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Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik

Dienstag 31. Mai 2011 von Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL)


Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL)

Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik

Mit dem Verfahren der so genannten „Präimplantationsdiagnos-
tik“ (PID) sollen künstlich erzeugte Embryonen, die bestimmte genetische Abweichungen aufweisen, identifiziert und von der Übertragung in die Gebärmutter ausgeschlossen werden. Es handelt sich daher nicht primär – wie es der Begriff „Präimplantationsdiagnostik“ nahelegt um ein „diagnostisches“ Verfahren. Das Wesen der PID liegt vielmehr in der Embryoselektion.

1. Hauptbetroffener der PID ist der menschliche Embryo. Er ist Träger der Menschenwürde und des Rechts auf Leben.

„Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu; es ist nicht entscheidend, ob der Träger sich dieser Würde bewußt ist und sie selbst zu wahren weiß. Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potentiellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen“ (BVerfGE 39, 1, 41; vgl. auch BVerfGE 88, 203, 252). Das gilt auch für den Embryo in vitro. Alle Erkenntnisse der Embryologie sprechen dafür, im menschlichen Embryo den Menschen im Anfangsstadium seiner Existenz zu sehen. Die Würde des Menschseins liegt auch für das ungeborene Leben im Dasein um seiner selbst willen. Es verbietet sich daher „jegliche Differenzierung der Schutzverpflichtung mit Blick auf Alter und Entwicklungsstand dieses Lebens“ (BVerfGE 88, 203, 267).

2. Eltern haben kein Verfügungsrecht über ihre Nachkommen. Sie sind ihnen zur Fürsorge anvertraut. Das gilt auch für künstlich erzeugte Embryonen.

Durch die Erzeugung von Embryonen ist die Elternverantwortung entstanden. Es gibt keine rechtlich ungebundene, freie Entscheidung der Mutter darüber, ob und ggf. welche Embryonen sie austragen möchte.

Elterliche Verantwortung besteht immer darin, das Kind in seiner jeweiligen Eigenart anzuerkennen und anzunehmen. Sie ist gerade dann gefordert, wenn genetisch bedingte Fehlbildungen oder Erkrankungen vorliegen und deshalb in besonderer Weise Hilfe und Unterstützung erforderlich sind.

Das natürliche Bestreben, Krankheiten zu vermeiden und zu bekämpfen, sowie der Wunsch, gesunde Kinder zu haben, rechtfertigen es nicht, kranken Kindern die Menschenwürde und das Lebensrecht zu bestreiten und sie unversorgt sterben zu lassen. Diese Selbstverständlichkeit gilt in gleicher Weise für ungeborene Kinder und Embryonen.

3. Die im Rahmen der PID künstlich erzeugten Embryonen werden nicht wie Rechtssubjekte behandelt, denen Menschenwürde und Lebensrecht zustehen. Es findet eine „Qualitätsauswahl“ nach genetischen Kriterien statt.

Das Wesen eines PID-Behandlungsvertrages liegt nicht darin, eine Schwangerschaft herbeizuführen, denn dies wäre problemlos auch ohne PID möglich. Der PID-Vertrag ist vielmehr darauf gerichtet, genetisch belastete Embryonen vom Embryotransfer auszuschließen. Er hat von vornherein selektiven Charakter.

Die PID verstößt daher nicht „nur“ gegen die Menschenwürde und das Recht auf Leben, sondern auch gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Weil im Rahmen der PID den genetisch nicht erwünschten Embryonen gerade wegen ihrer genetischen Konstitution der Transfer in die Gebärmutter verweigert wird, liegt ein Verstoß gegen das spezielle Diskriminierungsverbot nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG vor („Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“).

4. Mit der Schutzpflicht des Staates für menschliche Embryonen ist es unvereinbar, künstliche Befruchtungen ohne individuelle Übertragungsabsicht für den einzelnen Embryo zuzulassen.

