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Offener Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD

Donnerstag 7. April 2011 von Pastor Uwe Holmer (1929-2023)


Pastor Uwe Holmer (1929-2023)

Offener Brief an den Ratsvorsitzenden der EKD

Sehr verehrter Herr Vorsitzender,

ich bin dankbar für meine evangelische Kirche. Ich bin in ihr getauft, konfirmiert und gelehrt worden. Und seitdem ich in der Landeskirchlichen Gemeinschaft eine bewusste Entscheidung für ein Leben mit Jesus getroffen habe und meines Heils gewiss geworden bin, wurde es mir zur Freude und zum Auftrag, lebenslang den Dienst der Verkündigung des Evangeliums in unserem Land zu tun.

Zunehmend aber leide ich an unserer Kirche. Zunehmend nehmen Kirchenleitungen ihr Wächteramt nicht wahr, dulden die Leugnung biblischer Heilstatsachen und sehen mit an, wie enttäuschte gläubige Christen ihre Kirche verlassen. Ständig verliert unsere evangelische Kirche an Mitgliedern, an Einfluss sowie an Leucht- und Orientierungskraft. Das ist auch für unser Volk ein tiefer Schaden. Mit dem neuen Pfarrdienstgesetz ist nun für alle sichtbar eine biblische Grenze überschritten. Das reformatorische „sola scriptura“, die alleinige Geltung der Heiligen Schrift als „Regel und Richtschnur für Lehre und Leben“ in der evangelischen Kirche ist mit diesem Gesetz aufgegeben. Unsere Kirche soll aber nach Gottes Willen „die Gemeinde des lebendigen Gottes, ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit“ sein (1. Timotheus 3,15). Praktizierte Homosexualität lässt sich mit den deutlichen Aussagen der Heiligen Schrift nicht vereinbaren.

Es gibt für mich einen weiteren, wichtigen Grund dafür, dass ich homosexuelle Partnerschaft im Pfarrhaus ablehne: Ich will, dass meinen (Enkel-)Kindern das biblische Leitbild einer Familie mit Mann und Frau und Kindern vor Augen gestellt wird. Und ich wünsche und bete, dass sie es übernehmen. Ich will aber nicht, dass das evangelische Pfarrhaus mit dem Anspruch des geistlichen Amtes ihnen nahelegt, homosexuelle Partnerschaft sei ebenfalls ein biblisches Leitbild. Gerade in der Zeit von Pubertät und Konfirmation brauchen Kinder Vorbilder, die ihr Leben prägen. Vom Pfarrhaus soll biblische Weisung ins Land gehen.

Ich bin froh, dass meine mecklenburgische Kirche noch zurückhaltend ist in der Übernahme unbiblischer Lehren. Ich teile Ihnen aber mit: Sollte auch unsere Landeskirche bzw. die kommende Nordkirche ihre Pfarrhäuser für praktizierende homosexuelle Paare öffnen, werde ich mich keinem kirchlichen Vorgesetzten unterordnen, der diesem Gesetz zustimmt. Ich kann in ihm keinen Hirten sehen, der die Gemeinde „auf einer grünen Aue weidet und zum frischen Wasser“ führt.

Ich trete nicht aus der Kirche aus, sondern gehe in die innerkirchliche Opposition. Wo ich aber von Gemeinden und Gruppen zur Verkündigung gerufen werde, werde ich dem nach Kräften folgen. Und wo bekenntnistreue Gruppen endlich ihre Uneinigkeiten überwinden und sich in den zentralen Glaubenslehren zusammenfinden, werde ich dabei sein. Wir haben da ja ein gutes Vorbild in der „Bekennenden Kirche“ der dreißiger Jahre. Da könnte dann auch Ernst gemacht werden mit dem Wort von der „ekklesia semper reformanda“, von der Kirche, die immer neu reformiert werden muss. Auch die Schrift von Martin Luther ist neu zu bedenken, dass eine Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu beurteilen und Lehrer zu berufen. Gott kann sich dafür jüngere, fähige Leute erwecken.

Das evangelische Pfarrhaus ist Jahrhunderte hindurch ein segensreiches Vorbild in unserem Volk gewesen. Diese Vorbildwirkung ist stark im Schwinden. Mit dem neuen Gesetz würde es zu einem verhängnisvollen Vorbild werden, dem sich viele christliche Eltern entziehen würden. Bitte verstehen Sie, dass ich diesen Brief als einen offenen in die kirchliche Öffentlichkeit gebe. Ich tue es in der Hoffnung, dass Brüder und Schwestern, die an einen Austritt aus der Kirche denken, es mir gleichtun und nicht austreten, sondern als „Protestanten“ ebenfalls Protest anmelden und zusammenrücken. Denn alles, was die Kirche schwächt, schwächt auch ihren Segensdienst in unserem Volk. Dieser Offene Brief ist zugleich ein Appell an die bekennenden Gruppen, sich zu einigen und bekennende Christen zu sammeln, damit sie ihre Kirche nicht verlassen. Erlauben Sie mir bitte noch einige erklärende Bemerkungen:

1. Ich will es auf keinen Fall bei der Ablehnung praktizierter Homosexualität bewenden lassen. Ich denke positiv, vom biblischen Leitbild der Ehe her. Von daher sehe ich die Sexualität und die Polarität von Mann und Frau als eine gute Gabe Gottes und freue mich über die je eigenen Gaben, die Gott jeder Frau und jedem Mann gegeben hat. Ich halte es für die Berufung Gottes und ein großes Glück für den Menschen, eine liebevolle Ehe und eine fröhliche Familie zu erstreben. Es steht außer Zweifel, dass ein Volk viele gesunde Familien braucht. Deshalb ist eine Kirche von Gott her verpflichtet, das biblische Leitbild den Menschen vor Augen zu stellen.

