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Leid – Warum lässt Gott das zu?

Samstag 26. März 2011 von Johann Hesse


Johann Hesse

Leid – Warum lässt Gott das zu?

1 Das Leid und die Gerechtigkeit Gottes

1.1 Die Katastrophe in Japan

Am Freitag, den 11. März, wurde Japan von einem schweren Erdbeben erschüttert und große Gebiete wurden durch einen nachfolgenden Tsunami zerstört. Unfassbares Leid ist an diesem Tag über ungezählte Menschen gekommen. Wie ist dieses Leiden vereinbar mit der Existenz eines liebenden und barmherzigen Gottes? Warum hat Gott dieses Leid nicht verhindert? Warum hat Gott dieses Leid zugelassen?

1.2 Die Theodizeefrage

Die Frage nach dem Leid in der Welt und der sich daraus anschließenden Frage nach der Gerechtigkeit Gottes hatte Gottfried Wilhelm Leibniz die „Theodizeefrage“ genannt. Seine Antwort war, dass es zwar Leid in der Welt gibt, dass diese Welt aber die „beste aller möglichen Welten“ sei und man Gott demnach keinen Vorwurf machen könne. Für eine weitere Gruppe ist das Leid in der Welt Beleg dafür, dass es keinen Gott geben kann, denn sonst hätte Gott dieses Leiden verhindert. Insbesondere nach dem Holocaust, schlussfolgerte man eine „Gott-ist-tot-Theologie“, denn Gott, wenn es ihn denn gäbe, hätte den Holocaust verhindern müssen. Wiederum andere sagen, dass sie mit einem scheinbar grausamen und geradezu sadistischen Gott nichts zu tun haben wollen. Die Frage wurde bereits in der Antike in folgende Worte gefasst:

„Entweder will Gott die Ãœbel beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
Dann ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Ãœbel und warum nimmt er sie nicht hinweg?“

1.3 Das persönliche Leid

Die Frage nach dem Leid ist für uns alle keine theoretische Frage, weil sie uns eben auch persönlich betrifft. Auch die Bibel liefert uns keine philosophische Abhandlung über die Theodiezeefrage, sondern sie nimmt uns mit hinein in das persönliche Leiden von Menschen, die dieses Leid mit Gott durchlitten haben:

„Wenn man doch meinen Kummer wägen und mein Leiden zugleich auf die Waage legen wollte! Denn nun ist es schwerer als Sand am Meer; darum sind meine Worte noch unbedacht. Denn die Pfeile des Allmächtigen stecken in mir; mein Geist muß ihr Gift trinken, und die Schrecknisse Gottes sind auf mich gerichtet.“ (Hiob 6,2)

Wir alle haben uns in unterschiedlichen Lebensphasen mit eigenem Leid auseinanderzusetzen, die einen mehr, die anderen weniger. Wenn es um die Frage des Leides geht, dann gibt es keinen neutralen Zuschauerplatz, dann sind wir alle betroffen. Wir wollen einerseits die große Frage nach der „Gerechtigkeit Gottes“ im Blick haben, andererseits aber auch die eigene und persönliche Situation. Beide Fragestellungen wollen wir nun im Licht der biblischen Botschaft betrachten.

2 Der Ursprung des Leidens

2.1 Leid als Folge des Sündenfalls

2.1.1 Von der heilen zur vergänglichen Welt

Wir müssen bedenken, dass die ursprüngliche Schöpfung eine Schöpfung ohne Leid, ohne Schmerz, ohne Tod gewesen ist. Gott hatte die Schöpfung in seiner unendlichen Liebe, Weisheit und Allmacht, als eine „heile Welt“ geschaffen, die er als „gut“ und als „sehr gut“ bezeichnet hat. Adam und Eva verstießen gegen das Gebot Gottes und aßen die Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen. In der Folge des Sündenfalls kamen Tod, Zerfall, Schrecken, Angst und Not in die Schöpfung. Da der Mensch die Krone der Schöpfung ist, wurde mit seinem Fall auch die gesamte Schöpfung den schrecklichen Folgen des Sündenfalls ausgesetzt: „Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat -, doch auf Hoffnung“ (Rö 8,20). Alles Leiden in dieser Welt hat in der Verführung des Menschen durch Satan und dem Sündenfall ihre erste Ursache. Die Theodizeefrage wird nur dann richtig beantwortet, wenn wir den biblischen Bericht vom Sündenfall mit einbeziehen. Es ist wie das Hemd, das ich nur dann richtig zuknöpfe, wenn ich den untersten Knopf in das unterste Loch einführe. Wenn ich falsch anfange, werde ich auch falsch enden.