Zum Zweck der PID werden Embryonen erzeugt, ohne dass in jedem Einzelfall ihre Weiterentwicklung gesichert ist. Die Zeugung erfolgt quasi „auf Probe“, weil die weitere Existenz der Embryonen vom Ergebnis der genetischen Überprüfung abhängig gemacht wird. Dies stellt einen Missbrauch der In-vitro-Fertilisation dar. Der Gesetzgeber muss in dieser Situation seine Schutzpflicht für menschliche Embryonen in der Weise wahrnehmen, dass er schon die Erzeugung von Embryonen verbietet, die ersichtlich in diskriminierender Weise „aussortiert“ und ihrem Schicksal überlassen werden sollen. Eine andere Möglichkeit, dem Rechtsstatus menschlicher Embryonen gerecht zu werden, besteht darin, wenigstens den diskriminierenden Gentest zu untersagen.

5. Eine „Zeugung auf Probe“ ist genauso inakzeptabel wie eine „Schwangerschaft auf Probe“. Aus dem faktischen Missbrauch von § 218a Abs. 2 StGB ergibt sich kein Argument zugunsten der PID.

Das scheinbar „überzeugendste“ Argument für eine Zulassung der PID ist der Verweis auf die später im Verlauf der Schwangerschaft noch mögliche Pränataldiagnostik mit anschließender Abtreibung gem. § 218a Abs. 2 StGB. Es wird behauptet, ein PID-Verbot führe insoweit zu einem „Wertungswiderspruch“.

Die medizinische Indikation des § 218a Abs. 2 StGB kann aber nicht als Erlaubnis zur gezielten Selektion von ungeborenen Kindern mit genetischen Schäden interpretiert werden. Bei der Neuregelung des Abtreibungsstrafrechts im Jahr 1995 wurde die frühere „eugenische Indikation“ gestrichen und hervorgehoben, dass Behinderungen keinesfalls die Tötung ungeborener Kinder rechtfertigen dürfen.

Wer die Geburt eines gesunden Kindes dadurch „erzwingt“, dass bewusst Schwangerschaften herbeigeführt und immer wieder abgebrochen werden, bis ein nachweislich gesundes Kind heranwächst („Schwangerschaft auf Probe“), missbraucht in menschenverachtender Weise die Pränataldiagnostik und die medizinische Indikation zum Schwangerschaftsabbruch. Dieses Vorgehen ist keineswegs „erlaubt“ und darf nicht zum Maßstab für den Umgang mit Embryonen im Rahmen der Fortpflanzungsmedizin gemacht werden.

§ 218a Abs. 2 StGB ist nur anwendbar, wenn die Konfliktsituation nicht auf „andere zumutbare Weise“ abgewendet werden kann. Bei der PID ist ein das Leben achtendes „Alternativ-Verhalten“ aber jederzeit möglich, indem auf die Zeugung von Embryonen verzichtet wird, wenn von vornherein klar ist, dass ein Transfer bei entsprechendem Gentestergebnis nicht in Frage kommt. Gerade aufgrund der Möglichkeit, die Konfliktlage zu antizipieren, kann der Gesetzgeber hier „regulierend eingreifen und verlangen, dass die Erzeugung von ‚zur Disposition’ stehenden Embryonen von vornherein unterbleibt“ (Schlussbericht Enquete-Kommission, BT-Drs. 14/9020, S. 112).

Die PID ist der Sache nach eine missbräuchliche Nutzung der In-vitro-Fertilisation und eine missbräuchliche, diskriminierende Behandlung menschlicher Embryonen. Der Gesetzgeber ist aufgerufen, schon die bewusste Erzeugung von Embryonen mit dem Ziel der genetischen Selektion durch eine gesetzliche Regelung zu verbieten. Zumindest sind genetische Untersuchungen, die eine Selektionsentscheidung ermöglichen sollen, zu untersagen. Dies verlangt die Pflicht zur Achtung der Menschenwürde, des Rechts auf Leben und des Diskriminierungsverbots.

Für den Vorstand: VRiaVG a. D. Bernward Büchner, Vorsitzender

Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL), 24.2.2011

Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL)
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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 31. Mai 2011 um 14:09 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Lebensrecht.