Gemeindenetzwerk

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Predigt „Lebt als Kinder des Lichts!“

Dienstag 11. Oktober 2011 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Predigttext: Epheserbrief Kap. 5, Vers 8: „Lebt als Kinder des Lichts!“

Liebe Brüder und Schwestern!

Die Apostolischen Briefe sind alle im Kreuzeszeichen geschrieben. Im ersten Teil geht es immer um Grundlegung des Glaubens, und im zweiten Teil geht es um die Ermahnung zur Liebe. Der Glaube zieht uns nach oben, und die Liebe zieht uns zum Nächsten. Das ist die doppelte Bewegung eines Christenmenschen. Da hat man gar keine Zeit, sich auf den Puls zu fassen, die eigenen Wehwehchen zu beklagen. Dann ist man befreit von sich selber, wenn diese zwei Bewegungen uns erreichen und erfüllen.

Heute sind wir im zweiten Teil des Epheser-Briefes, in der Ermahnung zur Liebe. Das kann man gerade im Epheserbrief sehr schön beobachten: Die ersten drei Kapitel handeln von der Grundlegung des Glaubens, die Kapitel 4 – 6 enthält den Ermahnungsteil. Kap.4,1 beginnt: „So ermahne ich euch nun, ich, der im HERRN Gefangene…“

Ermahnungen stehen bei uns nicht so hoch im Kurs. Das liegt auch daran, daß die christliche Ermahnung gar nicht richtig verstanden wird. Im griechischen Urtext steht für dieses Wort parakaleo. Das heißt: „Herbeirufen“. Wohin? Zum HERRN. Die christliche Ermahnung hat immer Trost. Die christliche Ermahnung ruft zum HERRN und sagt: Was der HERR von dir erwartet, das tut Er selber, und zwar durch dich im Glauben! Das ist christliche Ermahnung. Das müssen wir verstehen. Es ist gar nicht so leicht, in rechter Weise christlich zu ermahnen. Der HERR lebt, und Er lebt in dir, wenn du im Glaubensgeheimnis mit Ihm dein Leben lebst.

Die Ermahnungen im Epheserbrief sind äußerst lohnenswert, gründlich studiert zu werden:

  • Kap.4: Ermahnungen an die Gemeindeleiter, an die „Berufenen“.
  • Kap.5: An die Gesamtgemeinde. Unser Text ist aus diesem Teil entnommen
  • Kap.6: An die Hausstände: Ehefrauen, Ehemänner, Kinder, an Sklaven und Herren; wir würden heute sagen: An Lohnempfänger und Arbeitgeber.

Dieser zweite Teil im zweiten Teil des Epheserbriefes startet nun mit einem „Garderobenwechsel“. So nennt der jüngst verstorbene John Stott diese Stelle. Wir kennen das alle: „Legt ab und zieht an…“ Legt ab den alten Menschen und zieht an den neuen Menschen. Da soll die Lüge abgelegt werden und die Wahrheit angezogen werden. Da soll unbeherrschter Zorn abgelegt werden und Versöhnungsbereitschaft angezogen werden. Da soll Diebstahl abgelegt werden und Arbeitsamkeit soll angezogen werden, um den Bedürftigen beistehen zu können. Da soll unnütze Rede abgelegt werden, Wahrheit soll gesprochen werden. Das ist der Abschnitt mit den christlichen Binnenregeln. So sollen wir als Christen miteinander umgehen.

Unser Abschnitt steht unter dem Stichwort: „Lebt als Kinder des Lichts!“ Er beschreibt nun unser Verhalten der Welt gegenüber, der Gesellschaft, der Kultur, die zum ganz großen Teil gar keine christlichen Werte mehr kennt und pflegt. Die zentrale Aussage „Lebt als Kinder des Lichts!“ fußt auf der Feststellung: „Ihr seid Licht!“ Aber der Verfasser fügt hinzu: „In dem HERRN!“ Ihr seid Licht in dem HERRN. Ihr seid Lichtmenschen. Ihr seid nun in der Lage, euer Leben im Licht Gottes neu ordnen, neu leben zu können. Denn das Licht macht euch gütig. Es macht euch gottesfürchtig. Es macht euch wahrheitsliebend. Das sind Tatsachen.

