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Bemerkungen zur Freigabe des Pfarrhauses für verpartnerte Homo-Paare

Donnerstag 24. März 2011 von Prof. Dr. Günter R. Schmidt


Prof. Dr. Günter R. Schmidt

Bemerkungen zur Freigabe des Pfarrhauses für verpartnerte Homo-Paare

1.) Diese Frage gehört in den Gesamtzusammenhang der christlichen Sexualethik. Die biblische Grundlage dafür findet sich in Markus 10, 2-9. Jesus antwortet hier auf eine Detailfrage von der Grundstruktur des Geschlechterverhältnisses her, die in Genesis 1, 27 und 2, 24 umrissen wird: Die Pharisäer traten zu ihm und fragten: „Ist es einem Mann erlaubt, sich von seiner Frau zu trennen?“ Er antwortete ihnen mit einer Gegenfrage: „Was hat euch Mose geboten?“ Sie erwiderten: „Mose hat erlaubt, ihr eine Scheidungsurkunde auszustellen und sie dann wegzuschicken.“ Jesus sagte zu ihnen: „Wegen der Härte eurer Herzen hat euch Mose dieses Gebot aufgeschrieben. Von Beginn der Schöpfung her schuf Gott den männlichen und den weiblichen Menschen. Deshalb wird ein Mensch seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhaften. Die beiden werden zu einem Fleisch werden. So sind sie nicht mehr zwei Wesen aus Fleisch und Blut, sondern eines. Was also Gott zusammen gefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“

Aus diesen wenigen Worten Jesu ergibt sich alles, was christlich zu sexualethischen Themen zu sagen ist:

Sich über alle geschichtlichen Wandlungen hinweg durchhaltende Urgegebenheiten sind das Gegenüber der Geschlechter, ihre wechselseitige Anziehung und ihre leibliche Vereinigung. An diesem offensichtlichen Sachverhalt gibt es nichts zu deuteln. Er ist gleichsam ideologieunabhängig. Jesus liest daran aber auch ethische Folgerungen ab: Die beiden bilden eine neue Lebenseinheit, die den Vorrang vor allen anderen Bindungen hat, auch vor der an die Eltern. Sie ist jeder menschlichen Verfügung entzogen und nicht mehr rückgängig zu machen. Wer diese neue, auf Dauer angelegte Lebenseinheit zerstören will, widersetzt sich dem Willen des Schöpfers. Sie ist so wenig trennbar, wie daraus hervorgehende neue Wesen. In dem Textzusammenhang, dem Jesus seine Zitate entnimmt, ist ja auch von Nachkommen die Rede. So wie ein Mensch nicht zerteilt werden kann, so kann es auch das Paar nicht, dem er entstammt. Wie er bildet es eine objektive Lebenseinheit, nicht nur eine subjektive.

2.) Die Argumentation Jesu stellt geradezu den klassischen Fall eines ethischen Denkens dar, welches an Seinsstrukturen Sinn abliest. Man könnte hier sogar noch deutlicher werden: Es ist offensichtlich, dass der weibliche Schoß darauf angelegt ist, das männliche Glied aufzunehmen. Welche Körperöffnung soll dazu bei einem anderen Mann vorgesehen sein? Wenn hier jemand einwendet, dieser Hinweis gehöre in den Bereich der Anatomie, nicht der Theologie, dann muss gefragt werden, wieso eigentlich Anatomie theologisch irrelevant sein soll. Wer hier von einem naturalistischen Fehlschluss redet, muss sich fragen lassen, ob ein solcher nicht eher da vorliegt, wo homosexuelle Neigungen und Verhaltensweisen aus ihrem gelegentlichen faktischen Vorkommen legitimiert werden.