2.1.2 Eine leidvolle Erkenntnis

Gott hatte verboten, vom Baum der „Erkenntnis des Guten und des Bösen“ zu essen (1Mose 2,17). Die Schlange verführte Eva, indem sie sagte: „Gott weiß: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist“ (1Mose 3,5). Ausdrücklich wird erwähnt, dass gerade dieses Wissen Eva lockte. Sie aß davon, weil der Baum eine ganz bestimmte Erkenntnis verlieh, die nur Gott besaß. Es war nicht irgendein Wissen und nicht irgendeine Erkenntnis, sondern die Erkenntnis des „Guten und des Bösen“. Gottes Schöpfung war eine gute Schöpfung, so dass Adam und Eva sehr wohl wussten, was gut ist. Das „Böse“ kannten sie nicht. Dieses Wissen hatte Gott seinen Geschöpfen aus guten Gründen vorenthalten und ebenfalls mit gutem Grund ein strafbewehrtes Verbot ausgesprochen. Der Mensch wollte das Böse kennenlernen und widersetzte sich damit dem klaren Gebot Gottes. In der Folge lernte der Mensch das Böse kennen, indem er es selbst tat und selbst durchleiden musste. Evas Wunsch wurde erfüllt, denn wir wissen heute was das Böse ist. Wir kennen die Bosheit unseres Herzens, wir kennen die abgründige Bosheit der Menschheit, wir kennen Verrat, Betrug, Neid, Haß, Grausamkeit, wir haben in die Abgründe menschlicher Bosheit geblickt, haben die Bilder aus den Konzentrationslagern und von den Schlachtfeldern dieser Erde vor Augen. Die Erkenntnis des Bösen haben wir erlangt und damit Leid, Schrecken, Not und Elend über uns gebracht. Wir verursachen das Böse und werden selbst Opfer der Bösartigkeit Anderer.

2.1.3 Gott trifft keine Schuld

Es muss an dieser Stelle klar gesagt werden: Gott trifft in dieser Sache keine Schuld. Wenn Eltern ihr Kind ausdrücklich warnen, die ungesicherten Gleise in der Nachbarschaft zu betreten und das Kind um die tödlichen Folgen weiß, die das Betreten der Gleise nach sich ziehen kann, dann wird keiner den Eltern einen Vorwurf machen können, wenn das Unglück eintritt. Wir haben uns das Leiden in dieser Welt selbst zuzuschreiben. In unserer Überheblichkeit suchten wir eine Erkenntnis, die Gott uns aus guten Gründen vorenthalten wollte. Wir wollten diese Erkenntnis wider besseres Wissen und müssen sie nun auf schwerem Wege in einer von Gott abgefallenen Welt leidvoll erfahren. Die Schuld am Elend dieser Welt trifft zuerst Satan, den Lügner und Mörder von Anfang an (Joh 8,44) und in zweiter Linie den Menschen, der sich von Satan verführen ließ. Gott trifft sie nicht.

2.2 Leid als Folge menschlicher Bosheit

„HERR, warum stehst du so ferne, verbirgst dich zur Zeit der Not?  Weil der Gottlose Übermut treibt, müssen die Elenden leiden; sie werden gefangen in den Ränken, die er ersann.“ (Ps 10,1.2). Eine der wesentlichen Quellen menschlichen Leidens ist die Bosheit des Menschen. Der Gottlose treibt seinen „Übermut“ und quält damit seine Mitmenschen. Kain brachte den Tod über seinen Bruder Abel und so durchzieht es die gesamte Menschheitsgeschichte. Der Psalmist weiß sehr wohl um die Bosheit des Gottlosen, doch er weiß auch um die Fragen, die das „Nichteingreifen“ Gottes aufwirft: „Herr, warum stehst du so ferne, verbirgst dich zur Zeit der Not?“ Auch wenn ich das Leid dem bösen Menschen zuordnen kann, stellt sich die Frage nach der gefühlten „Untätigkeit Gottes“. Diese Frage trieb die Menschen auch nach Auschwitz um. Menschen trieben Menschen in Gaskammern und doch stellte und stellt sich die Frage nach Gottes Zulassung.