Pastor Kemner vom Geistlichen Rüstzentrum in Krelingen hat öfters den Spruch gesagt: „Was hat sich geändert in deinem Leben, als du Christ wurdest?“ Diese Frage wollen wir uns heute auch stellen und stellen lassen. Mir steht ein schwer alkoholabhängiger Maurer vor Augen: Alwin Meyer. Er ist schon längst im Reich der Lebendigen. Er war bei Pastor Kemner zum Glauben gekommen. Vorher war Alwin ein Alkoholiker, der seine Frau verprügelt hat. Er war ein schlimmer Geselle. Er kam nach Krelingen und hat dort das ganze Werk mit aufgebaut. Sine Frau war krank, Schüttellähmung. Das war in der Zeit, als wir nach Krelingen kamen, wohin uns Pastor Kemner berufen hat. Von meinem Arbeitszimmer aus habe ich es fast täglich gesehen, wie dieser Mann, der vorher seine Frau windelweich geprügelt hat, sie nun auf seinen Armen trug und in den Rollstuhl setzte und wieder heraushob, weil sie sich selbst nicht mehr bewegen konnte. Dieser Mann steht mir jetzt vor Augen, wenn es darum geht, als Kinder des Lichts zu leben. Hier geht es um Tatsachen und keine Einbildungen.

Nun wird es ganz konkret. Unser Text spricht von drei Konsequenzen und drei Veränderungen, die für uns als Kinder des Lichts dran sind. Jetzt wird es sehr ernst. Kap.4, 17 heißt es: „Ich bezeuge euch in dem HERRN…“ Das ist die massivste Art der Ermahnung, die uns im Neuen Testament begegnet. „Ich bezeuge euch in dem HERRN, daß ihr nicht mehr leben dürft wie die Heiden.“ Das ist ein heiliger Ernst, der hier über diesen Worten steht. Warum dieser heilige Ernst? Weil es Verhaltensmuster unter uns Menschen gibt, die den Zorn Gottes auf sich ziehen und die vom Reich Gottes ausschließen. Das muß gesagt werden, aber nicht von einem hohen Roß und auch nicht von einer hohen Kanzel herunter. Sondern das muß mitleidend und in großer Barmherzigkeit gesagt werden: „Verspiele nicht deine Ewigkeit, wenn du an diesem Verhalten festhältst!“

Es geht hier um drei Verhaltensmuster:

  • Es geht um unsere Geschlechtlichkeit
  • Es geht um unseren Besitz, um unser Geld und dessen Verwaltung
  • Es geht um unsere Redeweise

Das sind anscheinend die Einstiegsschneisen für den Teufel, wo er die Menschen zu manipulieren versucht. Das gilt natürlich auch uns Christen, und ich bin überzeugt: Zuerst uns Christen!

Als ich noch Studienleiter im Geistlichen Rüstzentrum Krelingen war, lud ich immer verschiedene Dozenten zu Gastvorträgen ein. Ich erinnere mich noch an Hans-Jörg Bräumer, der damals ein großes Diakoniewerk in Celle leitete. Er erzählte uns, daß er etwa 800 Mitarbeiter hat. Er sah sich seine zukünftigen Mitarbeiter sehr intensiv an, daß er auch gläubige Christenmenschen bekommt. Er sagte uns, daß es für ihn immer wieder eine große Belastung und Herausforderung war, daß gerade auch die Christen an zwei Dingen festhängen und nicht weiterkommen: Sex und Geld. Das war für ihn eine Ernüchterung sondergleichen, dass diese alten Verhaltensmuster so zählebig sind, daß sie auch das Leben vieler Christen bestimmen, bedrängen und vom klaren Kurs abbringen.

