Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Die unglaublichste Geschichte des Alten Testaments (1. Mose 22)

Freitag 6. September 2024 von Prädikant Thomas Karker


Prädikant Thomas Karker

Ich weiß, dass unter uns viele Bergfreunde sind. Ja manche haben von Ihnen schon die schönsten Berggipfel erklettert und dann haben sie sich gefreut an dem herrlichen Ausblick, den man da hat und manchmal gibt’s auch unterwegs zur Spitze noch Schönes zu bestaunen. Seltene Blumen, Matten, Almen, Bergquellen, reine Bäche. Es ist etwas Wunderschönes, wenn man in den Bergen ist und es fällt uns schwer zu sagen, welcher Gipfel war denn der Schönere. Heute Morgen haben wir eine Bergwanderung vor uns, die wird einem sauer. Noch schwerer als die schwierigste Bergsteigerroute, der Weg zum Berg Morija. Und Abraham muss den Weg gehen, ob er will oder nicht, er wird gar nicht gefragt. Es ist nicht eine Frage nach der Lust und nach der Freude. Und er geht früh am Morgen, bricht auf, drei Tage lang geht er. Jeder Schritt tut doch weh.

Spurgeon sagt dazu: Ich bitte euch, die Zeit zu beachten, da Gott Abraham mit dieser schwersten seiner vielen Proben versuchte. Es war „nach diesen Geschichten,“ das heißt, nach neun großen Prüfungen. Nachdem er durch viele Leidenskämpfe hindurch gegangen und dadurch gestärkt und geheiligt war, war er berufen, eine noch härtere Probe zu bestehen. Es ist gut, aus dieser Tatsache zu lernen, dass Gott schwere Bürden nicht auf schwache Schultern legt. Er erzieht unsren Glauben, indem Er ihn durch Leiden prüft, die allmählich wachsen in dem Verhältnis, wie unser Glaube wächst. … Erwartet also, Geliebte, dass eure Leiden sich mehren werden, je näher ihr dem Himmel kommt. . . . Lasst dies uns eine Warnung sein, dass wir niemals darauf rechnen dürfen, diesseits des Grabes von Trübsal frei zu bleiben . . . dass vielleicht eure letzte Schlacht die schlimmste sein wird, und dass das heftigste Feuer des Feindes bis zum Ende des Tages aufbehalten sein mag.

Nach diesen Geschichten: Auszug, Irrweg, Rückweg, Verheißungs-, Fürbitt-, Familien-, Lachgeschichten. Jetzt die Opferungs-Geschichte. Die Juden nennen sie bis zum heutigen Tag die Fesselungsgeschichte. Die unglaublichste aller Geschichten. Schlimmer, dunkler, grässlicher, unfasslicher redet die Bibel nicht mehr. Die Legende berichtet, Sara habe, nachdem sie von dem allem gehört, als sie zurückgekehrt waren, sieben Schreie ausgestoßen und sei gestorben. Wer einmal die Geschichte nicht vom gnädigen Ende her liest, wer die Geschichte einmal durchdenkt, nicht vom Schluss her, dann, dann überkommt ihn genauso wie Kierkegaard sagt: Furcht und Zittern. Wirklich Furcht und Zittern. So hat Kierkegaard dieser dänische Religionsphilosoph sein Buch über diese Geschichte geschrieben. Furcht und Zittern ist seine Fesselungsgeschichte, und er verquickt seine Auslegung hier mit seiner eigenen Opferung, nämlich in Erinnerung an seine Entlobung am 11. Oktober 1841, die Entlobung mit Regine Olsen, die er als seine Opferung empfand.

Wir müssen uns hier von Anfang an entscheiden. Entweder wir durchlöchern die Geschichte mit unseren Anfragen, dann hat sie uns nichts zu sagen, weil wir es doch viel besser wissen, als was hier steht. Wie weit Gott mit seinen Forderungen gehen kann und welche Opfer er überhaupt verlangen darf oder aber wir hören in Demut zu, ob nicht doch irgendwo ein Stück Evangelium in diesem entsetzlichen Dunkel über dem Berg Morija aufleuchtet. Deshalb ist es auch gut, und ich lade Sie dazu ein, diese Geschichte nicht mit der Brille eines Psychologen, also von der Seele eines Menschen aus zu lesen oder zu verstehen, sondern eben gleichsam mit der Brille Gottes sub specie aeternitatis, unter dem Angesicht der Ewigkeit, also von Gott her wollen wir diese Geschichte verstehen und dies in vier Schritten.

