Predigt über Eph 3,14-21: Gebeugte Knie für die unermessliche Liebe Christi
Sonntag 29. September 2024 von Johann Hesse
Das erste der sieben Sendschreiben der Offenbarung richtete Jesus um 90 n. Chr. an die Gemeinde in Ephesus. Darin stellt er den Ephesern ein Zeugnis aus: Ihr seid stark in der Praxis, stark in der Lehre, stark in der Geduld, aber schwach in der Liebe. Jesus lässt ihnen ausrichten: „Aber ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast. Denke nun daran, aus welcher Höhe du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke! Wenn aber nicht, werde ich über dich kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte – wenn du nicht Buße tust“ (Offb 2,4-5)
Die Sendschreiben sind auch uns zur Prüfung gegeben. Auch wir müssen uns fragen: Sind wir eine Gemeinde, die stark in der Praxis, stark in der Lehre, stark in der Geduld, aber schwach in der Liebe ist. Was können wir als Gemeinde unternehmen, damit wir stark in der Liebe sind? Wie können wir als Gemeinde verhindern, dass wir die erste Liebe verlassen oder wie können wir als Gemeinde zurückfinden zur ersten Liebe?
Paulus zeigt uns am Ende des dritten Kapitels auf, was zu tun ist, damit eine Gemeinde in der ersten Liebe bleibt oder zur ersten Liebe zurückkehren kann:
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Eph 3,14-21).
Der vorangegangene Abschnitt Epheser 3,1-13 war ein Einschub. Er beginnt in Epheser 3,1 mit einem „Deshalb“. Paulus fügt dann einen Einschub (3,1-13) über das Christusgeheimnis ein, das von Ewigkeit her verborgen nun aber offenbar ist:
Durch den Glauben an Jesus Christus und sein am Kreuz vergossenes Blut finden Juden und Heiden Zugang zu Gott, dem Vater und bilden ein einziges und in Ewigkeit geeintes Gottesvolk. Paulus verkündigt das Evangelium unter den Völkern, damit auch sie zusammen mit den messianischen Juden zu dem einen ewigen Gottesvolk hinzukommen können.
In Vers 14 setzt Paulus erneut mit dem „Deshalb“ an und berichtet, was er in seiner Gefangenschaft in Rom tut. Er geht für die Gemeinde in Ephesus auf die Knie und betet für sie. Er hält Fürbitte für die Gemeinde in Ephesus. Wir wollen uns diese Fürbitte in vier Punkten erschließen:
1. Gebeugte Knie, damit der innere Mensch gestärkt wird (3,14-16)
1.1    Deshalb beuge ich meine Knie: Die Fürbitte des Apostels
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden“ (Eph 3,14).
Paulus berichtet nun, was er in seiner Gefangenschaft in Rom tut. Er geht für die Gemeinde in Ephesus auf die Knie und betet für sie. Er hält Fürbitte. Bereits im ersten Kapitel haben wir gesehen, dass Paulus für die Epheser betet:
„Darum, nachdem auch ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen, 16 höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet, 17 dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen. 18 Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist 19 und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns ist, die wir glauben durch die Wirkung seiner mächtigen Stärke“ (Epheser 1,15-19).
Indikativ- und Imperativ-Struktur der Paulusbriefe
Er beschreibt seine Fürbitte gleich im ersten Kapitel und nun auch hier im dritten Kapitel. Übrigens an einer wichtigen Scharnierstelle im Brief. Die ersten drei Kapitel des Briefes beschreiben, wie reich wir „gesegnet sind mit allen geistlichen Segen im Himmel durch Christus“ (Eph 1,3). Ab Kapitel 4 beginnt der praktische Teil: „So ermahne ich euch nun, ich, der Gefangene in dem Herrn, dass ihr der Berufung würdig lebt, mit der ihr berufen seid“ (Eph 4,1). Diese Briefstruktur ist ganz wichtig, denn sie ist zugleich biblische Lehre: Erst musst du wissen, was du in Christus geschenkt bekommen hast (Theologie und Lehre) und dann fließt die Praxis aus der Erkenntnis. Man spricht auch von einer Indikativ-Imperativ-Struktur. Der Indikativ ist die Zeigeform: Sie zeigt an, was Gott in Christus für uns getan hat: „In Christus hat er uns erwählt“. Der Imperativ ist die Befehlsform: Sie zeigt ein, was wir tun sollen: „Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen“ (Eph 5,18).
