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„Was soll in unserer Kirche gelten?“ – Ein Brief aus tiefer Sorge

Freitag 18. Januar 2019 von Pfr. Manfred Baral


Pfr. Manfred Baral

Pfarrer i.R. Manfred Baral, Großbottwar (Württemberg), schrieb am 5. Januar 2019 an die Mitglieder des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“ der Landessynode der Ev. Landeskirche in Württemberg einen Brief, den wir mit seiner Erlaubnis hier veröffentlichen. Die Mitglieder der Württembergischen Landessynode werden in Urwahl von den Gemeindegliedern direkt gewählt – anders als in allen anderen 19 evangelischen Landeskirchen. Dort werden die Synodalen über ein Filtersystem von den örtlichen Kirchengemeinderäten (Presbyterien) über die Bezirkssynoden in die Landessynoden delegiert. Die Württembergischen Synodalen gehören je nach ihrer kirchenpolitischen Orientierung 4 verschiedenen Gesprächskreisen an: Lebendige Gemeinde – ChristusBewegung in Württemberg (43 Sitze), Offene Kirche (32 Sitze), Evangelium und Kirche e.V. (14 Sitze), Kirche für morgen (7 Sitze), ohne Gesprächskreis 2 Synodale.

In der Landessynode wird um die Frage gerungen, ob aus Anlass der bürgerlichen Eheschließung gleichgeschlechtlicher Paare öffentliche gottesdienstliche Segnungen stattfinden dürfen. Eine Entscheidung über einen entsprechenden Vorschlag der Kirchenleitung steht in diesem Jahr an.

An die Mitglieder unserer Landessynode, die zum Gesprächskreis „Lebendige Gemeinde“ gehören

Liebe Synodale des Gesprächskreises „Lebendige Gemeinde“,

die Synode befindet sich in einer Zerreißprobe. Was soll in unserer Kirche gelten?

Eigentlich sollte dies keine Frage sein, steht doch in der Verfassung der Ev. Landeskirche in Württemberg schon ganz am Anfang:

„Die evangelisch lutherische Kirche in Württemberg, getreu dem Erbe der Väter, steht auf dem in der Heiligen Schrift gegebenen, in den Bekenntnissen der Reformation bezeugten Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn. Dieses Evangelium ist für die Arbeit und Gemeinschaft der Kirche unantastbare Grundlage.“  (I. Die Evangelische Landeskirche § 1)

Das bedeutet für mich, der ich als Pfarrer i.R. einstens mein Ordinationsgelübde abgelegt habe, mich ganz und gar an das zu halten, was unser Herr Jesus Christus haben möchte. Das Kriterium für die Grundlage für meine Entscheidungen ist die Frage: „Was sagt denn die Heilige Schrift?“

Wäre das nicht so, dann müssten wir uns von diesem Herrn auch fragen lassen: „Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht was ich euch sage?“ (Luk. 6,46)

Nun sehe ich aber in der Diskussion um die Frage der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, dass da Kriterien eine Rolle spielen, die zu der oben genannten Grundlage in der Verfassung nicht passen wollen. Es ist ja schön, dass man als Lebendige Gemeinde anführt, an den biblischen Grundeinsichten festzuhalten. Man opfert aber, so wie ich sehe, dieses Festhalten der Absicht, die gemeinsame synodale Arbeit konstruktiv gestalten zu wollen.

Es ist eigenartig, – die Offene Kirche kämpft unentwegt für ihre Ansicht und ist in keiner Weise kompromissbereit. Da ist sie sehr konsequent. Bei der Lebendigen Gemeinde vermisse ich dieses konsequente Eintreten. Sie scheint mir sehr kompromissbereit zu sein in Fragen, bei denen das absolut nicht am Platz ist. In 1. Kor. 11,19 schreibt Paulus, dass in gewissen Fällen Spaltungen sein müssen, um der Wahrheit willen. Die Einheit ist zwar sehr wünschenswert. Sie ist aber nicht immer möglich, wenn es darum geht, dem Herrn gehorsam zu sein. Da gibt es auch einfach mal ein Entweder-Oder. Das Festhalten an biblischen Grundeinsichten kann auch bedeuten, dass man in gewissen Fragen klar und eindeutig sein muss, was ja auch in der Kirchenverfassung eindeutig formuliert ist: „Dieses Evangelium ist für die Arbeit und Gemeinschaft der Kirche unantastbare Grundlage“.

