Falsche Abtreibungszahlen in Deutschland
Mittwoch 24. Juli 2024 von Felizitas KĂĽble
Zunächst eine Anmerkung vorweg: Ich habe viele Artikel und Pressemeldungen von Lebensrechtsgruppen nur deshalb nicht im CHRISTLICHEN FORUM übernommen oder stark gekürzt, weil dort die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes über die jährlichen Abtreibungen kommentiert worden sind. Rein inhaltlich waren die Erklärungen natürlich in Ordnung, aber ich hielt es für falsch, wenn ausgerechnet Anti-Abtreibungs-Vereinigungen sich auf diese haltlosen Daten beziehen, zumal damit in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, jene Zahlen seien richtig, wenn sie sogar von Lebensrechtsgruppen für voll genommen und regelmäßig erläutert werden.
Stattdessen sollte längst gefordert werden, daß Vater Staat endlich mit den tatsächlichen Abtreibungs-Daten herausrückt, was ganz einfach wäre – nämlich genau so, wie es vor der Wiedervereinigung Deutschlands gang und gäbe war:
Es gelten nicht die Zahlen des Statistischen Bundesamtes, sondern die abgerechneten Abtreibungen der Krankenkassen.
In den 80er Jahren gab es allein in Westdeutschland pro Jahr rund 300.000 Abtreibungen, die durch die Krankenkassen bezahlt wurden. Gleichzeitig meldete damals das „Statistische Bundesamt“ (ähnlich wie heute!) meist zwischen 100.000 und 120.000 Abtreibungen. Der Widerspruch war offensichtlich.
Selbst die Abtreibungsbefürworter im Bundestag (SPD, FDP, Grüne) gingen in ihren Reden meist sehr wohl von den Krankenkassen-Daten aus, weil sie sich andernfalls lächerlich gemacht hätten. Das kann man den damaligen Bundestagsprotokollen entnehmen.
Daten: KostenĂĽbernahme durch Kassen / Staat
Kein Ernstzunehmender orientierte sich in den 80er Jahren am Statistischen Bundesamt, zumal klar war und ist, daß es sich hier lediglich um die gesammelten Daten von Ambulanzen und Kliniken handelt, die in ihre Fragebögen im Grunde hineinschreiben können, was sie wollen – und warum sollten sie sich ausgerechnet mit hohen Abtreibungszahlen irgendwie „anrüchig“ machen?! Die Daten können ohnehin nicht rückkontrolliert werden – und wer sollte dazu außerhalb jener Einrichtungen auch imstande sein?!
Diese Problematik interessierte damals aber nicht weiter, weil man in der öffentlichen Debatte ohnehin von den Daten der Krankenkasse ausging, die Hand und Fuß hatten, weil sie auf den bezahlten Abtreibungen beruhten.
Wenngleich heute die meisten Abtreibungen (abgesehen von den vergleichsweise wenigen Indikations-Fällen) über eigens eingerichteten Fonds der Bundesländer finanziert werden, also ursprünglich nicht von der Krankenkasse, so nehmen sie dennoch ihren bürokratischen Weg über die Kassen, so daß ein Datenerfassen auf diesem Wege sehr wohl möglich wäre – zudem aufgrund der Rechenschaftspflicht des Staates über seine Geldausgaben auch direkt über jene Länder-Fonds.
Bisherige Falsch-Zahlen sind DUNKEL-Ziffer
Statt nun ständig die von vornherein unsinnigen Zahlen des Statistischen Bundesamts zu kommentieren und damit indirekt zu „bestätigen“ (selbst wenn dann bisweilen dann noch von einer nebulösen zusätzlichen „Dunkelziffer“ die Rede ist), sollten die Lebensrechtsverbände in Deutschland diese tatsächliche DUNKELZIFFER – nämlich die Daten des Statistischen Bundesamtes – endlich links liegen lassen, denn sie sind erstens von vornherein auf einer haltlosen Grundlage (freiwillige Fragebögen) erstellt, zweitens dienen diese Zahlen natürlich der Gegenseite.
