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Vater sein dagegen sehr…

Montag 20. August 2018 von Institut fĂŒr Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut fĂŒr Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Datenreiche Studien zu Arbeit und Funktion der VÀter in der Familie / Ehe als StabilitÀtsanker / ZÀhe Mythen

Die jĂŒngste Weltfamilienkarte (World Family Map 2017), an der Forscher aus Europa, Amerika, Afrika und Asien teilnehmen – deutsche sind nicht dabei – , zeigt anhand von Daten aus diesen Kontinenten, dass der RĂŒckgang der Ehe deutlich Einfluss auf die StabilitĂ€t der Kinder, der jĂŒngeren Generation und damit auch auf die gesellschaftliche StabilitĂ€t ausĂŒbt. Umgekehrt lĂ€sst sich sagen: Ehe stabilisiert, wer sie schwĂ€cht, schwĂ€cht auch die Gesellschaft. Das ist nicht neu, in Deutschland allerdings kaum verbreitet. Die Blockaden des Relativismus funktionieren, besonders in der Medienwelt. Zu diesen Blockaden gehören auch Mythenbildungen. Manche Mythen sind zĂ€h, zum Beispiel, dass nichtverheiratete VĂ€ter genauso gut erziehen wie verheiratete. Oder dass signifikant immer mehr VĂ€ter Vollzeit zuhause blieben, oder dass die HĂ€lfte aller MĂŒtter die Aufgaben des Haushalts partnerschaftlich zu fifty-fifty mit den VĂ€tern teilen wollten. Oder auch der Mythos von der „guten Scheidung“, also der Trennung der Eltern ohne bedeutsame Folgen fĂŒr die Kinder.

In amerikanischen UniversitĂ€ten ist man solchen Mythen jetzt auf den Grund gegangen. Professor Bradford Wilcox von der UniversitĂ€t Virginia und dort Direktor des „Nationalprojekts Ehe“ (http://nationalmarriageproject.org) hat sie anhand von neuen wissenschaftlichen Befunden und Daten entzaubert. Zum „Hausmann“, der von sich aus und nicht aus wirtschaftlichen GrĂŒnden Vollzeit zuhause bleibt, die Erziehung ĂŒbernimmt und den Haushalt fĂŒhrt, ist zu sagen, dass er zu einer verschwindend kleinen Minderheit gehört. Der Rollentausch mag im Einzelfall glĂŒcken und aus verschiedenen GrĂŒnden notwendig sein, etwa weil die Mutter in ihrem Job einfach mehr Geld verdient. Das aber bleibt die Ausnahme. Die Regel dagegen besagt, dass, wie eine Studie des Pew Research Center fĂŒr die USA ergab, die VĂ€ter zwei Drittel des Familieneinkommens außer Haus erarbeiten. Das Einkommen insgesamt ist eine Frage der Familien-und Lebensform, neudeutsch der work-life-balance. Rund vierzig Prozent der deutschen Haushalte leben nach der Formel „er Vollzeit, sie Teilzeit“. Die Teilzeit bemisst sich in den meisten FĂ€llen nach dem Alter der Kinder. Das von der Politik, der Wirtschaft und den Medien propagierte Wunschmodell (beide Vollzeit) stagniert und liegt bei 17 Prozent. Der Spiegel schrieb schon vor drei Jahren in einer großen Titelgeschichte mit Bedauern: „Der Papa in Vollzeit, die Mama in Teilzeit oder ganz raus aus dem Beruf – das ist Standard in den meisten deutschen Familien, selbst wenn eine andere Aufteilung zum Beispiel finanzielle Vorteile bringen wĂŒrde. Diesen Befund zu deutschen Familien gibt es seit Jahren – und es Ă€ndert sich wenig. Der Anteil der Vollzeit arbeitenden MĂŒtter steigt nur langsam, der Vater in Teilzeit ist in deutschen Familien weiterhin ein Exot“.

Auch der Mythos von der gerechten Aufteilung der Hausarbeit, die sich die HĂ€lfte aller Frauen wĂŒnschten, hĂ€lt der WirklichkeitsprĂŒfung nicht stand. NatĂŒrlich wĂŒnschen sich die meisten MĂŒtter eine stĂ€rkere Beteiligung des Vaters an der Familienarbeit. Hier gibt es zweifellos Nachholbedarf. Aber mangels genauerer Definition und Messbarkeit ist es schwierig, gleiche oder „gerechte“ Anteile auszumachen. Das wissen die MĂŒtter und deshalb rechneten sie nicht vor, erklĂ€rt Professor Wilcox. In Deutschland ĂŒbernehmen nach einer Studie des Instituts Allensbach drei von vier VĂ€tern deutlich weniger als die HĂ€lfte der Familienarbeit. Interessant ist jedoch die Divergenz in der persönlichen EinschĂ€tzung. Demnach sagt einer von drei VĂ€tern, er ĂŒbernehme nur einen kleinen Teil, aber nur jede zweite Mutter (54 Prozent) ist dieser Meinung. Und wĂ€hrend wiederum jeder dritte Vater sagt, er liege knapp unter der HĂ€lfte, teilt nur jede fĂŒnfte Mutter diese EinschĂ€tzung. Das schließt nicht aus, dass man VĂ€ter, vor allem junge, zu mehr Teilnahme ermutigen kann. Vielleicht sogar sollte, besonders wenn es um die Erziehung geht. Denn die Bereitschaft ist da.

