Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Sterbehilfe – Wer hilft hier wem?

Dienstag 23. März 2010 von Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann


Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann

Sterbehilfe – Wer hilft hier wem?

 „Sterbehilfe – Wer hilft hier wem?“ – diese Frage führt, wenn man sie genauer bedenkt, in der Tat auf bemerkenswert unterschiedliche Antworten. Nehmen wir nur etwa das Wort „Euthanasie“, das heute ja weithin das meint, was wir auch mit dem Wort „Sterbehilfe“ bezeichnen! Das historisch erste Zeugnis, in dem wir das Wort „Euthanasie“ antreffen, findet sich bei dem griechischen Dichter Posidipp, bei dem wir – sinngemäß übersetzt – lesen: „Wer immer von den Göttern einen guten Tod – die ‚Euthanasie’ – erbittet, der kann nichts besseres bitten“. „Sterbehilfe“ – die leisten hier, bei den alten Griechen, die Götter den Menschen, wie es bei ihnen umgekehrt auch einige sehr explizite Verbote gab, daß Menschen Menschen zum Sterben helfen – das bekannteste ist hierbei der Hippokratische Eid, in dem es heißt: „Ich werde niemandem eine Arznei geben, die den Tod herbeiführt, auch nicht, wenn ich darum gebeten werde, auch nie einen Rat in dieser Richtung erteilen“[1]. Aber auch bei den alten Christen lagen die Dinge betreffs „Euthanasie“ nicht anders: Clemens von Alexandrien etwa, der große Theologe des beginnenden 3. Jhds., zählt „Eugerie und Euthanasie“, also ein gutes Alter und den guten Tod, zu den tausend Dingen, die Gott uns schenkt, ohne selbst an ihnen teilzuhaben: denn Gott selbst ist ohne Alter und ohne Tod[2]. Entsprechend ist in der Kirche, auch bei Luther, lange ganz selbstverständlich um den „guten Tod“ gebetet worden, und wir kennen sicher alle jene schöne Strophe von Paul Gerhardt, in der der Liederdichter beschreibt, wie er sich die wahre „Sterbehilfe“ vorstellt:

 „Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten Kraft deiner Angst und Pein!“

Die Sache ändert sich freilich, was das Wort „Euthanasie“ betrifft, zu Beginn der Neuzeit, wo erstmals Überlegungen auftauchen, zur Unterstützung des vormals frommen Wunsches nun auch die ärztliche Kunst zu Rate zu ziehen. Francis Bacon (1561-1626), der bekannte englische Staatsmann, Wissenschaftsreformer und Förderer des neuzeitlich-technischen Denkens, spricht von einer „euthanasia exterior“, die der Arzt dem Sterbenden leisten könne[3]. Damit ist zwar noch nicht gemeint, daß Ärzte auf dem Wege der „aktiven Sterbehilfe“, wie sie heute bereits in einigen Ländern praktiziert wird, vom Leben zum Sterben befördern sollen; aber es beginnt sich doch langsam das Bild vom Arzt als Techniker herauszuschälen, der seine Fertigkeiten grundsätzlich dann auch in verschiedene Richtungen einzusetzen vermag. Auf der ethischen Ebene bleibt es dennoch auch in der Neuzeit zunächst bei der hippokratischen Verpflichtung, von der schon die Rede war. So lesen wir noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts bei dem Arzt und Freund Goethes Christoph Wilhelm Hufeland folgendes: „[Die Lebensverkürzung durch den Arzt] hebt geradezu das Wesen des Arztes auf. Er soll und darf nichts anderes thun, als Leben erhalten; ob es ein Glück oder Unglück sey, ob es Wert habe oder nicht, dies geht ihn nichts an, und masst er sich an, diese Rücksicht in sein Geschäft aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der Arzt wird der gefährlichste Mann im Staat“[4].

In der Tat aber sind die Dinge dabei nicht stehen geblieben. Lassen Sie mich dazu ein leicht gekürztes Zitat vortragen, das sich in Friedrich Nietzsches „Götzen-Dämmerung“ findet und wie folgt lautet: „Der Kranke ist ein Parasit der Gesellschaft. In einem gewissen Zustande ist es unanständig, noch länger zu leben. Das Fortvegetieren in feiger Abhängigkeit von Ärzten und Praktiken, nachdem der Sinn vom Leben, das Recht zum Leben verloren gegangen ist, sollte bei der Gesellschaft eine tiefe Verachtung nach sich ziehn. Die Ärzte wiederum hätten die Vermittler dieser Verachtung zu sein, – nicht Rezepte, sondern jeden Tag eine neue Dosis Ekel vor ihrem Patienten […] Eine neue Verantwortlichkeit schaffen, die des Arztes, für alle Fälle, wo das höchste Interesse des Lebens, des aufsteigenden Lebens, das rücksichtsloseste Nieder- und Beiseite-Drängen des entartenden Lebens verlangt […]“. An dieser Stelle folgt ein etwas abrupter Perspektivenwechsel; denn hatte Nietzsche bisher von dem Bedürfnis der „Gesellschaft“ her argumentiert, spricht er in den nächsten Sätzen ganz aus der Sicht des einzelnen: „Auf eine stolze Art sterben, wenn es nicht mehr möglich ist, auf eine stolze Art zu leben. Der Tod, aus freien Stücken gewählt, der Tod zur rechten Zeit, mit Helle und Freudigkeit, inmitten von Kindern und Zeugen vollzogen: so daß ein wirkliches Abschiednehmen noch möglich ist, wo Der noch da ist, der sich verabschiedet, insgleichen ein wirkliches Abschätzen des Erreichten und Gewollten, eine Summierung des Lebens […]. Hier gilt es, allen Feigheiten des Vorurteils zum Trotz, vor allem die richtige, das heißt physiologische Würdigung des sogenannten natürlichen Todes herzustellen: der zuletzt auch nur ein „unnatürlicher“, ein Selbstmord ist. Man geht nie durch jemand anderes zugrunde, als durch sich selbst. Nur ist es der Tod unter den verächtlichsten Bedingungen, ein unfreier Tod, ein Tod zur unrechten Zeit, ein Feiglings-Tod“. Offenbar leistet sich hier jetzt der einzelne selber „Sterbehilfe“, was dann auch aus dem folgenden Zitat erhellt: „Wir haben es nicht in der Hand zu verhindern, geboren zu werden: aber wir können diesen Fehler – denn bisweilen ist es ein Fehler – wieder gut machen. Wenn man sich abschafft, tut man die achtungswürdigste Sache, die es gibt […]. Die Gesellschaft, was sage ich! das Leben selber hat mehr Vorteil davon als durch irgendwelches ‚Leben’ in Entsagung, Bleichsucht und andrer Tugend […] man hat die anderen von seinem Anblick befreit, man hat das Leben von einem Einwand befreit […]“[5]. Das letzte unterstreicht dann noch, daß, wer sich selbst zum Tode hilft, damit zugleich der Gesellschaft hilft, ja des Lebens grünen Baum von einem welken Blatt befreit.

