geistiges und seelisches Wachstum ist, wird offensichtlich von der Bundesregierung als abzulehnender „Geschlechterstereotyp“ abgewertet. Die Aussage zeigt, wie sehr die Bundesregierung die Gender-Ideologie verinnerlicht hat und Gender-Mainstreaming umsetzen will. Gender ist in der Gender-Ideologie immer und ausschließlich sozial konstruiert; eine wesensmäßige Verschiedenheit zwischen Mann und Frau ist ausgeschlossen und das biologische Geschlecht hat keine Bedeutung. Ein Unterschied, der sich z. B. in einem im Vergleich zu den Männern stärkeren Wunsch der meisten Frauen zur Übernahme der Betreuung ihrer Kinder in den ersten Lebensjahren äußert, ist daher aus der Perspektive der Gender-Ideologie undenkbar und jedenfalls unerwünscht. Doch liegen aus der gut dokumentierten Kibbuzbewegung längst Studien vor, die zeigen, daß geschlechtsspezifische Begabungen eher gefördert, keinesfalls aber „abgeschafft“ werden sollten.(28) Wie sahen die Ergebnisse aus?

In den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts versuchte die Kibbuzbewegung in Israel, inspiriert durch sozialistische Ideen, die traditionelle Gesellschaftsordnung umzustülpen und die absolute Gleichheit von Mann und Frau durchzusetzen. Insbesondere sollten die Frauen vom „Joch der Kinderaufzucht befreit“ werden und selbst einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, um so auch von der Versorgung des Ehemannes unabhängig zu sein. Diesem Gleichheitsideal standen Familie, persönliche Bindungen und Individualismus entgegen. Die Kinder wurden deshalb gleich nach der Geburt zur Pflege und Betreuung in ein Kinderhaus gegeben. Die Emanzipation im Kibbuz bestand vor allem darin, daß Frauen sich wie Männer kleiden sollten, sich nicht schminkten und sich auch beruflich an den Männern orientierten und sich ihnen angleichen sollten.

Der Soziologe Melford E. Spiro stellte in seiner 1979 begonnenen Studie (29) fest, daß sich nun aber bereits bei der Töchtergeneration, also für die im Kibbuz geborenen und nach den Regeln der Gleichheit erzogenen jungen Frauen, ein Unterschied gegenüber den Pionierinnen des Kibbuz herauskristallisierte. So arbeiteten nach einer Häufung von Fehlgeburten die Frauen der zweiten Generation weniger auf dem Feld. Ihre häufigere Beschäftigung im Dienstleistungssektor ermöglichte durch die Nähe der Büros zu den Kinderhäusern ein problemloses Stillen. Die Frauen der dritten Generation, die Enkelinnen der Gründerinnen, bliesen im Kibbuz dann endgültig zu einer Gegenrevolution. Sie forderten ausdrücklich das Recht zurück, für ihre Familien selbst zu sorgen und die Kinder immer und insbesondere nachts bei sich zu haben. Sie betonten ihr weibliches Aussehen und fanden Arbeit im Haushalt und die Kinderbetreuung befriedigender. Auch die Beschäftigung in der Verwaltung überließen die Frauen zunehmend den Männern. Selbst kinderlose Frauen zeigten entgegen der herrschenden Gruppenphilosophie der Geschlechtergleichheit keine Motivation für die Landarbeit, obwohl diese am meisten Prestige eintrug. Sie wendeten sich oft nach wenigen Jahren in der Landwirtschaft den eher sorgenden Tätigkeiten in der Großküche und Hauswirtschaft zu. 1979, also ca. fünf Jahrzehnte nach der Gründung der ersten Kibbuzim, äußerte sich eine junge Frau zu den veränderten Einstellungen folgendermaßen: Ich denke, eine Frau sollte die Arbeit tun, die für sei geeignet ist, nicht mit dem Traktor oder auf dem Feld. Frauen sind von Natur aus nicht für die landwirtschaftliche Arbeit geeignet, vor allem, wenn das mit dem Familienleben vereinbart werden soll. Natürlich tun es manche, sie tun’s in Rußland. Aber ich denke, es ist nicht natürlich.(30) Zur Frage, ob ihr der Beruf oder die Familie wichtiger antwortete eine Frau der dritten Generation im Kibbuz, die als Buchhalterin arbeitete: Was für eine Frage. Die Familie ist mir viel wichtiger als alles andere. Sehen Sie, meine Arbeit ist äußerst wichtig für mich. Ich mag meine Arbeit sehr, aber ich würde unter keinen Umständen auch nur ein Viertel der Gedanken, die ich in meine Familie investiere, für meine Arbeit aufbringen.(31) Da zahlreiche Frauen eben diese Meinung vertraten, dürfen diese Aussagen als repräsentativ für die Kibbuzsituation gelten. Zudem gaben Männer auf die gleiche Frage ihrer Berufstätigkeit absolute Priorität. Beachtenswert an diesen Antworten ist, daß sie von Männern und Frauen stammen, die in einem Umfeld sozialisiert wurden, die von der Idee der absoluten Gleichheit der Geschlechter durchdrungen war und in der die Menschen ihr Leben nach dieser Idee gestalteten.

