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Geben ist seliger als nehmen

Donnerstag 23. Juli 2009 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Geben ist seliger als nehmen. Eine kurze Besinnung über die Freigiebigkeit

Das Jesuswort „Geben ist seliger als nehmen“ kennen wir nicht aus den Evangelien, sondern von Paulus. Er zitiert es bei seinem Abschied von den Ältesten der Gemeinde in Ephesus zum Abschluß seiner dritten Missionsreise. Er betont in diesem Zusammenhang, er habe „von niemandem Silber oder Gold oder Kleidung begehrt“, und daß er damit allen gezeigt habe, „daß man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muß“ (Ag. 20,33-35). Damit dokumentiert der Apostel eindrucksvoll seinen Lebensstil des Gebens. Er stellt den Gemeinden sich und seinen Dienst völlig kostenfrei zur Verfügung. Wie kommt er zu einer solchen Haltung? Wenn man sein großes persönliches Bekenntnis im 1. Brief an die Korinther liest (besonders 1. Kor. 9,16), stößt man auf den Grund. Paulus ist von der Tatsache, daß der auferstandene Christus ausgerechnet ihn, den Christenverfolger, mit der Weltmission beauftragt hat, so tief beeindruckt, daß er gar nicht anders kann als fortan sein ganzes Leben für diesen Herrn einzusetzen. Wörtlich sagt er: „Mir ist eine Notwendigkeit auferlegt“. Wir sind bei diesem Bekenntnis am Kern der christlichen Gebefreudigkeit. Wer Gottes Barmherzigkeit persönlich erlebt hat, wer das Wunder verstanden hat, daß Gott sündhafte, egoistische Menschen liebt und ruft, der wird ein dankbarer Mensch, der nun auch für seinen Herrn leben und etwas tun will. Unsere Freigiebigkeit ist immer eine Funktion unserer Dankbarkeit vor Gott.

Eine der großen Gefahren der Gemeinde Jesu heute ist die Weltanpassung. Eines der letzten Bücher des genialen christlichen Kulturphilosophen Francis Schaeffer ist diesem Phänomen gewidmet. Vielen Christen ist gar nicht mehr bewußt, daß sie gegenüber der Welt, in der sie leben, zu einem völlig alternativen Lebensstil berufen und bevollmächtigt sind. Christus hat sie befreit von allem eigensüchtigen Wesen. Sie haben die wunderbare Freiheit, ihr Leben nun für Gott und für den Nächsten zu leben. Martin Luther hat diese Freiheit in seiner Reformationsschrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ unübertroffen ausgedrückt: „Ein Christ lebt nicht mehr in sich, sondern in Christus und im Nächsten“. Man könnte es auch so sagen: Wir sind als Christen berufen zu einem Leben im Kreuzeszeichen. Der Glaube zieht uns nach oben, hin zu einem Leben in der Hingabe an Gott. Und die Liebe zieht uns zum Nächsten. Wir beginnen, uns für ihn zu interessieren und gewinnen Kraft und Phantasie, ihm beizustehen und ihm das Beste zu geben. Nur auf dem Boden dieser doppelten geistlichen Wirklichkeit kann man sinnvoll über Freigiebigkeit nachdenken.

In seiner bekannten ausführlichen Kollektenempfehlung, die er der Gemeinde in Korinth gibt, gibt Paulus eine anschauliche Schilderung der christlichen Freigiebigkeit. Sie ist in der Dankbarkeit motiviert und in ihrer Art fröhlich. Sehen wir uns einmal diese beiden Wesenszüge näher an. Der Apostel setzt in seinen Ausführungen nicht bei der Not der Jerusalemer Christen ein, die durch massive Einschüchterung und politisch-wirtschaftliche Benachteiligung in finanzielle Schwierigkeiten gekommen waren. Er will kein bloßes Mitleid erregen. Vielmehr ruft er den Korinthern den geistlichen Reichtum in Erinnerung, den er ihnen im Auftrag Christi gebracht hat. „Ihr seid in jeder Hinsicht reich geworden, im Glauben, im Wort, in der Erkenntnis, in allem Eifer und in der Liebe“, und dann fügt er hinzu „so gebt nun auch reichlich bei dieser Wohltätigkeitsaktion“ (2. Kor. 8,7). Mit dieser Argumentation bleibt er seinem eigenen Grundsatz treu, daß nämlich dem ermahnenden Imperativ immer der Indikativ der Barmherzigkeit Gottes zuvorkommen muß. Seine ganzen Briefe sind nach diesem Doppel-Prinzip aufgebaut. Im ersten Teil schildert er die Heilstatsachen, die Gott geschaffen hat, und im zweiten Teil fügt er die Ermahnungen an die Gemeinde an, nun auch aus Dankbarkeit danach zu leben. Typisch ist der Anfang des ermahnenden Teils im Römerbrief, wo er sich zunächst auf die Barmherzigkeitstaten Gottes bezieht und beruft, die er im ersten Teil ausgeführt hat, und dann zur Ermahnung übergeht (Röm. 12,1).

