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Der wahre Grund für mehr Kinder: Die Verlässlichkeit der Ehe

Dienstag 14. Juni 2011 von Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.


Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e. V.

Der wahre Grund für mehr Kinder: Die Verlässlichkeit der Ehe

Die Abkehr von der Ehe scheint unaufhaltsam: Die Deutschen heiraten immer weniger und immer später. War die Heirat noch bis in die 1970er Jahre „Pflicht“, ist sie heute eine Option unter vielen: Zusammenleben mit oder ohne Trauschein, in einer gemeinsamen Wohnung oder in einer „bilokalen Partnerbeziehung“ oder „Single-Dasein“ – alle Partnerschaftsformen sind gleichermaßen akzeptiert (1). Zwar heiratet noch immer eine Mehrheit der Erwachsenen, fast 40% der Ehen landen aber früher oder später vor dem Scheidungsrichter. Als Folge des Scheidungsbooms und mehr noch der durch die sinkenden Heiratszahlen dokumentierten Ehemüdigkeit ist die lebenslange Ehe längst nicht mehr der Regelfall.

Diese Realität wahrzunehmen fällt schwer: Scheidungen – so argumentieren manche – bedeuteten das Scheitern einer konkreten Partnerschaft, aber keine generelle Absage an die Ehe als Institution. Dass viele ein zweites (oder auch drittes) Mal heiraten, belege die bleibende Attraktivität der Ehe. Seit den 1970er Jahren ist aber auch der Anteil der wieder heiratenden Geschiedenen stark gesunken (2). Geschiedene bevorzugen heute oft Partnerschaften ohne „formelle Verpflichtung“, weil sie „Zweifel an der Stabilität von Partnerbeziehungen hegen“. Aus solchen Gründen scheuen auch viele in Scheidungsfamilien aufgewachsene junge Menschen vor der Heirat zurück. Ãœber die Generationen schwindet so sozialer Rückhalt für die Ehe (3). An die Stelle der lebenslangen Ehe tritt mehr und mehr die „serielle Monogamie“: Eine Abfolge multipler Beziehungen mit verschiedenen Lebenspartnern, in der „unbefriedigende Verbindungen“ gekündigt werden, um „nach besseren Perspektiven zu suchen“ (4).

Den multioptionalen Lebensstil verstehen Soziologen als Ausdruck eines neuen Partnerschaftsideals, das stärker auf Autonomie setzt (5). Die Entscheidung für Kinder befördert dieses Autonomiestreben allerdings nicht: Unverheiratete Paare sind im Vergleich zu Eheleuten mindestens drei- bis viermal so häufig kinderlos (6). Die Entscheidung über die Geburt eines Kindes ist, wie Demographen feststellen, immer noch stark an das „traditionelle ehebasierte Familienmodell geknüpft“. Sie versuchen diese Situation damit zu erklären, dass in Deutschland immer noch „Eheförderung über monetäre Transfers betrieben wird“. Diese Politik benachteilige, „diejenigen, die die Ehe als Lebensform nicht akzeptieren“, die eben „dadurch weniger Kinder“ hätten“ (7).

Tatsächlich spielt die Ehe für den Anspruch auf öffentliche Leistungen in Deutschland gar keine Rolle: Leistungen wie das Kinder-, das Wohn- oder das Elterngeld werden unabhängig vom Familienstand ausbezahlt (8). Welche Diskriminierung soll unverheiratete Frauen von der Entscheidung für Kinder abschrecken? Plausibler ist es, nach Gründen in den Einstellungen der Menschen zu suchen. Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht die Antworten 25-40-jähriger Frauen auf die Frage, ob und wie viele Kinder sie planen: Singles wünschen sich durchschnittlich 1,4 Kinder. Nur geringfügig höher ist der Kinderwunsch von Frauen in einer bilokalen Partnerbeziehung (1,5) und selbst Frauen in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wollen im Schnitt nur 1,6 Kinder. In einer Ehe lebende Frauen wünschen sich dagegen mindestens zwei Kinder (9). Entscheidend für den Kinderwunsch ist weniger das Vorhandensein eines Partners als die Art der Beziehung: Frauen in einer bilokalen Partnerbeziehung wollen genauso oft wie Single-Frauen kinderlos bleiben (27%), dasselbe gilt für rund ein Fünftel der kohabitierenden, aber nur für ein Zwanzigstel der verheirateten Frauen. Verheiratete wünschen sich in mehr als neun von zehn Fällen Kinder – das gilt für Frauen wie für Männer (10). Basis des Kinderwunsches von Ehepaaren ist eine gewisse Verlässlichkeit: Trotz des gestiegenen Scheidungsrisikos sind Ehen noch immer stabiler als Partnerschaften ohne „formelle Verpflichtung“, die nicht selten schon nach wenigen Monaten wieder zerbrechen. Diese Flüchtigkeit und Unverbindlichkeit erschwert Unverheirateten die Entscheidung für Kinder (11). Diese Zusammenhänge darzustellen könnte unpopulär sein, einfacher ist es da, weiter die Legende von der „Diskriminierung“ „alternativer“ Lebensformen zu verkünden. Wissenschaftliche Nüchternheit und Redlichkeit bleiben dabei auf der Strecke.

(1) Zum Lebensformenwandel und dem Bedeutungsverlust der Ehe seit etwa 1970: Siehe: Stefan Fuchs: Vertreibung aus dem Rest-Paradies? Heirat und Ehe in den Medien 1968 und 2010, http://www.erziehungstrends.de/Heirat/Ehe/Medien.

(2) Vgl.: Jürgen Dorbritz: Die Berechnung zusammengefasster Wiederverheiratungsziffern Geschiedener – Probleme, Berechnungsverfahren und Ergebnisse, S. 253-262, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft Heft 3/1998, S. 260-261.

(3) Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/291-0-Wochen-11-12-2010.html.

(4) Siehe: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.): Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik – Siebter Familienbericht, Bundestagsdrucksache 16/1360, Berlin 2006, S. 126.

(5) Beispielhaft für diese Sichtweise: Jahel Mielke: „Allein wohnen heißt nicht allein sein“, Interview mit Norbert Schneider, in: DER TAGESSPIEGEL vom 25.4.2010, http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/allein-wohnen-heisst-nicht-allein-zu-sein/1807966.html.

(6) Vgl.: Jürgen Dorbritz: Dimensionen der Kinderlosigkeit in Deutschland, S. 2-6; Bevölkerungsforschung Aktuell 03/2011, S. 2.

(7) Siehe ebd., S. 3.

(8) Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/243-0-Woche-45-2009.html.

(9) Vgl. Abbildung unten: „Kinderwunsch – abhängig von der Lebensform“.

(10) Dies ergeben zumindest Auswertungen des „Gender and Generations Survey 2005. Vgl.: Jürgen Dorbritz: Bilokale Paarbeziehungen – die Bedeutung und Vielfalt einer Lebensform, S. 31-56, in: Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, 34. Jahrgang, 1-2/2009, S. 49. Dorbritz kommt dem Schluss: „Die bilokale Partnerbeziehung ist definitiv nicht die Lebensform, die Basis für die Entstehung von Kinderwünschen und deren Erfüllung ist“ (Siehe ebd., S. 50).

(11) Siehe hierzu: http://www.i-daf.org/247-0-Woche-46-2009.html sowie Abbildung unten: „Partnerschaftsanzahl und Kinderlosigkeit“.

IDAF, 14.06.2011 (www.i-daf.org)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 14. Juni 2011 um 16:19 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Gesellschaft / Politik.