Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Haargenau – als Mann und Frau

Donnerstag 14. Juni 2007 von Dr. Dominik Klenk


Dr. Dominik Klenk

Haargenau – als Mann und Frau
Wie die „Gender-Perspektive“ versucht, die Geschlechterpolarität umzubürsten

Es war einer dieser wunderbaren Spät­sommertage. In aller Frühe machten wir uns auf, erkundeten mit zwei Vätern und zwei Söhnen die Natur des wilden und schönen Odenwaldes. Die Jungs wollten ein Abenteuer erleben: Acht Stunden im Wald, rund 20 Kilometer Wegs über Stock und Stein, Felsenmeer und Baumbrücken, trotz Proviantreserven fast nur vom Wald ernährt, mit glücklichen Brombeer- und Steinpilz-Funden. Nach sechs Stunden Fußmarsch, beim letzten Aufstieg, versuchte ich die Jungs noch mal zu motivieren: „Jetzt stürmen wir oben die Burg!“ Mit ersten Anzeichen von Erschöpfung aber konterte Salomon (8): „Papa, wir nix mehr stürmen Burg, wir nur noch stürmen Prinzessin.“ Ich war platt – und dachte später: Trotz auffallender Sprachdynamik des Knaben – die Grobausrichtung seines Eroberungswillens scheint durchaus einem vernünftigen Ziel entgegenzulaufen …

Verwirrte Wirklichkeit

Aber der abenteuerliche Moment für uns Große kam erst eineinhalb Stunden später. Nach Würstchen- und Steinpilzschnitzel-Grillen waren wir gerade im Aufbruch, ein wenig Glut war noch übrig, als sich zwei Frauen näherten, die sich als Pärchen gleichen Geschlechts entpuppten. Wir äußerten noch Bedenken, ob die abnehmende Glut ihre üppigen Steaks durchbraten würde, als eine der Frauen beiläufig auf die Freundin zeigte und meinte: „Ach, ER isst sein Fleisch sowieso am liebsten medium.“ Ups! Kaum zuhause, wollte ich meiner Frau die Geschichte erzählen, als sie mir zuvorkam. „Gleich neben uns am See lässt sich ein Män­nerpärchen nieder. Während einer der beiden beim Schwimmen ist, klingelt das Handy. Der andere nimmt ab … Nein, sie kämen etwas später zum Kaffee, SIE sei nämlich noch im Wasser …

Eine seltsame Doppelung. Zufall? Diese ir­ritierenden Erfahrungen weisen auf ein grö­ßeres Szenario, eine neue Realität hin. Was hier auf alltäglicher Ebene stattfand, hat einen Hintergrund mit weit reichenden Folgen. Wir könnten es eine Verwirrung der Geschlechter nennen, einen schleichenden Realitätsverlust, einen Angriff auf die Schöpfungsordnung Gottes, oder einfach die gesellschaftlichen Folgen der so genannten „Gender-Perspektive“.

Parlamente verpflichten sich dem „Gender-Mainstreaming“

Um der Lebensgrundlage unserer Kinder willen, lohnt es sich, die Hintergründe und die Denkfigur einer Ideologie kennen zu lernen, die inzwischen kirchlich, gesellschaftlich und politisch tief in unsere Kultur eingedrungen ist, die die Verwischung der Geschlechter­grenzen und letztlich deren Auflösung zum Ziel hat: des Gender-Mainstreaming. Dessen politischen Forderungen liegt die Behauptung zugrunde, dass Geschlechterrollen nur erlernt seien. Weiblichkeit und Männlichkeit seien keine unveränderlichen biologischen Grundanlagen, sondern nur Folge psychischer und kultureller Aneignung: „Man kommt nicht als Frau auf die Welt, man wird dazu ge­macht.“

Absurd, mag man sagen. Aber es lohnt sich, aufmerksam zur Kenntnis zu nehmen, dass sowohl die Europäische Union als auch das Parlament der Bundesrepublik Deutsch­and sich in den vergangenen Monaten dem Gender-Mainstreaming verpflichtet haben und diese Sicht in allen politischen Prozessen berücksichtigen wollen. So sickert dieses Denken lautlos, aber wirksam vom Parlament bis in die Kindergärten.

Lange Zeit unterschied man in der Ge­schlechterdeutung zwischen natürlichem bio­logischem Geschlecht (sex) und der kulturell angeeigneten Geschlechterrolle (gender). Die Vertreter der Gender-Perspektive gehen nun soweit, das biologische Geschlecht für nachrangig zu erklären. Das sei eine soziale Fiktion – als wäre Gottes Schöpfungsgabe eine Zeitungsente! Stattdessen sei heute alleine gender ausschlaggebend: die Art und Weise, wie jeder einzelne sich selbst und seine Beziehung zu anderen Subjekten psychisch konstruiere. Ge­schlecht findet nur noch im Kopf statt.

Vielleicht wird in dieser Bewegung nur radikal zu Ende gedacht, was der Zeitgeist längst in sich trägt: Wenn die freie, individuelle und subjektive Wahl höchstes Gut ist, wer will dann das Recht eines anderen einschränken, sich selbst und die eigene Geschlechtlichkeit täglich neu zu erfinden?