2.3 Leid als Folge persönlicher Schuld

„Denn es haben mich umgeben Leiden ohne Zahl. Meine Sünden haben mich ereilt; ich kann sie nicht überblicken. Ihrer sind mehr als Haare auf meinem Haupt, und mein Herz ist verzagt.“ (Ps 40) David stellt hier eigenes persönliches Leiden in Zusammenhang mit begangener Schuld. Ohne Frage gibt es hier direkte Verbindungslinien. David hatte die Ehe gebrochen und Uria ermorden lassen. In der Folge erlebt er selbst Leid als erzieherisches Strafgericht Gottes: „Siehe, ich will Unheil über dich kommen lassen aus deinem eigenen Hause.“ (2Sam 12,11). Trotz seiner Umkehr wird dieses Gericht an David noch vollzogen (2Sam 13). Auch wir wissen um den ursächlichen Zusammenhang von persönlicher Schuld und Leiden. Was für schreckliche und zerstörerische Folgen kommt über den Menschen, der sich den Drogen oder einer fremden Frau hingibt.

Allerdings muss hier deutlich gesagt werden, dass es hier keinen Schuld-Strafe-Automatismus gibt. Dieser ist ausdrücklich abzulehnen. Der Zusammenhang existiert zwar, aber nicht als Automatismus. Der Blindgeborene, den Jesus heilte, war genauso wenig Schuld an seinem Leiden wie seine Eltern (Joh 9,3). Jesus bestreitet hier einen Automatismus. Auch das Leben Hiobs zeigt dies, denn hier musste ein Unschuldiger Leiden, weil Satan darauf wettete, dass Hiob sich von Gott lossagen würde (Hiob 1,11).

2.4 Leid als Folge göttlichen Handelns

2.4.1 Wer wirkt das Unglück in der Stadt?

Die Bibel macht allerdings auch deutlich, dass Unglück und Leid nicht nur in der Zulassung Gottes stehen, sondern Gott selbst der aktiv handelnde Gott ist, auch in Unglück und Leid.

„Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe Unheil. Ich bin der HERR, der dies alles tut.“ (Jes 45,6.7)

„Ist etwa ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut?“ (Amos 3,6)

„Der Herr macht alles zu seinem Zweck, auch den Gottlosen für den bösen Tag.“ (Sprüche 16,4)

Wenn wir Gottes Wort an diesen Stellen ernst nehmen, dann geschehen Erdbeben oder Bombenangriffe auf Städte nicht nur unter der Zulassung Gottes, sondern es gilt auch hier: „Es ist kein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht tut“. Hier wird deutlich, dass die Bibel kein dualistisches Weltbild vertritt (z. B. Manichäismus), dass davon ausgeht, dass das Reich des Lichts und der Finsternis als gleichstarke Kräfte miteinander ringen. Aus biblischer Sicht ist Satan kein gleichstarker Gegengott, sondern ein von Gott erschaffenes, Gott untergeordnetes und von ihm kontrolliertes Wesen. Gott bleibt auch in einer von ihm abgefallenen, von Leid und Elend zerfurchten Schöpfung der souveräne und allmächtige Herr, der alles wirkt und so gebraucht, dass Gottes Ziele erreicht werden.

2.4.2 Der strafende Gott

Ohne Frage steht das vom Satan und vom Menschen verschuldete, aber von Gott gewirkte Unglück in direktem Zusammenhang mit dem Strafhandeln Gottes. Einmal sind die chaotischen Zustände und leidvollen Ereignisse in dieser Welt Aspekt eines allgemeinen Strafhandeln Gottes, das als Folge des Sündenfalls die ganze Schöpfungswelt immer wieder erschüttert. Zum Anderen gibt es auch ein ganz spezielles Strafhandeln Gottes, das als Folge persönlicher oder nationaler Sünde über Menschen und Völker kommt.