3.) Die Ehe, deren Grunddaten Jesus in dem zitierten Markus-Text hervorhebt, ist der Maßstab für die Bewertung menschlichen Sexualverhaltens. Je weiter sie von ihr entfernt liegen, desto negativer sind sie zu bewerten. Gegen das Kriterium ´dauerhafte Lebenseinheit` verstößt am eklatantesten die Prostitution, gegen das Kriterium ´Gegenüber der Geschlechter` das homosexuelle Verhalten. Es gibt deshalb keine theologischen Argumente, mit denen sie aufgewertet werden könnten.

Grundsätzlich gibt es nach christlich-ethischer Einsicht nur zwei Leitvorstellungen: die dauerhafte und ausschließliche, liebende und für Kinder offene Verbindung eines Mannes mit einer Frau – die Ehe und das ehelos enthaltsame Leben – den Zölibat. Der letztere bedürfte im protestantischen Durchschnittsbewusstsein dringend der Aufwertung. Denn er eröffnet reiche Möglichkeiten christlichen Engagements und kann gerade deshalb bewusst gewählt werden.

4.) Wer in der obigen Weise auch heute sexualethisch argumentiert, kann sich auf einsehbare Sachverhalte stützen, auf die ethischen Einsichten die sich in den Schöpfungserzählungen niedergeschlagen haben, auf die Autorität Jesu – das ist ja nicht einfach irgendwer! – auf apostolische Äußerungen nach Jesus , auf die einmütige Auslegungstradition im breiten Strom der Christenheit und auf die Einmütigkeit der Ökumene über konfessionelle Grenzen hinweg. In Zweifel gezogen wird diese Sichtweise nur in einigen Bereichen des Protestantismus, hier aber gegen den Widerstand innerhalb dieser Bereiche selbst.

5.) Der Hinweis auf Bibelstellen wie 1. Korinther 6, 9-11, 1.Timotheus 1,10 und Römer 1, 18-32 kann nicht einfach als „biblizistisch“ oder „fundamentalistisch“ abgetan werden, wenn er zu den grundsätzlichen Erwägungen nur bestätigend hinzutritt. Von diesen hat die letzte allerdings beträchtliches Gewicht, sieht sie doch homosexuelles Verhalten als eine tiefgehende Störung menschlicher Beziehungen, welche aus der Störung der Gottesbeziehung folgt. Wirken dann nicht auch umgekehrt homosexuelles Verhalten und Versuche seiner Legitimierung schädigend auf die Gottesbeziehung und damit pastorale Tätigkeiten zurück? Auch von dieser Überlegung her legt es sich nahe in homosexuellen Neigungen und der Entschlossenheit, diese zu betätigen, ein Ordinationshindernis zu sehen.

6.) Weder die grundsätzlichen Überlegungen im Anschluss an Markus 10, 2 – 9 noch die aufgeführten Bibelstellen eröffnen die Möglichkeit, zwischen erlaubten und unerlaubten Formen homosexueller Betätigung zu unterscheiden. Die sexuelle Berührung von Personen des gleichen Geschlechts wird uneingeschränkt abgelehnt.

So kann Homosexualität mit christlich-ethischen Argumenten nicht so aufgewertet werden, dass das entsprechende Verhalten für Christen eine ethisch unbedenkliche Option wäre. Diese hart klingende Aussage leugnet nicht die gleiche Menschenwürde homo-veranlagter Mitmenschen, sondern weist in Richtung Askese.

Wenn die katholische Kirche ihren Priestern den Zölibat auferlegt, dann kann die evangelische von homo-orientierten Pfarrern den Verzicht auf das Ausleben ihrer Veranlagung erwarten. Kein Christ wird von außen gezwungen, das geistliche Amt zu übernehmen. Wen aber der Geist Gottes beruft, dem wird er auch die Kraft zur Askese nicht vorenthalten. Generell dient das geistliche Amt der Gemeinde, nicht der Selbstverwirklichung seines Inhabers, es sei denn man versteht unter ´Selbst` die „neue Kreatur“, die durch das „in Christus Sein“ entstanden ist (2. Korinther 5, 17).