Paulus legt in Eph 1-3 die theologischen Grundlagen und lehrt dann ab Kapitel 4-6 die daraus folgende Praxis. Genau zwischen den beiden: Die Fürbitte. Ohne Gebet ist alles nichts!
1.2Â Â Â Â Ich beuge meine Knie: Die Gebetshaltung ist nicht egal
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater.“ Paulus sagt nicht, dass er betet, aber der Ausdruck „Ich beuge meine Knie“ verrät uns sofort, was Paulus tut. Er geht auf die Knie vor dem Vater im Himmel und betet für die Gemeinde in Ephesus. Die Beter der Bibel beten in ganz verschiedenen Gebetshaltungen: Sie stehen (Neh 9,3; Mk 11,25), sie heben die Hände (1. Kön 8,22), sie liegen auf dem Boden (Daniel 9,18) und sie knien vor Gott.
So beschreibt Esra sein Bußgebet:
„Und um das Abendopfer stand ich auf von meiner Buße mit zerrissenem Gewand und Mantel und fiel auf meine Knie und breitete meine Hände aus zu dem HERRN, meinem Gott, 6 und sprach: Mein Gott, ich schäme mich und scheue mich, meine Augen aufzuheben zu dir, mein Gott; denn unsere Missetat ist über unser Haupt gewachsen, und unsere Schuld ist groß bis an den Himmel“ (Esra 9,5-6).
Wenn der Beter niederkniet bringt er damit auch körperlich zum Ausdruck: Gott, du bist groß, stark, heilig und erhaben! Ich beuge mich vor dir, denn du bist der große Gott, ich ein kleiner Mensch. Es ist eine Geste der Demut vor dem allmächtigen und heiligen Gott.
Heute sind wir in unserer Gebetshaltung oft sehr nachlässig und bequem geworden. Gesten der Demut und Ehrerbietung kennen wir kaum noch aus dem Alltag. Aber ich glaube nicht, dass die Gebetshaltung egal ist. Ja, es kommt Gott vor allem auf die innere Haltung des Beters an, aber ganzheitlich betrachtet, drückt der Mensch durch äußere Gesten auch seine innere Haltung aus.
Lassen wir uns hier von Paulus und den Betern der Bibel ermutigen und anspornen, das Beten im Knien wieder mehr zu praktizieren. Denken wir daran: „Ihr seid teuer erkauft, darum preist Gott mit eurem Leibe“ (1. Kor 6,20). Mit unserem ganzen Leib und Leben sollen wir Gott preisen, darum knien wir mit den Betern der Bibel vor Gott.
1.3Â Â Â Â Vor Gott dem Vater
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden“ (Eph 3,14).
Ja, wir drücken mit dem Knien vor Gott aus, dass Gott heilig und allmächtig ist und wir in Ehrfurcht und Ehrerbietung vor ihn kommen. Aber wir kommen zugleich zu ihm als Kinder zum liebenden Vater: „Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch“ (1. Joh 3,1). Wir beugen unsere Knie voller Ehrfurcht und Demut vor dem heiligen Gott, aber zugleich als Kinder Gottes voller Vertrauen und Zutrauen zu unserem himmlischen Vater.
Paulus macht hier ein kleines Wortspiel, was nur im Griechischen sichtbar ist: Er beugt seine Knie vor dem patera (Vater), von dem jede patria (Familie, Sippe, Stamm, Geschlecht, Volk) ihren Namen hat. Die Elberfelder übersetzt:
„Vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird.“ (Elbf.)
