Alle Jahre wieder?
Donnerstag 26. Dezember 2013 von Pfr. Dr. Theo Lehmann

Ich habe es satt, alle Jahre wieder zu Weihnachten so zu tun, als ob Jesus noch das kleine Wickelkind wäre. Ich fand es schon immer ekelhaft, wenn jemand die Jugendzeit eines berühmten Mannes beschreibt, sagen wir mal des Herrn Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, und so ganz treuherzig sagt: «Als der kleine Wolfgang noch in die Schule ging …» Was heisst hier «der kleine Wolfgang»? Diese Kumpelhaftigkeit finde ich echt blöde. Und genauso geht es mir auf die Ketten, wenn zu Weihnachten vom «Jesulein» die Rede ist. Der ist doch kein Säugling mehr, der im Ställchen, im Kuhställchen bei Ochs und Eselein in einem Krippelein liegt. Nein, er liegt nicht mehr in der Krippe. Er hängt nicht mehr am Kreuz. Er liegt nicht mehr im Grab. Sondern er ist auferstanden. Er steht vor dir und stellt dich vor die Entscheidung, ob du ihn als den Herrn deines Lebens annehmen willst. Ich habe es satt, alle Jahre wieder so zu tun, als ob dieser Mann und diese Geburtstagsfeier eine harmlose Angelegenheit wäre.
In einem alten Weihnachtslied heisst es:
«Und wer dies Kind, mit Freuden umfangen, küssen will, muss vorher mit ihm leiden gross Pein und Marter viel.»
Ich fürchte, das haben viele ganz vergessen. Die grosse Party, die wollen alle. Aber die grosse Pein? Vielen ist es ja schon peinlich, wenn rauskommt, dass sie überhaupt etwas mit Kirchen zu tun haben und sie am Heiligabend in eine Kirche gehen. Du kannst doch nicht zur Geburtstagsparty von Jesus gehn und sonst so tun, als hättest du mit ihm nichts zu tun. Du kannst doch nicht den holden Knaben mit dem lockigen Haar anerkennen und den geschmähten Mann mit der Dornenkrone ablehnen. Du kannst Jesus nicht zerteilen. Es gibt doch nicht zwei Jesusse – einen niedlichen und einen blutigen. Das ist doch jedes Mal derselbe. Und jedes Mal, wenn von ihm die Rede ist, an seinem Geburtstag oder an seinem Sterbetag, stehst du vor derselben Frage: Willst du ihn als Herrn annehmen? Es geht immer um eine Entscheidung. Eine Entscheidung für Jesus hat immer Konsequenzen. Und die sind nicht immer harmlos. Zum Beispiel kann es dir passieren, dass du dich in unserer Gesellschaft unmöglich machst, wenn du im Namen von Jesus für die Schwächsten, also für die ungeborenen Kinder, eintrittst und mit Dietrich Bonhoeffer sagst: «Abtreibung ist Mord.» Da wirst du sehen, dass in unserer angeblich toleranten Gesellschaft Schluss ist mit lustig. Weihnachten ist nicht nur ein Anlass, um Räucherkerzen zu verbrennen. Es ist auch ein Anlass, sich den Mund zu verbrennen.
Ich habe es satt, alle Jahre wieder so zu tun, als ob alles in Butter wäre, als ob der Geburtstag von Jesus bloss noch dazu da wäre, dass wir unsere Butterstollen mampfen. Natürlich, zu Weihnachten futtern wir was Besseres als Bratkartoffeln mit Sülze. Da trinken wir was Besseres als ’ne Cola mit Schuss. Na, das möchte sein! Wir haben wahrhaftig allen Grund zum Feiern!
Denn dass Jesus in unsere Welt gekommen ist, ist das erfreulichste Ereignis der Weltgeschichte. Wir dürfen nur nicht vergessen, warum er gekommen ist: um die Welt zu retten. Und die war noch nie so kaputt wie heute, im Zeitalter von Fortschritt und Menschenrechten. 1948 haben die Vereinten Nationen die «Allgemeine Erklärung der Menschenrechte» beschlossen. Aber bis zum heutigen Tag gibt es rücksichtslose Tyrannen, die um ihrer machtpolitischen Ziele willen die Rechte der Menschen mit Füssen treten wie der Kaiser Augustus. Bis zum heutigen Tag werden Millionen als Flüchtlinge hin- und hergeschubst, obdachlos und unerwünscht wie Maria und Josef. Bis zum heutigen Tag werden Millionen wegen ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens, ihrer sozialen Stellung verachtet wie die Hirten von Bethlehem. Bis zum heutigen Tag wird in vielen Mitgliedstaaten der UNO die Folter angewendet, und Gott allein weiss, wie viele in Straflagern und Gefängnissen sitzen, weil sie vom Menschenrecht der freien Meinungsäusserung Gebrauch gemacht haben. Und unter denen, die Weihnachten hinter Gittern verbringen, sind vor allem viele Christen. Die wollen wir mal nicht vergessen.
Pfr. Dr. Theo Lehmann
Quelle: Ethos, 12/2013 (30. Jahrgang)
Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 26. Dezember 2013 um 12:34 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gemeinde, Kirche.