Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Dirks Geschichte: „Meine zweite Chance“. Ein wunderbarer Weg zum Glauben

Mittwoch 30. August 2023 von Dirk Mesenbrock


Dirk Mesenbrock

Dirk Mesenbrock erzählt

Meine zweite Chance
Was passiert nach dem Tod?

Mein Bruder und ich wurden sehr humanistisch und liberal erzogen. Das hing unter anderem damit zusammen, dass meine Mutter eine starke Persönlichkeit in einer Frauenbewegung war. Freiheit und Toleranz wurden bei uns großgeschrieben. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich als 12- oder 13-Jähriger mit Freunden eine Fahrradtour ins Münsterland unternahm. Eine Woche lang waren wir allein unterwegs – zu einer Zeit, in der es noch keine Handys oder Internet gab. Auch Telefonzellen hätten uns nichts gebracht, denn wir hatten zu Hause kein Telefon. Wir sind einfach weggefahren und nach einer Woche wieder nach Hause gekommen. Nachts kamen wir bei Bauern unter, die uns auch mit Essen versorgten. So bin ich groß geworden.

Glaube und Kirche waren nie ein Thema in unserer Familie. Was mein Leben bestimmte, war der Fußball. 1974, mit fünf Jahren, verfolgte ich die erste Fußballweltmeisterschaft, und seitdem gab es mich nur noch mit Ball. Mit zwölf Jahren spielte ich zum ersten Mal in einer Auswahlmannschaft. In meiner Jugend war ich auf einer Fußballschule und bereits auf dem Sprung, Profifußballer zu werden.

Dann begann meine Wehrdienstzeit bei der Bundeswehr. Im Januar ging es los. Teil der Ausbildung war es, mehrere Nächte bei minus 17° draußen zu schlafen, und danach waren wir völlig durchgefroren. Eines Morgens, als ich in der Kaserne im Bett lag, rief der Spieß (Kompaniefeldwebel) auf dem Flur: „Alle aufstehen!“ Ich wollte aufstehen, konnte es aber nicht. Am Tag vorher war noch alles in Ordnung gewesen, nun aber stimmte irgendetwas nicht. Meine Kumpels dachten natürlich, dass ich blaumachen wollte, aber bis auf meinen Kopf konnte ich wirklich kein Körperteil mehr bewegen. Der Spieß glaubte mir nicht und schrie mich an. Als ich auch dann nicht aufstand, packte er meine Bettdecke und riss mich aus dem Bett. Ich fiel auf mein Gesicht, hatte Nasenbluten und kam erst mal auf die Krankenstation der Kaserne. Drei Wochen lang lag ich dort, und niemand konnte mir sagen, was mit mir los war. Meine Gelenke waren total geschwollen. Ich konnte mich nicht mehr bewegen und hatte starke Schmerzen. Da die Ärzte nicht wussten, was sie mit mir machen sollten, wurde ich ins Bundeswehr-Zentralkrankenhaus nach Koblenz verlegt. Auch dort konnte sich keiner erklären, was ich hatte. Da es etwas Ansteckendes hätte sein können, kam ich auf die Isolierstation. Das Zimmer war sehr einfach eingerichtet: Es gab ein Bett, einen Nachttisch und eine Bibel von den Gideons. In der ersten Woche meines Aufenthalts lag ich nur im Bett und wurde mit Medikamenten vollgepumpt. Dann fingen die Ärzte an, mich auf den Kopf zu stellen. Nach einer Weile schlugen die Medikamente an und ich konnte meine Arme wieder leicht bewegen. Vor lauter Langeweile griff ich nach der Bibel, die von den Gideons dort ausgelegt wurde. Ich schlug sie auf und las: „Jesus kam und heilte sie alle.“ Wütend warf ich die Bibel an die Wand und dachte: „Was ist das denn für ein Schmöker? Das ist ja unglaublich!“ Die Nachtschwester hatte Erbarmen, hob die Bibel auf und legte sie wieder an ihren Platz.