„Er, dem jede Familie im Himmel und auf der Erde ihr Dasein verdankt“ (NGÜ)
Alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden geht zurück auf den einen himmlischen Vater. Paulus drückt an dieser Stelle noch einmal die allumfassende Herrschaft Gottes zum Ausdruck, dem sich alles im Himmel und auf Erden unterordnet.
1.4    Kraft für den inwendigen Menschen
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 von dem jedes Geschlecht im Himmel und auf Erden seinen Namen hat, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen“ (Eph 3,14-16).
1.4.1Â Aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit
Paulus bittet, dass der himmlische Vater nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, die Christen in Ephesus stärkt. Der Ausdruck „Reichtum seiner Herrlichkeit“ zeigt, dass bei Gott die Fülle ist und er uns an dieser Fülle teilhaben lässt. Wir brauchen ihn nur darum zu bitten: „Bittet so wird euch gegeben, suchet so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan“ (Mt 7,7) – Gott gibt gern aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit.
1.4.2 Kraft für den inwendigen Menschen
Paulus bittet den Vater darum, dass die Christen in Ephesus Kraft bekommen, dass der heilige Geist im inwendigen Menschen wirksam wird und die Christen stärkt. Durch den Heiligen Geist will Gott an unserem inneren (griechisch: eso) Menschen wirken.
Im zweiten Korintherbrief schreibt Paulus: „Darum werden wir nicht müde; sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch der innere (eso) von Tag zu Tag erneuert“ ( 2. Kor 4,16).
Hier gebraucht Paulus denselben Ausdruck: eso – das inwendige, innenliegende, innere. Während der äußere Mensch immer schwächer wird. Am Wochenende waren wir auf einer Hochzeit. Eine Frau kommt mir entgegen, die ich jahrelang nicht gesehen hatte und das erste, was sie sagt: „Du bist aber alt geworden!“ Ich konnte ihr dann später beim Hochzeitsempfang genau diese Verse sagen: „Der äußere Mensch verfällt, aber der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert“. Das ist das herrliche Vorrecht der Kinder Gottes.
Paulus betet dafür, dass Gott seine Kinder mit der Kraft des Heiligen Geistes am inwendigen Menschen erneuert, kräftigt und stärkt. Auch wenn der äußere Mensch immer schwächer wird, der innere Mensch wird mit der Kraft des Geistes Gottes erneuert und mit Kraft erfüllt.
Ein Liebesdienst, den wir füreinander tun können: Beten wir füreinander, dass unser innerer Mensch täglich erneuert und mit der Kraft und Fülle des Heiligen Geistes gestärkt wird. Dass Gott uns aus dem Reichtum seiner Gnade seine Kraft durch den Glauben in das innere unseres Herzens bringt.
2. Gebeugte Knie, damit Christus in unseren Herzen wohne (3,17)
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, 15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden, 16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, 17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid“ (Eph 3,14-17).
Im ersten Teil der Fürbitte betet Paulus, dass der innere Mensch durch den Heiligen Geist mit Kraft erfüllt und gestärkt wird. Im zweiten Teil der Fürbitte bittet er: „dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.“
2.1    Die trinitarische Struktur der Fürbitte
Unser Abschnitt zeigt uns, dass Gott als der dreieinige Gott handelt: Paulus bittet Gott den Vater, dass der Heilige Geist am inneren Menschen wirkt, damit Christus in den Herzen wohne: Vater, Sohn, Heiliger Geist. Gott ist ein dreieiniger Gott und handelt zu unserer Erlösung als Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Wie bete ich richtig? Soll ich auch zum Heiligen Geist sprechen? Hier sollten wir uns an den Gebeten der Apostel orientieren: Sie beten immer zum Vater oder zu Jesus, aber nicht zum Heiligen Geist. Sie bitten darum, dass Vater und Sohn durch den Geist an uns wirksam werden. Wenn wir also beten, dann können wir diese trinitarische Struktur als Modell für unsere eigenen Gebete und Fürbitten nehmen.