Eine Studie der Ohio State University ist dieser Frage genauer nachgegangen und hat festgestellt, dass die ElternqualitĂ€t der VĂ€ter von einjĂ€hrigen Babies, die von den MĂŒttern in den ersten Monaten wegen des Umgangs mit dem Baby hĂ€ufig kritisiert wurden, unter der ElternqualitĂ€t anderer VĂ€ter lag. Kritik schwĂ€cht, Lob stĂ€rkt. Die jungen MĂŒtter können die erzieherischen FĂ€higkeiten des Vaters durchaus beeinflussen. Frauen sollten deshalb zweimal nachdenken, bevor sie VĂ€ter fĂŒr nebensĂ€chliche Themen wie z.B. ihre Kleidungswahl fĂŒr das Baby an einem bestimmten Tag kritisierten, meint Lauren Altenburger, die Leiterin der Studie, es gehe „auch darum, dem Vater einen Spielraum zum Erziehen zu geben.“ Beide Eltern mĂŒssten die Kommunikation offen halten und darauf achten, nicht zu schnell zu kritisieren.

Der dritte Mythos – nichtverheiratete VĂ€ter erziehen genauso gut wie verheiratete – geht von einem individualistischen Menschenbild aus, das Beziehungen nicht um ihrer selbst willen und als personale Verbindung sieht, sondern als Instrument des Individuums. Es ist ein Unterschied, ob jemand in einem verlĂ€sslichen, auf unbegrenzte Dauer angelegten Bezugsrahmen lebt und handelt oder ob die Beziehung unter der unausgesprochenen Option der Trennung steht. Die Soziologen, die Daten zu der Studie beigetragen haben, gehen zunĂ€chst von dem Faktum aus, dass vierzig Prozent aller Kinder heute in Haushalten leben, in denen die Eltern nicht verheiratet sind. Sandra Hofferth von der UniversitĂ€t Maryland und Kermyt Anderson von der UniversitĂ€t Oklahoma konnten nun statistisch nachweisen, dass verheiratete Eltern in der Regel deutlich zĂ€rtlicher, emotionaler und teilnehmender mit den Kindern umgehen als nicht verheiratete. Die Weltfamilienkarte zeigt zudem, dass Kinder aus nichtehelichen Haushalten doppelt so wahrscheinlich die Trennung der Familie vor ihrem 12. Lebensjahr erleben als Kinder aus ehelichen Haushalten. Eine Studie der UniversitĂ€t Bowling Green State sowie der UniversitĂ€t von Michigan wies sogar nach, dass in den USA jedes zweite Kind von nicht verheirateten Eltern den Bruch der Familie vor seinem fĂŒnften Geburtstag erleidet. Dagegen erlebten nur 15 Prozent der Kinder von verheirateten Eltern diesen Schock. Die Soziologen Frank Frustenberg und Andrew Cherlin fĂŒhren das darauf zurĂŒck, dass verheiratete VĂ€ter Ehe und Vaterschaft als „eine einzige Sache, als ein Paket“ betrachteten.

In diesem Sinn ist auch der Mythos von der „guten Scheidung“, die den Kindern nichts ausmache, zu sehen. Sara McLanahan von der UniversitĂ€t Princeton konnte das in folgende Daten fassen: FĂŒr MĂ€dchen geschiedener Eltern ist die Wahrscheinlichkeit doppelt so groß, dass sie das Studium abbrechen, als Jugendliche schwanger werden und in Depressionen fallen. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich spĂ€ter selber scheiden lassen, ist ebenfalls signifikant höher, was in europĂ€ischen Studien ĂŒbrigens auch nachzulesen ist.

Das Datenmaterial, das die Wissenschaftler fĂŒr all diese Studien aus Amerika und der ganzen Welt zusammengetragen haben, ist enorm. Es mĂŒĂŸte die Politik nachdenklich machen. Aber dafĂŒr mĂŒssten die Politiker diese Ergebnisse erst einmal wahrnehmen wollen. Einfacher ist es wohl, an Mythen festzuhalten, zumal dann, wenn sie medial weiter transportiert werden.

Von JĂŒrgen Liminski

Institut fĂŒr Demographie, Allgemeinwohl und Familie (www.i-daf.org)

Aufsatz des Monats 6 / 2018

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 20. August 2018 um 10:25 und abgelegt unter Seelsorge / Lebenshilfe.