In dieser Zeit stieg mein Schlafpensum auf 18 Stunden am Tag. Die Menschen um mich herum wurden allmählich unruhig. Auch nach zwei Monaten im Bundeswehr-Zentralkrankenhaus wusste immer noch keiner, was mit mir los war. Ich bemerkte die Angst und Sorge meiner Eltern, wenn sie zu Besuch kamen, und wurde selbst unruhig. Immer wieder nahm ich die Bibel und las darin irgendwelche Sachen von einem Gott, der sich darin vorstellt als einer, der seine Kinder liebt. Ich dachte: „Mich kann er ja damit nicht meinen.“ So verging die Zeit, und langsam machte ich kleine Fortschritte. Nach zwei bis drei Monaten, in denen ich nichts tun konnte, außer an die weiße Decke zu gucken, durfte ich endlich in einem Rollstuhl mein Zimmer verlassen. Auf dem Flur fand ich einen Kaffeeautomaten. An diesem Automaten traf ich auf einen anderen Patienten, einen jungen Mann, der auch Soldat war. Er schob ein Gestänge mit Infusionsflaschen vor sich her und hatte keine Haare mehr auf dem Kopf. Wir kamen ins Gespräch, und ich freute mich, endlich jemanden zu haben, mit dem ich reden konnte. So trafen wir uns jeden Morgen am Kaffeeautomaten, tranken Kaffee und redeten. An einem Morgen wartete ich, aber er kam nicht. Auch am nächsten Tag kam er nicht, und als er am dritten Tag immer noch nicht da war, wagte ich zu fragen, wo dieser Mann jetzt sei. Da sagte mir die Schwester, dass er am Tag vorher gestorben sei. Er war HIV-positiv – einer der ersten Fälle in Deutschland. Als die Schwester mir sagte, dass er tot sei, war ich geschockt. In meinem Kopf lief plötzlich ein Film ab von all den Worten, die ich in diesem blauen Buch, in dieser Bibel von den Gideons, gelesen hatte. Darin wurde beschrieben, wo man sein Leben nach dem Tod verbringen wird: dass es eine Hölle und dass es ewiges Leben gibt. Auf einmal wurde mir klar, was geschehen würde, wenn ich jetzt auch sterben würde. Ich bekam Angst. Ich bekam Todesangst! Bisher konnte mir ja keiner sagen, ob ich dieses Szenario hier überleben würde. Ständig sah ich nur besorgte Gesichter und bekam keine Diagnose. Mit diesen Gedanken fuhr ich mit meinem Rollstuhl in mein Zimmer zurück. Ich hievte mich ins Bett, kniete mich hin und schrie zu Gott. Wahrscheinlich habe ich gebetet, ohne zu wissen, was Beten eigentlich ist. Ich schrie: „Gott, wenn du wirklich der bist, von dem in diesem Buch die Rede ist, wenn du mich hier herausholst und ich weiterleben darf, dann verspreche ich dir, dass ich bei dir bleiben und nicht in mein altes Leben zurückgehen werde. Ich werde den Menschen erzählen, dass dieses Buch kein Märchenbuch ist. Und ich werde den Menschen durch mein Leben erzählen, dass du wirklich ein guter Gott bist.“ Unter Tränen, übermannt von Angst und Medikamenten, schlief ich ein.

Am nächsten Morgen war mein Zimmer wegen Überfüllung geschlossen. Um mich herum standen zehn bis zwölf Menschen mit weißen Kitteln. Sie sagten zu mir: „Wir haben eine gute Nachricht für Sie: Wir haben endlich herausgefunden, dass das, was Sie durchmachen, nicht zum Tod führen wird.“ Ich dachte: „Das ist ja klasse! Ich darf weiterleben. Ich bekomme meine zweite Chance!“ Dann sagten sie mir, dass sie auch eine schlechte Nachricht für mich hätten: Meine Gelenke wären so kaputt und vernarbt, dass sie sich nicht mehr regenerieren würden. Ich sollte mich darauf einstellen, mein weiteres Leben im Rollstuhl zu verbringen. Für mich war dies dennoch eine unglaublich gute Nachricht, die mich wirklich glücklich machte. Ich war mir sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen „Weißkitteln“ und meinem Gebet gab, und ich merkte dadurch, dass Gott wirklich existiert. Zu diesem Zeitpunkt, mit neunzehn Jahren, entschied ich mich für Jesus und mein Leben mit Gott begann. Nach diesem Ereignis überkam mich ein Gedanke: „Wenn Gott mich vor dem Tod bewahrt hat, kann er mich auch gesund machen.“ Also bestellte ich mir zwei Krücken und lief immer wieder ein paar Meter damit. Innerhalb von zwei bis drei Monaten wurde die Menge der Medikamente, die ich einnahm, immer weiter reduziert, bis ich irgendwann zuhause behandelt werden konnte. Das Krankenhaus konnte ich schließlich ohne Rollstuhl und auf nur eine Krücke gestützt verlassen. Die Ärzte konnten es nicht begreifen. Ich erzählte ihnen, dass ich in der Bibel gelesen hätte und dachte, dass ich sterben müsste, aber jetzt ewiges Leben hätte und dass dieser Gott mich sogar gesund machen könne. Die Ärzte verstanden es nicht, aber ich merkte, dass in mir etwas lebt, das ich nicht kannte.