Nietzsche hat den Aphorismus, aus dem ich soeben zitiert habe und der stellvertretend für eine ganze Reihe ähnlicher Äußerungen bei ihm steht, „Moral für Ärzte“ überschrieben. Der Gesetzgeber der Zukunft, als den sich Nietzsche gerne selbst sah, macht damit darauf aufmerksam, daß er unter anderem auch den Arztberuf und sein Ethos neu definiert. Da es heute freilich sein könnte, daß die Zukunft, für die Nietzsche schreibt, längst begonnen hat, machen wir uns kurz klar, wo wir heute in Sachen Euthanasie stehen!

Im Herbst vergangenen Jahres ließ ein Beitrag des Gießener Juristen Manfred von Lewinski in der angesehenen „Neuen Juristischen Wochenschrift“ manch einen, der bis dato bei dem damals den Bundestag beschäftigenden Thema „Patientenverfügungen“ nicht viel Böses geahnt hatte, aufhorchen[6]. Mit der neuen, die „Selbstbestimmung“ – wir kommen auf das Thema zurück – stärkenden Regelung bei den Patientenverfügungen, so von Lewinski, sei „zum ersten Mal gesetzlich eingeräumt, daß es außerhalb eines unmittelbar bevorstehenden Todes von der Gesellschaft anzuerkennende Gründe und Motive gibt, vom Leben zu lassen, und daß man auf ein mögliches Weiterleben verzichten kann, ohne gegen seinen Willen von Dritten daran gehindert zu werden“. Nunmehr gelte es, „neu darüber nachzudenken, wie sehr man es ihm – beispielsweise durch Vorenthaltung geeigneter Mittel – erschweren darf, einen von Ängsten, Ungewißheiten und Qualen freien Weg in den Tod zu finden“. Schließlich sei „zu überlegen, ob man Menschen, denen ihr Leben zur Hölle geworden ist, neben allem, vielfach noch im Argen liegenden, lindernden Beistand nicht auch im eigenen Lande Hilfen ermöglichen sollte, wie sie die Schweiz ihren Bürgern seit Jahrzehnten eröffnet, ohne damit erkennbar schlechte Erfahrungen gemacht zu haben“[7]. Derselbe Autor hatte bereits ein Jahr zuvor zur Thematik Stellung genommen und dabei auch die Motive offengelegt, die ihn bei einer Bejahung des freiwilligen Abtretens besonders bewegen[8]. Damals hatte von Lewinski etwa das folgende geschrieben: „Aus diesem Dilemma [gemeint ist die vor allem demographisch bedingte Krise der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland] gäbe es indessen noch einen weiteren Ausweg. Kranke und alte Menschen könnten mit Blick auf einen gedeihlichen Fortbestand des Gemeinwesens und damit des Wohles ihrer eigenen Nachkommen ihre Ansprüche an das Solidarsystem von sich aus zurücknehmen, wenn ihr Leben in Situationen einmündet, […] hinter denen sich […] vielfach unsägliche persönliche Not und Hoffnungslosigkeit verbirgt. Das Gemeinwesen müßte dann […] seinerseits Formen und Wege finden, eine solche Bereitschaft mit Respekt anzunehmen und den zum Sterben bereiten Menschen einen würdigen Abschied aus dem Leben ermöglichen“. Dieses Zitat ist deshalb interessant, weil hier der „unsäglichen persönlichen Not und Hoffnungslosigkeit“ der einzelnen auf einmal eine ganze andere Not, nämlich die der leeren Kassen der Renten- und Krankenversicherungen, entspricht, wodurch die persönliche Not auf einmal etwas kollektiv Achtbares wird, sofern sie nämlich in ein Geldgeschenk an die Gesellschaft einmündet, das diese jetzt „mit Respekt“, aber dennoch offener Hand entgegennehmen soll. Dieser Punkt ist interessant, weil wir hier Zeuge der Verschiebung von einem sogenannten „Recht“ auf den eigenen Tod zumindest hin zu Gründen werden, die auch eine „Pflicht“ zu sterben tragen könnten. Und in der Tat: die entsprechende „A-duty-to-die“-Debatte ist längst entfacht, und man sollte sich gewiß nicht der Illusion hingeben, daß diese Debatte nur etwa von ganz und gar randständigen Figuren und Frankenstein-Freunden geführt würde. Ich verweise hier etwa auf einen Vorreiter dieser traurigen Thematik, auf den Amerikaner John Hardwig, der entsprechende Thesen schon in den 90er Jahren, unter anderem an einem so prominenten Ort wie dem „Hastings Center Report“, vorgetragen hat[9]. Der Kern des Hardwigschen Arguments ist nichts anderes als ein simpler Nutzenkalkül, in dem beispielsweise die Behandlungskosten, mit denen für eine 87jährige schwer herzkranke Patientin möglicherweise sechs weitere Lebensmonate erkauft werden können, gegen die Lebensperspektive ihrer Tochter aufgerechnet wird, die für diese Behandlung ihr gesamtes Vermögen einbüßt. Diese und ähnliche Überlegungen sind eben deshalb von Belang, weil sie uns daran erinnern, daß, wenn erst einmal von einem Recht auf den Tod die Rede ist und damit in der Tat eine öffentlich geregelte, effektive Involvierung von Dritten in die Realisierung eines Todeswunschs gemeint ist, auch die Rede von der Pflicht zu sterben notwendig folgen wird: sind doch die den Tod verobjektivierenden Kriterien, die einen Sterbewunsch überhaupt und die Mitwirkung an ihm als gerechtfertigt erscheinen lassen, notwendig die gleichen, die auch ein Interesse Dritter an diesem Sterben rechtfertigen können. Wer sagt, daß er sterben wolle, weil er den anderen nicht zur Last fallen möchte, wirbt bei den anderen um Einverständnis dafür, daß die Last, die er für Dritte darstellt, ein hinreichender Grund zu streben bzw. ihn zu töten sei. Unsere Frage „Wer hilft hier wem?“ erhält jetzt die bizarre Antwort: der, der sich euthanasieren läßt, hilft am Ende der Gemeinschaft. Hardwig jedenfalls sieht in der freiwilligen Meldung zur Euthanasie einen Ausdruck von „Gemeinschaftssinn“, durch den der Tod überhaupt erst „Sinn“ bekomme und so für alle Beteiligten eine Wohltat werde. Diese Dinge sagen sich heute, wie der Beitrag von Lewinskis beweist, auch in Deutschland offenbar wieder sehr leicht – so, als hätte es nicht gerade in unserem Land eine Vorgeschichte zum Thema gegeben, die in ihren Ergebnissen grauenhaft genug gewesen ist. Lassen Sie mich in der Retrospektive auf zwei Beispiele verweisen – auf Beispiele, die zudem aufzeigen, daß die Initiativen in Richtung auch auf die Euthanasie nichteinwilligungsfähiger Personen aus den „gebildeten“ Schichten der Bevölkerung kamen und sich nicht etwa einfach gar zu einfach gestrickten Ideologen verdankten.