„Der HERR wird unter dich senden Unfrieden, Unruhe und Unglück in allem, was du unternimmst, bis du vertilgt bist und bald untergegangen bist um deines bösen Treibens willen, weil du mich verlassen hast. Der HERR wird dir die Pest anhängen, bis er dich vertilgt hat in dem Lande, in das du kommst, es einzunehmen. Der HERR wird dich schlagen mit Auszehrung, Entzündung und hitzigem Fieber, Getreidebrand und Dürre; die werden dich verfolgen, bis du umkommst.“ (5Mose 28,20)

Durch die Geschichte Israels wird dieser Zusammenhang sichtbar, z. B. wenn unfassbares Leid durch assyrische, babylonische oder römische Truppen verursacht wurde. Auch die Menschheit als Ganze wird am Ende dieses Äons schreckliche Gerichte als Folge des Abfalls von Gott durchleiden müssen (Offb 15,5ff). Man hüte sich allerdings auch hier, wie bereits unter 2.3 behandelt, im Falle von Krieg oder Erdbeben einen grundsätzlich gültigen Schuld-Strafe-Automatismus anzunehmen. Der entsetzliche Untergang des Dritten Reiches mag mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem solchen Schuld-Strafe-Zusammenhang stehen. Das Erdbeben in Japan, ist dagegen eher im Zusammenhang mit der vom Sündenfall herkommenden gestörten Schöpfungsordnung und dem Zustand der Vergänglichkeit dieser Schöpfung zu sehen.

2.4.3 Der verborgene Gott

In den Schrecknissen dieses Zeitalters und dem ungezählten Leid und Unglück dieser Welt, begegnet uns das Wirken des verborgenen Gottes. Martin Luther unterschied zwischen dem verborgenen Gott (Deus absconditus) und dem offenbaren Gott (Deus revelatus). Gott offenbart sich in seinem Wort und in seinem Sohn, aber oft genug ist er in seinem Handeln auch ein verborgener und unergründlicher Gott: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland (Jes 45,15)“. Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken, und seine Wege sind nicht unsere Wege (Jes 55,8). Wenn Gott das Unglück in der Stadt wirkt, die Erde erzittern lässt, Pest und Auszehrung schickt, dann handelt er als der verborgene und uns unverständliche Gott. Wir wissen meist nicht, warum es geschieht. Warum verliert eine Frau ihren Mann und bleibt mit drei kleinen Kindern zurück? Warum geschieht ein solch entsetzliches Erdbeben? Warum wird der zu Tode geschlagen, der doch helfen wollte? Wir kommen hier an unsere Grenzen und können Gott nicht verstehen und müssen bekennen, dass seine Gedanken einfach höher sind als unsere. Wir sind wie der Ton in der Hand des Töpfers: „Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du? und sein Werk: Du hast keine Hände!“ (Jes 45,9)

2.5 Der angefochtene Mensch

Der Mensch, auch wenn er geistlich gefestigt ist, wird unter dem Leid immer zu leiden haben und die Frage nach der Gerechtigkeit und Liebe Gottes wird sich ihm stellen auch wenn er ganz fest im Glauben verwurzelt ist. Immer wieder durchzieht die Psalmen die Frage des „Wie lange noch?“

„HERR, wie lange willst du mich so ganz vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir?“ (Ps 13,2)

„Herr, wie lange willst du zusehen? Errette doch meine Seele vor ihrem Unheil, mein Leben vor den jungen Löwen!“ (Ps 35,17)

„HERR, wie lange willst du dich so verbergen und deinen Grimm wie Feuer brennen lassen?“ (Ps 89,47)

Die biblischen Gläubigen wussten um die Existenz Gottes, sie wussten um die Gnade und Liebe Gottes und doch musste man sich gerade im Leiden zu dem verborgenen, gnädigen, liebenden Gott hindurchbeten. Am Kreuz betete Jesus mit den Worten des Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“. Mitten im Leiden ist Jesus weit weg vom Vater und doch ganz nah in ihm geborgen. Diese Erfahrung kann auch der vom Leid geplagte Mensch machen, wenn er sich betend an den Sohn des lebendigen Gottes wendet.

3 Das Leiden und der Trost Gottes

3.1 Gott ist bei denen, die leiden

„Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt, dessen Name heilig ist: Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum und bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen.“ (Jes 57,15) Gott ist einerseits der scheinbar ferne und verborgene Gott, der in heiligen Höhen wohnt, aber er ist eben auch der Gott, der in unsere Not und unser Elend hineinkommt. Er will uns trösten und erquicken. Dies wird auch in Jesaja 45,15 deutlich: „Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland“. Der verborgene Gott ist zugleich der rettende Heiland.