II.

Sehen wir uns nun diese drei Verhaltensmuster an. Gerade, was die Geschlechtlichkeit betrifft, haben wir ja das Thema und den Anlaß, der diesen Tag heute bestimmt. Ich bin dankbar, daß die Bibel sehr konkret und sehr offen über diese Dinge spricht. Es gibt in unserer sexualisierten und pornographisierten Zeit jede Menge an Veränderungsbedarf, auch unter Christen – davon bin ich überzeugt. Und wenn ich nicht schon längst davon überzeugt gewesen wäre, wäre ich bestimmt vor zwei oder drei Jahren überzeugt worden, als völlig unabhängig voneinander im zeitlichen Abstand zwei Brüder bei mir waren, die beide im Reich Gottes tätig und gute Prediger sind und mir sagten: „Bruder Cochlovius, wir müssen frei werden. Wir sitzen fest an pornographischen Bildern. Bestimmte Internetseiten lassen uns nicht los.“ Meine Erwiderung war: „Habt ihr noch nicht gebetet?“ – „Natürlich haben wir schon oft gebetet! Aber wir kriegen diese Sachen nicht aus unseren Köpfen heraus. Diese Bilder sind eingebrannt in unserer Seele!“ Ich antwortete: „Dann müssen wir auf die Knie gehen und das Blut Jesu anrufen.“ Das haben wir dann auch gemacht, sehr ernsthaft und intensiv. Mittlerweile bin ich auch davon überzeugt, daß Pornographie nur durch das Blut Jesu gelöscht und bedeckt werden kann.

Satan weiß sehr wohl, wo er die Leute kriegt und wo die Schwachstellen in unserer Seele und in unserem Leben sind. Ich selber weiß es bei mir. Das darf ich einmal offen erzählen. 1990 haben wir in der Nähe von Krelingen ein Haus gebaut. In Krelingen hatten wir ein behütetes Pflaster mit ganzen drei Fernsehprogrammen gehabt – mehr konnten wir da nicht empfangen. Aber nun waren wir verkabelt. Und ich sehe mich noch, wie ich eines Abends nach dem Einzug noch Regale aufstellte. Ich ließ mich zwischendurch auf das Sofa fallen und sah mir die ganzen Programme an. Da landete ich bei einem Nacktsender. Ich war so fasziniert, daß ich die Austaste nicht mehr fand. Das hat mich ein paar Mal so gereizt und geradezu in den Fernseher hineingezogen. Ich konnte kaum Widerstand leisten. Das hatte ich noch nie gesehen, daß sich eine Frau im Fernsehen auszieht! Da – und deswegen erzähle ich das – sah ich plötzlich vor meinem inneren Auge eine von mir sehr verehrte ältere Frau sexualisiert. Das war der Punkt. Ich wußte: „Wenn du jetzt nicht umschaltest, dann wirst du dieses Zeug nie wieder los!“ Ich erinnerte mich an Hiob 31,1. Auch dieser Gottesmann hatte Probleme mit der geschlechtlichen Phantasie. Und was hat er gemacht? Er schließt einen Bund mit seinen Augen vor Gott dem HERRN. Da habe ich mich hingekniet, gebetet und gefleht: „HERR, nimm diesen Schmutz wieder aus meiner Seele. Gib mir einen neuen Blick für meine eigene Frau und bedecke mich mit der Kraft Deines heiligen Blutes!“ Und das darf ich an dieser Stelle bezeugen: Natürlich ist man als Mann immer angefochten. Aber seit 1990 habe ich an dieser Stelle die Freiheit des HERRN! Das empfehle ich allen unseren Brüdern, die hier sind. Bitte sagt es auch euren Kindern und Enkelkindern weiter. Übrigens sind ja auch Frauen davon betroffen.