Das erste Beispiel: 1913 veranstaltete die an ein fortschrittlich-bildungsbürgerliches Publikum adressierte Zeitschrift „Die Umschau“ ein Preisausschreiben zu der Fragestellung: „Was kosten die schlechten Rassenelemente den Staat und die Gesellschaft?“. Den Preis in Höhe von 1200 Mark trug damals ein gewisser Ludwig Jens, Beamter der Allgemeinen Armenanstalt in Hamburg, davon. Jens habe, so die Umschau, seinen Leser „ahnen lassen, welche erschreckend hohe Summen das deutsche Volk für die Minderwertigen aufzuwenden hat“. Das Blatt hofft, daß die preisgekrönte Schrift „den Anstoß zu umfassenderen und vertieften Erhebungen geben und Gesetzgeber darauf hinweisen“ werde, „daß nach Mitteln zur Verminderung der Minderwertigen gesucht werden muß, um dem arbeitenden Teil der Bevölkerung schwere Lasten von den Schultern zu nehmen“[10].

Das zweite – übrigens sehr bekannte – Beispiel: Einen nächsten Schritt tut dann nach dem Ersten Weltkrieg die 1920 in dem angesehenen Meiner-Verlag zu Leipzig erschienene Schrift „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form“ des Juristen und Philosophen Karl Binding und des Mediziners Alfred Hoche[11]. Diese Schrift setzt bereits mehrere Jahrzehnte von in- und ausländischen Diskussionen um das „Recht auf den Tod“ und die „Euthanasie“ voraus, wobei für die letztere sehr offen auch mit ökonomischen, gesellschaftspolitischen und „rassenhygienischen“ Gründen geworben worden war. Binding und Hoche gehen ihrerseits nach der Feststellung der Unverbotenheit des Selbstmords für die Euthanasie hauptsächlich von einem Mitleidsmotiv, zugleich aber auch von einem utilitaristischen Motiv aus. Das wird in folgender Formulierung der zentralen These sofort deutlich: „Daß es lebende Menschen gibt, deren Tod für sie eine Erlösung und zugleich für die Gesellschaft und den Staat insbesondere eine Befreiung von einer Last ist, deren Tragung außer dem einen, ein Vorbild größter Selbstlosigkeit zu sein, nicht den kleinsten Nutzen stiftet, läßt sich in keiner Weise bezweifeln“ (28). Als Beispiele für solche „lebenden Menschen“ werden zum einen „die zufolge Krankheit oder Verwundung unrettbar Verlorenen, die im vollen Verständnis ihrer Lage den dringenden Wunsch nach Erlösung besitzen und ihn in irgendeiner Weise zu erkennen gegeben haben“ (29), zum anderen „die unheilbar Blödsinnigen“, von denen es heißt: „Ihr Leben ist absolut zwecklos; aber sie empfinden es nicht als unerträglich. Für ihre Angehörigen wie für die Gesellschaft bilden sie eine furchtbar schwere Belastung. Ihr Tod reißt nicht die geringste Lücke – außer vielleicht im Gefühl der Mutter oder der treuen Pflegerin. Da sie großer Pflege bedürfen, geben sie Anlaß, daß ein Menschenberuf entsteht, der darin aufgeht, absolut lebensunwertes Leben für Jahre und Jahrzehnte zu fristen“ (31f.). Ich möchte an dieser Stelle nun freilich nicht eigentlich ausführlich auf diesen traurigen „Klassiker“ der Euthanasie eingehen, sondern nur noch eine sehr aufschlußreiche Stelle zitieren, an der sich Binding, der Verfasser des ersten Teils unserer Schrift, mit dem „tutioristischen“ Einwand[12] auseinandersetzt, daß es bei der Aufhebung eines uneingeschränkten Tötungsverbots notwendigerweise auch zu Irrtümern bei den Tötungsfreigaben kommen kann; übrigens ein durchaus handfestes Bedenken, das heute beispielsweise durch die erschreckend hohe Anzahl von uneingewilligten Patiententötungen in den Niederlanden nur neu gewichtet werden kann. Bei Binding also lesen wir zu diesem Hinweis auf den möglichen Tötungsirrtum: „Nimmt man … den Irrtum einmal als bewiesen an, so zählt die Menschheit jetzt ein Leben weniger. Das Leben hätte vielleicht nach glücklicher Überwindung der Katastrophe noch sehr kostbar werden können: meist aber wird es kaum über den mittleren Wert besessen haben. Für die Angehörigen wiegt natürlich der Verlust sehr schwer. Aber die Menschheit verliert infolge Irrtums so viele Angehörige, daß einer mehr oder weniger wirklich kaum in die Waagschale fällt“ (40). Ich zitiere dieses Argument ausdrücklich, weil es in klassischer Weise den Typus der utilitaristischen Reflexion, die hier leitend ist, dokumentiert[13]. Das Leben oder der Wert des einzelnen, der „irrtümlich“ euthanasiert wird, wird hier einerseits abgewogen gegen das angebliche Interesse vieler nicht irrtümlich Euthanasierter und es wird andererseits verglichen mit vielen Leben überhaupt, die in ihrer Summe den einzelnen auf die Nullwertigkeit absinken lassen. Eines der bekanntesten utilitaristischen Prinzipien lautet: wir sollen „das größte Glück der größten Zahl“ besorgen, ein Prinzip, das von vornherein impliziert, daß es immer solche geben wird, die nicht zu der „größten Zahl“ gehören und deren Unglück im Interesse der größeren Zahl in Kauf zu nehmen ist.

Der Text von Bindung und Hoche hat, wie man weiß, nicht allzu lange auf seine Verwirklichung in der Geschichte warten müssen, denn das Euthanasieprogramm des nationalsozialistischen Staates hat sehr bald „die Gewährung des Gnadentods“ für „nach menschlichem Ermessen unheilbar Kranke bei kritischer Beurteilung ihres Krankheitszustands“[14] zur Realität werden lassen. Oder er fand seine Realisierung auch noch nicht: denn immerhin hat der NS-Staat, so rein utilitaristisch seine innere Struktur auch war, sein Euthanasieprogramm nicht auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, sondern auf der Basis eines Geheimerlasses durchgeführt; der Grund dafür war, daß man die mit einem Gesetz verbundene Publizität noch immer scheute, so, wie man dann zu Beginn der 40er Jahre auf die einsetzenden Proteste aus der Bevölkerung meinte mit dem Euthanasiefilm „Ich klage an!“ reagieren zu müssen, der vor allem die „Tötung aus Mitleid“ und anderen „höheren Interessen“ propagieren sollte. Dieser Film des Regisseurs Wolfgang Liebeneiner[15] handelt von einer schönen, aber von schwerer MS-Krankheit gezeichneten Frau namens Hanna; ihr Mann Thomas ist ein angesehener Mediziner, der sein Leben der Erforschung des Erregers der multiplen Sklerose gewidmet hat. Während der Hausarzt im Nebenzimmer leise Klavier spielt, tritt Thomas in der entscheidenden Szene zu seiner Frau mit einem Fläschchen heran, das er ihr liebevoll überreicht. Es enthält eine tödliche Lösung, die sie unter Liebesschwüren zu sich nimmt; der Hausarzt, ursprünglich ein Gegner der Tötung auf Verlangen, ringt sich dazu durch, fortan für die aktive Sterbehilfe zu kämpfen, nachdem ein von ihm behandeltes Kind in eine Anstalt für idiotische Kinder verbracht werden muß. In diesem Film geht alles, wie die Zusammenfassung zeigen sollte, äußerst kultiviert zu; wir befinden uns im Kreise gebildeter, liebevoller, keineswegs prinzipienloser Leute, die auch erst ihre Bedenken überwinden müssen, bevor sie vor der Realität die Segel streichen und den Zuschauer einladen, dasselbe zu tun; ja, noch das Christentum ist einbezogen, indem wir aus dem Mund eines offenbar sehr tüchtigen Pfarrers erfahren, daß Gott uns den Verstand gegeben habe, um über den rechten Zeitpunkt des Sterbens selbst zu entscheiden.