Da ich noch nie in einer Kirchengemeinde gewesen war, hatte ich keine Ahnung, wie ich als Christ leben sollte. Ich wusste auch nicht, wo es Christen gab. Nie hatte mich jemand auf Gott angesprochen. Also fing ich an, in der Bibel nach Antworten zu suchen. Meine Grundeinstellung zur Bibel hatte sich nun vollkommen verändert. Vorher hielt ich Christen für weltfremde Spinner. Jetzt hatte ich erkannt, dass in diesem Buch Leben steckt, denn sonst wäre mein Leben vorbei gewesen. Meine kritische, skeptische Voreingenommenheit gegenüber der Bibel verschwand und verwandelte sich in ehrliches Interesse, in Dankbarkeit und Zuversicht. Jetzt las ich die Bibel anders, nämlich gespannt und erwartungsvoll, denn ich wollte verstehen, was mit mir passiert war. Und plötzlich öffnete sich mir das Wort Gottes. Bibelverse, die mir vorher Probleme bereitet hatte, verstand ich auf einmal. Es war wie ein Feld, das man beackert. Es gab auch Steine – also Fragen – in diesem Feld, aber Jahr für Jahr wurden diese Steine immer weniger. Immer mehr Dinge in meinem Leben klärten sich und ich entwickelte eine richtige Liebe für diesen Gott.

Zu Hause war ich wieder in meinem gewohnten Umfeld: Mich erwartete die Toleranz meiner Eltern, die meinten, dass ich schon wieder „normal“ werden würde. Aber ihre Erwartung erfüllte sich nicht. Zum Geburtstag schenkten sie mir ein Buch, in dem die Bibel lächerlich gemacht wurde. Dieses blasphemische Geburtstagsgeschenk verletzte mich so sehr, dass ich die geplante Geburtstagsfeier absagte, obwohl alle Gäste schon eine Einladung erhalten hatten. Meine Eltern dachten, ich sei jetzt völlig durchgedreht. Sie ärgerten sich so sehr, dass sie eine Weile nicht mehr mit mir sprachen. Die Bibel nahm ich weiterhin täglich in die Hand und las darin. Nach ein paar Wochen war die Geduld meiner Mutter zu Ende. Als sie sah, dass ich wieder in der Bibel las, nahm sie sich einen Stuhl, setzte sich neben mich und fragte mich, was mich an diesem Buch so faszinieren würde. Ich meinte, dass ich ihr das nicht erklären, jedoch daraus vorlesen könne. Dann fing ich an vorzulesen. Zum Glück war ich gerade bei der Bergpredigt. Nach einer Viertelstunde stand meine Mutter kommentarlos auf und ging aus dem Zimmer. Von diesem Tag an setzte sie sich jeden Tag neben mich und las mit mir in der Bibel. Als mein Vater das mitbekam, hatte er überhaupt kein Verständnis dafür. Meine Mutter ermutigte ihn, auch dazuzukommen. So kam es, dass wir abends zu dritt in der Bibel lasen. Meine Mutter schlug vor, dass wir das von da an einmal wöchentlich machen sollten. Erst waren wir zu dritt, etwas später kam mein Bruder mit seiner Frau dazu und auch meine Frau, die ich damals kennenlernte. So entstand unser erster Hauskreis. Damals hatte ich eine Oma, die mir sehr viel bedeutete. Sie war herzkrank und nie wirklich gesund. Sie bekam nun mit, dass wir sonntags den Gottesdienst besuchten und so kam sie mit uns. Auch sie kam zum Glauben und ließ sich mit 73 Jahren taufen – ein Jahr bevor sie starb. Alle aus meiner Familie entschieden sich, ihr Leben mit und für Jesus Christus zu leben und ließen sich taufen. Diese kommunistische, humanistische, egozentrische Familie wurde von Gott eingesammelt. Das ist einfach atemberaubend!

Entgegen aller ärztlichen Prognosen erfreue ich mich heute bester Gesundheit. Von den Vernarbungen in meinen Gelenken spüre ich nichts mehr. Auch auf den Röntgenbildern ist nichts mehr davon zu sehen. Gott hat mich völlig gesund gemacht, ich kann wieder Sport treiben und sogar Fußball spielen. Außerdem bin ich glücklich verheiratet, Familienvater und mittlerweile sogar schon dreifacher Opa. Wenn ich darüber nachdenke, was Gott mir und meiner Familie Gutes getan hat, bekomme ich immer noch Gänsehaut und es erfüllt mich mit großer Dankbarkeit.

 


 

Aus: Johannes Wendel (Hg.): „Womit habe ich das alles verdient?“ 12 Lebensgeschichten, Christliche Verlagsgesellschaft mbH / Internationaler GIDEONBUND in Deutschland, 2022, S. 21–27.

Video zur Erzählung: https://gideons.de/dirks-geschichte/

Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 30. August 2023 um 3:00 und abgelegt unter Allgemein.