Meine Frau und ich halten seit langer Zeit Eheseminare. Allmählich wird mir immer klarer, was Gott uns in der Zweigeschlechtlichkeit geschenkt hat. Gott hat zwei Haupt-Charakterzüge: 1.) Er übernimmt Verantwortung, für Seinen Sohn, für Seine gesamte Schöpfung. 2.) Er hilft all denen, die Ihn ernsthaft angehen und Ihn um Seine Hilfe bitten.

Diese beiden Hauptcharakterzüge, Verantwortung und Hilfe, hat Gott hineingelegt in den Mann und in die Frau. Wir sind lebendige Verkörperungen Seiner Hauptcharakterzüge. Ich als Mann bin berufen, Haupt zu sein, Verantwortung wahrzunehmen, zu entdecken – und das zuerst für meine Frau und meine Kinder. Wie viele unserer jungen Männer wissen überhaupt nicht mehr, was das heißt: Haupt zu sein, Verantwortung zu haben. Dann sitzen die jungen Ehepaar vor uns im Gespräch, und die junge Frau klagt: „Ich muß alles alleine machen, von der Steuererklärung angefangen bis zu Ferien- und Geldplanung. Mein Mann hat keinerlei Verantwortungsgefühl.“ Meine Frau und ich schimpfen dann aber nicht. Ich frage vielmehr den Mann: „Was haben Sie für einen Vater?“ Aber oft brauche ich nicht einmal zu fragen – die Antwort kommt oft von allein: „Mein Vater? Den habe ich kaum gesehen. Er hat nur für sein Geschäft gelebt.“ Oder: „Er hat seine Zeit nur im Wirtshaus verbracht.“ Wie soll da ein Mann zum Haupt werden? Das kann er nur in Christus werden. Das ist mir allmählich klar geworden: Haupt sein und Hilfe sein sind Charakterzüge Gottes.

Und aus dieser Grunderkenntnis heraus ist mir dann in 1.Kor. 7,3-4 etwas aufgegangen. Wir haben einige Meter Eheliteratur zu Hause. Das muß man haben, wenn man Eheberatung anbieten will. Aber diese zwei Verse in 1.Kor. 7 sind das Allerbeste, was es gibt, um eine Neueinstellung der Sexualität zu gewinnen. Ich übersetze frei: „Ihr Männer, gebt die Verfügung über eure Sexualität ab an eure Frauen. Ihr Frauen, gebt die Verfügung über eure Sexualität ab an eure Männer.“ Meine geschlechtlichen Organe gehören mir nicht – sie gehören meiner Frau, und umgedreht. Und das sagt der große Paulus! So deutliche Sätze und so tiefe Erkenntnis. Meine Sexualität gehört meiner Frau. Sie gehört nicht anderen Frauen. Sie gehört nicht der Öffentlichkeit. Sie gehört auch nicht anderen Männern. Sie gehört auch nicht mir selber. Sie gehört nur meiner Frau in der Ehe und umgekehrt! Das ist die kommunikative Schau der Bibel. Gott ist ein kommunikativer Gott. Alles, was Er macht, trägt kommunikative Züge. Er gibt mir etwas, damit ich es weitergebe. Er gibt anderen etwas, damit sie es mir geben. Gott ist ein wunderbarer Gott. Wir dürfen Sexualität neu buchstabieren lernen als ein Wunder zwischenmenschlicher Kommunikation.

III.

Nun machen ja viele Menschen den Frommen gerade in den letzten Jahren immer wieder den Vorwurf, daß sie sich nur um sexuelle Fragen kümmerten. Wo bleiben die anderen Sünden? Da haben sie natürlich Recht. Deshalb bin ich sehr dankbar, daß dieser Ephesertext in voller Klarheit und Deutlichkeit noch zwei andere Verhaltensmuster benennt, wo wir umschalten müssen: Nämlich unseren Umgang mit Geld und Besitz und unseren Umgang mit unserer Zunge, unsere Redeweise.