Damit bin ich beim zweiten Aspekt der Freigiebigkeit, den wir bei Paulus lernen können, der Fröhlichkeit. Es fällt in seiner Begründung der Kollekte auf, daß er unter allen Umständen Druck und Zwang vermeiden will. „Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten; und wer da sät im Segen, wird auch ernten im Segen. Ein jeder soll geben, wie er sich’s im Herzen vorgenommen hat, nicht mit Unwillen oder aus Zwang; denn einen fröhlichen Geber hat Gott lieb“ (2. Kor. 9,6f.). Auch Nichtchristen können geben, sie können sogar viel geben. Die Armensteuer im Islam ist ein eindrückliches Beispiel. Die Motivationen nichtchristlichen Gebens können sehr unterschiedlich sein: Man möchte Anerkennung und Ehre gewinnen. Man fühlt sich für eine empfangene Wohltat eines anderen zum Dank verpflichtet. Man möchte aus Mitleid helfen. Oder man weiß sich – wie im Islam – einem religiösen Gesetz verpflichtet. Es gibt allerdings auch ein pervertiertes christliches Geben: man möchte dann in besonderer Weise Gott gefallen und Eindruck auf ihn machen. Die echte christliche Freigiebigkeit ist frei von diesen egoistischen Nebenmotiven. Sie vermag den inneren „Unwillen“ zu überwinden, und sie braucht auch keinen äußerem „Druck“. Sie schöpft ihre Motivation allein aus der Dankbarkeit vor Gott und aus der Liebe zum Nächsten. Deswegen kann ein Christ fröhlich geben. Was Gott ihm täglich unverdient und reichlich an irdischen und geistlichen Gütern gibt, macht ihn froh. Und die Freude, die er mit seiner Gabe auslöst, erfüllt ihn ebenso mit Freude. Etwas zugespitzt kann man sagen: In der Welt hört beim Geld der Spaß auf. Im Reich Gottes beginnt er dort.

Dankbares und fröhliches Geben setzt allerdings eine Grundentscheidung voraus, zu der Paulus im 1. Korintherbrief ermahnt. „Fortan sollen die, die verheiratet sind, sein, als wären sie es nicht; und die weinen, als weinten sie nicht; und die sich freuen, als freuten sie sich nicht; und die kaufen, als behielten sie es nicht; und die diese Welt gebrauchen, als brauchten sie sie nicht. Denn das Wesen dieser Welt vergeht“ (1. Kor. 7,29-31). Man könnte diese Grundentscheidung die Entscheidung zum heiligen Abstand von der Welt nennen. Christen wissen, daß ihr Leben in dieser Welt nur ein Übergang ist. Sie sind dankbar für die Gaben dieser Welt, die ihnen die Gestaltung ihres äußeren Lebens gewährleisten. Aber sie wissen, daß sie ihnen für das innere Leben nichts nutzen und daß sie dafür himmlische Gaben brauchen. Sie sind dankbar für die Heimat, die diese Welt ihnen bietet, aber sie wissen, daß ihre „Staatsbürgerschaft“ im Himmel ist (Phil. 3,20). Die Grundentscheidung, in der Welt nicht die eigentliche Heimat zu sehen, verschafft Freiheit im Umgang mit den materiellen Gütern. Im Buch der Sprüche drückt ein Gebet diese Freiheit folgendermaßen aus: „Armut und Reichtum gib mir nicht, laß mich aber mein Teil Speise dahinnehmen, das du mir beschieden hast“ (Spr. 30,8). Paulus drückt es so aus: „Mir ist alles und jedes vertraut: beides, satt sein und hungern, beides, Überfluß haben und Mangel leiden; ich vermag alles durch den, der mir die Kraft gibt“ (Phil. 4,12f.).

Kann man geben lernen? Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, in der Gegend von Neuwied einige neugebaute mennonitische Bethäuser zu besichtigen. Ich staunte über die sowohl schlichte als auch feierliche Ausstattung, und besonders bei einem Bethaus über die Ausmaße und die zahlreichen Räume für die Kinder- und Jugendarbeit. Ich fragte nach den Finanzen. Einer der Gemeindeleiter gab mir zur Antwort: „Das meiste hat unsere Gemeinde in Eigenleistung aufgebracht. Was wir kaufen und durch Firmen erledigen mußten, haben wir durch den Zehnten rasch aufgebracht. Außerdem geben unsere Leute bei solchen Großprojekten zwei Monatsgehälter im Jahr“. Dann lernte ich eine Familie näher kennen. Ich wollte herausspüren, ob bei diesen Sammelaktionen „Unwillen“ oder „Zwang“ herrschen. Doch ich merkte, daß es die Dankbarkeit vor Gott ist, die ihnen die Hände öffnete. Und dann machte ich mir Gedanken, wie ich selber zu dieser selbstverständlichen Freigiebigkeit kommen könnte und wie wir sie auch in unseren volkskirchlichen Gemeinden fördern könnten.