Zu Beginn seiner Kibbuz-Studie vertrat Spiro noch die These, der Mensch sei ausschließlich von der Gesellschaft geformt und die Natur hätte keine prägende Bedeutung. Nachdem er jedoch alle Größen, die das Verhalten der Kibbuzbewohner mitbestimmten, berücksichtigt hatte, kam er zu dem Schluß, daß es „präkulturelle Determinanten“ geben müsse, die mit dazu beitrügen, daß die jungen Frauen sich wieder der Familienarbeit zuwandten. Das bedeutet, daß Spiro nach seiner Kibbuz-Studie seine Meinung revidierte und auch von angeborenen Neigungen bezüglich einer geschlechtsspezifischen Lebensgestaltung bei Männern bzw. Frauen ausging.

Erkenntnisse wie diese ignoriert nicht nur die Bundesregierung mit ihrem Vorgehen gegen „Rollenstereotype“, sondern auch die EU, die unter deutscher Ratspräsidentschaft im Frühjahr 2007 in einem Grundsatzpapier der „Europäischen Allianz für Familien“ ausdrücklich „Maßnahmen zur Bekämpfung von Geschlechterstereotypen in der Bildung“ forderte.(32) Männliche und weibliche Begabungen bei den heranwachsenden Jungen und Mädchen sollen entsprechend diesen Vorgaben als „Geschlechterstereotype“ gebrandmarkt werden, die Jungen und Mädchen als jeweils beschämend erleben sollen.

Ziel dieser Abwertung der Geschlechtsunterschiede und Versuch der Umerziehung ist die Dekonstruktion von Geschlecht, die Auflösung einer binären Zweigeschlechtlichkeit des Menschen. Das wird auch durch Gesetzesvorhaben vorangetrieben. Im Januar 2007 wurde ein Entwurf zur Änderung des Transsexuellengesetzes in den Bundestag eingebracht.(33) Er besagt: Für die rechtliche Bestimmung des Geschlechts der Menschen dürfen nicht mehr die äußeren Geschlechtsmerkmale ausschlaggebend sein, sondern nur das subjektive Empfinden eines Menschen. Es heißt dort, daß „die tatsächliche Vielfalt von Identitäten akzeptiert“ werden müße, transsexuell empfindende Menschen dürfe man nicht in vorgegebene Raster pressen. Für die Gender-Ideologen ist solch ein Gesetzentwurf ein Aufhänger, um das „zweigeschlechtliche Raster“ nicht nur für transsexuell empfindende, sondern für alle Menschen abzuschaffen.(34)

Würde ein solcher Gesetzesvorschlag umgesetzt, wäre das ein weiterer Paradigmenwechsel: der Wechsel von einer immer auch gegebenen Identität eines Menschen hin zu einem Menschen, der sich in ständig neuen Rollen und Maskierungen selbst entwirft. Die Verwiesenheit der Geschlechter aufeinander wird dabei in demselben Maße aufgelöst, wie es kein objektiv bestimmbares Geschlecht mehr gibt; es bleiben Vereinzelte, Beziehungslose.

Wie wir gesehen haben, sind die Ziele der Gender-Ideologie und des Gender Mainstreaming die Veruneindeutigung von Geschlecht und die Auflösung und Ökonomisierung von Ehe und Familie. Anstelle von Ergänzung tritt die Konkurrenz zwischen den Geschlechtern, und Kinder verlieren den familiären Lebens- und Schutzraum, den sie für ihre gesunde Identitätsentwicklung so dringend brauchen. Das sind die Voraussetzungen für die Schaffung eines neuen auf sich selbst geworfenen, beziehungslosen und in seiner Identität geschwächten Menschen, der sich in immer wieder wechselnden Rollen selbst entwerfen muß.

Was können wir dieser Gender-Ideologie und dem Gender Mainstreaming aktiv entgegensetzen?

Anmerkungen Teil I

1 Zastrow, Volker: Politische Geschlechtsumwandlung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 139 / Seite 8 und auch Zastrow, Volker/ Feuchtenberger, Anke: Gender – Politische Geschlechtsumwandlung, Manuscriptum 2006.

2 Kuby, Gabriele: Die Gender Revolution – Relativismus in Aktion, fe-Medienverlag, Kisslegg 2006.

3 Sämtliche Bibelzitate aus: Lutherbibel, Bibeltext in der revidierten Fassung von 1984, hrsg. von der Evangelischen Kirche in Deutschland, Deutsche Bibelgesellschaft Stuttgart 1999.