Auch aus geistlicher Perspektive scheint die Richtung dieser Bewegung nur stringent: Im 20. Jahrhundert haben die Gott-ist-tot-­Kräfte das autonome Individuum erfolgreich zum Zentrum des Denkens gemacht. Das einzige, was in dieser Welt noch offensichtlich auf Gott hinweist, ist sein Ebenbild – verkörpert in der Polarität von Mann und Frau. Diese Ebenbildlichkeit jetzt durch die Auflösung der Zweigeschlechtlichkeit abzuschaffen, scheint nur der nächste folgerichtige Schritt.

Mann-Frau-Spannungsverhältnis

Ihre Wurzeln haben die Gender-Theorien im Kampf für die Rechte der Frau. Hier war tat­sächlich Nachholbedarf! Und selbstverständlich ist mit dem Herstellen von weitgehender Rechtsgleichheit noch lange keine befriedi­gende soziale Gleichheit verwirklicht. Aber angenommen, es wäre eines Tages soweit: Sicher bliebe ein Spannungsverhältnis im Miteinander von Männern und Frauen bestehen – in Ehe und Familie, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft – eben weil sie wesenhaft un­terschiedlich sind. Aus diesem geschöpflichen Spannungsverhältnis ist nicht einfach auszusteigen. Im Gegenteil, es ist eine Bedingung für Lebendigkeit und immer wieder neu auszuloten. Das kostet auch seelische Kraft und braucht einen Generationen umspannenden Horizont. Diesen Horizont und die Hoff­nung, das Mann-Frau-Spannungsverhältnis konstruktiv gestalten zu können, haben die ideologischen Architekten der Gender-Per­spektive verloren. Ihr Weg: Um diesem Span­nungsverhältnis zu entgehen, löst man es eben auf. Der Machtkampf zwischen den Ge­schlechtern und die offensichtliche Vorherr­schaft der Männer soll damit beendet werden. Die politische Forderung nach Gender­Mainstreaming bereitet den Weg, um die Ge­schlechtergrenzen gesellschaftlich aufzuwei­chen und schlussendlich aufzulösen.

Wer allerdings genauer hinsieht, erkennt in der Gender-Perspektive weniger einen be­herzten Kampf für die Rechte der Frau als vielmehr eine tiefe Ablehnung des Weiblichen und alles Mütterlich-Empfangenden. Hier darf nicht gebären, wer stark und unabhängig sein will – „Mutter“ wird zum Unwort.

Was sich hier noch etwas theoretisch an­hört, findet bereits seinen Weg in die gesell­schaftlichen Institutionen. So werden bei­spielsweise im US-Bundesstaat Oklahoma in ersten Grundschulen gemeinsame Toiletten für Jungen und Mädchen eingeführt. An der Universität Hamburg gab es seit 1999 Ring­vorlesungen zu „queer-studies“. Ihr erklärtes Ziel: „eine Destabilisierung der Zwei-Ge­schlechter-Ordnung“. In Berlin und Brüssel fordern Vertreter der Gender-Perspektive die Parlamentarier mit Nachdruck auf, die bisher erforderlichen Voraussetzungen für eine Änderung des juristischen Geschlechts entfallen zu lassen. Und das Antidiskriminierungsgesetz (inzwischen „Gleichstellungsgesetz“) in Deutschland ist ein Schritt, der andere „Iden­titäten“ (homosexuelle, transsexuelle etc.) rechtlich anerkennt und ihnen Rechte einräumt. Dadurch wird das polare Geschlechterspektrum aufgeweicht und beliebig erweitert.

Landkarten im Kopf

Was ist zu tun, damit diese schleichende Re­volution die „Landkarten in unseren Köpfen“ nicht einfach umschreiben kann? Es gilt, das Verwirrspiel der Gender-Aktivisten zu durch­schauen. Wo wir der Forderung des Gender­Mainstreaming begegnen – in Schulen, Kir­chen, im gesellschaftlichen oder politischen Kontext – gilt es wach zu sein, nachzufragen und ggf. eine klare Position zu beziehen. Es kann vernünftig und angemessen sein, den politischen Vertretern unserer Wahlkreise ein deutliches Signal zu einem wachsamen Um­gang zu geben.

Der nächste, oft schwerste, Schritt: eine Alltagskultur der gegenseitigen Achtsamkeit entwickeln. Sich als Männer und Frauen er­gänzen und korrigieren lassen, vergeben, vertrauen und lieben, die Stimme des anderen hören und ernst nehmen. Wir sind eingeladen, die Liebe Gottes immer neu im eigenen Leben durchscheinen zu lassen und die gemeinsame Freude an den wechselseitigen Gaben und der Unvollkommenheit der Geschlechter humorvoll zu gestalten. So arbeiten wir konkret am Friedensschluss zwischen den Geschlechtern mit und machen unserem Schöpfer Ehre.

Dieser Artikel ist eine gekürzte und bearbeitete Version aus: „Salzkorn 5/06 Anstiftung zum gemeinsamen Christenleben“, Rundbrief der OJC. Mit freundlicher Genehmigung. Weite­re Exemplare können kostenfrei per eMail bestellt werden: versand@ojc.de. Interessierte können hier demnächst auch ein umfassendes Bulletin zum Thema anfordern.

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 14. Juni 2007 um 16:30 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik, Sexualethik.