1. Der Herr befiehlt.

Da sprach Gott zu ihm: Nimm Isaak, deinen Sohn, gehe hin und opfere ihn. Subjekt ist eindeutig Gott. Nicht etwa Trunkenheit. In der Zeitung stand: Ein Mann greift nach einem Buben und schneidet ihn mit einem scharfen Messer die Kehle durch. Angefügt: dass der Mörder vor der Tat ein paar Flaschen Bier und eine Flasche Schnaps getrunken habe. Aber hier? Es ist kein Alkohol im Spiel. Subjekt ist nicht die Trunkenheit.

Subjekt ist auch nicht der Wahnsinn. Der Mörder von Euskirchen, der im Gerichtssaal herumgeschossen hat und fünf Menschen getötet, der habe, und so berichtete es später eine Zeitung, der habe schon vorher Anzeichen verwirrten Geistes gezeigt, unberechenbar, aufbrausend, manchmal wie wahnsinnig. Aber hier ist kein Wahnsinn im Spiel. Subjekt ist nicht Wahnsinn.

Das unbegreifliche Subjekt dieser Geschichte ist Gott. Unglaublich! Gott befiehlt dem Mann seinem eigenen Sohn an die Kehle zu gehen. Und der Mann ist der Vater des Kindes und dann noch ein Kind, auf dass er jahrzehntelang gewartet und als es geboren, brachen diese Lachsalven aus. Gott verlangt eine Leiche. Das ist die Geschichte: Gott verlangt eine Leiche.

Es kommt vor, dass Eltern ihre Kinder verlieren. Es ist schlimm, wenn Eltern ihre Kinder verlieren. Aber hier sollen Eltern nicht nur ihr Kind verlieren, hier sollen Eltern ihr Kind ermorden, abschlachten, so wie ein Tier.

Das ist nicht nur verletzte Liebe, das ist der tiefste angefochtene Glaube, was aber Glaubensanfechtung heißt, zeigt Kierkegaard am Beispiel zwischen dem biblischen Abraham und dem griechischen Agamemnon. Aus der Schulzeit weiß ich noch von dem Krieg gegen Troja. Und da waren 1200 Kriegsschiffe, die Lagen an der Küste von Aulis zur Ausfahrt bereit. Die See aber war glatt und kein Windchen bewegte die See. Diese Boote dümpelten im Wasser. In äußerster Bedrängnis entschloss sich, König Agamemnon zum allerletzten. Er opferte seine Tochter Iphigenie auf dem Zeus Altar. Ein Kind für den Wind. Was für eine Geschichte aus der griechischen Vergangenheit, ein Kind für den Wind, welche Rettung des Vaterlandes. Die Agamemnon-Sage, ist nicht zu fassen.

Aber die Abrahams Geschichte ist unfasslich. Jahre lang wartet eben der auf seinen Sohn und dann soll der Vater Stolz auf einem Steinhaufen verbluten. Das ist doch kein lieber Gott, das ist der Gott Abrahams, Isaak und Jakob, der diesen Mord auf Befehl veranstaltet. Hat sich denn Gott eines anderen besonnen, hat sich denn Gottes Herz gewendet? Widerruft er hier an dieser Stelle seine Versprechungen, so wie nach den Wahlen die gewählten Männer ganz kleinlaut ihre großen Versprechungen bei den Wahlkampfveranstaltungen wieder zurücknehmen und streichen. Wenn Isaak stirbt, dann steht nicht nur ein Eheglück auf dem Spiel. Nicht nur das Kriegsglück einer Nation, dann steht aber alles, alles auf dem Spiel.

Calvin sagt es richtig, es sieht so aus, als wolle Gott alles, was er dem Abraham an Ordnung gab, mit Füßen treten. Der Herr befiehlt und trotzdem, trotzdem. Der Herr befiehlt Abraham nicht sinnloses.