Wenige Jahre später saßen die NS-Euthanasieärzte in Nürnberg vor Gericht und verhalfen zunächst der hippokratischen Verpflichtung der Medizin zu ungeahnt neuer Geltung. Damals notierte der österreichisch-amerikanische Arzt Leo Alexander, daß allen, „die mit der Frage nach dem Ursprung dieser Verbrechen zu tun hatten, klar wurde, daß diese Verbrechen aus kleinen Anfängen erwachsen waren. Am Anfang standen zunächst feine Akzentverschiebungen in der Grundhaltung. Es begann mit der Auffassung, die in der Euthanasiebewegung grundlegend ist, daß es Zustände gibt, die als nicht mehr lebenswert zu betrachten sind. In ihrem Frühstadium betraf diese Haltung nur die schwer und chronisch Kranken. Nach und nach wurde der Bereich jener, die unter diese Kategorie fallen, erweitert und auch die sozial Unproduktiven, die ideologisch Unerwünschten, die rassisch Unerwünschten dazugerechnet. Entscheidend ist jedoch, zu erkennen, daß die Haltung gegenüber den unheilbar Kranken der winzige Auslöser war, der diesen totalen Gesinnungswandel zur Folge hatte“[16].

Nur gut fünfzig Jahre nach dieser Mahnung, im Jahre 2002, haben die Niederlande, noch im selben Jahr gefolgt von Belgien, als erstes Land der Welt dann die aktive Sterbehilfe gesetzlich zugelassen. Die Tötung auf Verlangen und der assistierte Suizid waren zuvor bereits über einen Zeitraum von etwa 10 Jahren hin in der Praxis toleriert und beobachtet worden. Bedingungen für die legale Durchführung einer lebensbeendenden Maßnahme durch den Arzt sind hier: 1) ein freiwilliger, wohlüberlegter Entschluß des Nachsuchenden; 2) unerträgliches Leiden; 3) fehlende Aussicht auf Verminderung des Leidens; 4) Beiziehung eines zweiten Arztes; 5) medizinisch korrekte Durchführung sowie 6) Meldung jedes Falles bei den fünf regionalen Sterbehilfe-Kontroll-Kommissionen. Das Gesetz wurde unter anderem damit begründet, die wahren Verhältnisse könnten auf diesem Wege transparenter gemacht werden; davon kann jedoch im Ergebnis nicht die Rede sein, was sich schon daran zeigt, daß nach wie vor schätzungsweise nur etwa die Hälfte der Tötungen auf Verlangen gemeldet werden – und das, obwohl in den Niederlanden kaum ein Arzt fürchten muß, es am Ende doch mit dem Staatsanwalt zu tun zu bekommen. Auch andere Angaben aus den Niederlanden sollten selbst die Befürworter der Sterbehilfe bedenklich stimmen: so wurde im Jahr 2005 festgestellt, daß ein Drittel der niederländischen Ärzte bei einem terminal Kranken nicht wußte, ob es gute palliativmedizinische Behandlungsmöglichkeiten für den Betroffenen gab oder nicht. Ebenso wurden 11.200 kontinuierlich tiefe Sedierungen durchgeführt, die nicht eigentlich unter die aktive Sterbehilfe fallen, jedoch unweigerlich den Tod zur Folge haben („indirekte Sterbehilfe“). Ebenfalls wird gemeldet, daß es im Jahre 2005 550 jener bereits erwähnten Fälle von Euthanasie ohne ausdrücklichen Wunsch des Betroffenen gegeben hat – auch wenn diese Zahl geringer ist als die aus früheren Jahren gemeldete, handelt es sich in jedem Fall um einen skandalösen Zustand[17]. Was die niederländische Realität im Einzelfall alles einschließen kann, hat ein Rotterdamer Arzt bereits im Juni 2000 in der Zeitschrift „Der Internist“ geschildert. Ein Internist, der eine Frau mit Lungenkrebs wegen Sauerstoffmangels in die Klinik aufnehmen wollte, mußte ihr versichern, daß er sie nicht euthanasieren würde … Er wies sie selbst ein, und nach 36 Stunden war ihre Atmung normal, ihr Gesamtzustand besser. Als der Arzt nach Hause ging, euthanasierte sie aber sein Kollege. Seine Rechtfertigung: ‚Wir brauchen das Bett für einen anderen Fall‘“. Ein anderer Fall wurde in Deutschland besonders durch den „Spiegel“, der darüber im Jahre 2004 berichtete, bekannt: Angehörige hatten darum gebeten, den schwerkranken Vater noch vor dem Urlaub zu euthanasieren, da sie ihre Ferien bereits geplant hätten und die Beerdigung noch vorher abwickeln wollten. Der Urlaub der Familie wurde nur dadurch vereitelt, daß die hohe Morphiumdosis, mit der der Patient getötet werden sollte, ihn nur schmerzfrei stellte, so daß der Arzt, der den Tod feststellen sollte, ihn „fröhlich auf der Bettkante sitzend“ antraf. Es wundert nicht, daß der Referent, Dr. Gunning aus Rotterdam, sein Fazit wie folgt formuliert: „Die Todesmentalität wird in Holland allmählich zur Norm in der medizinischen Praxis“. Übrigens nicht nur in Holland: als im vergangenen Jahr das Luxemburger Zitha-Spital, immerhin eine durch einen katholischen Orden gegründete Einrichtung, in die Kritik geriet, weil dort ein Patient trotz eigenen Wunsches nicht euthanasiert wurde, konnte auch dem letzten Zweifler klar werden, daß wir inzwischen nicht nur eine „duty-to-die“, sondern offenbar auch eine „duty-to-kill“-Debatte haben, eine Debatte, die mit scheinbar menschenfreundlichem Augenaufschlag im Kern doch über alles bisher Dagewesene hinausgehen könnte.