3.2 Der leidende Christus

In Jesus Christus wird der verborgene Retter offenbar und nicht ohne Grund offenbart sich Gottes Liebe in der Tiefe des Leidens. Die Sünde des Menschen brachte Leid und Elend über diese Menschheit. Christus kam, um den Menschen aus seinem selbstgemachten Leid und Elend zu erretten, musste aber dafür den Preis schrecklicher Schmerzen und Leiden auf sich nehmen:

„Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, daß man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53,3-5)

Jesus Christus nimmt die Folgen des Sündenfalls auf seine Schultern. Er bezahlt die schwere Strafe für die Sünde des Menschen (Rö 6,23). Er nimmt den Fluch und das Strafgericht Gottes auf sich (Gal 3,13). Unsere Schmerzen, unser Leid und unser Unheil treffen den unschuldigen Sohn Gottes.

3.3 Gott tröstet in der Tiefe

Der Gott, der selbst gelitten hat, ist der Gott, der auch helfen kann: „Denn worin er selber gelitten hat und versucht worden ist, kann er helfen denen, die versucht werden“ (Hebr 2,17). Jesus ist der wahre Helfer und Tröster. Für ihn ist unser Leid kein Fremdwort und keine bloße Theorie, denn er hat es selbst durchkämpft und durchlitten. Wir dürfen uns im persönlichen Leid und in großer Not an ihn wenden:

„Rufe mich an in der Not, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen.“ (Psalm 50,15)

„Weil die Elenden Gewalt leiden und die Armen seufzen, will ich jetzt aufstehen«, spricht der HERR, »ich will Hilfe schaffen dem, der sich danach sehnt.“ (Ps 12,6)

„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, 4 der uns tröstet in aller unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott.“ (2Kor 1,3.4)

Und so können wir singen mit dem Liederdichter Joachim Neander: „Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet, der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet. In wieviel Not hat nicht der gnädige Gott über dir Flügel gebreitet.“ Gott begegnet uns in der Tiefe und er will, dass wir ihn aus der Tiefe anrufen und er will uns in der Tiefe trösten.

3.4 Wenn Leid den Glauben vertieft

Für den Christen hat das Leid noch eine tiefere Dimension. Im Leiden erfährt der Mensch in besonderer Weise die Nähe Gottes und eine Vertiefung seines Glaubens. Der Christ weiß, dass ihm alle Dinge, also auch das Leiden zum Besten dienen müssen (Römer 8,28). Er weiß, dass ihm durch den Trost Gottes auch zugleich der Glaube an Gott vertieft wird (Ps 50,15). Am Beispiel Hiob wird deutlich, wie das Leiden am Ende zu einer wunderbaren Vertiefung der Gottesbeziehung führte (Hiob 42,4). Die Anfechtungen der leidenden Christen, sind ein Mitleiden mit Christus (Rö 8,17), die den Glauben als echt erweisen (1Petr. 1,6ff) und den Christen für die Vollendung vorbereiten (Jak 1,2-4).

Der verborgene Gott, den wir nicht verstehen, wenn wir das Leid dieser Welt betrachten, wird uns zum offenbaren Gott, wenn wir ihm in der Tiefe des Leidens begegnen. So konnte Blaise Pascal schreiben: „Eine Stunde der Schmerzen lehrt uns mehr als alle Philosophen zusammen“. In diesem Zusammenhang können wir dann unsere Ausgangsfrage anders formulieren. Der Christ kann dann fragen: Herr, wozu lässt du das Leiden zu? Welche Ziele verfolgst du damit? Was willst du mir in deiner (züchtigenden) Liebe zeigen (Hebr 12,6)? Herr, wie kann ich in dieser Tiefe Dir begegnen, mehr von Dir erkennen, Deinen Trost erfahren?