Wenn man heute im Fernsehen Diskussionen oder auch in Kirchenblättern Betrachtungen über diese Geschichte liest, dann fällt auf, dass die meisten der Ausleger mit dieser Geschichte nur noch wenig anfangen können. Die sagen, das ist Geschichte aus grauer Vorzeit. Das schließt eine dunkle Epoche ab. Das trifft nicht auf unseren Gott zu, unser Gott ist der Gott der Liebe. Das stimmt nicht, was diese Auslegungen sagen. Ich bin froh, dass jetzt viele unter uns sitzen, die Zeugen dessen sind, das Gott auch heute seine Leute sehr wohl auf den Hügel Morija führt.

2. Der Herr versucht.

Sofort fällt einem Jakobus 1,13 ein: Niemand sage, dass er, wenn er versucht werde, von Gott versucht werden. Wie passt das eigentlich zusammen. Jakobus 1 und 1. Mose 22. Wahr ist, dass Gott nicht zum Bösen versucht, diese Versuchung zum Bösen, die kommt vom alten Adam. Von Gott geht kein Anreiz zum Bösen aus, nie! Von Gott geht nie ein Anreiz zum Bösen aus. Wenn ich hier in Versuchung bin, dann immer im Sinne einer Erprobung, Belastung oder Zerreißprobe. Hier ist Glaube auf dem Prüfstand, um das geht es. Das ist der Hintergrund. Glaube auf dem Prüfstand. Abraham wird direkt von Gott auf die Probe gestellt. Und Luther, der wohl die tiefste Auslegung geschrieben hat, sagt: „Wahrhaftig patriarchalische Prüfung, die die Späteren nicht hätten ertragen können, auch wir nicht. Ihm wird sie auferlegt. Er muss sie durchstehen.“ Die Prüfung des Glaubens Abrahams.

Gott schickt Proben, dass unser Glaube wachse und sich bewährt, dass er rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde als das vergängliche Gold, das durchs Feuer geläutert wird. 1. Petrus 1,7. Natürlich ist das eine Anfechtung, eine Riesenanfechtung, aber es gilt der andere Satz: Wenn Gott mit Anfechtungen verschont, dann ist das schlimmer als zehn Anfechtungen. Wissen sie das. Wenn Gott sie von Anfechtungen des Glaubens und des Lebens verschont, dann ist das schlimmer als zehn Anfechtungen. Keine Anfechtung zu haben, ist die größte Anfechtung.

  1. Lamparter schreibt dazu: Er lässt es auf eine Probe ankommen, ob wir bereit sind, ihm bedingungslos zu gehorchen, auch dann noch, wenn Er unsre Wünsche durchstreicht, unsre Hoffnungen vereitelt und genau das, woran unser Herz hängt, zum Opfer fordert. Nun muss es sich zeigen, ob wir bereit sind, an dem, was wir leiden, Gehorsam zu lernen und mit dem Dennoch des Glaubens an Gott festzuhalten. Ist unsre Frömmigkeit religiös drapierte Eigensucht oder Gehorsam ohne Vorbehalt?

Abraham hat schon manche Anfechtungen bestand, vom Auszug bis zum Warten auf den Sohn, aber jetzt Freunde, jetzt ist Generalprobe, oder Lamparter sagt, jetzt ist die Feuerprobe. Das hier ist Feuerprobe des Glaubens! In 5. Mose 8 steht: Der Herr, euer Gott stellt euch auf die Probe um zu erkennen, ob ihr den HErrn euren Gott von ganzem Herzen und von ganzer Seele liebt. In der Probe soll herauskommen, was im Herzen des Menschen ist, ob er ungeteilt dem Herrn anhängt. Worauf zielt diese Probe? Ob Abraham bereit ist, aus seinem Glauben Konsequenzen zu ziehen. Wer diesem Gott begegnet, bei dem hört die fromme Gottbummelei, wie Blumhardt gesagt hat, bei dem hörte die fromme Gottbummelei auf. Abrahams soll seine eigene Zukunft zu Asche verbrennen. Bei einem Dankopfer ist es ja so gewesen, dass das ganze Opfer zur Asche verbrannte. Und hier kommt ja das Wort her: Holocaustum oder Holocaust. Das ganze Opfer wird verbrannt. Abraham soll auf Befehl einen holocaust veranstalten, nicht nur erleiden. Abraham und der Holocaust. Darum geht es in dieser Geschichte. Er soll’s machen. Abraham ist ja hin- und hergerissen. Zwischen Gottesliebe und Kindesliebe zwischen zwei Gottesbildern, der Gott, der ihn so geführt und ihm einen Sohn geschenkt. Auf der einen Seite und der Gott, der durch eine wahnsinnige Anordnung, das in drei Tagen wieder kaputtmachen soll. Das steht auf der anderen Seite. Zwei Gottesbilder, die auch oft in unserer Seele und in unserem Herzen sind. Auf der einen Seite der Gott, der uns so gnädig geführt hat. Bis zu diesem Abend, dass sie es machen konnten, gesund oder wenigstens so, das sie’s hierher gebracht haben. Er hat sie so geführt und andererseits der Gott, der das in ihrem Leben, in dieser Welt so zulässt, dass sie dies nicht verstehen können. Und diese beiden Bilder kommen nicht zusammen. Das ist die Anfechtung. Der Herr versucht mit dem Opfer, dem Opfer der Zukunft.