7.) Ins Zentrum der Menschenwürde gehört das individuelle Gewissen. Es ist nicht zu bestreiten, dass manche homo-veranlagte Christen nach ehrlicher Abwägung ethischer Gesichtspunkte und ebenso aufrichtiger Selbstprüfung zu dem Ergebnis kommen, ihrem Leben in einer Homo-Partnerschaft, die nach ethischen Kriterien wie die Ehe gestaltet wird, also Dauer, Verlässlichkeit, Zuneigung zum anderen und Bereitschaft, sich voll und ganz für ihn einzusetzen, einschließt, stehe von ihrem christlichen Glauben her nichts entgegen. Ihre Partnerschaft bereichere ihr Leben, und sie könnten sie in Dankbarkeit gegen Gott leben. Eine solche Gewissensentscheidung ist von anderen Christen zu achten, auch wenn sie ihnen in ihrem Inhalt als „irrig“ gilt.

Die theologische Tradition kennt den Begriff des „irrenden Gewissens“ (conscientia errans, conscientia erronea) und erkennt an, dass es dennoch verbindliche Orientierung bietet. Christen haben deshalb die Menschenwürde und das Gewissen von Homo-Verpartnerten zu achten, ihnen nicht anders zu begegnen als anderen Mitmenschen und sich um unverkrampfte Beziehungen zu ihnen zu bemühen. Ihre besondere Lebensform rechtfertigt Diskriminierung so wenig wie andere Persönlichkeitsmerkmale.

8.) Die Achtung vor der Menschenwürde, besonders der Gewissensentscheidung von Homo-Verpartnerten, legitimiert aber nicht die Forderung nach kirchenamtlicher Anerkennung des Inhalts ihrer Gewissensentscheidung. Eine solche inhaltliche Anerkennung wäre gegeben, wenn eine trauungsähnliche Zeremonie für den Beginn der Partnerschaft, die Ordination so Verpartnerter und ihr Zusammenleben im Pfarrhaus gewährt würden. In dem Maße, wie eine Landeskirche solche Zugeständnisse macht, verabschiedet sie sich von der Bibel, der moraltheologischen Tradition und den Kirchen, die weiterhin an diesen Richtgrößen festhalten, und veruntreut einen wesentlichen Inhalt des Glaubenslehre, die sie bewahren und unversehrt weitergeben muss (1.Timotheus 6,20). Sie schert aus dem Zeiten und Räume übergreifenden Magnus Consensus der Christenheit aus und macht sich zur Sekte. „Diejenigen, die eine einem Moralgebot entgegengesetzte Lehre vertreten, sind sicher nicht die Kirche Gottes.“ (Melanchthon, Responsiones ad art. inquis.1558, XXVII)

9.) Christliche Homo-Orientierte – den einfacheren Ausdruck „schwul“ habe ich nicht verwendet, als er noch ein Schimpfwort war, so muss ich ihn denen, deren Menschenwürde ich achten will, und mir selbst auch jetzt nicht zumuten – müssen ihr Gewissen darauf hin prüfen, ob es ihnen wirklich um die Kirche geht oder ob sie die Kirche zur gesellschaftlichen Aufwertung ihrer Veranlagung benutzen wollen. Wem es wirklich um die Kirche, genauer ihre Wirkungsmöglichkeiten für das Evangelium, geht, wird es vermeiden wollen, Konflikte in sie hineinzutragen, die ihr inneres Leben und ihre Ausstrahlung beeinträchtigen.

