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Antwort aus Baden zum „Appell aus Baden“

Donnerstag 13. Juli 2006 von Hermann Traub (1944-2013)


Hermann Traub (1944-2013)

Antwort aus Baden zum „Appell aus Baden“

Drei Mitglieder unserer Landeskirche haben in diesen Wochen einen „Appell aus Baden“ veröffentlicht. Dieser Appell hat durch die kirchliche Presse eine schnelle Verbreitung gefunden. Einige bekannte Persönlichkeiten haben den Appell mitunterzeichnet und unser Landesbischof hat den Text mit einem anerkennenden Vorwort versehen. Weil zum Gespräch und zur Auseinandersetzung mit dem Appell offen eingeladen wird, möchten wir uns mit folgender Antwort daran beteiligen:

Der „Appell aus Baden“ vertritt an zentraler Stelle die Position, die Christen müßten auf Mission unter Muslimen verzichten, um einen ersten Beitrag zum Weltfrieden zu leisten. Diese Position ist freilich längst bekannt, enthält nichts Neues und entspricht dem hierzulande herrschenden Zeitgeist.

Dennoch gebührt den Verfassern und Unterstützern Dank für ihre Offenheit. Denn was in unserer Kirche seit vielen Jahren „unter der Hand“ oder in kleinen Zirkeln verhandelt und vertreten wurde, hat jetzt einen Weg zur öffentlichen Auseinandersetzung gefunden.

Damit ist allen, besonders den theologisch denkenden und arbeitenden Gliedern unserer Kirche die Aufgabe gesetzt, eine Antwort auf den „Appell“ zu geben. Wir konzentrieren uns bei unserer Antwort auf jenen zentralen Gedanken des Missionsverzichts, weil hier nach unserer Ãœberzeugung nicht nur theologisch abwegig argumentiert, sondern letztlich zum Schaden der Kirche – und des Weltfriedens – gehandelt wird. Bei einer so existenziellen Frage geht es nicht mehr um die subjektive Meinung der Autoren des „Appells“ oder unserer Antwort, sondern hier müssen wir die maßgeblichen Autoritäten und schließlich auch die für die Landeskirche grundlegenden Ordnungen befragen.

Die Antwort Jesu

Der Kirchenvater Augustin sagte: „In der Kirche gilt nicht: das sage ich, das sagst du, das sagt jener, sondern: So spricht der Herr.“ Dieser Grundsatz war auch der Ausgangspunkt der Reformation. Nun wird bis zum heutigen Tag jede Taufe in unserer Kirche unter Berufung auf den Missionsbefehl Jesu vollzogen: „ … darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe.“(Matthäus 28, 19-20) Alle Getauften übernehmen mit ihrer Taufe diesen Auftrag. Sollte er ausgerechnet im Blick auf besondere Religionsgruppen eingeschränkt werden? Und bei der Himmelfahrt beauftragt der Auferstandene seine Jünger noch konkreter: „Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem (Judenmission!) und in ganz Judäa und Samaria (Samaritaner mit anderer Religion) und bis an das Ende der Erde (griechische und römische Welt damals).“ Alle, die der heilige Geist zu Christen gemacht hat, in dem er ihnen das „Kyrios Jesus“ (Jesus ist Herr) auf die Lippen gelegt hat, sind dem konkreten Missionsauftrag in der Freude des Glaubens verpflichtet.

Die Antwort der Ökumene

Sowohl die jungen Kirchen in der weiten Ökumene in Asien, Afrika und Lateinamerika als auch die stark vom Missionswillen geprägten westlichen Kirchen geben ihre eigene Antwort auf die Frage der Mission. Sie missionieren eifrig in allen Ländern, in denen sich dafür eine Chance bietet. Selbst im Irak sind durch die Evangeliumsverkündigung in den letzten Jahren viele Christen geworden. Durch die Ereignisse des 11. September ist in allen mehrheitlich muslimischen Nationen ein neues Fragen nach Jesus Christus, der Bibel und der Möglichkeit getauft zu werden entstanden. Die weite Ökumene der Christen ist ein in sich dynamisches Wachstumsfeld des Glaubens an Jesus Christus. Wollen wir uns dieser Bewegung blind verschließen und dadurch der deutlichen Mehrheit der Kirchen in der Welt vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben?

Die Antwort der Gemeinde vor Ort

Nachdem manche kirchlichen Missionsabteilungen weithin nur noch im Sinne einer kirchlichen Entwicklungshilfe arbeiten, hat die Gemeinde vor Ort dagegen längst die Weltmission zu ihrer eigenen Sache gemacht. Viele Kirchengemeinden auch in Baden, haben Personen aus ihrer Mitte in Zusammenarbeit mit Missionen als Missionare weltweit im Einsatz. Frauen und Männer werden von ihren Gemeinden ausgesandt, unterstützt und im Gebet getragen. Projekte der Weltmission werden von vielen Gemeinden mitfinanziert.

Die globale Vernetzung der Kirche Jesus Christi ist diesen Gemeinden ganz nahe; und sie wollen, daß sich das Reich Gottes weltweit ausbreitet. Viele einzelne Menschen sorgen mit ihrem persönlichen Opfer für den Fortgang der Mission durch ihre Gaben und stehen mit ihrem Gebet hinter diesem Willen zur Ausbreitung der Herrschaft Jesu Christi. Und dies in allen Ländern der Welt, ohne sich abhalten zu lassen von den vorfindlichen religiösen Orientierungen und Traditionen, die sie auf ihren Arbeitsfeldern antreffen.