Die Vergangenheit hat Abraham beim Auszug in Haran geopfert, die Gegenwart hat er in 25 Jahren Wartestand geopfert, jetzt will Gott das Opfer seiner Zukunft: Isaak, den Sohn seiner Verheißung.

Es gibt schwere Wege, wo Gott uns unerbittlich Hartes auferlegt. Das passt uns nicht, das geht uns gegen den Strich unseres Denkens, das kann man nicht verstehen. Und dann kommt es zu diesem Konflikt. Unser Gott ist nicht in der Mode der Zeit so ein bisschen sanft, früher sagte man: ein Feld-Wald- und Wiesen-Gott. Ein süßes Bild unserer Gefühle. Sondern wir reden ja gerne vom lebendigen Gott, wie Gott wirklich ist. Wie wir ihn erfahren im Leben, ein Gott, der fordern und befehlen kann.

Da steht ein Abraham, dieser große Mann des Glaubens vor dem ewigen Gott, der weiß, ich bin nur Staub und Asche. Ich kann doch vor Gott den Mund nicht auftun. Er müsste ja sagen: Ich verstehe dich nicht. Wo ist uns denn versprochen, dass wir den ewigen Gott verstehen können und unsere Gedanken können ihn nicht fassen. So leicht haben wir das am Anfang unseres Gottesdienstes ja gesprochen: Meine Gedanken sind nicht eure Wege und meine Wege sind nicht eure spricht der HErr! Der, der über unser Leben gebietet, der uns in dieses Leben hineingestellt hat, der unsere Todesstunde kennt und der auch weiß, wie lange unser Lebensweg gehen soll. Dieser Gott den können wir nichts fragen und nichts antworten und wir können ihn nicht vor unser Gericht ziehen! Es ist uns wie eine bittere Pille, die man nicht schlucken will. Ich begreife das nicht! Jetzt verstehen Sie: Abraham ist anders als wir. Er glaubte, er vertraute, er gehorchte. Und im Römer 4 sagt Paulus dann: Er wankte nicht im Glauben, er wusste auf das Gewisseste, bei Gott gibt es noch eine Lösung, selbst wenn alles dunkel und verloren ist. Woher hatte er das? Er hat das Wort Gottes, was ihm Gott gesagt hat, so wie sich Gott ihm offenbart hat: Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Wenn es bei ihnen oft auch so aussieht und sie sagen: Ich verstehe Gott nicht mehr in meinem Leben, ich weiß nicht, was er will. Und dann ist es gut, wenn sie sich nicht orientieren an ihren Gefühlen, an ihren Empfindungen, an ihren Gedanken, an ihrem Verstehen, sondern wenn sie ganz einfach nur noch auf das Wort Gottes vertrauen. Er hat es gesagt und darauf wagt mein Herz es froh und unverzagt und lässt sich gar nicht grauen.

3. Der Herr hört

Abraham wusste eigentlich zu beten. Er wusste zu bitten. Abraham wusste eigentlich zu fechten, um Sodom hat er einige Runden gekämpft, immer wieder hat er geschrien. Jetzt könnte er schreien: Unmöglich Gott! Das kann nicht wahr sein. Erbarme dich! Verschone mich damit! Und der Herr hört in dieser ganzen Geschichte. Er hört nur vier Sätze in den 3-4 Tagen dieses Geschehens. Zwei davon: Hier bin ich! Hier bin ich! Geh! Tu das! Hier bin ich. Schlachte deinen Sohn! Hier bin ich! So wie bei Samuel: Rede Herr, dein Knecht hört! Jesaja: Sende mich! Ja sende mich! Petrus: auf dein Wort will ich die Netze auswerfen.