Auch die Habsüchtigen sind vom Reich Gottes ausgeschlossen. Das muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Warum? Die Erklärung liefert der Epheserbrief gleich an derselben Stelle. Es ist ein Götzendienst! Ich kannte einmal ein älteres Ehepaar, das sich sozusagen einen Sport daraus gemacht hat, so wie andere Briefmarken sammeln, so haben sie Geld gesammelt, jedes Jahr noch ein paar Tausender mehr. Sie hatten keine Kinder, das geschah aus reiner Geldgier. Ich kannte sie gut, es war sehr schwer, über das Wort Gottes mit ihnen zu reden. Es lief eine Fremdsteuerung mit. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin Einzelkind und machte eine ordentliche Erbschaft. Nur kam ich nicht an das Erbe heran. Ich bin 1960 von meinem Vater nach Westberlin gebracht worden. Die Eltern wollten nachkommen, aber dann kam die Mauer dazwischen. So war ich allein in einem Heim in Westberlin. Ich habe dann studiert. Unterdessen verstarb mein Vater und hinterließ mir eine Erbschaft. Ich war im Westen, er im Osten. Das Erbe war für mich unerreichbar. Ich habe alles Mögliche probiert. Ich erinnere mich daran, daß ich sogar an Franz Joseph Strauß schrieb. Aber auch er konnte daran nichts ändern. In meiner Seele sah es trüb und finster aus. 1970 bin ich bewußter Christ geworden bei Billy Graham in der Nürnberger Messehalle. Da habe ich plötzlich gemerkt: „Wo bist du hingekommen? Jahrelang kämpfst du um dieses Geld. Du kannst nur noch das Eine denken.“ Das war furchtbar! Da habe ich mich im Lichte des HERRN gesehen. Und dafür bin ich sehr dankbar. Aber es bedurfte noch eines sehr schmerzhaften Anstoßes. Meine Mutter, die damals noch lebte, wäre an meiner Geldgier fast zu Grunde gegangen. Sie bekam im Auto in Ostberlin einen Herzanfall. Ich sehe sie noch vor mir. Und dieses Anstoßes bedurfte es bei mir, daß ich dann zu Hause auf die Knie ging und ein Absagegebet an Geld und Geldgier gesprochen habe. Das kann meine Frau bezeugen. Dafür bin ich Gott so dankbar. Manchmal ist die Geldgier so groß, daß tatsächlich nur noch ein Absagegebet hilft. Deswegen sage ich das. Aber das Allergrößte war dann dies: Fast sieben Jahre hatte ich um dieses Geld gekämpft. Aber in diesem Absagegebet habe ich gesagt: „HERR, alles was ich je in meinem Leben verdiene, soll Dir gehören!“ Da kam drei Wochen später vollkommen unerwartet ein Brief vom Landratsamt Hof: „Sehr geehrter Herr Cochlovius! Wir haben noch einmal über Ihren Antrag auf Erbentschädigung nachgedacht. Wir können Ihnen heute die Mitteilung machen, daß Sie eine Nachzahlung erhalten.“ Ich wurde ganz still. Nach sieben Jahren vergeblichen Kampf, der lebensgefährlichen Gefährdung von Mutters Gesundheit und dem Absagegebet schenkte Gott diese Überraschung.

Wir sollten uns  auch an dieser Stelle prüfen, liebe Brüder und Schwestern, ob wir hier noch hängen, ob wir die Freiheit der Kinder Gottes haben. Nachher in der Kollekte kann man das übrigens gleich einmal ausprobieren.

