Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

„Verkündigung im Angriff“

Montag 7. März 2011 von Administrator


„Verkündigung im Angriff“ – Impulse aus dem Lebenswerk des Evangelisten Wilhelm Busch

Im Jahr 2010 erschien die Dissertation des Nümbrechter Gemeindepfarrers Wolfgang Becker im Neukirchener Verlag: „Wilhelm Busch als evangelistischer Verkündiger“. 564 Druckseiten umfasst die Untersuchung des Lebensweges und Lebenswerkes des bekannten „Pastors Busch aus Essen“. Zusätzliche 295 Seiten Anhang sind dem Band 14 der „Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung“ (Herausgeber Prof. Michael Herbst u.a.; 44,90 Euro) auf CD-Rom gespeichert beigefügt. Im Sommer 2008 wurde die zunächst von Prof. Christian Möller, später von Prof. Jörg Ohlemacher betreute Arbeit in Greifswald als Promotionsschrift angenommen.

Wolfgang Becker wählt einen biographischen Ansatz für seine Untersuchung, anders als Martin Staebler, der 2009 die wohl erste wissenschaftliche Studie zu Busch veröffentlicht hat („Pastor Wilhelm Busch. Biografische Notizen als Gestaltungsmittel der Verkündigung“). Bei der Begründung dieses Ansatzes verweist Becker auf Busch, der selbst viele Biographien veröffentlicht hat in der Überzeugung, dass Gott „Menschen als Werkzeuge“ gebraucht und dass „man… nur durch Vorbilder lernt“. Das Nachzeichnen des Lebensweges soll deutlich werden lassen, wie sich bei dem langjährigen Leiter der evangelischen Jugendarbeit am Weigle-Haus in Essen „persönliche, katechetische, literarische und öffentlich-predigende Verkündigungsformen ergänzen“.

Infolgedessen besteht der Hauptteil des Buches aus der Beschreibung von neun Lebensabschnitten von der Kindheit in Elberfeld (ab 1897), dem Kriegsdienst mit der Bekehrung (1918) über das Studium bei Adolf Schlatter und Karl Heim in Tübingen (1919-22) bis hin zum Vikariat in Bielefeld-Sudbrack (1922-24) und dem Pfarramt (1924-30) und Jugendpfarramt in Essen (1930-66). Ein eigenes Kapitel ist der evangelistischen Homiletik Buschs gewidmet. Die Anhänge auf CD-Rom beinhalten neben Stammbäumen und Hintergründen zur Familiengeschichte auch eine neunzigseitige Bibliographie der Busch-Schriften.

Lohnt es sich, das Buch zu lesen? Es lohnt sich, weil die Lebensspur des außergewöhnlichen Evangelisten Busch für jeden Pfarrer, Verkündiger und Mitarbeiter bis heute unmittelbar anregend und motivierend wirkt. Unter der Vielzahl möglicher Impulse seien folgende angeführt:

a) Gewissheit finden. Mitten im fröhlichen Pausengespräch wird der Soldatenkamerad von einem Bombensplitter tödlich getroffen. Der Tod führt direkt vor Gottes Angesicht, fällt Wilhelm Busch ein. Vor Gott würde das eigene gottferne Leben keinen Bestand haben. Ein Neues Testament, das die Mutter eingepackt hat, führt den jungen Mann zu 1.Tim 1,15, zum Glauben und zur Gewissheit, einen erlösenden Herrn zu haben (54f).

b) Gespräche wagen. Im Bergarbeiterrevier stößt Vikar Busch auf chaotische Familienverhältnisse, Alkoholismus, links- und rechtsradikale politische Gruppierungen und große Distanz zur Kirche. Trotzdem spricht er als Botschafter des Evangeliums Menschen auf der Straße an oder sucht sie zuhause auf und steuert ohne Scheu auf das Thema „Jesus Christus“ zu. Als eine Männergruppe einen Überfall auf ihn plant, sucht er in der nächtlichen Stadt diese Gegner auf und verwickelt sie in ein Gespräch über soziales Unrecht und über Gott. Er beschließt, „die Furcht“ „nie mehr“ über sich herrschen zu lassen (128-130).

c) Neues ausprobieren. Im Essener Jugendhaus veranstaltet Busch anfangs der 30er Jahre eine „Universität für Erwerbslose“. Lehrangebote zu verschiedensten Themen sorgen für eine Fortbildung von 2500 jugendlichen und 500 erwachsenen Arbeitslosen, die ihnen das Gefühl der Sinnlosigkeit und Verzweiflung nehmen. Nach dem Protest Buschs gegen die Gleichschaltung der Jugendverbände entziehen die Nationalsozialisten diesem Projekt ihre Unterstützung (154-156).

d) Widerstand leisten. Allein im Jahr 1935 wird Busch acht Mal von der Gestapo vorgeladen und verhört wegen seiner kritischen Haltung gegenüber Hitlerjugend und Nazi-Staat. Als Mitglied der Bekennenden Kirche warnt er vor jeder Zusammenarbeit mit einer Regierung, die die Kirche gängelt und manipuliert. Nach einem evangelistischen Vortrag in der überfüllten Darmstädter Pauluskirche am 1. April 1937 wird Busch festgenommen. Die Menge, die den Wagen der SS umringt, singt dem Verhafteten den Choral zu: „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich“ zu. Im Gefängnis ergibt sich überraschenderweise die Gelegenheit zu einem missionarischen Gespräch. Das Angebot, sich die Freiheit durch den Verzicht auf Evangelisation zu erkaufen, erlebt der Prediger als schwere Versuchung, der er letztendlich widersteht (228.241-245).