II

Schaut man sich nun die gängigen Argumentationen in der Literatur zu der uns beschäftigenden Frage an, so kann man sehr rasch die Feststellung treffen, daß hier nichts so sehr not tut wie vor allen Dingen begriffliche und argumentationslogische Klärung. Das betrifft die eher populäre bis populistische Argumentation genauso wie Teile der akademischen Beiträge. Als Beispiel aus der ersten Sphäre nennen ich die gelegentlich anzutreffende Argumentation, die Zulassung auch der aktiven Sterbehilfe sei mit dem Tötungsverbot durchaus auch im Sinne des fünften Gebots vereinbar, da dieses ja ohnehin so gemeint sei, daß es in vielen Fällen Ausnahmen zulasse, nämlich etwa im Falle der Notwehr, im Kriegsrecht oder, wie in der Bibel selbst, im Falle der Todesstrafe. Dabei ist jedoch übersehen, daß es sich in den genannten Fällen um eine Suspendierung des Tötungsverbotes im Falle eines selbst tödlich gemeinten Angriffs oder Übergriffs handelt, um ein Gegenwirkungsrecht, nicht aber um eine Erlaubnis zur auch tödlichen Läsion eines Unschuldigen. Nicht sehr viel anders liegen die Dinge mit der oft sehr lax gebrauchten Wendung vom „Recht auf den eigenen, den selbstbestimmten (oder wie sonst qualifizierten) Tod“. Einmal abgesehen davon, was in diesem Zusammenhang mit Selbstbestimmung gemeint sein kann – darauf kommen wir noch kurz zu sprechen –, kann es ein solches „Recht“ im strengen Sinne, und zwar aus mehreren Gründen, nicht geben. Selbst Binding hat dies anerkannt, wenn er in seiner bereits zitierten Schrift über das lebensunwerte Leben festhält, daß, wenn es tatsächlich ein Recht auf die Selbsttötung gäbe, daraus folgen müßte, daß 1. niemand ein Recht besitzen kann, einen Selbstmörder, wer immer dieser sei, an der Ausführung seiner Tat zu hindern, daß 2. dem Selbstmordkandidaten gegen jeden, der ihn von seinem Vorhaben tätlich abzubringen versuchen würde, ein Notwehrrecht zustehen müßte, 3. die Tötung im Falle einer „beachtlichen Einwilligung“ in jedem Fall als rechtmäßig angesehen werden müßte, mit anderen Worten also das „volenti non fit iniuria“ auch hier anzuwenden sei (also dann etwa auch der auf Zustimmung gegründete Kannibalismus, wie er vor nicht langer Zeit in Deutschland vorkam, als rechtens anzusehen wäre). Binding hat hier vor allem gesehen, daß es im eigentlich juridischen Sinne eben niemals ein „Recht“ ohne korrelative Pflichten geben kann, also etwa die Pflicht der Umstehenden, einen Selbstmörder an der Ausführung seiner Tat in keinem Fall zu hindern, wie auch die Pflicht des Staates, einen Tötungskontrakt im Sinne des erwähnten Kannibalen in den Verfügungsbereich der Privatautonomie einzubeziehen. Das gleiche gilt übrigens auch dann, wenn man einen wirklichen Rechtsanspruch auf aktive Sterbehilfe einführt; denn die Kehrseite eines solchen „Rechts“ (qua „claim right“) kann definitiv nur die Verpflichtung des Staates, im Zweifel auch den Tötenden zu stellen. In den Niederlanden hat sich dies etwa dahin ausgewirkt, daß für das Pflegepersonal trotz einer entsprechenden Forderung im Laufe der Debatten kein Gewissensschutz eingeführt wurde, Krankenschwestern also ggf. zur Durchführung von Tötungshandlungen in Gemeinschaft mit dem euthanasierenden Arzt gezwungen sind. Spätestens hier wird deutlich, was die unklare Rede vom „Recht auf den eigenen Tod“, wenn sie denn so gemeint ist, wie sie klingt, impliziert: nämlich eine Verpflichtung Dritter auf Teilnahme an Tötungshandlungen. Dergleichen jedoch ist zumindest nach klassischen Naturrechtsbegriffen eine Verpflichtung auf ein „pactum turpe“, die niemals rechtsbeständig sein kann, die aber auch ethisch inakzeptabel ist.

Wie steht es aber mit jenen zentralen Begriffen, die in der Frage sei es des Suizids, sei es der assistierten Selbsttötung oder der aktiven Sterbehilfe oftmals auf so verwirrende Weise von beiden Seiten benutzt werden – so, daß die eine Seite etwa aus der Menschenwürde einen Anspruch auf den „würdigen“, sprich selbstverwalteten Tod ableitet, während die andere es als mit dem Begriff der Menschenwürde unvereinbar ansieht, auch nur den Gedanken der Selbsttötung zu fassen, geschweige einen anderen zu bitten, seine eigene Würde ganz zu vergessen und zum Tötenden zu werden? Ganz ähnlich liegen die Dinge im Falle des Begriffs der „Selbstbestimmung“, der von der einen Seite als durch nichts einzuschränkende Tathoheit mir selbst gegenüber angesehen wird, von der anderen aber als Selbstbindung an vor der praktischen Vernunft alleine vertretbare Handlungsmaximen aufgefaßt wird. So wird, um bei dem letzten Beispiel zu bleiben, das in der modernen Bioethik sehr verbreitete Autonomieprinzip oftmals nur in dem Sinne reiner Willkürfreiheit verstanden, die sich vor keiner weiteren Instanz, auch nicht der praktischen Vernunft, zu rechtfertigen habe; in diesem Sinne ist es dann eine „autonome“ Entscheidung, wenn ein Individuum sich entschließt, seinen Leben ein Ende zu setzen, und wir sollen diese Entscheidung eben wegen ihres „autonomen“ Charakters auch respektieren. Kant dagegen, der Schöpfer des ethischen Autonomiebegriffs, meint mit „Autonomie“ gerade die Selbstgesetzgebung der praktischen Vernunft, das heißt die Überwindung des Willkürcharakters unserer Maximen zu Handlungen durch ihre Überführung in eine allgemeine und notwendige, sprich gesetzmäßige Form. In diesem inneren und qualifizierten Sinne ist die Entscheidung für eine „Selbstentleibung“, wie Kant sagt, niemals eine autonome Entscheidung, da es in ihr gerade darum, das „Subjekt der Sittlichkeit in seiner eigenen Person zu zernichten“, sich „aller Verbindlichkeit“ unter moralischen Gesetzen zu entziehen, das heißt aber über sich selbst „als bloßes Mittel zu … beliebigen Zwecken zu disponieren“, was alles unter dem Eindruck einer „gewalthabenden Obermacht“ der „sinnliche[n] Triebfedern“, aber nicht des alleine Achtung gebietenden unbedingten Bewußtseins der Pflicht erfolgt[18]. Man kann dies etwas einfacher auch so zusammenfassen, daß man im Sinne Kants sagt: die praktische Vernunft kann nicht ohne Selbstwiderspruch gebieten, ihre Existenz in meiner Person aufzuheben. Der Selbstmörder reduziert sich, nochmals anders gesagt, darauf, reine Materie zu sein, was nach Kant eine „Abwürdigung“ der Menschheit in seiner Person und das Gegenteil von Autonomie ist. Das schließt übrigens auch bei Kant ein gewisses Verständnis für die sozusagen „technische“ Rationalität, die relative Klugheit eines Selbstmordes als Verzweiflungstat nicht aus und mag außerdem mit einer gewissen Empathie gerade für den Verzweifelten vereinbar sein. Worum es allerdings geht, ist die Tatsache, daß der Handlungsstruktur nach Autonomie in einer suizitären Handlung nicht gefunden werden kann, sondern daß hier im Gegenteil die dingliche Selbstbestimmung über die freiheitliche triumphiert.