10.) Christen werden zwar nicht durch Werke gerecht, sondern allein durch den Glauben, werden aber durch die Rechtfertigung hindurch auf den Weg der Heiligung gewiesen. Für die Heiligung stellt die Bibel Orientierungshilfen bereit, deren Missachtung nicht einfach folgenlos bleibt (2 Co 5, 10; Rm 14, 10). Sicher gelten diese Orientierungshilfen gleichermaßen für Amtsträger und Gemeindeglieder. Amtsträger haben aber die christliche Lehre, zu der auch die Ehe als Lebensform und ethisches Kriterium gehört, öffentlich zu vertreten, nicht zuletzt auch Trauungen durchzuführen. Die Gemeinde liest auch am Leben des Pfarrers ab, wie ernst die Lehre gemeint ist. Gegenwärtig wird die christliche Auffassung von der Ehe ohnehin kirchlicherseits nicht mit der Bestimmtheit öffentlich vertreten, wie es angemessen wäre. Die Akzeptanz von sukzessiver Promiskuität, Konkubinat, Ehescheidung und Wiederverheiratung Geschiedener werden in der Kirche fast so wenig problematisiert wie in der Gesellschaft. Mit verpartnertem Dasein im Pfarrhaus würde signalisiert, dass christlichen Auffassungen von Sexualität insgesamt kaum Bedeutung zukommt. Würde aber christliche Ethik zu diesem Fragenkreis von einem verpartnerten Pfarrer deutlich vertreten – was psychologisch ziemlich unwahrscheinlich ist -, dann würde die Gemeinde einem double bind, konträren Botschaften des gleichen Senders, ausgesetzt.

11.) Dadurch, dass von den Verantwortlichen in der Kirche nicht von Anfang an homosexuelle Neigung mit dem Willen zur praktischen Realisierung als Ordinationshindernis herausgestellt wurde, sind sie nun auf ein Gleis geraten, auf dem sie nicht mehr umkehren, sondern nur noch weiterfahren können. Wer A sagt, muss auch B sagen, dann C. Folgerichtig wird jetzt für Verpartnerte die gemeinsame Wohnung im Pfarrhaus gefordert, dann eine Kasualzeremonie analog der Trauung, dann die Abschaffung des Rechtes von Kirchenvorständen auf Ablehnung der Installation von Verpartnerten („Diskriminierungsverbot“).

12.) Bei dem Streit um die Rechte von Homo-Orientierten in der Kirche geht es nicht nur um Homosexualität, sondern darüber hinaus um Grundfragen wie der nach sich durchhaltenden Grundstrukturen des Menschlichen, der Bedeutung ethischer Wertungen der Bibel, der Spezifizität christlicher Ethik und dem Verhältnis von Kirche und Gesellschaft u.a. Kann man biblische Wertungen einfach mit dem Hinweis auf ihre „Kontextualität“ als zeitgebunden und daher heute nicht mehr gültig abtun? Fällt christliche Ethik mit profaner einfach zusammen, oder gibt es außerhalb der Überschneidungsbereiche auch Specifica christiana? Ist die Kirche nur Teil der Gesellschaft oder auch ihr kritisches Gegenüber („Wächteramt“)? Haben etwa manche säkulare Entwicklungen gar Offenbarungsqualität, so dass sie auch von Seiten der Christen anerkannt werden müssten? Sind nicht manche christliche Positionen nicht mehr zeitgemäß? (weiterführende Vermutung: Vielleicht ist es ja das Christentum insgesamt nicht!)

13.) Dem kritischen Kirchenglied kann kaum verborgen bleiben, dass sich etliche Verlautbarungen kirchenleitender Organe in den letzten Jahrzehnten kaum auf Schrift und Bekenntnis stützten und Proteste aus dem Kirchenvolk ziemlich wirkungslos verhallten. Sie wurden von den Verantwortlichen erfolgreich ausgesessen. Soll das dieses Mal wieder so sein? Wenn der Kapitän und die Offiziere das Schiff beharrlich in die falsche Richtung steuern, dann wird es Zeit, dass Matrosen und Passagiere meutern!

Prof. Dr. Günter Rudolf Schmidt, März 2011, Erlangen

Prof. Dr. Günter Rudolf Schmidt war Professor für Praktische Theologie an der Universität Erlangen.

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 24. März 2011 um 19:04 und abgelegt unter Kirche, Sexualethik.