Ich vermisse den Bezug auf die Heilige Schrift in der Beantwortung von Einzelfragen.

Da werden, wenn es darum geht, biblisch zu argumentieren, andere Entscheidungskriterien benannt, z.B. diese, dass die Lebendige Gemeinde keine weitere Amtshandlung einführen wolle. Auch, dass man die seitherige Regelung als Regel ausdrücklich beibehalten will, kann ich nicht verstehen, – ist doch gelebte Homosexualität Sünde und kann in der Kirche nicht geduldet werden, will man dem Herrn der Kirche gehorsam sein.

Das bedeutet nicht, dass man betroffene Menschen allein lassen soll. Das seelsorgerliche Bemühen um sie ist geboten. Wenn man sagt, in der angestrebten Regelung werden ja Einzelpersonen gesegnet, nicht der Bund, so kann ich das nicht anders als Augenwischerei nennen. Werden die beiden Einzelpersonen doch gesegnet aus Anlass ihrer standesamtlichen „Trauung“. Zu segnen, was Gott nicht segnet, ist eine große Vermessenheit!

Nochmals. Mir fehlt die Argumentation mit der Heiligen Schrift. Schämen wir uns, mit der Heiligen Schrift, die doch Gottes Wort ist, zu argumentieren? Auch können wir nicht, wenn wir uns eine in der Schrift begründete Meinung gebildet haben, andere Schriftverständnisse respektieren. Wenn wir das tun, respektieren wir unseren Herrn nicht mehr.

Hätte Luther so argumentiert, wäre die Reformation nicht entstanden! Er war zwar offen dafür, dass man über seine Ansichten spricht, – Gegenargumente benennt. Aber er sagte ja den bekannten Satz: „Wenn ich nicht durch das Zeugnis der Heiligen Schrift oder durch vernünftige Gründe überwunden werde – . – so halte ich mich überwunden durch die Schrift, auf die ich mich gestützt habe, so ist mein Gewissen in Gottes Wort gefangen. Darum kann und will ich nichts widerrufen, weil gegen das Gewissen zu handeln weder sicher noch lauter ist.“

(zitiert aus: Heiko Oberman, Luther, Mensch zwischen Gott und Teufel, S. 46. Berlin 1981)

Halten wir uns nicht absolut zum reformatorischen Grundsatz „Sola scriptura“, verraten wir die Reformation und haben keine Verheißung unseres Herrn. Der Segen geht verloren.

Wer den Satz für sich in Anspruch nimmt, „man weiß ja, dass man die Bibel auch anders lesen kann“, macht sich zumindest verdächtig, vom Geist der Postmoderne beeinflusst zu sein, der uns einreden will, dass jeder seine subjektive Wahrheit hat und es im Grunde keine objektive gibt.

Ein letzter Gedanke. Synodale haben ein kirchenleitendes Mandat bekommen. Eine große Verantwortung! Da besteht die Möglichkeit, in rechter Weise zu leiten, damit der Segen fließen kann. Es besteht aber auch die schlimme Möglichkeit zu verführen, indem man Entscheidungen fällt, die ungöttlich sind und die dazu führen, dass diejenigen, die sich leiten lassen, verführt werden. Jesus sieht das überhaupt nicht harmlos, vgl. Luk. 17,1-3a. Eine sehr ernste Warnung unseres Herrn!

Soviel das, was mir auf dem Herzen liegt aus tiefer Sorge um den Weg unserer Kirche, die in Gefahr ist, dem Zeitgeist zu frönen. Gott segne Ihre Arbeit, indem er Ihnen den Mut verleiht, ihm wirklich zu gehorchen und ihm damit die Ehre zu geben.

Lasst uns doch mit Ludwig Andreas Gotter beten:

Herr, verleih mir Stärke,
verleih mir Kraft und Mut;
denn das sind Gnadenwerke,
die dein Geist schafft und tut.

Freundliche Grüße und beste Wünsche für ein gesegnetes Jahr 2019!

Pfarrer Manfred Baral, Großbottwar

Quelle: www.bibelundbekenntnis.de, 16.1.2019

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 18. Januar 2019 um 13:45 und abgelegt unter Kirche, Sexualethik, Theologie.