Mit der Glaubensentscheidung für Jesus Christus ist die Haltung des dankbaren und fröhlichen Gebens offensichtlich noch nicht automatisch vorhanden. Viele knausrige Christen liefern den traurigen Beweis dafür. Ein ernstes Beispiel aus der ersten Zeit des Christentums ist der Bericht über das Ehepaar Ananias und Saphira (Ag. 5,1-11). Die beiden verkaufen einen Acker, um der Gemeinde Geld zu spenden. Ananias erscheint vor den Aposteln, um ihnen das Geld zu geben. Was er ihnen nicht sagt, ist die Tatsache, daß er sich vorher einen Teilbetrag für private Zwecke abgezweigt hat. Er erweckt den Eindruck eines freigiebigen Christen, ist aber im Herzen knausrig geblieben. Petrus deckt den Schwindel auf und redet ihm ins Gewissen. Unter dem Eindruck der Strafpredigt fällt Ananias tot um. Wenig später ergeht es seiner Frau genauso. Aus dem Alten Testament gibt es einen ähnlich ernsten Bericht über den unlauteren Umgang mit Opfergaben für Gott. Die beiden Söhne des Priesters Eli verwenden ihnen nicht zustehende Opferfleischstücke für den persönlichen Bedarf und müssen deswegen in einer Schlacht gegen die Philister sterben (1. Sam. 2-4). Offensichtlich wollte Gott seinem Volk Israel und der jungen Gemeinde Jesu warnende Beispiele dafür geben, wie Gaben für ihn gegeben und eingesetzt werden sollen: mit einem ungeteilten Herzen und ohne Eigennutz.

Wie kommen wir zu einer solchen Haltung der Freigiebigkeit ohne Eigennutz? Es gibt nur den einen Weg, den Paulus den Korinthern vorgezeichnet hat. Wir müssen uns des geistlichen Reichtums bewußt werden, den wir in Jesus Christus haben. Uns muß fest ins Herz geschrieben bleiben, daß wir durch den Glauben an den in jeder Hinsicht unendlich reichen Gottessohn den wahren Reichtum,, den wahren Gewinn und das wahre Lebensglück haben (1. Tim. 6,6). Hermann von Bezzel hat diesen geistlichen Entschluß in einmaliger Weise beschrieben. „Frömmigkeit ist der Entschluß, die Abhängigkeit von Gott als Glück zu bezeichnen“. Wenn wir in diesem geistlichen Reichtum leben, können wir uns auch bewußt von jeglicher Geldgier trennen, die uns immer wieder zum Eigennutz und zu einem knausrigen Umgang mit Gaben und Spenden verführen will. Paulus gibt in dieser Hinsicht seinem Mitarbeiter Timotheus sehr aktuelle Ratschläge: „Die reich werden wollen, fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis. Denn Geldgier ist eine Wurzel alles Übels; danach hat einige gelüstet, und sie sind vom Glauben abgekommen und bereiten sich selbst viele Schmerzen. Aber du, Gottesmensch, fliehe das!“ (1. Tim. 6,9-11).

Wie können wir die Freigiebigkeit bei anderen fördern? Das ist keine leichte Aufgabe. Nicht jeder ist für Spendenreden so begabt wie Pastor von Bodelschwingh, der immer wieder den Menschen erklärte, daß sie ihm einst noch danken werden, daß er ihnen ihr Geld überhaupt abgeknöpft habe. Vor allem müssen wir uns hüten vor bloßen Appellen an das Christsein, an das Mitleid oder an die fromme Leistungswilligkeit. Wir erreichen damit nur „Unwillen und Zwang“ (2. Kor.9,7). Noch schlimmer: wir fördern eine pervertierte Freigiebigkeit, die das Ego des Spenders, aber nicht Jesus Christus groß macht. Es muß uns gelingen, dem anderen den geistlichen Reichtum des Christseins so klar und lebendig vor Augen zu stellen, daß er fröhlich und freiwillig aus Dankbarkeit gibt. Je mehr wir uns selbst eingeübt haben in fröhliches und freiwilliges Geben, desto leichter wird uns das fallen.

Warum ist geben seliger als nehmen? Weil es uns die Chance schenkt, uns unseres wahren Reichtums in Christus neu bewußt zu werden, weil es uns damit von uns selbst erlöst und weil es uns die Freude vermittelt, zur Freude anderer beizutragen.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 23. Juli 2009 um 12:50 und abgelegt unter Gemeinde, Theologie.