2.2Â Â Â Â Christus in ins: Die Hoffnung der Herrlichkeit
Als wir uns mit dem vorangehenden Abschnitt (Eph 3,1-13) beschäftigt haben, sprachen wir über das Christusgeheimnis in drei Teilen. Der dritte Teil des Christusgeheimnisses stammte aus dem Kolosserbrief 1,27: „Denen wollte Gott kundtun, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Völkern ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit“ (Kol 1,27).
Es ist wirklich so ein großes und unfassbares Geheimnis: Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit! In Johannes 14 sagt Jesus seinen Jüngern: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“ (Joh 14,23). Durch den Heiligen Geist nehmen der Vater und der Sohn Wohnung in uns.
Nun geht uns diese geheimnisvolle Erkenntnis im Alltag gern verloren. Auch wenn es objektiv so ist, wir sind uns dessen im Alltag nicht unbedingt bewusst. Da ist es gut, wenn wir füreinander beten und Gott darum bitten, dass wir dieses „Christus in uns“ sehr bewusst und voller Vertrauen auch im Alltag leben und erleben können. Wenn wir Fürbitte füreinander halten, dann beten wir füreinander, dass Christus in unseren Herzen wohne durch den Glauben.
2.3    Eingewurzelt und gegründet in der Liebe
„und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.“
2.3.1Â Eingewurzelt in die Liebe Christi
Paulus gebraucht hier zwei Bilder: Eines aus der Botanik und eines aus der Architektur.
Wie ein Baum im tiefen Grund der Erde wurzelt, sollen auch wir tief in der Liebe Christi eingewurzelt sein. Das Wurzelgeflecht eines einzigen Baumes kann mehrere tausend Meter lang sein und auch in große Tiefen durchdringen. Eine ganz bestimmte Feigenbaumart in Südafrika kann ihre Wurzel sogar durch Felsgestein in die Tiefe treiben. Auf der Suche nach Wasser und Nährstoffen machte sich die Wurzel auf eine lange Reise in die Tiefe und erreichte dabei eine Tiefe von bis zu 120 Meter.
„Neben der tiefsten Messung von 120 Metern ist auch die Zeitspanne dieser Reise äußerst imposant: Ganze 70 Jahre dauerte diese. Zwar ist die Suche nach der Wasserquelle damit beendet, fortan pumpt die Wurzel etwa 25 Liter Wasser am Tag bis ganz hinauf in den Feigenbaum, der in der trockenen Umgebung von Südafrika der Hitze und der Dürre trotzt.“[1]
Jesus hat über die Endzeit gesagt: „Und weil die Missachtung des Gesetzes überhandnehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten.“ (Mt 24,12).
Wir leben in einer immer kälter werdenden Welt. Lasst uns füreinander beten, dass wir ein tief und weit verzweigtes Wurzelsystem haben, dass unser ganzes Leben in der Liebe Christi eingewurzelt ist.
2.3.2 Gegründet auf die Liebe Christi
Das zweite Bild stammt aus der Architektur. Ãœbrigens nicht das erste im Epheserbrief.
„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist“ (Eph 2,19-22).
Die Gemeinde Jesu durch die Geschichte hindurch ist ein Volk, das aus Israel und den Nationen der Welt gesammelt wird und als ein unsichtbarer Tempel erbaut wird. Das Fundament dieses Tempels ist die Lehre der Apostel und der Propheten. Jesus ist der Eckstein dieses Tempels. Und die Fürbitte des Apostels knüpft an dieses Bild an, wenn er betet, dass die Gemeinde in der Liebe Christi gegründet sein soll. „Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1 Kor 3,11). Christus ist Grund und Fundament der Gemeinde. Ein Fundament, das aus Liebe gelegt wurde:
„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Joh 31,6)
2.3.4 Fürbitte für Wurzel und Fundament
Beten wir füreinander, dass wir mit unserem ganzen Leben in dieser Liebe Gottes eingewurzelt und fest gegründet sind. So helfen wir uns gegenseitig, in den Stürmen und Herausforderungen des Lebens fest und standhaft zu bleiben.
