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Den Erdkreis erregen. Eine Atheistin entdeckt die Dimension des Glaubens

Montag 30. September 2024 von Offensive Junger Christen


Offensive Junger Christen

Die in Somalia geborene Menschenrechtsaktivistin Ayaan Hirsi Ali, bekannt auch als eine der „fĂŒnf apokalyptischen Reiter“ des New Atheism, hat sich im Herbst letzten Jahres taufen lassen. In einer existenziellen Sinnkrise ist sie zu der Erkenntnis gelangt, dass alles, wofĂŒr sie sich eingesetzt hat: die WĂŒrde des Menschen, Gerechtigkeit, Freiheit, Wahrheit und Schönheit nichtig ist, wenn der Mensch lediglich das Produkt des blinden Zufalls in einem kalten, lieblosen Universum ist. Ihr langjĂ€hriger Mitstreiter, der Evolutionsbiologe und engagierte Atheist Richard Dawkins hat sie zum Rededuell in New York gefordert, das nun auch auf Youtube zugĂ€nglich ist. (red)

Richard Dawkins, den die paulinische Wende seiner Freundin offensichtlich sehr aufgewĂŒhlt hat, wĂ€hlt den Frontalangriff. Er nennt Jungfrauengeburt, SĂŒhnetod und Auferstehung „religiösen Bullshit“, viel zu albern und unsinnig, als dass eine kluge Frau wie Ayaan ernstlich daran glauben könne. Sie kontert mit einem EingestĂ€ndnis: Auch sie hat lange die Strategie gefahren, den Glauben lĂ€cherlich zu machen. Nun aber hat sie entschieden, der Jesus-Story Glauben zu schenken, einschließlich Auferstehung. Obwohl Dawkins und Ali zwei unversöhnliche Positionen vertreten, ist ihre Auseinandersetzung von gegenseitiger WertschĂ€tzung getragen. Sie betont, wie viel sie dem einstigen Mentor verdankt, und auch ihm spĂŒrte man die Verbundenheit ab, obwohl er keine Breitseite gegen ihren Glauben auslĂ€sst. Selten zeigt sich Dawkins so dĂŒnnhĂ€utig wie in dem Moment, als er realisiert, dass das Bekenntnis der Freundin zum Christentum kein politisches Statement ist, sondern tiefe GlaubensĂŒberzeugung.

Werte wurzeln im Fundament des Glaubens

Es ist nahezu surreal, wie einig sich die Kontrahenten in wesentlichen Fragen sind. Etwa darin, dass die Skripte unserer Zivilisation gegenwĂ€rtig von zwei gefĂ€hrlichen, sich virusartig ausbreitenden Ideologien umgeschrieben werden: dem Wokeismus und dem Islamismus. Dawkins, der sich erst kĂŒrzlich als „Kulturchrist“ bezeichnet hat, gesteht, er stehe im Kulturkampf, der in Afrika und dem Nahen Osten tobt, auf der Seite des christlichen Abendlandes. Ali erinnert ihn daran, dass dieser Kampf schon lĂ€ngst auf dem Campus der westlichen UniversitĂ€ten angekommen ist und dass Dawkins sich auch dort im christlichen Lager befindet, ob er will oder nicht. In einer nicht weniger surreal anmutenden Wendung der Debatte kommen sie ĂŒberein, dass sie in der Tat beide christliche Werte vertreten. Dawkins wĂŒrde zwar lieber vom „rationalen Humanismus“ reden, doch Ali besteht darauf, dass es ohne das Fundament des christlichen Glaubens keinen aufgeklĂ€rten Humanismus gĂ€be und folglich auch nicht die Welt, deren Werte sie beide leidenschaftlich verteidigen.