4 Vonholdt, Christl R., Ehe – die Ikone Gottes in der Welt in Salzkorn, Anstiftungen zum gemeinsamen Christenleben von der ökumenischen Kommunität Offensive junger Christen e.V. (OJC) Nr. 224, September-Oktober 5/2006, S. 230-240.

5 Simone de Beauvoir, Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau, Hamburg 1995, S. 334, Simone de Beauvoir, Le deuxième Sexe, II, Gallimard 1947, S. 1.

6 Engels, Friedrich: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats in: Karl Marx/Friedrich Engels-Werke, Karl Dietz Verlag, Berlin. Band 21, 1962, S. 68.

7 Bronnen, Barbara: Mütter ohne Männer, Reinbek 1985, S. 85.

8 Ps 127, 3; Ps 128.

9 Judith Butler, Das Unbehangen der Geschlechter, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, S. 8.

10 Okin, Susan: Justice, Gender and the Family, New York 1989, S. 171.

11 Mainstream: engl. Hauptstrom.

12 http://www.genderkompetenz.info/
gendermainstreaming/implementierung/topdown/

13 S. auch Dale O’Leary, Die Gender Agenda Teil I und II zusammengefaßt von Christl R. Vonholdt in Bulletin 13, Nachrichten aus dem Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft, 7. Jhrg., 1, S. 4-18.

14 http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/gm/bundesregierung.html und http://www.gender-mainstreaming.net/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/RedaktionGM/Pdf-Anlagen/gm-implementierung,property=pdf,bereich=gm,sprache=de,rwb=true.pdf.

15 Bold, creative steps the way to gender parity, DSG/SM/305, OBV/611, WOM/1621, Department of Public Information, http://www.un.org/News/Press/docs/2007/dsgsm305.doc.htm.

16 Pressemitteilung des Familiennetzwerkes vom 31. März 2007, http://www.familie-ist-zukunft.de/seite/?p=86.

17 Am 24. Mai 2007 unter file:///employment_social
/gender_equality/index_de.html zu finden, Quelle entfernt.

18 KOM(2006) 92, Ein Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010 – Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen“, S. 7.

19 Gleichberechtigung – Schlüssel zur Umsetzung der Milleniumsziele der Vereinten Nationen, hrsg. Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2007.

20 Pressemitteilung des BMZ vom 17. November 2006: http://www.bmz.de/de/presse/pm/pm_20061117_1.html.

21 http://www.millenniumcampaign.org/site/
pp.asp?c=grKVL2NLE&b=185529.

22 www.womendeliver.org.

23 mehr Informationen zum PAS in Dr. med. Detlev Katzwinkel (Hrsg.), Das Kind, das ich nie geboren habe, Wuppertal 2007.

24 Pressemitteilung des Familiennetzwerkes vom 31. März 2007, http://www.familie-ist-zukunft.de/seite/?p=86.

25 http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/
Abteilung2/Newsletter/Monitor-Familienforschung/2005-04/Medien/monitor-familiendemographie,property=pdf,bereich=,rwb=true.pdf, S. 4.

26 http://www.familie-ist-zukunft.de/seite/?page_id=38, s. auch Memorandum der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung vom 12. Dezember 2007: Krippenausbau in Deutschland, Psychoanalytiker nehmen Stellung, http://www.dpv-psa.de/html/Pressespiegel/artikel/Memorandum%20vom%2012.12.07%20-DPV-KR_Psyche.htm.

27 Erster Erfahrungsbericht der Bundesregierung zum Bundesgleichstellungsgesetz, Drucksache 16/3776, 2006 S. 71, http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/Erfahrungsbericht_20der_20Bundesregierung_20zum_20Bundesgleichstellungsgesetz,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf

28 Spiro, Melford E.: Gender and culture: Kibbuz women revisted, Durham: Duke University Press 1979.

29 nach Bischof-Köhler, Doris: Von Natur aus anders, Stuttgart 2006, S. 168-174.

30 Nach s.o.: Spiro, 1979, S. 18.

31 Nach s.o.: Spiro, 1979, S. 31.

32 Pressemitteilung vom 30. Mai 2007 des BMFSFJ, http://www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Kategorien/Presse/pressemitteilungen,did=98264.html.

33 hib-Meldung vom 31. Januar 2007, http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2007/2007_028/02.html.

34 In Spanien hat es entsprechend die Regierung Zapatero den Transsexuellen ermöglicht, im Paß ein Geschlecht eigener Wahl anzugeben, auch wenn keine physische „Geschlechtsumwandlung“ stattgefunden hat.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 29. Juli 2008 um 10:47 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Sexualethik.