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„Unglaublich ist der Umgang mit biblischen Befunden“

Donnerstag 8. August 2013 von idea e.V.


idea e.V.

Stellungnahme von Prof. Axel von Campenhausen zur Familienschrift der EKD

CampenhausenDie Orientierungshilfe „Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familie als verlässliche Gemeinschaft stärken“ enthält Richtiges und Lehrreiches. Deshalb kann der Interessierte sie trotz ihrer abschreckenden Länge von 160 Seiten lesen. Nützlich sind insbesondere Passagen, die aktuelle Trends im Familienleben und Partnerschaften beschreiben: die spätere Familiengründung, der Rückgang der Eheschließungen, die Vervielfältigungen der Formen des Lebens und ihre Anerkennung als Familie (S. 20ff). Nützlich ist auch die Skizzierung der Veränderung der Rechtslage von Ehe und Familie weg von der Ausgangslage der bürgerlichen Ehe und Familie (S. 31ff). Schon der erste Satz verrät allerdings den ideologischen Zug der ganzen Schrift und ihrer Deutung der Welt: „Eine breite Vielfalt von Familien ist, historisch betrachtet, der Normalfall“ (S. 11, 13, 26f, 31, 54, 56, 58). So sehen die Verfasser jedenfalls die Welt und verraten, dass es eine Normalität, sowie richtig und falsch, für sie nicht gäbe. Eine kirchliche Orientierungsschrift sollte damit einsetzen, was ihr Ausgangspunkt ist. Was lässt Gott in der Heiligen Schrift, in den Zehn Geboten die Menschen wissen. Was bewahrt die Kirche in Bibel, Bekenntnis und im kirchlichen Leben als Orientierungsnorm? Für unseren Zusammenhang ist das die Erschaffung des Menschen als Mann und Frau, ihre Bestimmung füreinander und ihr Auftrag sich zu mehren. Unabhängig davon, wie die Ehe im bürgerlichen oder einem anderen Zeitalter (mit womöglich heute unvorstellbaren ständischen Unterschieden) im Einzelnen ausgestaltet war, bleibt unverrückbar, dass Mann und Frau zusammengehören und zusammen ihrer Bestimmung nachkommen sollen.

Keine Bibelstelle bewertet Homosexualität positiv

Keine Regel ist bekanntlich ohne Ausnahme – was sie als Regel aber deshalb nicht aufhebt: Manche Ehepaare bekommen keine Kinder, manche unverheiratete Frau aber wohl. Hurerei, Ehebruch, Prostitution, Blutschande, Homosexualität – alles das gab es immer. Freilich wurden sie früher bisweilen grausam verfolgt, und die moderne Propaganda dafür war unbekannt. In der Bibel kommt das auch alles vor. Allerdings wird es nicht mit überhöhter Idealisierung von „Liebe, Verlässlichkeit und Treue in Partnerschaft und Familie“ als Normalität hingestellt: „Durch das biblische Zeugnis hindurch klingt als ‚Grundton‘ vor allem der Ruf nach einem verlässlichen, liebevollen und verantwortungsvollen Miteinander, nach der Treue, die der Treue Gottes entspricht. Liest man die Bibel von dieser Grundüberzeugung her, dann sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften – auch aus theologischer Sicht – als gleichberechtigt anzuerkennen“ (S. 66). Wirklich? Auch die so zitierfreudige Denkschrift kennt keine Bibelstelle, in der Homosexualität positiv bewertet würde. Die so klaren Zehn Gebote lassen keinen Zweifel offen, was unsere Normalität sein soll. Gewiss ist es schwierig, die Grenzen zwischen Laissez faire und sturer Gesetzlichkeit, zu finden. Immerhin ist das mit der Orientierungshilfe des Rates der EKD zum Thema Homosexualität und Kirche „Mit Spannung leben“ (1996) noch gelungen. Jetzt scheint die Mauer eingestürzt zu sein.

Ohne Orientierung

Gewiss, es kommt vieles in der Welt vor. Der berühmte Kinsey-Report über das sexuelle Verhalten von Mann und Frau (1948, 1953) nannte „normal“, was die Masse der Menschen praktizierte. Ähnlich folgern die Verfasser der Denkschrift aus dem Vorkommen bestimmter Verhaltensweisen deren gleichberechtigte Wünschbarkeit und Normalität. Sie sind – ganz im Gegensatz zur Bibel – insofern ganz ohne Orientierung, sozusagen ohne „Landkarte in Kopf“.

Die Urgemeinde war anders

Das heute vielleicht buntere Bild des Zusammenlebens der Menschen nötigt keineswegs zu sittlicher Billigung. Man erinnere sich an die Anfänge der Kirche. Die kleine christliche Gemeinde lebte in einer Unterwelt, die der unsrigen ähnlich war. Daraus hat sie nicht den Schluss gezogen, heute „liberal“ erscheinende Lebewesen in der Gemeinde hinzunehmen. Vielmehr unterschied die christliche Gemeinde sich nicht zuletzt durch eine strengere Auffassung von Ehe und Sexualverhalten von ihrer Umwelt. Das wünschte man auch heute, denn Gottes Gebote gelten immer noch.