e) Chancen nutzen. Die neue Freiheit nach dem Ende der Nazi-Diktatur nutzt der Evangelist mit der besonderen Gabe, Menschen anzusprechen, sehr intensiv. Eine vierzehntägige Evangelisationsreise durch Schleswig-Holstein im Mai 1947 umfasst vierzehn Reisestationen. Am Himmelfahrtstag predigt Busch morgens im Gottesdienst in Husum, anschließend bei zwei Jugendtreffen in Glücksburg und Eckernförde mit mehreren tausend Zuhörern, um abends in der Rendsburger Garnisonskirche sieben Minuten lang „ein Wort wie nie zuvor“ zu 2000 jungen Menschen zu sagen. Er versteht es, den lachenden und gefesselten Zuhörern das Kreuz vor Jesus glaubenweckend vor Augen zu malen, auch unter Bezugnahme auf Kunstwerke, von denen Busch viel versteht. Allerdings erleidet der unermüdlich Engagierte in dieser Zeit auch Schwächeanfälle (282-286).

f) Jugendliche gewinnen. Jeden Sonntag um 8.30 Uhr hält der Theologe, der 36 Jahre seines Lebens im Jugendpfarramt verbringt, einen Gottesdienst im Weigle-Haus für 1000 Teilnehmer. Anschließend besuchen Mitarbeiter 2500 Jugendliche in Essen, bei denen sie Verteilschriften Buschs verschenken. Bei den Jugendprogrammen am Nachmittag werden im Weigle-Haus biblische Geschichten erzählt und spannende Bücher vorgelesen. Mitarbeiter legen bei einer Bibelstunde gemeinsam einen Text aus. Viele Mitarbeiter Buschs treten später als führende Theologen hervor, wie Professor Dr. Klaus Bockmühl, Pfarrer Ulrich Parzany, Präses der westfälischen Kirche Dr. Heinreiß Reiß oder Landeskirchenrat Klaus Teschner (315-327).

g) Zuhörer erreichen. Die fünf häufigsten Themen bei mehrtägigen Evangelisationsveranstaltungen, darunter häufig sogenannte „Evangelische Wochen“ von fünf Tagen Dauer, lauten: 1) Kann denn Liebe Sünde sein? 2) Gott ja! – aber warum Jesus? 3) Wann geht die Welt unter? 4) Glauben Sie, dass Beten hilft? 5) Ich habe keine Zeit! Busch will zwar prinzipiell gerade nicht einfach von den Fragen der Menschen ausgehen, sondern meint, dass der Mensch hören soll, was ihm Gott zu sagen hat. Dennoch bemüht er sich jenseits einer „falschen Volkstümlichkeit“, „so zu predigen, dass das Wort Gottes vom Hörer gehört und verstanden werden kann“. Dazu sollen die klaren Gliederungen und die für Busch typischen Erzählungen von Alltagserlebnissen dienen. Seine auf gründlicher exegetischer und dogmatischer Vorarbeit basierenden Reden zielen auf das Wunder der Bekehrung bei Ungetauften und Getauften ab, das nicht vom Menschen herbeizuführen, sondern nur von Gott zu wirken ist. Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Wortes Gottes überwindet das Zurückschrecken vor der evangelistischen Aufgabe: „Wir haben das Evangelium zu verkündigen…, nicht weltfremd, sondern als Angriff Gottes zur Rettung verlorener Menschen.“ (337.421f.424-449).

h) Schreibend evangelisieren. Buschs Predigten erscheinen in der Flugblattreihe „Kirche am Markt“. Ihre Wirkung lässt sich exemplarisch an einem antikirchlich eingestellten Schriftsetzer ablesen, der im Laufe der Zeit durch die Texte zum Glauben kommt. Andachten und Artikel veröffentlicht der Prediger in Flugblättern, in der Zeitschrift „Licht und Leben“ oder dem Neukirchener Abreißkalender. Das Buch „Jesus, unser Schicksal“, eine Abschrift von Tonbandaufnahmen von siebzehn Evangelisationsreden, erscheint ein Jahr nach Buschs Tod. Mittlerweile liegt das Werk, das nachgewiesenermaßen vielen Menschen zum Glauben gehol-fen hat, in 44. Auflage bei über 2 Mio verkauften Exemplaren vor (366-377).

Der im Anhang dokumentierte Evangelisationsvortrag Buschs zur Frage „Wozu Jesus?“ schließt folgendermaßen (652):

„Im Dreißigjährigen Krieg hat Paul Gerhardt gedichtet: ‚So will ich zwar nun treiben / Mein Leben durch die Welt, / Doch denk ich nicht zu bleiben / In diesem fremden Zelt. / Ich wandre meine Straßen,/ Die zu der Heimat führt, / Da mich ohn alle Maßen / Mein Vater trösten wird.‘ Ich wünsche Ihnen, dass Sie auch so durch die Welt gehen können. Das können Sie mit Jesus. Wozu Jesus? Es hängt alles, aber auch alles davon ab, dass Sie ihn kennenlernen.“

Pfr. Dr. Tobias Eißler, Gunzenhausen

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 7. März 2011 um 12:32 und abgelegt unter Buchempfehlungen, Rezensionen.