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Michael Brandt, Gab es Vormenschen?

Sonntag 5. Dezember 2021 von Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V.


Studiengemeinschaft Wort und Wissen e.V.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung eines 27-seitigen Aufsatzes (Näheres unten, Fremdwörter zum Teil erklärt)

In der Paläneurologie wird nach Unterschieden in der Hirnfurchenmorphologie von Schimpansen und Menschen gesucht, die in Beziehung zu zytoarchitektonischen (die Zusammensetzung von Geweben betreffenden) Merkmalen und Gehirnleistungen stehen. Evolutionstheoretisch motiviert wird entsprechend auf Endocasts (Schädelausgüsse) von vermuteten Vormenschen nach menschlichen Hirnfurchen geforscht, von denen auf einen beginnenden zytoarchitektonischen Umbau und daraus abgeleitet auf beginnende menschlich-kognitive Leistungen geschlossen werden kann.

Das Hirnfurchenmuster der Großaffen und Menschen ähnelt sich stark. Lediglich im Hinterhauptlappen und unteren Stirnlappenbereich gibt es eindeutige Unterschiede. Diese stehen im Zusammenhang mit einer unterschiedlichen Zytoarchitektur und Hirnleistung.

Die Australopithecinen besitzen ein großaffenähnliches Hirnfurchenmuster, wobei der Nachweis eines Sulcus fronto-orbitalis (H-förmige Hirnfurche) im unteren Frontallappen hervorzuheben ist. Diese Hirnfurche ist typisch für Großaffen, kommt aber nie beim Menschen vor und sie reproduziert sich im Gegensatz zu anderen Sulci (Hirnfurchen) auf Endocasts vergleichsweise oft.

Als Ergebnis jahrzehntelanger kontroverser Diskussion um den Sulcus lunatus gibt es aufgrund dieses Merkmals bis heute keinen überzeugenden Hinweis auf eine menschliche Umstrukturierung des Gehirns der Australopithecinen im parieto-temporo-occipitalen (Areal der Großhirnrinde) Bereich.

Bestimmte Frontallappenmerkmale der Australopithecinen, die in der Vergangenheit als Hinweise auf eine beginnende menschliche Reorganisation des Gehirns gewertet wurden, wurden neuerdings auch bei Schimpansen nachgewiesen. Deren Vorkommen kann daher nicht mehr als Argument für eine Evolution der Australopithecinen über das Großaffenniveau hinaus gewertet werden. Auch bei anderen frühen Homininen, die nicht Homo erectus/ergaster zugerechnet werden, gibt es bis heute keine stichhaltigen Hinweise auf einen menschlichen Gehirnumbau.

Die behauptete sichere Identifizierung eines typisch menschlichen Ramus anterior (vorderer Ast eines Blutgefäßes) und Ramus ascendens (Ast eines Blutgefäßes im Kiefernknochen) des Sulcus lateralis bei „Homo“ naledi muss in Frage gestellt werden, denn einerseits reproduzieren sich diese zarten Sulci kaum auf Endocasts und andererseits können sie durch eine Aufzweigung des nur bei Großaffen auftretenden Sulcus fronto-orbitalis imitiert werden.

Auch die Identifikation von menschenähnlichen Hirnfurchen und Hirnwindungen auf Endocasts von Olduvai und Koobi Fora, die zumeist „Homo“ habilis und „Homo“ rudolfensis zugeordnet werden, ist mit guten Gründen zu bezweifeln. Das Fossilmaterial ist ausnahmslos fragmentiert und die Tabula interna (durchgehende Knochenschicht an der konkaven Innenseite der Schädelkalotte) des Schädelknochens schlecht erhalten. Eine sichere Reproduktion von Gehirnoberflächendetails auf Endocasts ist damit nicht gegeben.

Nach neuen Erkenntnissen stellen die große Variabilität der frontalen Hirnfurchen der Großaffen und mögliche Überlagerungen mit Schädel- und Gefäßstrukturen eine sichere Identifikation von pongiden und menschlichen Hirnfurchen auf Endocasts fossiler Homininen in Frage. Deshalb wurde in einer neuen Studie der Versuch unternommen, von der topografischen Beziehung einer Hirnfurche zu einer Schädelnaht und von Formunterschieden der Endocasts auf den Grad der Gehirnorganisation zu schließen. Im Ergebnis hätte es Homo erectus-Individuen mit großaffenähnlicher, intermediärer und menschlicher Hirnstruktur gegeben. Gewichtige Kritikpunkte am methodischen Ansatz und der Identifikation der Hirnfurchen auf den untersuchten Endocasts sowie die resultierenden befremdlichen biologischen Konsequenzen machen das Ergebnis unglaubwürdig. Der echte Mensch Homo erectus/ergaster hat nach all unserem Wissen mit großer Wahrscheinlichkeit eine menschliche Hirnstruktur besessen.

Es gibt bis heute keine positive Evidenz dafür, dass die Gehirnstruktur von Australopithecus,  „Homo“ habilis, „Homo“ rudolfensis und „Homo“ naledi über dem Niveau der Großaffen evolviert war. Dieser Befund steht im Einklang mit der schöpfungstheoretisch motivierten Grundtypenbiologie, nach der diese frühen Homininen einem oder mehreren nichtmenschlichen Grundtypen ohne historisch-verwandtschaftliche Beziehung zu echten Menschen wie Homo erectus zugeordnet werden können.

Quelle: Michael Brandt, Gab es Vormenschen? Irrungen und Wirrungen in der Paläoneurologie. W+W Special Paper B-21-4. (7.9.2021)

Buchhinweise: Michael Brandt, Vergessene Archäologie. Steinwerkzeuge fast so alt wie die Dinosaurier. 2. Aufl. 2021

Michael Brandt, Wie alt ist die Menschheit? Demographie und Steinwerkzeuge mit überraschenden Befunden. 5. Aufl. 2021  

www.wort-und-wissen.org

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 5. Dezember 2021 um 22:11 und abgelegt unter Schöpfung / Evolution.