3. Gebeugte Knie, damit wir die unermessliche Liebe Christi erkennen (3,18-19a)
„So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft“ (Eph 3,18-19).
3.1Â Â Â Â Vier Dimensionen der Liebe Christi
Paulus betet, dass die Christen in Ephesus „mit allen Heiligen“, also mit allen Geschwistern der Ortsgemeinde aber auch der weltweiten Gemeinde Jesu, die Breite, die Länge, die Höhe und die Tiefe begreifen. Aber von was? Das wird unter den Auslegern diskutiert, aber die meisten sind der Ãœberzeugung – ich sehe es auch so – , dass es um die Liebe Christi aus Vers 19 geht. Er betet also darum, dass die Gemeinde die Breite, die Länge, die Höhe und die Tiefe der Liebe Christi erkennt. Eine Liebe, die alle Erkenntnis übertrifft.
3.1.1Â Eine unermessliche Liebe
Für die Liebe Gottes gilt, was auch für die Weisheit Gottes gilt. Sie ist letztlich unermesslich. Wie die Dimensionen des Weltraums können wir auch die Liebe Gottes nicht ausloten. Zofar sagt zu Hiob:
„Meinst du, du kannst die Tiefen [der Weisheit] Gottes ergründen oder die Grenze des Allmächtigen erforschen? 8 Er ist höher als der Himmel: Was willst du tun?, tiefer als die Unterwelt: Was kannst du wissen?, 9 länger als die Erde und breiter als das Meer: 10 Wenn er daherfährt und gefangen legt und Gericht hält – wer will’s ihm wehren?“ (Hiob 11,7-10).
So ist es auch mit der Liebe: Wir können ihre Breite, Länge, Höhe und Tiefe nicht erforschen. Sie ist unermesslich und unendlich wie Gott unendlich ist.
3.2.2 Das Kreuz – Gottes Liebe wird greifbar
„So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, 19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft“ (Eph 3,18-19).
Wir finden Hinweise auf die Liebe Christi auf ganz vielen Ebenen, in der Schöpfung, in unserem Leben, durch die Heilsgeschichte hindurch, in der Bibel. Doch die unermessliche Liebe Christi wird vor allem auf Golgatha sichtbar, wo der Sohn Gottes für dich und mich sein Leben ließ:
„Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde“ (Joh 15,13).
„Ihr Lieben, lasst uns einander lieb haben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist aus Gott geboren und kennt Gott. 8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe. 9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. 10 Darin besteht die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden“ (1. Joh 4,7-10).
„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Röm 5,8).
Nikolaus Graf von Zinzendorf und das Ecce-Homo-Bild
„Das Denken Zinzendorfs kreiste immer nur um den gekreuzigten Jesus. Schon als Kind im Haus der Großmutter hatte er den Senfkornorden gegründet. Sein Wappen war das Bild des dorngekrönten Jesus mit der Unterschrift „Seine Wunden sind unsere Heilung“. Als sich Zinzendorf in Begleitung seines Hofmeisters auf eine eineinhalbjährige Kavaliersreise begab, die ihn über Holland und die Schweiz bis nach Paris führte, erlebte er den größten Eindruck in der Düsseldorfer Gemäldegalerie. Das Bild „Ecce homo“ des dorngekrönten Jesu von Domenico Feti fesselte ihn, besonders die Unterschrift: „Das tat ich für dich, was tust du für mich?“[2]
Zinzendorf hat auch in seinen Liedern immer wieder die am Kreuz offenbarte Liebe Christi besungen, so auch in dem Lied: „Sei ewig gelobet, du heilige Liebe“
1) Sei ewig gelobet, du heilige Liebe,
für die Gemein, dein Volk und Haus,
für alle darinnen sich regenden Triebe;
zuletzt wird doch ein Ganzes draus.