Keine Nötigung, alternative Lebensformen zu billigen

Nützlich ist der Überblick über verfassungsrechtliche Vorgaben und die gesetzgeberischen Bemühungen, die neu entstandenen Probleme in den Griff zu bekommen. Die vielen Gesetze werden nicht erlassen, weil die informellen oder alternativen Formen der Zusammenrudelung ideal wären, sondern deshalb, weil hier Gefahren schlummern und neue Probleme entstehen, die den Gesetzgeber auf den Plan rufen. Seit dem noch aus der Antike stammenden, römischen Recht, sucht das Eherecht nach dem bestmöglichen Schutz der Schwächeren in Ehe und Familie. Diese Schutzmechanismen müssen nun für die neuen Formen des Zusammenlebens neu erfunden werden. Eine Nötigung zur sittlichen Billigung und zur Nachahmung ist damit aber nicht verbunden. Weder der Einzelne (womöglich christliche) Staatsbürger, noch die Kirchen als Institutionen sind gehalten, unter dem Eindruck neuer sozialer und rechtlicher Verhältnisse von dem abzurücken, was nach Gottes Gebot, der Bibel und den Bekenntnissen sittlichen Regel, Normalität, Gebot ist.

Gottes Gebote nicht beachtet

Der in Medien verbreitete Vorwurf, die Orientierungsschrift hebe die Ehe als Normalfall auf, trifft nicht zu. Aber es ist ärgerlich an ihr, dass die Ehe in ihrer zentralen Rolle nicht ernstgenommen wird. Geradezu unglaublich ist der Umgang mit biblischen Befunden. Hier wird kein Unterschied gemacht zwischen Erscheinungen, die im Zusammenleben der Menschen vorkommen, und solchen, die Billigung und Nachahmung verdienen. Die Herausstellung homosexueller Orientierung als gleichberechtigte Lebensweise ist allgegenwärtig. Dementsprechend werden Aussagen der Bibel zur Ehe eines Mannes mit einer Frau und die Missbilligung der Homosexualität nicht ernsthaft berücksichtigt. An keiner Stelle der Bibel wird Homosexualität positiv bewertet. Mit Selbstverständlichkeit geht die Schrift davon aus, dass die kirchlichen Bestimmungen zur Ehe dem vermuteten oder wirklichen gesellschaftlichen Wandel angepasst werden müssten, dabei spielen Gottes Gebot, die Zehn Gebote, die Schriften des Neuen Testaments offenbar keine Rolle. Sie werden überhaupt nicht beachtet, nicht einmal als überholt abgelehnt.

Die Kirche muss dem Staat nicht in allem folgen

Der Jurist ist erstaunt, dass die Denkschrift den Eindruck erweckt, als müsse die Kirche mit ihrer Ordnung von Ehe und Familie der Veränderung des Sozialverhaltens und der staatlichen Gesetzgebung angepasst werden. Das trifft nicht zu, (Art. 4, 140 GG i.V.m Art.137 Abs.1 und 3 WRV). Unzureichend scheint das Bewusstsein von der Trennung von Staat und Kirche zu sein. Wenn das staatliche Recht auf soziale Veränderungen und ideologische Forderungen reagiert und ohne große Widerstände darauf eingeht, bedeutet dies nicht, dass die Kirche dem einfach folgen müsse. Es gibt in Deutschland glücklicherweise keine nennenswerte politische Kraft, die die frühere Diskriminierung und Pönalisierung (Unter-Strafe-Stellen) der Homosexuellen heute richtig fände. Daraus folgt aber doch nicht, dass die Kirche aufhören müsste, die Ehe als dem Menschen bestimmte Ordnung und als Normalität zu behaupten und jedermann zu empfehlen. Hilfe für Geschiedene, Alleinerziehende, Homosexuelle bleibt eine kirchliche Aufgabe. Die Kirche muss deshalb aber doch nicht aufhören, die Ehe von Mann und Frau als Bewährte kirchliche Ordnung und als Norm zu verteidigen. Niemand kann sie zwingen, andere Wege für ebenso richtig zu erklären – nur weil diese als Brennpunkte sozialer Not besondere Aufmerksamkeit finden.

Bei Bibel und Bekenntnis bleiben

Hier huldigt die Orientierungshilfe einem merkwürdigen Positivismus: Was in der Welt vorkommt, erhält in gleicher Weise den kirchlichen Segen. Richtig oder falsch, der biblischen Weisung mehr oder weniger entsprechend – das gibt es hier nicht. Und das widerspricht Bibel und Bekenntnis. Man kann sehr wohl aufgeklärt und modern sein, die Welt und die sozialen Realitäten mit offenen Augen sehen und dennoch bei dem bleiben wollen, was die Bibel und Bekenntnis als christliche Werte und Ziele benennen und was man in seiner christlichen Sozialisation seit Kinderzeiten gelernt und bewährt befunden hat. Zu dieser Art des Mündigwerdens gibt die Denkschrift keine Hilfe.

Es fehlt an Widerstandskraft

Zusammenfassend stelle ich fest: Die viel zu umfangreich geratene Denkschrift enthält durchaus auch Richtiges und Lehrreiches. Insbesondere sind die referierenden Passagen zum sozialen Wandel in Familie und Gesellschaft und die Skizzierung der rechtlichen Rahmen hilfreich und lesenswert. Schmerzlich ist der Verzicht auf ernsthafte biblische und theologische Erörterung. Hier fehlt es in der Kommission spürbar an Kompetenz und dem Rat an Widerstandskraft. Schmerzlich ist das Fehlen jeden erkennbaren Willens, das kirchliche Herkommen in seiner Berechtigung auch unter vielleicht etwas veränderten Bedingungen irgendwie gelten zu lassen.

Prof. Axel von Campenhausen (Hannover), war Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD und EKD-Synodaler.

Quelle: www.idea.de/campenhausen
8. August 2013

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 8. August 2013 um 16:07 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gemeinde, Gesellschaft / Politik, Kirche.