Wie aber verhält es sich nun aber mit dem Begriff der Würde, der hier wie der Begriff des „Rechts“ auf den Tod ebenfalls gerne ins Spiel gebracht wird – und zwar, wie wir wissen, von beiden streitenden Parteien? Man kann bei Befürwortern der Sterbehilfe etwa lesen, daß insbesondere in Fällen, in denen im Kontext unheilbarer Krankheit „die Menschenwürde zu sehr tangiert“ sei, die Leistung von Sterbehilfe im Namen der Humanität geboten sei; Robert Kehl, langjähriges Vorstandsmitglied der Sterbehilfe-Organisation „Exit“, gibt als Beispiele für eine solche Tangierung an: „wenn der Patient Ekel erregt“, „geisteskrankes Gebaren“, „dauernde völlige Hilflosigkeit“, ja sogar „Inkontinenz“, die von einigen Patienten schon als „unwürdig“ empfunden werde[19], und wir erinnern uns hier sogleich an das Nietzschewort, daß es Lagen gäbe, in denen die Fortexistenz schlicht „unanständig“ sei. Demgegenüber aber wird man, vor allem unter Berufung auf Kant, auch hören, daß gerade der Wunsch nach einem mit der Menschenwürde vereinbaren Sterben alle Formen der aktiven Euthanasie ausschließt. Kant ist dabei immerhin der Urheber des modernen Würdebegriffs, wie er inzwischen mindestens auf dem Papier in weltweit nahezu alle Verfassungen, wenn auch gewiß nicht Gesinnungen, Einzug gehalten hat. Nach Kant hat der Mensch schon als solcher niemals einen gegenrechenbaren „Wert“, sondern eine aller Wertsetzung vorausliegende, ja diese erst bedingende „Würde“. In diesem (Kantischen) Sinne ist „Menschenwürde“ jene praktische Elementarkategorie, die das Verhältnis des Menschen zu sich, aber auch auf den anderen Menschen ursprünglich reflektiert und normativ umfassend humanitätserhaltend zu bestimmen vermag. Nach Kant bedeutet dies, daß das praktische Verhältnis von Mensch zu Mensch nur ein Verhältnis der sich wechselseitig an der Subjektivität oder Freiheitlichkeit des anderen beschränkenden Subjektivität oder Freiheitlichkeit sein kann. „Menschenwürde“ besteht dann in einem entsprechenden (reflexiven) Verhältnis der Wechseleinschränkung der Freiheit, während sie nicht an „objektiven“ Merkmalen des Menschen festgemacht werden kann oder gar selbst ein gegenständliches Merkmal „ist“. „Menschenwürde“ begründet, wie man so auch sagen kann, allererst den öffentlichen Raum, den Raum, der primär nicht durch die Interessen einzelner, auch nicht die Interessen mächtiger oder vieler einzelner bestimmt ist, sondern alleine durch die wechselseitige Anerkennung aller Angehöriger des Menschengeschlechts als ohne weitere Bedingung in diesen Raum der wechselseitigen logisch-kommunikativen Öffnung füreinander gehörend. Ein Rechtssatz wie Art. 1 des deutschen Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist untastbar“ bezieht sich in diesem Sinne entsprechend auf einen aller rechtlichen Normierung vorgängigen Anerkennungsakt, der nicht danach fragt, welche „Kriterien“ mein Gegenüber schon oder noch erfüllt, um einer Menschenwürdezuerkennung sozusagen „würdig“ zu sein. „Menschenwürde“ enthält sogar elementar ein Subsumtions-, das heißt externes Zwecksetzungsverbot, denn jede Subsumtion eines Menschen unter einen Begriff, zum Beispiel unter den Begriff „geisteskrankes Gebaren“ oder „inkontinent“, hat schon ein Raster von Zweckbegriffen aufgespannt, in das der andere zuerst passen muß, bevor er dann allenfalls auch die Menschenwürde verliehen bekommt. Gerade von dem Gedanken her, daß „Würde“ nicht „privat“ definiert werden kann, sondern den öffentlichen Raum erschließt, den die in ihrer Würde gemeinsam Anerkannten betreten, ergibt sich, was aus ihrem Begriff folgen kann und was nicht. Es folgt aus ihrem Begriff erstens ein Daseindürfen überhaupt, das Recht auf die physische Präsenz, das wir bereits als das Recht auf den Urbesitz der Person angesprochen haben[20] und an dem, wie leicht ersichtlich, sehr viel hängt: zum einen nämlich die elementare Untrennbarkeit von Menschenwürde und Lebensrecht, in welcher Untrennbarkeit das Tötungsverbot dann schon enthalten ist; zum anderen dann auch das Recht auf meine unableitbare Individualität, die sich gerade aus meinem Urort in Raum und Zeit ergibt und allen sonst durchaus notwendigen Subsumtionen, allen „Standardisierungen“ auch ihre Grenze zieht. Auf unser Thema angewandt heißt dies alles: daß erstens niemand ein Recht hat, mich durch eine Tötungshandlung aus meinem Urort zu setzen, und zwar auch nicht auf meine Aufforderung hin, da Rechte eben nur im öffentlichen Raum stattfinden können, der sich über alle physisch präsenten Individuen definiert und der die Aufhebung seiner Voraussetzung nicht zu seiner Funktion haben kann. Zweitens meint dies, daß ein „Sterben in Würde“ nur heißen kann, sich aus dem Anerkanntsein nicht herauszubegeben, sich nicht zu einem Objekt, zu einem bloßen Gegenstand in Raum und Zeit machen zu lassen, wie es in jeder Tötungshandlung notwendig der Fall ist. Daß ein „Sterben in Würde“ nichts mit nur subjektiven Vorstellungen und Empfindungen zu tun hat, sondern immer ein Sterben bei Wahrung der Erhaltungsbedingungen eines öffentlichen Raumes von Anerkanntsein meint, ist dabei möglicherweise noch eine Erinnerung, die die Vertreter einer „Sterbepflicht“ teilen. Denn die Rede von einer „Pflicht“ zu sterben könnte ja gerade der verzweifelte Versuch sein, dem frei gewählten Tod und also dem Austritt aus der Rechts- als Würdegemeinschaft den Stempel des Rechts- und Würdegemäßen aufzudrücken. Und drittens gilt: jede Aufforderung zu einer Tötung, mich selbst jeweils eingeschlossen, so subjektiv verständlich sie in den mancherlei von der Kasuistik gerne beschworenen, übrigens niemals normsetzenden Ausnahmesituationen ist, ist schon als solche mit dem Würdeanspruch nicht vereinbar, weil sie die Aufforderung ist, aus einem auch in der äußersten Schwachheit noch freien Gegenüber, einem uneingeholt Anderen, ein Etwas zu machen, demgegenüber es keine Verantwortung mehr gibt. Nach Kant wäre eine entsprechende Aufforderung der Appell, ein Freiheitswesen nicht als solches, sondern als Naturgegenstand zu betrachten, darin aber ein Verstoß gegen Würde und Autonomie. Wir vertiefen diesen Punkt hier nicht, sondern unterstreichen noch einmal, daß Würderelationen in jedem Fall alle in Handlungen aufeinander bezogenen Personen betreffen, entscheidend jedoch immer denjenigen, der zuletzt die Handlungshoheit hat. Die Frage nach dem „Sterben in Würde“ ist entsprechend primär die Frage nach der Vereinbarkeit der vermeintlichen „Wohltat“ mit der Würde des Handelnden, also der des Arztes. Wir sind damit auf gewisse Weise wiederum bei Hippokrates angekommen – und müssen abschließend noch kurz fragen, was es denn macht, daß heute der Eid des Hippokrates nicht nur aus vielen Arztzimmern verschwindet, sondern auch vielen etwas als „Wohltat“ erscheint, was es substantiell niemals zu sein vermag.