„Alle Welt soll sein Wort hören“ – dieser Leitsatz der großen ökumenischen Bewegung, die 1974 in Lausanne beim Kongreß für Weltevangelisation ihren Anfang genommen hat, bestimmt ihr Handeln. „Der ganzen Welt, durch die ganze Gemeinde, das ganze Evangelium“ – dazu haben sich viele Millionen von Christen inzwischen weltweit vereinbart. Es gibt keinen Grund, dieser weltweiten Bewegung zu widersprechen oder sie nicht zu unterstützen. Wer aber verlangt, daß ein „Verzicht auf Mission“ geschieht, stellt sich gegen diesen Teil der weltweiten Ökumene.

Die Antwort der Bekenntnisse und der Grundordnung

Das jüngste Bekenntnis, das zu den Bekenntnissen gehört, auf die Pfarrer ordiniert werden, ist die Barmer Theologische Erklärung, die unmißverständlich ihre Antwort gibt: „Jesus Christus spricht: ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich“ (Joh. 14, 6). Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle der Verkündigung außer und neben diesem Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen“. Geradezu prophetisch haben 1934 die Verfasser dieses jüngsten Bekenntnisses auch unsere heutige Situation beleuchtet. Weder die großen Religionsführer und ihre Propheten noch Abraham als „sogenannter Offenbarungsträger“ können ersetzen, was die Kirche als Quelle der Offenbarung hat.

Die Grundordnung der Badischen Landeskirche hat dies in ihrem „Vorspruch“ folgendermaßen aufgenommen: „Sie gründet sich als Kirche der Reformation auf das in der Heiligen Schrift Alten und Neuen Testaments bezeugte Wort Gottes, die alleinige Quelle und oberste Richtschnur des Glaubens, ihrer Lehre und ihres Lebens, und bekennt, daß das Heil allein aus Gnaden, allein im Glauben an Jesus Christus empfangen wird.“ (2) Damit ist klar bezeugt und festgelegt, daß weder der Verzicht auf Mission gegenüber jedweden Menschengruppen noch eine „Ökumene der Religionen“ unseren Bekenntnissen und Grundlagen entspricht.

Die Antwort der Leitsätze

In einem ausführlichen Prozeß der ganzen Landeskirche hat die Synode Leitlinien festgelegt, die das Handeln in der Landeskirche befördern und ausrichten sollen. Dort steht zu unserem Thema: „Wir wollen den Mitgliedern unserer Kirche eine geistliche Heimat bieten und noch mehr Menschen für Jesus gewinnen …wir wollen, daß alle zum Lesen der Bibel ermutigt werden und zur Auslegung der Schrift beitragen…“. Damit ist in jüngster Zeit eine Vereinbarung getroffen, die in die Ziele der Gemeinden einfließen soll. Diese gemeinsame Willenserklärung zielt darauf, daß sich unsere Kirche missionarisch zeigt – und keinerlei Menschen aus diesen missionarischen Bemühungen ausschließt. Auch Migranten haben ein Recht zu erfahren, was uns hält und trägt.

Schlußthesen:

Wir antworten auf den „Appell aus Baden“ mit einem klaren Nein gegen die Hauptzielrichtung dieses Aufrufes, auf Mission unter Muslimen zu verzichten, weil dieser Verzicht als Ungehorsam gegenüber dem Herrn der Kirche gelten muß.

1. Wir sagen Nein zu dem „Appell aus Baden“, weil er konträr zu den missionarischen Prozessen und Willensbildungen steht, die sowohl 1999 in der Synode der EKD als auch in unserer Landeskirche in ihrer Mehrheit mitgetragen sind. Der neue missionarische Wille unserer Kirchen darf keine Gruppe und keine Person ausschließen.

2. Wir sagen Nein zum „Appell aus Baden“, weil er verhindern will, daß Menschen ihr Recht auf das Evangelium von Jesus Christus wahrnehmen können „Das erste Menschenrecht ist, daß jeder das Evangelium hören kann“. ( D. T. Niles, indischer Bischof)

3. Wir sagen Nein zu dem „Appell aus Baden“, denn „Der Feind der Mission ist immer noch derselbe, auch wenn er im Lauf der Jahrhunderte immer wieder in einem neuen Gewand erscheint. Unwandelbar ist und bleibt aber der Herr der Mission, der uns versichert hat, daß alle Geschichte in ihm Anfang und Ende findet.“ (Horst Flachsmeier in seinem Schlußsatz des Werkes „Geschichte der Ev. Weltmission“)

4. Wir sagen Nein zu dem „Appell aus Baden“, denn wer die Mission einschränken will – egal welche Gruppe von Menschen auch „ausgespart“ werden soll – geht an der biblischen Wahrheit vorüber, daß alle Religionen auf einem Irrweg in ihrer Gottessuche sind. Jesus seine Aufgabe an ihnen klar umrissen hat: „Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall; auch die muß ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte werden.“ (Johannes 10, 16). An dieser Aufgabe hat er uns als Christen mitbeteiligt. Sie liegen zu lassen, wäre Jesus Christus zuwider zu handeln.

Remchingen bei Pforzheim, Juli 2006

Hermann Traub, Pfarrer in Remchingen-Singen
mit weiteren Theologen, Pfarrern, Ältesten und kirchlichen Mitarbeitern in Baden

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 13. Juli 2006 um 15:16 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Theologie.