Das Land ist still
Samstag 10. Oktober 2015 von Pfr. Dr. Theo Lehmann
Gegen ein immer seichteres Christentum in Deutschland
Noch nie gab es – weltweit betrachtet – so viele christliche MĂ€rtyrer wie heute. Noch nie haben so viele Christen fĂŒr ihren Glauben mit ihrem Leben bezahlt. Noch nie gab es so eine weltweite, zunehmende Christenverfolgung. In dieser Hinsicht leben wir in Deutschland wie auf einer Insel der Seligen. Noch wird bei uns keiner, der sich als Christ bekennt, an die Wand gestellt. Noch praktizieren wir ungestört unsere christliche Aufkleberkultur. Noch ist der Fisch am Autoheck unser geheimes Erkennungszeichen und nicht der staatlich verordnete AufnĂ€her zur Kennzeichnung ausgegrenzter Christen wie seinerzeit der gelbe Davidsstern fĂŒr die Juden. Noch ist alles still.Die Situation kommt mir bekannt vor. Zur DDR-Zeit, als es unterirdisch ĂŒberall brodelte, sang Wolf Biermann ein Lied, in dem er den Ă€uĂeren Anblick der DDR beschrieb. Und dann, plötzlich, schrie er unter Aufbietung aller stimmlichen KrĂ€fte mit ohrenbetĂ€ubender, schriller LautstĂ€rke den Satz: âDas Land ist STILL!“
Ja Freunde, noch tanzen wir auf unseren christlichen House-Parties, wĂ€hrend der Leib von Christus in anderen LĂ€ndern aus tausend Wunden blutet. Noch verkaufen wir das Christentum unter dem billigen Slogan âChristsein ist cool“. Aber was machen wir, wenn eines Tages Christsein nicht mehr cool ist, sondern eine heiĂe Angelegenheit wird? Ich frage mich, wie lange wir uns dieses lĂ€ppische Jesus-GetĂ€ndel und dieses traumtĂ€nzerische Christentum noch leisten können, leisten wollen.
WĂ€hrend in anderen LĂ€ndern christliche Frauen versklavt und vergewaltigt werden, spreizen bei uns die MĂ€dels auf der BĂŒhne ihre Beine und prĂ€sentieren uns ihren gepiercten Bauchnabel, alles âfĂŒr den Herrn“, ich weiĂ schon. Ich weiĂ aber auch, was die Herren in den ersten Reihen von diesem Anblick halten. WĂ€hrend woanders Christen unter der Folter schreien, leiern wir im Dreivierteltakt bis zum Umfallen (im wahrsten Sinne des Wortes) diese nichts sagenden Chorusse, in denen wir uns, sicher im Gemeindesaal sitzend, auffordern, auf den StraĂen zu tanzen.
Wer kann von dieser seichten Kost leben, wenn er nicht mehr im Gemeindesaal, sondern in einer gemeinen GefĂ€ngniszelle sitzt? Wenn nicht mehr fröhlich getanzt, sondern fies gefoltert wird? Wie sollen die jungen Christen, die wir mit coolen Kurzpredigten unterfordern und unterernĂ€hren, sich einmal bewĂ€hren, wenn es hart auf hart kommt? Oder denken wir etwa, die weltweite Christenverfolgungswelle wird ausgerechnet um das liebe âold Germany“, die Insel der Seligen, einen Bogen machen? Wir haben wohl vergessen, was Paulus (aus dem GefĂ€ngnis!) geschrieben hat: âAlle, die gottesfĂŒrchtig leben wollen in Jesus Christus, mĂŒssen Verfolgung leiden“ (2. Timotheus 3,12).
Ich genieĂe es voll Dankbarkeit, dass ich nach den DDR-Jahren in einem freien, demokratischen Land leben darf, in dem ich wegen meines Glaubens an Jesus weder diskriminiert noch verfolgt werde. Aber ich sehe das als eine Atempause an, die Gott uns gönnt, zum Luftholen. Denn dass das alles immer so friedlich bleiben wird, wird mir angesichts der Entwicklung in der Welt immer unwahrscheinlicher. Wir sollten die Atempause benutzen, um uns auf die Zeiten vorzubereiten, in denen Christsein nicht mehr âgeil“, sondern gefĂ€hrlich ist. Was wir brauchen, sind bibelfeste, feuerfeste, KZ-fĂ€hige Christen.
Geschrieben im September 2004
Quelle: www.sermon-online.de
Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 10. Oktober 2015 um 13:10 und abgelegt unter Allgemein.