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Flucht aus der Verantwortung

Sonntag 5. Februar 2023 von Pastor Heinrich Kemner (1903-1993)


Pastor Heinrich Kemner (1903-1993)

Von dem Propheten Jona wird berichtet, dass er eine Erholungsfahrt nach Tarsis dem Auftrag Gottes, Ninive zur Buße zu rufen, vorzog. Als dann im Ungewitter das Schiff zu kentern drohte, schlich er in die unterste Kabine und legte sich schlafen. Warum wohl diese Flucht nach unten? Nun, die Antwort ist nicht schwierig: In der untersten Kabine schaukelt das Schiff im Sturm am wenigsten. Die Gefahr für den Untergang ist aber die gleiche! Die Flucht ist die Selbsttäuschung. Diese Flucht aus der letzten Verantwortung wiederholt sich immerfort. Wenn man die Maßstäbe Gottes nicht gelten lässt, wenn man den Nächsten nicht liebt wie sich selber, hat man in jeder verantwortlichen Lage eine Entschuldigung bei der Hand. Nichts ist so verlogen wie der menschliche Intellekt. Mit ihm kann man alles beweisen, alles erklären und alles entschuldigen. Man kann das gemeinste Verbrechen zu einer guten Tat umdeuten, wenn man den Maßstab für sich und Gott verloren hat.

Mir wurde berichtet, dass ein gläubiger Professor seinen Studenten gesagt habe, dass im Gleichnis Jesu vom barmherzigen Samariter der Priester an dem unter die Mörder Gefallenen vorübergegangen sei, weil er in vermeintlicher geistlicher Verantwortung handeln wollte. Er trug unter seinem Arm eine Mappe mit einem klug ausgearbeiteten Vortrag über „Wesen und Bedeutung der Inneren Mission heute“. Er nahm seinen Vortrag und sich selbst so wichtig, dass er mit der eigenen Uhr den Stundenschlag der Uhr Gottes überhörte. Und so ging er vorüber.

Es gibt für uns als Christen in der Verantwortung keine sture Kasuistik. Verantwortlich handeln heißt, sich in allen Lagen allein von Gottes Willen bestimmen zu lassen. Das bedeutet aber, die Not des Bruders als die eigene Not zu erleiden. Ich habe in meinem Leben versucht, ein guter Gemeindepfarrer zu sein. Aber nicht immer konnte ich nach meinem eigenen Stundenplan den Dienst tun. Eine gesellschaftliche Verpflichtung und Zeitbewertung nach eigenem Gewicht können durch eine größere geistliche Verantwortung aufgehoben werden.

Unser Krelinger Werk leidet im Augenblick unter nichts so sehr als daran, dass wir helfen wollen und weithin nicht helfen können. Fast jeden Tag müssen wir Leute abweisen, die hier die letzte Hilfe suchen. Die Plätze sind beschränkt. Der Arbeiter sind wenige, die sich in opfernder Verantwortung Tag und Nacht einsetzen. Jedes Glaubenswerk hat seinen Lohn dahin, wenn es nicht mehr vom Opfer Christi bestimmt wird. Nur soweit wir Jesu Tode ähnlich werden, wird auch die Kraft seiner Auferstehung von uns ausstrahlen.

Nun wird gewiss in Staat und Kirche, besonders im sozialen Sektor, viel getan. Ich bin immer wieder erstaunt, wenn ich auch bei staatlichen Stellen diese Verantwortlichkeit finde. Die Frage bleibt mir aber, ob die soziale Hilfe schon die wirkliche Hilfe ist. Experimentierfelder mit psychotherapeutischen Methoden, mit Tests der modernsten Wissenschaft können den Grundschaden des Menschen nicht heilen und die Begehrlichkeit in der eigenen Sehnsuchtserfüllung nicht verändern. Mir wurde berichtet: Als in einem Trinkererziehungsheim der Inneren Mission auf Krelingen hingewiesen wurde, sagte die Leitung: „Jesus und die Bibel bieten wir nicht an.“

Man muss sich nicht wundern, wenn auf solchen Experimentierfeldern wenig oder gar keine Frucht wächst. Bei uns wird niemand die Bibel aufgezwungen; fromme Sprüche, wenn sie nicht echt sind, werden vermieden. Es wäre für unsere Ausrichtung aber verantwortungslos, wenn wir denen, die vom Teufel übel geplagt sind, den Rettungsring nicht zuwerfen, der sich in allen Lagen als Kraft und Sieg bewährt.

Quelle: Wir lieben das Leben Band 2
Bad Liebenzell 1981

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 5. Februar 2023 um 10:00 und abgelegt unter Predigten / Andachten.