Warum?
Ganz einfach: Je weniger Abtreibungszahlen in Deutschland „gemeldet“ werden, desto geringer erscheint das Problem, desto weniger notwendig ist eine öffentliche Debatte über diese Massenvernichtung ungeborener Kinder, umso weniger Aufmerksamkeit erfahren die Lebensrechtsgruppen für ihre Arbeit, so daß sie sich mit jenen kuriosen Pressemeldungen auch noch ins eigene Fleisch schneiden.
Staat darf sich nicht aus der Pflicht stehlen
Dazu kommt als politisch entscheidender Faktor:
Das Bundesverfassungsgericht hat den Staat verpflichtet, darauf zu achten, ob das derzeitige liberale Abtreibungsgesetz (wonach die Abtreibung in den ersten 3 Monaten zwar rechtswidrig, aber zugleich straffrei ist), den „Schutz des ungeborenen Lebens“ gewährleistet oder nicht. Das heißt: Wenn die Zahlen steigen, wäre der Gesetzgeber aufgefordert, den § 218 stärker im Sinne des Lebensschutzes zu gestalten.
Diesem Auftrag geht man natürlich am leichtesten aus dem Wege, wenn man die Zahlen immer schön „niedrig“ hält, sie sogar sinken läßt, wie dies in den letzten Jahrzehnten tendentiell der Fall ist. Wie gut (für diesen Zweck), daß es das Statistische Bundesamt gibt!
Natürlich ist diese Einrichtung keine „Fälscherwerkstatt“, darum geht es nicht, sondern – wie bereits erläutert – alleine darum, daß die dortigen Daten in bezug auf dieses Thema gar nicht fundiert sein können.
Endlich kommt nun etwas Bewegung in die totgelaufene Debatte, denn wie die evangelische Nachrichtenagentur IDEA meldet, hat ausgerechnet der österreichische Abtreibungsmediziner Christian Fiala erklärt, die Abtreibungszahlen in Deutschland seien „zwei bis dreimal so hoch“ wie die Daten des Statistischen Bundesamts. (In Wirklichkeit liegen sie noch höher, denn es wurden schon vor der Wiedervereinigung in Westdeutschland jährlich rund 300.000 Abtreibungen gemeldet, man muß also heute von einer deutlich gestiegenen Zahl ausgehen.)
Im IDEA-Bericht wird zur bisherigen „Statistik“ ebenfalls klargestellt:
„Die Zahlen beruhen allein auf den Angaben der Kliniken und Arztpraxen. Sie werden anonym übermittelt und sind nicht zurückzuverfolgen. So kann laut Fiala niemand kontrollieren, ob die Angaben vollständig sind. Abtreibungen korrekt zu melden, bedeute „zusätzliche Bürokratie“ und damit noch weniger Zeit für die Patientinnen. Außerdem hielten viele Ärzte die Statistik für sinnlos. Da schöben selbst gewissenhafte Mediziner die Meldung hinaus oder vergäßen sie ganz.“
Daher ist es überfällig, daß Lebensrechtsvereine vom Staat die ungeschönten, die tatsächlichen Abtreibungszahlen fordern, wie es das gute Recht nicht nur dieser Gruppen ist, sondern aller Bürger, die einen Anspruch darauf haben, bei diesem buchstäblich lebenswichtigen Thema nicht hinters Daten-Licht geführt zu werden.
Wir brauchen keine Dunkelzahlen, sondern Faktenzahlen! Also Schluß mit diesen „Fake-News“!
Felizitas KĂĽble leitet den KOMM-MIT-Verlag und das Christoferuswerk in MĂĽnster, das das CHRISTLICHE FORUM ehrenamtlich betreibt.
Druckort: „Der 13.“, 13.6.2024, S. 27.
Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 24. Juli 2024 um 5:00 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Lebensrecht.