III

Die heute an Boden gewinnende Neigung, das „anarchische“ Moment des natürlichen Todes übrigens genauso wie das ebenso anarchische Moment der „natürlichen“ Geburt der gesellschaftlichen Kontrolle zu unterstellen, kann man nicht zuletzt als die Tendenz verstehen, die Geburt und das Sterben in einem utilitaristischen Sinne zu „rationalisieren“, also am gesellschaftlichen Nutzen zu prüfen. Worum es hier geht, lehrt ein Beispiel, das vor einigen Jahren aufhorchen ließ. Im Juni 2003 hat die Schweizerische Akademie für Medizinische Wissenschaften (SAMW) standesrechtliche Empfehlung zur assistierten Selbsttötung unter dem Titel „Suizid unter Beihilfe eines Dritten“ herausgegeben. Die „Tötung auf Verlangen“ wird hier ausdrücklich oder doch recht unverblümt mit der demographischen Entwicklung und den steigenden Gesundheitskosten begründet. Beides, so lesen wir, führe dazu, daß ältere Menschen in Krankenhäusern nicht mehr optimal versorgt werden könnten, woraus der Wunsch entstehe, getötet zu werden. Eben deshalb bedürfe es klarer Regeln für Ärzte und Pflegepersonal, aber auch für die Verwaltungen der entsprechenden Einrichtungen[21]. Das bedeutet dann freilich auch, daß Einrichtungen wie – sagen wir – die Altenheime der Stadt Zürich, die bereits seit Oktober 2000 professionellen „Sterbehilfeorganisationen“ ihre Tore geöffnet haben, oder auch Krankenhäuser wie das Universitätsklinikum Lausanne, das den „Sterbehelfern“ ebenfalls offensteht, ihren Charakter tiefgreifend ändern. Sie hören auf, echte Asyle für Menschen zu sein, die in ihrem Schutz noch ein weiteres Mal Erfahrungen der Lebensbejahung machen könnten. Krankenhäuser und Altenheime sind nicht mehr Orte einer uneingeschränkt als sinnvoll gewußten heilenden Fürsorge, sie werden statt dessen zu Orten der Selbstentsorgung. Wird dergleichen dann noch durch Signale unterstützt wie die in Deutschland nun schon mehrfach auflodernde Diskussion um die Einschränkung der Kassenleistungen für Personen ab einem bestimmten Lebensalter, dann ist klar, daß sich im Sozialgefüge eine neue Art der Existenzangst einnisten könnte, die sich vorlaufend gerade dadurch zu sichern wähnt, daß sie zumindest die formelle Herrschaft über den eigenen Tod erlangen will. Tatsächlich aber ist dieser „eigene“ Tod nicht der eigene, sondern der schon gesellschaftlich verwaltete, der nach den Normen der Industriegesellschaft standardisierte.

Ich möchte an dieser Stelle noch kurz auf den gesellschaftlichen Rahmen verweisen, in dem es zu einer entsprechenden „Entselbstung“ gerade auch im Sterben kommt. Wir haben bereits vom „Nützlichkeitsdenken“, dem Utilitarismus in unseren Gesellschaften gesprochen. Ein großes Problem ist dabei, daß offenbar immer mehr Menschen das dem Nützlichkeitsdenken entstammende Ideal der technischen Vollkommenheit und umfassenden Fungibilität verinnerlicht und sich selbst nach ihm ausgerichtet haben. Die Glieder der Gesellschaft haben jetzt eigentlich keinen anderen Lebenssinn mehr als den, sich dem gesellschaftlichen großen Ganzen nutzbringend einzugliedern. Als Indiz dafür kann man anführen, daß zu den am häufigsten genannten Gründen für das Euthanasiebegehren der subjektive Eindruck gehört, „zu nichts mehr nutze“ und vielmehr allen Mitmenschen „nur zur Last“ zu sein – Gründe wie diese werden jedenfalls in Erhebungen deutlich häufiger vorgebracht als etwa der Wunsch nach Leidvermeidung. Das hierbei auch der Selbstwahrnehmung nach bestimmte Personengruppen von vornherein in den Lebensunwert abrutschen, hat nicht nur seine Logik, sondern auch seine reelle Dynamik, die um so mehr greifen wird, je weniger die gerade nicht nutzenorientierten, sondern selbstzwecklichen Systeme in einer Gesellschaft gelten oder zum Zuge kommen. Solche Systeme sind klassischerweise die Religion, die Kunst und die Wissenschaft (zumindest die nicht anwendungsbezogene), aber auch das Recht und alle Formen ursprünglich gelebter Humanität wie insbesondere die Familie oder die Freundschaft. Dazu kann auf die Kernerfahrung der Palliativmedizin und Hospizarbeit verwiesen werden, daß Menschen in demselben Maße den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe ablegen, als sie sich in wenigstens einem dieser nicht utilitaristisch ausgelegten Systeme bzw. Lebenswirklichkeiten wieder beheimaten können. Spätestens das macht uns nochmals darauf aufmerksam, daß hinter dem Euthanasiebegehren eine eigentümliche, sozialpsychologisch induzierte Angst stehen könnte, die einer Nichtvertrautheit mit den Uraffirmationen des Lebens und den affirmativen Lebensformen entspricht. Ich denke, daß hier dann aber auch die entscheidende Lösungsperspektive in den Blick kommen kann. Diese kann nur darin bestehen, das vordergründig „Nutzlose“ erneut zu erobern, die Möglichkeit, wie Kierkegaard sagen würde, über die utilitäre, angeblich zwingende Notwendigkeit triumphieren zu lassen und dem Menschen die Erfahrung unbedingten, „funktionslosen“ Bejahtseins wieder zu erschließen – sei dies im Glauben, in der Erkenntnis oder eben in einer der in sich affirmativen Lebensformen. In dem „Kinsauer Manifest“, mit dem im Jahre 1991 zahlreiche Hochschullehrer gegen die heranziehende Kultur des Todes protestiert haben, heißt es: „Nur wenn die billige und bequeme Möglichkeit der Euthanasie gänzlich außer Betracht bleibt, können menschliche Kräfte mobilisiert und soziale Phantasie geweckt werden. Nur dann werden menschliche Antworten gefunden auf die Frage des Altwerdens, der Pflegebedürftigkeit, der Behinderung und des unheilbaren Krankseins in unserer Gesellschaft“[22]. Dem ist, wie ich denke, auch nach fast 20 Jahren nichts weiter hinzuzufügen.

Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann, Vortrag während des Kongresses “Verfügungsmasse Mensch? Lebensanfang und Lebensende im Licht der christlichen Ethik” vom 26.02.-28.02.2010, Bad Gandersheim (Veranstalter: Gemeindehilfsbund / Gemeindenetzwerk)

Literaturempfehlungen:

  • Rainer Beckmann / Mechthild Löhr / Julia Schätzle (Hgg.), Sterben in Würde. Beiträge zur Debatte über Sterbehilfe, Krefeld 2004.
  • Johannes Bonelli / Enrique H. Prat, Leben – Sterben – Euthanasie?, Wien / New York 2000.
  • Ulrich Eibach, Sterbehilfe – Tötung aus Mitleid? Euthanasie und „lebensunwertes Leben“, Wuppertal 19982.
  • Reimer Gronemeyer, Sterben in Deutschland. Wie wir dem Tod wieder einen Platz in unserem Leben einräumen können, Frankfurt / Main 2007.
  • Stefan Rehder, Die Todesengel. Euthanasie auf dem Vormarsch, Sankt-Ulrich-Verlag, Augsburg 2009.
  • Franco Rest, Das kontrollierte Töten. Lebensethik gegen Euthanasie und Eugenik, Gütersloh 1992.
  • Eberhard Schockenhoff, Sterbehilfe und Menschenwürde. Begleitung zu einem „eigenen Tod“, Regensburg 1991.

 


 

[1] Der Hippokratische Eid, in: Hippokrates, Von der Umwelt. Eingeleitet und neu übertragen von Wilhelm Capelle, Zürich / München 1955, 213.

[2] Clemens v. Alexandrien, Stromata 5.11.68.2.1ff.

[3] Hier zitiert nach dem Artikel „Euthanasie“ von Urban Wiesing in: W. Korff / L. Beck / P. Mikat (Hgg.), Lexikon der Bioethik, Gütersloh 2000, Bd. 1, 704 .

[4] Zit. nach dem Lexikon der Bioethik a.a.O., 705.

[5] Friedrich Nietzsche, Götzen-Dämmerung [1888], Streifzüge eines Unzeitgemäßen, Nr. 36.

[6] Manfred von Lewinski, „Patientenverfügung – Bundestag setzt Meilensteine“, in: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 39/2009 (Editorial).

[7] Schon die letztere Bemerkung kann angesichts der berüchtigten „Parkplatzeuthanasien“ der Schweizer Sterbehilfeorganisation „Dignitas“ vom November 2007 nur als blanker Zynismus bezeichnet werden (vgl. etwa den Beitrag von Alexandra Sillgitt, Letzte Ausfahrt Parkplatz, http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,516121,00.html (8. November 2007)).

[8] Vgl. M. von Lewinski, „Das eigene Leben – unantastbar?“, in: http://www.e-politik.de/lesen/artikel/2008/das-eigene-leben-unantastbar/ (11. Juli 2008). Außerdem: von Lewinski, Ausharren oder gehen? Für und wider die Freiheit zum Tode, München 2008.

[9] John Hardwig, “Is there a duty to die?”, in: Hastings Center Report 27/2 (1997), 34-42.

[10] Vgl. Die Umschau, 11. Januar 1913, 13.

[11] Karl Binding / Alfred Hoche, Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens. Ihr Maß und ihre Form. Leipzig 1920. Die Seitenzahlen in Klammern im folgenden Text verweisen auf dieses Buch.

[12] Unter „Tutiorismus“ versteht man die Position, im Zweifelsfall (also etwa im Falle unabsehbarer Folgen einer Handlung) in jedem Fall den „sichereren“ Weg zu wählen.

[13] Unter „Utilitarismus“ versteht man ein Kalkül bzw. eine Technik der Nutzenmaximierung vor allem auch in sozialpolitischer Absicht. Der „Utilitarismus“ stammt vor allem aus der angelsächsischen politischen Theorie (J. Bentham, J. St. Mill) und hat sein Gegenbild an einem streng „deontologischen“ Denken z.B. Kantischen Typs, das unbedingte Pflichten bzw. Normen anerkennt.

[14] So der Wortlaut des Geheimerlasses, mit dem die NS-Euthanasie freigegeben wurde (vgl. dazu Malte Dießelhorst, „Die Euthanasie im ‚Dritten Reich’, in: R. Dreier / W. Sellert (Hg.), Recht und Justiz im „Dritten Reich“, Frankfurt/Main 1989, 118ff.).

[15] Liebeneiner war ein hoch dekorierter Regisseur des NS-Regimes. Er hat nach dem Krieg Kinoerfolge wie z.B. die „Trapp-Familie“ kreiert und war in Film und Fernsehen bis in die 80er Jahre hinein aktiv.

[16] Leo Alexander, österreichischer Arzt, im Auftrag der Siegermächte Leiter einer Kommission zur Bewertung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den Menschen-Experimenten während des 3. Reiches zum Fazit der Untersuchungsergebnisse. Dokumentiert unter dem Titel: „Medical Science under Dictatorship”, in: New England Journal of Medicine 24 (1949), 39-47.

[17] Vgl. im dazu und für weitere Informationen Henk Jochemsen, „Sterbehilfe in den Niederlanden“, in: G. Kaster (Hg.), Sterben – an der oder durch die Hand des Menschen?, Münster 2009, 82-94.

[18] Vgl. Kant, Metaphysik der Sitten. Tugendlehre, § 6.

[19] Robert Kehl, Sterbehilfe. Ethische und juristische Grundlagen, Bern 1989, 31f.

[20] Zu diesem Recht gehört wesentlich, was Kant in den Vorarbeiten zur Rechtslehre das „angeborene Recht“ eines jeden Menschen genannt hat, „an irgend einem Orte der Erde zu seyn“, also überhaupt Raum einzunehmen bzw. physisch (leiblich) präsent zu sein (Akademie-Ausgabe Bd. XXIII, 279).

[21] Die Empfehlung von Juni 2003 hat ein großes, nicht zuletzt kritisches Echo gefunden. Die im Dezember 2004 von der SAMW veröffentlichten Richtlinien „Entscheiden am Lebensende“ treten dann etwas zurückhaltender auf, „respektieren“ aber die Mithilfe des Arztes bei einer Selbsttötung. Im Jahre 2006 hat sich der Vorstand der SAMW aus Anlaß der Zulassung von Sterbehilfeorganisationen im Universitätsspital Lausanne dann grundsätzlich dahin geäußert, daß es „aus ethischer Sicht keine überzeugenden Argumente“ gebe, „Suizidbeihilfe in Akutspitälern grundsätzlich auszuschließen“; allerdings „sei den besonderen Umständen in einem Spital als Ort, an welchem primär geheilt wird [sic!] … Rechnung zu tragen“ (zitiert nach der Stellungnahme der Zentralen Ethikkommission der SAMW unter dem Titel: „Suizidbeihilfe in Akutspitälern: die Haltung der Zentralen Ethikkommission“ der SAMW vom 15. Januar 2007). – Zur Entwicklung der Euthanasiediskussion in der Schweiz vgl. im übrigen den Beitrag von Ruth Baumann-Hölzle und Christof Arn „Nutzen oder Würde – zwei ethische Paradigmen im Widerstreit. Ethiktransfer in der Medizinethik am Beispiel der schweiz“, in: Thomas Sören Hoffmann / Walter Schweidler (Hg.), Normkultur versus Nutzenkultur. Über kulturelle Kontexte von Bioethik und Bioerecht, Berlin / New York 2006, 117-172, bes. 125-133.

[22] Zitiert nach Franco Rest, Das kontrollierte Töten. Lebensethik gegen Euthanasie und Eugenik, Gütersloh 1992, 172.

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 23. März 2010 um 12:30 und abgelegt unter Lebensrecht, Medizinische Ethik.