Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner zum Urteil des BVerfG zur Suizidassistenz
Mittwoch 8. Juli 2020 von Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner
Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM) zur gesetzlichen Neuregelung der Suizidassistenz mit Eckpunktekatalog (Marburg, 6. Juni 2020)
In Bezug auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 26. Februar 2020 sehen wir als Arbeitsgemeinschaft Christlicher Mediziner (ACM) drei zentrale Aspekte, die bei der Neugestaltung der Gesetzgebung weiterer kritischer Analyse bedürfen:
(1) die Ausgestaltung der vom BVerfG postulierten Autonomie des Bürgers in Fragen des Lebensendes bringt – besonders vor dem Hintergrund des ärztlichen Alltags – große praktische und theoretische Herausforderungen mit Blick auf das Wohl des Einzelnen als auch der Gesamtbevölkerung mit sich;
(2) die Abgrenzung zwischen einem autonomen Entschluss zum Suizid und einer psychiatrisch behandlungsbedürftigen Suizidalität ist weiterhin Gegenstand psychiatrischer und ethischer Forschung und muss vor allem Menschen mit psychischer Erkrankung ausreichend Schutz gewährleisten;
(3) die verantwortungsbewusste Begutachtung sowie die Erfüllung eines Suizidverlangens setzen ein hohes Maß an professioneller Kompetenz voraus, insbesondere hinsichtlich der vom BVerfG herausgearbeiteten Freiwilligkeit der/des Suizidwilligen und der beteiligten Personen.
Der Bundestag hatte den § 217 StGB im Dezember 2015 nach einem intensiven, offenen und fraktionsübergreifenden Beratungsprozess mit großer Mehrheit neugefasst. Vor diesem Hintergrund ist die eindeutige Ablehnung des § 217 durch das BVerfG verwunderlich. Aus Sicht der ACM besteht mit der Erklärung der Verfassungswidrigkeit von § 217 StGB die große Gefahr, dass insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen, Minderheiten sowie Menschen mit körperlichen und seelischen Einschränkungen und Belastungen nicht ausreichend geschützt werden können. Sollte eine Aufrechterhaltung des vollständigen Verbots der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe nicht möglich sein, sehen wir die folgenden Maßnahmen aus medizinischer, ethischer und christlicher Perspektive als unerlässlich an:
a) Sowohl die Begutachtung als auch die Begleitung eines Wunsches nach Suizidhilfe darf nur durch entsprechend qualifiziertes, multidisziplinäres Fachpersonal erfolgen und muss entsprechende Fristen zur Sicherstellung der Dauerhaftigkeit und Festigkeit der Entscheidung einhalten.
b) Eine gesetzliche Regelung der Suizidassistenz erfordert zwingend die gleichzeitige Stärkung palliativmedizinischer sowie therapeutischer und supportiver psychosozialer Angebote, um Suizidwilligen eine autonome Entscheidung zu ermöglichen.
c) Um die Gefahr des Missbrauches der Suizidassistenz oder einer tendenziösen Beratung mit Einfluss auf die Autonomie zu reduzieren, muss eine Gewinnorientierung der beteiligten Personen und Organisationen gesetzlich ausgeschlossen werden.
(Kurzfassung; die vollständige Stellungnahme ist abrufbar unter www.acm.smd.org)
Dieser Beitrag wurde erstellt am Mittwoch 8. Juli 2020 um 18:46 und abgelegt unter Allgemein.