Sinn erwÀchst nicht aus dem Nichts

Uneins sind sie sich vor allem darin, ob der Atheismus mit seinen Attacken gegen den Glauben der Zivilisation geschadet hat. Ali stellt fest, dass an die Stelle des verdrĂ€ngten Christentums nicht etwa die reine Vernunft getreten ist, sondern ein geistiges Vakuum, in das nun neue, irrationale Weltbilder drĂ€ngen. Das war ihrer Ansicht nach unvermeidbar, denn der Materialismus ist nicht in der Lage, der menschlichen Existenz einen Sinn zu verleihen. Dawkins muss ihr beipflichten, hĂ€lt das aber nicht fĂŒr ein Problem. Ali hingegen ist entsetzt ĂŒber das Versagen des Atheismus: Er hat die Welt, in die sie einst vor der Bedrohung durch den aggressiven Islamismus geflohen ist, nachhaltig zerstört.

Dawkins betont immer wieder, ihm gehe es um Wahrheit, um Wahrheit an sich und nicht darum, welchen Nutzen sie bringt. Er stellt Ali diesbezĂŒglich zur Rede: Wie wahr, wie real ist das, was du glaubst – ungeachtet des kulturellen oder ethischen Profits, den der Glaube abwirft?!

Die alles entscheidende Frage: Was ist Wahrheit?

In diesem Punkt bin ich ganz bei Dawkins. Er hat Recht: Wenn in Wirklichkeit nichts einen Sinn ergibt, ist das eben die Wahrheit und alles andere ist Fiktion. Dann ist es nur konsequent, wenn wir uns der Sinnlosigkeit stellen – so wie sich Neo der Matrix stellt. Warum sollten wir eine offensichtliche LĂŒge leben?

Auch der Apostel Paulus folgt dieser radikalen Logik: Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist unsre VerkĂŒndigung vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich. Wir wĂŒrden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hĂ€tten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hĂ€tte, wenn doch die Toten nicht auferstehen. Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden. Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren SĂŒnden; dann sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen (1 Kor 15,14-19). Die gute Nachricht ist, dass Jesus von den Toten auferstanden ist. Wahrhaftig auferstanden.

Die Freiheit aus dem Rahmen zu treten

Ali kontert: Es gibt nachweislich Dinge, die sich nicht empirisch verifizieren lassen und dennoch real sind. Dawkins könne die Nichtexistenz Gottes gar nicht beweisen, sondern mĂŒsse daran glauben. Sie hingegen glaubt, dass Gott existiert. Und wenn es ihn gibt, dann stellt selbst die Auferstehung kein unlösbares Problem mehr dar. Wahrheit lasse sich nur in einem weltanschaulichen Rahmen begreifen, Glaube spielt in jedem Fall eine Rolle – das gilt auch fĂŒr die Weltanschauung von Dawkins.

Genau darin liegt die dramatische Spannung dieser Debatte: Ayaan Hirsi Ali ist aus dem szientistischen Rahmen herausgetreten und konfrontiert nun Dawkins mit der Begrenztheit seiner eigenen Sicht auf die Welt – einer Sicht, die sie vormals geteilt hatte. WĂ€hrend Dawkins versucht, Ali wieder hinter die StĂ€be seiner naturalistischen Weltanschauung zurĂŒckzuzwĂ€ngen, redet sie mit ihm wie ein Vogel, der seinem KĂ€fig entkommen ist. Dawkins grabscht von unten, sie zwitschert von oben zurĂŒck. Wie die Figuren in Cixin Lius Science-Fiction-Romanen versucht der verblĂŒffte Dawkins die nĂ€chste Dimension zu deuten, die sich vor seinen Augen auftut. Es wĂ€re doch fantastisch, wenn er sie auch begreifen könnte.

Ayaan Hirsi Ali jedenfalls ist angekommen.

Ádåm Szabados (divinity.szabadosadam)

Quelle: Salzkorn – Anstiftungen zum gemeinsamen Christenleben 3/2024 (OJC e.V.)

Youtube-Video: www.youtube.com/watch?v=DBsHdHMvucs

ÁdĂĄm Szabados PhD ist Theologe, Pastor und Blogger in Ungarn. Er diskutiert zu aktuellen kulturellen apologetischen Themen aus reformierter Perspektive auf www.divinity.szabadosadam.hu . Dieser Eintrag wurde von Mitarbeitern der OJC ĂŒbersetzt.

 

 

Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 30. September 2024 um 14:16 und abgelegt unter Christentum weltweit, Gesellschaft / Politik.