Und dann noch das Letzte: Die Redeweise. Faules Geschwätz sollte nicht über unseren Mund kommen. Im Jakobusbrief gibt es eine lange Passage über die Gefahr der Zunge. Wir sollten den Jakobusbrief immer wieder einmal in seiner ganzen Ernsthaftigkeit lesen und stehen lassen. „Die Zunge, ein kleines Organ, kann die ganze Welt anzünden“, heißt es da. Das ist für mich keine blasse Theorie und keine Übertriebenheit oder Überheblichkeit. Wer wie ich und meine Frau in der DDR aufgewachsen ist, der weiß, wozu eine Demagogie in der Lage ist: Noch heute geistert sie über zwanzig Jahre später in den Herzen der Leute herum. Mit unserer Zunge können wir eine Dämonie auslösen und Finsternis über andere Menschen verbreiten – das ist furchtbar. Und nun heißt es: „Redet die Wahrheit. Nehmt eure Zungen in Zaum.“

Neulich habe ich in den Lebenserinnerungen von Samuel Keller gelesen, diesem begnadeten Evangelisten. Er erzählte von einer Szene irgendwo in den Weiten Rußlands, wo er tätig war. Er wurde in ein Krankenhaus gerufen. Als er kommt, sieht er den Patienten schon fast im Sterben liegen. Der Arzt ist noch da und redet dem Patienten gut zu: „Morgen probieren wir ein neues Medikament aus.“ Aber Samuel Keller sah sofort den äußerst bedrohlichen Zustand des Patienten. Als sich der Arzt verabschiedet, geht ihm Samuel Keller nach und spricht ihn gemäß der Sitte der Gelehrten damals auf Latein an. Das konnte der Patient natürlich nicht verstehen. Da sagte der Arzt, der eben noch dem Patienten gut zugesprochen hatte, zu Samuel Keller, daß der Mann den morgigen Tag nicht überleben werde. Samuel Keller seufzte gen Himmel und betet: „HERR, gib mir Wahrhaftigkeit in Liebe und Liebe in Wahrhaftigkeit!“ Er geht zu dem Kranken und sagt ihm die Wahrheit. Da richtet sich der Kranke auf und sagt: „Herr Pfarrer, ich bin Ihnen von Herzen dankbar. Bitte rufen Sie gleich meine Frau und meine Kinde, und bleiben Sie diese Nacht bei mir.“ Dann erzählt Keller, daß er so einen gefaßten und gesegneten Abschied noch nicht zuvor erlebt hat. Und das nur, weil er die Wahrhaftigkeit geübt hat. Laßt uns wahrhaftig sein, liebe Brüder und Schwestern, in Liebe.

 Ich schließe mit dieser Ermahnung, die wir auch in unserem Text hatten: „Laßt euch nicht verführen mit nichtigen Worten“. Ich zitiere noch einmal Heinrich Kemner. „In unserer heutigen Zeit wird die Sünde namenlos gemacht“. Das ist das beste Wort, das ich je gehört habe über diese Masche unserer Zeit, daß die Sünde wegdiskutiert und namenlos gemacht wird. Darauf wollen wir aber bitte nicht hereinfallen. Wir müssen Sünde Sünde nennen. Wir müssen Menschen, die auf der falschen Fährte sind in ihrer Geschlechtlichkeit, in ihrer Habgier und in ihrem faulen Geschwätz ihre Tage verbringen, aus Liebe und Barmherzigkeit warnen und ihnen sagen: „Bitte folgt nicht den Schalmaientönen, wo die Sünde hoffähig gemacht wird und noch einen kirchlichen Segen erhält!“ Auch das muß man sagen. Folgt diesen Stimmen nicht, sondern seid und werdet Kinder des Lichts.

Der HERR helfe uns allen dazu nach dem Reichtum Seiner Gnade. Amen.

Predigt beim Glaubens- und Besinnungstag in Castell am 24.9.2011. Eine Audio-CD ist in der Geschäftsstelle des Gemeindehilfsbundes für 4.-€ zuzügl. Porto erhältlich (Mühlenstr. 42, 29664 Walsrode; Tel.: 05161/911330; E-mail: info@gemeindehilfsbund.de).

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 11. Oktober 2011 um 8:15 und abgelegt unter Predigten / Andachten.