Gemeindenetzwerk

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Predigt: Die Berufung von Philippus und Nathanael

Freitag 8. Januar 2010 von Pastor Jens Motschmann


Pastor Jens Motschmann

Predigt über Johannes 1,43-51
Die Berufung von Philippus und Nathanael

43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! 44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und Petrus. 45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. 46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es! 47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. 48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich. 49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! 50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, daß ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen. 51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.

Liebe Gemeinde!

Am Anfang des neuen Jahres liegt der Kalender noch ziemlich unberührt vor uns. Was wird auf diesen weißen und unberührten Kalenderblättern noch alles eingetragen werden? Die erste Eintragung sollte die sein, die wir eben im Lied gesungen haben: „Jesus soll die Losung sein, da ein neues Jahr erschienen…“ (EG 62,1) Und eben darauf zielt der Predigttext ab: „Jesus soll die Losung sein…“ Ihn gilt es zu finden, zu sehen und zu folgen. Das ist der Dreitakt, der zum Glauben gehört: Finden, sehen, folgen.

Erstens: Jesus finden.

Kann man Jesus so einfach finden? Offensichtlich ja. Hier ist die Rede von einem Mann namens Philippus, der war zum Glauben gekommen und trifft nun einen alten Bekannten, einen gewissen Nathanael, und sagt zu ihm: Stell dir vor: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus…“ Gefunden – in diesem Wörtchen kann ja so viel Freude und Dankbarkeit mitschwingen. Jeder weiß, wie glücklich man ist, wenn man einen verlorenen Schlüssel gesucht und wiedergefunden hat. Fast alle Menschen sind irgendwie auf der Suche, um etwas Bestimmtes zu finden. Irgendwie gehören das Suchen und das Finden zu unserem Wesen. Wir suchen Menschen, mit denen wir gern zusammen sind – und wir sind glücklich wenn wir sie gefunden haben.

Wir suchen Arbeit und Beschäftigung – und sind zufrieden, wenn wir meinen, das für uns geeignete gefunden zu haben. Wir suchen Anerkennung, Verständnis – und sind befriedigt, wenn wir sie finden. Wir suchen im Urlaub Erholung – und freuen uns, wenn wir auch da den richtigen Ort gefunden haben. Wie viele suchen die große Liebe, das ganz große Glück?! Ich könnte es auch sagen mit einem Buchtitel von Viktor E. Frankl: „Der Mensch auf der Suche nach Sinn“. Auch das Weihnachtsgeschehen läßt sich unter diesem Stichwort „suchen“ betrachten. Ich meine das jetzt nicht im Blick darauf, ob Sie passende Geschenke gesucht und gefunden haben. Sondern ich meine es im Blick auf die Weihnachtsgeschichte: Den Hirten wurde vom Engel gesagt: „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.“(Lukas 2,12) Und die Hirten suchten im Dunkel der Nacht und „fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.“ (Lukas 2,16)

Und wenig später kamen drei Männer, weit her gereist, in Jerusalem an und fragten: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“ (Matthäus 2,2) Schließlich kommen sie nach Bethlehem und „fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.“ (Matthäus 2,11)

Wenn ein Mensch Jesus findet, dann geht dem immer ein Handeln Gottes voraus: Der Engel, also ein Bote Gottes, schickte die Hirten – und sie fanden. Eine kosmische Erscheinung, ein leuchtend heller Stern, stand am Himmel und beunruhigte die babylonischen Sterndeuter – und sie fanden. Und hier in unserem heutigen Predigttext ist es Jesus selbst, der einen Menschen blitzartig anrührt, so daß er von einem Augenblick auf den andern zum Glauben kommt und in Jesus den Christus findet. Christus ist ja kein Zuname wie Meier, Müller, Schulze oder Motschmann, sondern die griechische Ãœbersetzung des hebräischen Wortes für Messias: der Gesalbte, der Bevollmächtigte Gottes. Für Philippus, der hier zuerst genannt wird, war dieser Jesus zunächst ganz schlicht der Jesus von Nazareth, Sohn eines Zimmermanns.

Ich möchte einmal zugespitzt sagen, dadurch daß Jesus den Philippus gefunden hatte, konnte Philippus Jesus als seinen Heiland finden, als den Messias, auf den die Frommen in Israel Jahrhunderte lang gewartet hatten. Philippus trifft Nathanel und sagt ihm, was sich ereignet und wen er gefunden hat. Aber der reagiertziemlich kühl auf diese Neuigkeit: „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?“ Das klingt ablehnend, so von oben herab. Dabei hören wir, daß Jesus ihn durchaus positiv sieht, wenn er sagt: „Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.“

Ich habe nicht herausbekommen, warum Nathanael, so abfällig über Nazareth redet und das heißt doch letztlich – über die Leute von Nazareth. Lag es daran, daß die Nazarener in Israel so etwas waren, wie die Ostfriesen bei uns, über die manche ihre Witze machen? Vermutlich lag es daran, daß Nazareth vor Christi Geburt nirgendwo in den biblischen Schriften erwähnt wird – im Gegensatz zu so vielen anderen Orten Israels? Wie dem auch sei: Nathanael ist nicht so schnell zu überzeugen. Philippus aber tut das einzig Richtige: Er sagt nur ganz schlicht und einfach: „Komm und sieh es!“ Und damit komme ich zum Zweiten, was zum Glauben gehört:

Zweitens: Jesus sehen.

Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, wie oft hier in diesem Predigttext die Rede vom „Sehen“ ist? Ich nenne mal schnell die Stellen: „Kommt und sieh es!“ – sagt Philippus dem ungläubigen Nathanael. (46) Jesus sah Nathanael kommen… (47) Jesus zu Nathanael: Ich sah dich unter dem Feigenbaum. (48) Du wirst noch Größeres sehen. (50) Ihr werdet den Himmel offen sehen… (51) In den neun Versen des Predigttextes ist fünfmal die Rede vom Sehen. Gerade dieses „Komm und sieh!“ ist eine ganz großartige Stelle in der Bibel. Diese Worte sagen uns nämlich etwas ganz Wichtiges und Befreiendes. Wir müssen uns nicht ereifern, wenn wir anderen Jesus nahe bringen wollen. Wir müssen nicht stundenlange Gespräche und endlose Diskussionen führen, um anderen zu beweisen, daß dieser Jesus von Nazareth der im Alten Testament schon verheißene Messias ist.

Wir brauchen nur das Eine: Wir brauchen nur diese drei Wörter zu sagen: „Komm und sieh!“ Zum Beispiel: Wenn es darum geht, ob man am Sonntag in die Kirche gehen soll? Da gibt es ja auch merkwürdige Vorurteile: Was kann denn schon von daher Gutes kommen? Was haben wir davon? Die Pastoren glauben ja selber nicht, was sie sagen. Und überhaupt Kirche – wer geht denn da noch hin? So – und dann sind Sie dran! Dann müssen Sie nicht mit klugen Argumenten Jesus oder die Kirche verteidigen oder Stellung nehmen: Warum in der Gemeinde A der unmögliche Pastor X noch immer im Amt ist? Und ob die Kirchensteuer nicht besser abgeschafft werden sollte? Und ob der Satz von der Jungfrauengeburt nicht eine Legende sei usw. usf.

Nein, Sie sagen nur: Komm und sieh! Komm doch mal mit in unsere Gemeinde! Komm doch mal mit in den Gottesdienst! Aber zugegeben, das kann man nur überzeugend sagen, wenn man selber überzeugt ist von der Sache – oder genauer gesagt: von Christus, der in seiner Gemeinde lebendig ist. Philippus war davon felsenfest überzeugt, daß er nicht irgendeinem Mann, sondern Christus begegnet war. Das spürt man aus den wenigen Worten.

In der Aufforderung des Philippus liegt eine so herrlich unverkrampft herzliche Einladung. Wer so sehr wie Philippus davon überzeugt ist, daß aus Nazareth nicht nur Gutes kommt, sondern das Allerbeste, das uns Menschen gegeben werden kann, der kann das gar nicht für sich behalten, der wird es auch seiner Familie, seinen Bekannten und Freunden sagen: „Kommt und seht!“ Wie viele von Ihnen und von Euch sind auf diese Weise zu Christus gekommen? Irgend jemand hatte Sie angetippt: „Komm und sieh Dir das an!“ Und dann sind Sie gegangen und sie begegneten nun nicht Christus leibhaftig, wie es damals Nathanael erlebte, aber sie begegneten Christen, die glaubwürdig waren, von denen sie den Eindruck hatten: Die sind echt – und sie hörten auf einmal das Wort Gottes anders, eindrücklicher und persönlicher als vorher.

Genau das passiert immer wieder: Menschen werden von Christus, von seinen Worten so angerührt, daß sie bereit sind, ihm zu folgen. Und damit kommen wir – drittens – zum Entscheidenden.

Drittens: Jesus folgen.