Ein wortloser Gehorsam. Keine Warum-Frage, kein Aufbegehren.

Was hätte er nicht alles vorbringen können: Valerius Herberger dazu:

„Mein Herr, mein Heiland! Wie meinst du es? Isaak soll das gelobte Land ererben – nun soll ich ihn töten? Du hast verboten zu töten, und nun willst du es von mir haben?

Es muss dich entweder gereuen, was du mir und meinem Sohne zugesagt hast, oder ich muss dich etwa mit einer Sünde erzürnt haben. Oder hat es meine Sarah verschuldet?

Soll ich selber meines Sohnes Mörder sein? Mit was für Augen soll ich das sehen – mit was für Schmerzen, soll ich das verrichten! Wie will ich dieses über mein Vaterherz bringen!

Sarah, liebe Sarah, was wirst du dazu sagen? Sollte ich dirs offenbaren: Ich will dir es nicht sagen. Aber wie wirst du, wenn es nun geschehen wird, klagen? Du wirst dich zu Tode grämen. Also werde ich zugleich ein Mörder werden am Sohne, an der Mutter, am Messias, ja, an meinem eigenen Herzen.

Was werden meine Nachbarn zu dieser Tat sagen? Sie werden meiner Religion und meines Gottes spotten, und sprechen: Hat Abraham einen solchen Gott, der ihm die Kinder frisst, so mögen wir seinen Glauben nicht haben und von einem solchen Gott nichts hören noch wissen.“

Spurgeon sagt: Diese Worte sind ein Besteck voller Messer, die in Abrahams Seele schneiden.

Dort wo er seinen Gott nicht mehr versteht, geht er festen Schrittes im Gehorsam. (Hartenstein) Ich rede jetzt zu denen, denen dieses zweite Gottesbild zu übermächtig geworden ist. Dieser Gott, der so vieles zumutet in ihrem Leben. Wenn es bei Ihnen dunkler und immer dunkler wird, wenn er ihnen Rätsel aufgibt, die sie nicht mehr lösen können. In der Rechnung ihres Lebens lauter Unbekannte eingefügt werden, ja wenn er geradezu Unmögliches von Ihnen verlangt, so vielleicht wie von Bodelschwingh, der innerhalb von 2 Wochen 4 seiner Kinder an einer Husteninfektion geben muss. Dann begehren sie nicht auf, dann tun sie die nächstliegenden Schritte im Gehorsam. Denn eines gilt, was im 1. Korinther 10,13 steht: Gott ist getreu, der euch nicht lässt versuchen über euer Vermögen, sondern macht, das die Versuchung so ein Ende gewinne, das ihrs könnt ertragen. Auch bei Ihnen gehts nicht über ihr Vermögen auch bei Ihnen gehts nicht über ihre Kraft. Gottes Proben haben noch keinen Menschen, noch keine Menschen kaputtgemacht.

Der Herr hört. Er hört auch das andere er hört die Aufbruchsvorbereitungen von Entschiedenheit und Kompromisslosigkeit geprägt. Holz wird gespalten, Feuer wird gemacht, ein Esel gesattelt, kein Abschied, kein Taschentuchwinken, kein auf Wiedersehen, gar nichts. Man hört nur das getrampelt, die Schritte des Abraham, seines Sohnes und drei Knechte und ein Esel. Drei Tage lang ist diese Karawane unterwegs. Die Frist von drei Tagen ist ja interessant in der Bibel. Sie tritt auch immer wieder sonst im Alten Testament auf. Der Herr hört kein einziges Wort. Es gibt Dinge, die immer noch besser im Schweigen aufgehoben sind als in den bestgemeintesten Worten. Nicht über alles, sollte man sofort reden, nicht über alles sollte man in ein Palaver hineingehen. Bei vielen Dingen ist Schweigen Gold, so wie Abraham mit seinem Schmerz alleine ging. Am dritten Tag kommt Morija in Sicht.