Sind dessen Einwohner nicht darum frei,
dass jeder die Beute des Helden sei,
der Freiheit und Leben, uns Heil zu erwerben,
freiwillig vertauschet mit Dienen und Sterben.
3) Sei herzlich gelobet, gekreuzigte Liebe,
für dein Erbarmen, Treu und Hut.
Erhalt deinen Knechten die freudigen Triebe
und gründ sie stets mehr auf dein Blut.
Du wollest sie leiten nach deiner Gnad,
steh ihnen zur Seiten mit Rat und Tat,
stärk sie mit des Wortes hell leuchtendem Scheine.
Das bittet, das flehet die ganze Gemeine.
Lasst uns als Gemeinde füreinander beten, dass wir mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft.
4. Gebeugte Knie, damit wir ganz von Gott erfüllt werden (3,19b)
„So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle“ (Eph 3,18-19).
4.1    Das Ziel der Fürbitte: Die Gottesfülle
Wir kommen nun zum Ziel der Fürbitte: Alles mündet darin und das ist das, was Paulus erbittet für die Christen in Ephesus: Dass sie erfüllt werden mit der ganzen Gottesfülle!
Je mehr wir begreifen, welche Liebe Christus zu uns hat, je mehr wir das Geheimnis des Kreuzes ausloten, desto mehr werden wir erfüllt mit der ganzen Gottesfülle. Aus dem Kolosserbrief wissen wir, dass in Jesus Christus „die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt“ (Kol 2,9). Je mehr wir die Liebe Christi erkennen und begreifen, die Liebe Gottes durch den Geist Gottes in unsere Herzen ausgegossen wird (Röm 5,5), desto mehr wohnt auch die ganze Fülle Gottes in unseren Herzen und damit auch in der ganzen Gemeinde.
4.2    Was sind unsere Ziele in der Fürbitte?
Lasst uns ganz selbstkritisch unsere eigene Fürbitte auf den Prüfstand stellen. Wieviel beten wir für den äußeren Menschen und wie viel beten wir für den inneren Menschen? Geht es in unseren Fürbitten um die äußeren Anliegen: die Sorgen und Nöte des Alltags, die äußeren Umstände, die körperliche Gesundheit, die Situation am Arbeitsplatz, die nächste Prüfung, das schwierige Gespräch. Versteht mich nicht falsch: Klar, sollen wir für all das beten. Aber wir sollten unsere Gebete für unsere Geschwister unbedingt am Vorbild der Apostel orientieren. Was war ihnen wichtig? Wofür beteten sie? Es war ihnen vor allem wichtig, dass der innere Mensch stark wird, den unfassbaren und unermesslichen Reichtum der Liebe Christi auszuloten und die Christen immer mehr von der Fülle Gottes erfasst würden.
4.3    Ein Aufruf zur Fürbitte
Ja, wir können etwas tun, damit unsere Gemeinde stark in der Liebe ist. Ja, wir können etwas tun, damit wir die erste Liebe nicht verlassen, ja wir können etwas tun, damit wir zurückfinden zur ersten Liebe. Gehen wir wie Paulus auf die Knie und beten:
„dass er Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid. So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist, auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle. Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
- Gebeugte Knie, damit der innere Mensch gestärkt wird (3,14-16)
- Gebeugte Knie, damit Christus in unseren Herzen wohne (3,17)
- Gebeugte Knie, damit wir die unermessliche Liebe Christi erkennen (3,18-19a)
- Gebeugte Knie, damit wir ganz von Gott erfüllt werden (3,19b)
„Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt, dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“
Amen
[1] https://www.forschung-und-wissen.de/magazin/die-tiefste-wurzel-der-welt-13372054 (abgerufen am 12.9.2024)
[2] Beate und Winrich Scheffbuch, Den Kummer sich vom Herzen singen, S. 180.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 29. September 2024 um 6:12 und abgelegt unter Gemeinde, Kirche, Predigten / Andachten, Theologie.