3.5 Gottes Antwort auf die Theodizeefrage des Menschen

Mit der Theodizeefrage stellt der Mensch die Frage nach der Gerechtigkeit Gottes angesichts einer ungerechten und leidenden Welt. Gottes Wort zeigt uns, dass Gott auch angesichts des Leides in dieser Welt ein gerechter Gott ist, der durch alles Unglück dieser Welt hindurch unseren Frieden und unser Heil will:

„Der Herr schafft Gerechtigkeit und Recht all denen, die Unrecht leiden.“ (Ps 103,6)

„Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.“ (Jer 29,11)

Der Mensch erkennt am Kreuz, dass Leid und Tod die Folge der Sünde des Menschen sind. Er erkennt, dass nicht Gott, sondern der Mensch schuldig ist. Der Mensch muss bekennen: Gott ist gerecht, wenn er die Erde mit Zorn, Unglück und Leid straft und die Menschheit als Folge ihres Ungehorsams durch Leid und Elend hindurchmuss.

Zugleich aber erkennt der Mensch am Kreuz, dass der gerechte Richter zugleich der liebende Vater ist: „Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden“ (1Joh 4,10). Gott hat sich nicht von dieser Welt abgewandt, sondern er hat sich dieser Welt zugewandt. Durch die Qualen des Sohnes Gottes hindurch finden wir den gerechten, den liebenden, den rettenden Gott, der nicht unser Leid, sondern unsere Rettung und unser Heil will. Eine tragfähige Antwort auf die Frage der Theodiezee findet der Mensch erst am Kreuz von Golgatha und in der Begegnung mit dem auferstandenen Christus.

4 „Und Gott wird abwischen alle Tränen“

4.1 Die neue Schöpfung

Vom leidenden Christus am Kreuz muss nun unser Blick auf den auferstandenen Christus gehen: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. Denn da durch einen Menschen der Tod gekommen ist, so kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht“ (1Kor 15,20-22). Jesus ist damit der Erstling einer neuen Schöpfung, in der es kein Leid, keinen Schmerz und keinen Tod mehr geben wird. Gott wird einen neuen Himmel und eine neue Erde erschaffen, in der es kein Leiden mehr gibt:

„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiß!“ (Offenbarung 21,1-5)

4.2 Der gerechte Gott

Am Ende dieses Äons und all seiner Schrecken werden die Erlösten, Gott für seine Gerechtigkeit preisen:

„Und ich sah ein andres Zeichen am Himmel, das war groß und wunderbar: sieben Engel, die hatten die letzten sieben Plagen; denn mit ihnen ist vollendet der Zorn Gottes. Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen  und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker.  Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“ (Offenbarung 15,1ff)

Erst dann werden wir Gottes Wege ganz verstehen auch die schweren und leidvollen Wege, die das Leben der Menschheit und des einzelnen Menschen bis heute kennzeichnen. Wir werden nicht mehr die „Theodizeefrage“ stellen, sondern Gott für seine Gerechtigkeit, die er auch durch seine leidvollen und schmerzhaften Gerichte wiederhergestellt hat, preisen.

5 Leid – Warum lässt Gott das zu?

Wenn wir danach fragen, wer für das Leiden dieser Welt verantwortlich ist, dann zieht die Bibel den Blick auf den Menschen, der sich von Satan verführen ließ und Gottes Wort missachtete. Nicht Gott kann also für die Leiden dieser Welt verantwortlich gemacht werden, sondern zum Einen Satan und zum Anderen der Mensch. Dennoch müssen wir auch erkennen, dass Gott auch in einer gefallenen Schöpfung der souveräne Gott ist und bleibt. Somit ist auch Unglück und Leiden nicht nur von ihm „zugelassen“, sondern regelrecht von ihm gewirkt. Der Mensch fällt an diesem Punkt in schwere Anfechtung, weil er nicht begreift, warum Gott solches tut. Gott handelt als der „verborgene Gott“, wenn er durch das Leiden dieser Welt hindurch, Gericht hält und Strafe vollzieht, aber vor allem auch rettet, versöhnt und Heil schafft. Das Geheimnis der Theodizeefrage wird am Kreuz von Golgatha gelüftet. In den entsetzlichen Leiden des Gottessohnes begegnet uns die Liebe des himmlischen Vaters, der nicht unser Leid und Elend will, sondern uns eine herrliche Zukunft in seiner neuen Schöpfung geben will. Wer an Jesus Christus glaubt, erhält freien Zugang zu dieser herrlichen neuen Schöpfung, in der es weder Leid, noch Tränen, noch Tod mehr geben wird.

Prediger Johann Hesse, Walsrode, 24.03.2011

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 26. März 2011 um 9:00 und abgelegt unter Predigten / Andachten, Seelsorge / Lebenshilfe, Theologie.