Nicht nur Philippus, sondern auch dieser etwas spröde Nathanael begreift, wer dieser Jesus wirklich ist. Er findet Jesus, weil er zuvor von ihm gefunden worden ist. Er sieht Jesus, weil er zuvor von Jesus gesehen worden ist: Er erkennt Jesus, weil er zuvor von ihm erkannt worden ist. „Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.“ Der Feigenbaum, unter dem der Nathanael gesessen hatte, ist ein Bild für das Gottesvolk, an dem Gott wie ein Gärtner arbeitet. Das geht aus einer ganzen Reihe von anderen Bibelstellen hervor. „Ich sah dich unter dem Feigenbaum“ – heißt in einem hintergründigen Sinn: Ich sah dich als einen, der unter einer Verheißung lebt. Du gehörtest schon zum Volk Gottes, ehe dir ein Mensch von mir erzählte und sagte: „Komm und sieh!“

Aber das Entscheidende wird sein, ob er, ob Du, ob Sie bereit sind, ihm zu folgen. Sehen Sie: Jesus wird von Millionen, ja von Milliarden Menschen in der ganzen Welt verehrt, auch von Nichtchristen, zum Beispiel von Juden, von Moslems, von Hindus und Buddhisten, sogar von

atheistischen Humanisten. Einer der bekanntesten deutschen Philosophen des vorigen Jahrhunderts war der in Bremens Nachbarstadt Oldenburg geborene Karl Jaspers, der vor vierzig Jahren in Basel starb. Jaspers schrieb in seiner Philosophiegeschichte von den „vier maßgebenden Menschen“ der Menschheit. Für ihn waren das Sokrates, Buddha, Konfuzius und Jesus. Jesus war für Jaspers – wie auch die drei anderen Persönlichkeiten unersetzlich, allgemeingültig, einzigartig, mit einem Wort: Verehrungswürdig. Aber Jesus will keine Verehrer haben, sondern Nachfolger.

Wir werden nicht bei dem stehen bleiben, was uns in der ersten Begegnung mit Christus, mit dem Wort Gottes, aufgegangen ist. Wir werden vielmehr – wie es Jesus hier zu Nathanael sagt – noch viel mehr erkennen. „Du wirst noch Größeres als das sehen.“ Ich finde das so herrlich ermutigend, daß wir uns nicht daran stoßen sollen, wenn wir die eine oder andere Aussage der Bibel nicht auf Anhieb verstehen. Wie viele Dinge der Bibel sind auch mir erst so nach und nach deutlich geworden. Darum hüte ich mich davor, auch nur ein einziges Wort Jesu oder sonst einen Satz der Bibel, mit dem ich meine Schwierigkeiten habe, für unecht, nachträglich eingefügt oder als lediglich zeitbedingt zu begreifen.

In einem Gemeindebrief einer Bremer Kirchengemeinde las ich ganz erstaunliche Worte eines Pastors: „Es fällt mir … schwer anzunehmen, es gäbe eine allgemeinverbindliche Wahrheit.“ Gut, mag ja sein, daß sich ein Mensch an dem Satz Jesu stößt: „Ich bin die Wahrheit…niemand kommt zum Vater denn durch mich.“(Johannes 14,6) Und weiter heißt es: „Von der Vorstellung, Christus sei der Heiland aller Menschen, würde ich mich gern verabschieden. Ich freue mich darüber, wenn andere ihren eigenen Heiland, ihre eigene Erlösung gefunden haben.“ Da möchte man diesem Pastor sagen: Hab Geduld, bitte darum, daß Christus dir seine Wahrheit, die du jetzt offenbar noch nicht begreifen kannst, aufschließt.

Natürlich sind viele Aussagen der Bibel in einem zeitbedingten Gewande ausgesprochen – zum Beispiel wenn Jesus hier dem Nathanael sagt: „Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf – und herabfahren über dem Menschensohn.“ Zum ersten Mal finden wir hier die geheimnisvolle Bezeichnung „Menschensohn“, die man nur versteht, wenn man die Schilderung aus dem Buch Daniel, Kapitel 7, kennt. Da heißt es: „Ich sah in diesem Gesicht (in dieser Vision) in der Nacht, und siehe, es kam einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn….“ (Daniel 7,13)

Da wird einem deutlich, daß es sich hier um eine Persönlichkeit handelt, die von Gott her kommt und mit ihm in einer unzerstörbaren Verbindung und Einheit lebt und bleibt und daß der „offene Himmel“ nur ein anderes Wort für die direkte Zuwendung Gottes sein will. Wo Jesus ist, da ist der Himmel offen. Da ist die Liebe Gottes, da ist Vergebung und Erbarmen, da ist Freude und Friede.

Aber davon hängt Ihr Glaube nicht ab, ob Sie das Hintergründige solcher Bilder wie das vom Feigenbaum, vom offenen Himmel, vom Menschensohn deuten können, sondern der Glaube hängt davon ab, ob Sie das dankbar sagen und glauben können: „Jesus, du bist Gottes Sohn, du bist mein Heiland, du sollst der Herr meines Lebens sein.“ Nathanael, als frommer Jude, sagt es so: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!“ Jesus finden, Jesus sehen, Jesus folgen – das soll auch in diesem vor uns liegenden Jahr 2010 Ihre Losung sein. Dann wird es auf jeden Fall für Sie und für Euch alle ein gutes Jahr werden, was auch kommen mag.

Amen.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 8. Januar 2010 um 18:40 und abgelegt unter Predigten / Andachten.