2. Wer meinen Schritt als lieblose Diskriminierung von Homosexuellen versteht, irrt sich. Ich „gebe jedermann die Ehre“, auch dem Homosexuellen. Denn er ist wie ich zum Ebenbild Gottes berufen und von Gott geliebt. Aber homosexuelle Praxis kann ich nur als Sünde sehen, vor der die Bibel warnt. Ich liebe meinen homosexuellen Mitmenschen auch darin, dass ich ihm gerne zu dem biblischen Leitbild von Ehe und Familie verhelfen möchte. Nach 1. Mose 1,27f hat Gott Mann und Frau zur lebenslangen Ehe geschaffen und begabt und zur Zeugung und Erziehung von Kindern berufen und gesegnet. Gott kann auch zur Kinderlosigkeit berufen. Aber Homosexualität ist nach Gottes Wort keine Berufung, sondern Folge der allgemeinen Gottlosigkeit, an der der Betroffene oft nicht einmal selber schuld ist. Schon deshalb kann ich einen Homosexuellen nicht verurteilen. Ich muss ihn ermutigen, an der Veränderung seiner Sexualität in der Kraft des Heiligen Geistes zu arbeiten, bzw. wo es nicht gelingt, es den Schwestern und Brüdern gleichzutun, die sich von Gott und unter seelsorgerlicher Begleitung die Kraft erbitten, zölibatär zu leben.

3. Die Öffnung der evangelischen Pfarrhäuser und die öffentliche Anerkennung der Homosexualität als christliche Lebensform trennt uns von der Ökumene. Die überwiegende Mehrheit der christlichen Kirchen in der Welt sieht homosexuelle Praxis als nicht vereinbar mit der biblischen Lehre an.

4. Auch den Muslimen wird durch das neue Pfarrdienstgesetz der Zugang zur Kirche und ihre Integration in Deutschland versperrt. Dieses Gesetz steht allen Bemühungen um Integration entgegen. Juden und Muslime sehen praktizierte Homosexualität als Gräuelsünde an. Es ist ihnen unmöglich, sich in eine Gesellschaft zu integrieren, die diese Lebensform als eine Schöpfungsvariante ansieht. Sieht die EKD eigentlich, wie sie durch dieses Gesetz den Muslimen den Zugang zu Glauben und Leben in Deutschland versperrt? Verachtung wäre noch die mildeste Form der muslimischen Ablehnung.

5. Laut idea (Nr. 3, 2011) hat die Präses der EKD-Synode Katrin Göring-Eckardt erklärt, dass die EKD-Synode mehrheitlich eine Position vertritt, die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften akzeptiert. Und der frühere EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock meinte, auf die Dauer würden sich alle Landeskirchen für Pfarrer in homosexuellen Partnerschaften öffnen. Kock wörtlich: „Das wird nicht aufzuhalten sein. Gut so, sage ich“. Die Zielrichtung der EKD ist also klar. Für mich ergibt sich daraus: Widerstand im Namen des Herrn nach dem Vorbild der Reformatoren, der Väter der Bekennenden Kirche und der jüngsten Erklärung der acht Altbischöfe.

Im Dienst unserer Kirche Ihnen verbunden

grüße ich Sie

Ihr Uwe Holmer

Anlass des Offenen Briefes von Pastor Uwe Holmer (Serrahn/Mecklenburg) an Präses Nikolaus Schneider, den Ratsvorsitzenden der EKD, ist das von der EKD-Synode im Herbst des vergangenen Jahres beschlossene Pfarrdienstrecht, das es den Landeskirchen ermöglicht, das Zusammenleben homosexueller Partner im Pfarrhaus zu gestatten.

Pastor Uwe Holmer leitete von 1983 bis 1991 die diakonische Einrichtung Lobetaler Anstalten bei Berlin. Außerdem war er Vorsitzender der Evangelistenkonferenz in der DDR und Mitglied des Hauptvorstandes der Deutschen Evangelischen Allianz. Bekannt wurde er durch das wohl ungewöhnlichste „Kirchenasyl“ in der deutschen Geschichte: Holmer nahm Anfang 1990 den obdachlos gewordenen Ex-DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker (1912-1994) und dessen Frau Margot in seinem Pfarrhaus in Lobetal auf.

Quelle: idea-Spektrum, Onlineausgabe vom 29.03.11 (www.idea.de/holmer)

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 7. April 2011 um 12:48 und abgelegt unter Kirche.