  1. Chronik 3: Darauf begann Salomon den Tempel in Jerusalem zu bauen. Für die jüdische Überlieferung gibt es keine Zweifel. Morija ist die Gegend um den späteren Tempelberg in Jerusalem. Für die Christen geht der Blick ein kleines Stückchen weiter, draußen vor der Stadt lag Golgatha. Der Theologe W. Weiß sagt: nur wenige 100 m von der Stätte Morijas entfernt, hat das Kreuz gestanden. So ist die Geschichte.

Und jetzt hört der Herr, wie Abraham seinen Knechten befiehlt: Bleibt hier mit dem Esel. Was er mit seinem Gott abzumachen hat, braucht keine Zeugen. Er nimmt Feuer und Messer. Feuer, Gabel, Messer, Licht sind für kleine Kinder nicht. Das ist zu gefährlich für den Buben. Er bekommt das Holz auf den Rücken und so gehen die beiden miteinander. Ein unglaubliches Bild, der Vater mit dem Feuer und dem Messer und daneben der Bub mit dem aufgebundenen Packen Holz. Dann fragt der Sohn: Vater, wo ist denn das Opfertier? Und Gott wird es ersehen, sagt der Vater. Gott wird versorgen, Abraham weiß nicht, was er sagt, er weiß auch nicht wie das gehen soll, aber er hat letztlich recht. Er ist nicht nur Vorbild im Glauben und Hoffen, als er anfangs aus Haran gezogen ist. Er ist auch Vorbild im Glauben und Hoffen als die ganze Heilsgeschichte auf dem Berg Morija zusammenzubrechen droht. Noch einmal Luther: „Deshalb wird sein Glaube von Propheten und Aposteln so berühmt, denn er hat also gedacht, der Abraham. Heute habe ich noch einen Sohn, morgen aber werde ich nichts als Asche haben. Wie lange aber dieselbe hin und her gestreut liegt, weiß ich nicht, aber eins weiß ich, dass sie wiederum lebendig werden wird, es geschehe gleich oder über 1000 Jahre nach meinem Tod. Das Wort sagt, ich werde von diesem Isaak, der zur Asche werden soll, Samen haben. Das ist Ostern im Alten Testament.“ So können wir sagen, so wissen wirs zu sagen. Und wenn der Leichnam in die Erde gelegt wird, oder wenn die Asche ausgestreut wird. Nach einer Kremation, so weiß dieser Abraham, so weiß der Glaube: Ich weiß, dass dies alles wieder lebendig werden wird.

4. Der Herr sieht.

Wie Abraham zum Opfer schreitet, das sieht dieser Herr, mit schrecklicher Genauigkeit wird hier alles erzählt. Kein Wort über die Gefühle des Abraham, kein Wort über das Entsetzen. Der Vater packt den Sohn, bindet ihn auf den Holzstoß, dann das erhobene Messer. Ich weiß nicht, ob sie das Bild von Chagall kennen: die Fesselung Isaaks, so heißt auch dieses Bild. Und da liegt dieser Bub auf dem Holzstoß, seine Arme auf dem Rücken gefesselt. Der Kopf hängt nach unten, sodass die Halsschlagader frei liegt, sein nackter Körper leuchtet in diesem Kunstwerk schneeweiß. Abraham dagegen steht ganz im Dunkeln. Sein Blick geht nach oben, so als wollte er fragen: Sieht denn das Gott? Sieht denn das Gott? Aber der Herr sieht. Er fährt herunter. Ein Engel kommt! Ein doppelter Anruf: Abraham! Abraham! Gott mag lange schweigen, aber in der allerletzten Not wird er reden.

Damit ist die Opferhandlung unterbrochen. Das Dunkel der Nacht ist zerrissen. Abraham entdeckt den Widder, Gott selbst sorgt für den Ersatz und Abraham nennt die Städte: Der Herr sieht. Er bleibt im Gehorsam auch jetzt noch. Sie kennen ja Schillers Ballade: der Handschuh. Während der Vorführung in der Arena, wo Löwen, Bären oder was auch immer auftreten. Da lässt eine Dame ihren Handschuh hinein in die gefährliche Arena fallen, um ihren Angebeteten auf die Probe zu stellen. Dieser Liebhaber der spring auch in diese Todes-Arena hinein, nimmt den Handschuh, aber er wirft diesen Handschuh der Dame ins Gesicht und nimmt Abschied. Und jenes berühmte Wort: Den Dank Dame, den begehre ich nicht! Den Dank den begehr ich nicht. So hätte doch Abraham auch bitter sagen können, den Dank Gott, den begehr ich nicht. Und dann wirft er den Widder seinem Gott vor die Füße, das tut er nicht. Er opfert ihn. Der Herr sieht. Gott hat ein Einsehen. Er setzt dem Leiden ein Ende. Die Probe geht nicht unendlich. Jede Probe, auch in der sie jetzt stecken, hat ein Ende.

Wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein. Gott sieht den Glaubensgehorsam: Prüfung bestanden! Dieser Abraham hätte auch das Letzte aus der Hand gegeben. Wir behalten immer gerne noch einmal etwas in der Hinterhand. Das Beste, das Teuerste, das Liebste. Nun sind auch wir gefragt: Könnten wir das, was uns am Teuersten ist, könnten wir es hergeben, wenn Gottes es von uns verlangt.

Denken Sie an Abraham, das Teuerste war ihm sein Sohn. Ist es bei Ihnen ihr Kind, der Enkel, ist es ihre Gesundheit, ist ihr Liebstes ihr eigenes Leben. Sind sie heute so frei zu sagen: Herr und wenn du es forderst. Und wenn du mein Leben heute haben willst. Herr nimm es, Herr nimm es. Gib es Gott in die Hand, du hast mehr in Händen als du jemals ahnen kannst. Und Gott sieht Abraham auf dem ganzen Weg und hatte ihn keinen Augenblick aus den Augen verloren. Er sah nichts mehr. Aber Gott sah, wenn wir nichts mehr sehen: Gott sieht! Und das letzte auch: Gott sieht voraus. Er sieht voraus.

Wie kann Gott so grausam sein. Wir sind grausam! Und die ganze Sache mit den Opfern ist ja eine Frage: Wie kriegt mein sündiges Leben mit Gott wieder Frieden. Ich kann doch mit Gott gar nicht Gemeinschaft haben, auch ein Abraham nicht.

Und jetzt lesen Sie diese Geschichte noch einmal vom Karfreitagsgeschehen her. Die Szene ist dann noch furchtbarer. In der Ferne die Knechte, die dem Sohn die Kleider vom Leibe reißen und seine Haut gerben. In der Nähe der Geschundene, dem man das Schimpfholz geschultert hat und da geht Jesus so wie der Isaak mit seinem Holz auf dem Rücken. Vor ihm die Gerichtsstätte, hinten kein Gestrüpp, in dem sich ein Tier verfängt und hinten kein Ersatzopfer, das jetzt gepackt werden könnte und hinten keine Stimme, die im letzten Augenblick ruft: Halt! Und das Schlachten verbietet. Der Hammer hämmert. Der Spieß sticht. Die Nägel dringen ein, Jesus lässt seinen Kopf fallen und stirbt. Dieser Gott verlangt nur das, was er sich selbst abgefordert hat. Genau das gleiche Wort, das hier in 1. Mose 22 vorkommen. Du hast deines Sohnes nicht verschont! Nun kommt es noch einmal vor: Gott hat seines Sohnes nicht verschont, sondern hat ihn für uns alle dahin gegeben. Er gab seinen einzigen Sohn, er hat ihn für uns alle dahin gegeben. Wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken!

Wir können keine Opfer bringen. Wir können nur dankbar dieses große Opfer annehmen, dass Jesus für uns gestorben ist und dass das da schon aufleuchtet im Leben Abrahams, wie eine Vorausschau von dem, was kommen soll. Er hat seines Sohnes nicht verschont, sondern er hat Gedanken des Friedens und der Liebe mit uns.

Einer der Ausleger schließt mit dem Satz: Keine Nacht ist so dunkel, dass man sie mit dieser Geschichte nicht mehr durchschreiten könnte. Und jetzt denke ich an ihre und an meine Nacht, und es ist keiner hier, der sagen könnte: Mein Weg führt nur durch Licht. Es ist keiner hier. Aber keine Nacht ist so dunkel, dass man sie mit dieser Geschichte nicht durchschreiten könnte.

Amen

Prädikant und Religionspädagoge Thomas Karker, Rettungsarche Möttlingen, 25.2.2024

Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 6. September 2024 um 10:10 und abgelegt unter Predigten / Andachten.