Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Offener Brief von Privatdozent Dr. theol. habil. Meik Gerhards an die Präsidentin des Kirchentages der Bremischen Evangelischen Kirche Edda Bosse

Donnerstag 11. Juni 2020 von Netzwerk Bibel und Bekenntnis


Netzwerk Bibel und Bekenntnis

Sehr geehrte Frau Kirchenpräsidentin Bosse,

im Internet findet sich seit einigen Tagen ein Video („Hass, der uns trifft – Gedanken von Kirchenpräsidentin Edda Bosse“), indem Sie Gedanken zu den Reaktionen äußern, die in der Causa Latzel bei der Bremischen Evangelischen Kirche eintreffen, und die Sie damit beschreiben, dass „Beleidigungen und Beschimpfungen“ das Haus der Kirche „in Massen überschwemmen“. Da es sich um eine Sache handelt, die weit über Bremen hinaus Aufmerksamkeit erregt, und die letztlich eine Grundfrage der evangelischen Kirche überhaupt betrifft, erlaube ich mir, Ihnen eine Reaktion aus der Ferne, aus Göttingen, zuzuschicken.

Zu den Äußerungen von Pastor Olaf Latzel auf einem Eheseminar, die den Auslöser der Causa bilden, kann ich nur soweit Stellung beziehen, als er in den Medien zitiert wird. So entnehme ich dem Weser-Kurier vom 15.05.2020 zu Pastor Latzels Aussagen: „Wer nun eine komprimierte, geballte Hasstirade gegen Homosexuelle erwartet, sieht sich getäuscht“. Dann werden einige, zugegebenermaßen sehr drastisch formulierte Sätze zitiert, die aber im Kern alle darauf zielen, dass unsere Gesellschaft sich auf einem Irrweg befindet, wenn sie homosexuelle Partnerschaften der Ehe gleichordnet bzw. bereits Kinder mit der Gender-Theorie „indoktriniert“.

Ich kann nicht beurteilen, ob die von Pastor Latzel getätigten Aussagen von staatlicher und landeskirchlicher Seite aus justiziabel sind. Was aber die theologische Bewertung der sog. „Homo-Ehe“ betrifft, so komme ich allerdings nicht um die Feststellung herum, dass die Aussagen Pastor Latzels im Kern theologisch gut begründet sind – sofern man sich in diesen Fragen an der Heiligen Schrift orientiert. Die biblischen Schöpfungsberichte stellen in dieser Frage eindeutig und unverkennbar fest, dass die vom Schöpfer gewollte normale Lebensform die Ehe von Mann und Frau ist. Dieses Zeugnis wird in der weiteren Heiligen Schrift nicht nivelliert oder widerrufen.

Beobachtungen zum biblischen Befund

Nach Gen 1,26f. ist der Mensch zum Ebenbild Gottes geschaffen. Nach 1,27 ist die Gottebenbildlichkeit im Miteinander von Mann und Frau realisiert. Es ist exegetisch gut begründet, dass diese Aussage vor ihrem historischen, altorientalischen Primärkontext darauf zu beziehen ist, dass der Mensch die Welt zum Lebensraum ausgestalten und als Lebensraum erhalten soll. Mit anderen Worten: Der Mensch soll in der Gemeinschaft von Mann und Frau im Kleinen – also innerhalb der Welt – das tun, was Gott im Großen bei der Schöpfung des Kosmos getan hat: Er soll das Chaos beseitigen, Ordnung schaffen, in der Leben möglich ist. Dabei legt der Schöpfungsbericht auch fest, dass die vom Menschen zu schaffende und zu erhaltende Lebensordnung auf Zukunft hin ausgerichtet ist. Beides – Schaffung und Erhaltung eines auf Zukunft ausgerichteten Lebensraums – bildet den Sinn des göttlichen Auftrags von Gen 1,28, dass der Mensch fruchtbar sein und sich mehren soll, und dass er die Erde und die Tiere beherrschen soll. Dass der Mensch diesem Auftrag nur in der Gemeinschaft von Mann und Frau, wie sie in der Ehe verwirklicht ist, gerecht werden kann, ist bei der Mehrungsverheißung offenkundig. Das heißt: Die auf Kinder angelegte Ehe von Mann und Frau ist ein unabdingbarer Bestandteil der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Damit ist sie eine Schöpfungsnorm, die nicht nivelliert werden kann, ohne die Gottebenbildlichkeit des Menschen aufzuheben.

Nun wissen wir aus Erfahrung, dass wir in einer Welt leben, die dem Willen des Schöpfers nicht rein entspricht: einer gebrochenen und – nach biblischem Zeugnis – einer gefallenen Welt. Die Normen, die der Schöpfer nach dem Zeugnis der Schöpfungsberichte gesetzt hat, sind daher nicht durchgehend erfüllt. Dazu gehört auch, dass Menschen aus verschiedenen Gründen ehelos bleiben, während andere kinderlos sind und andere auf Grund ihrer homosexuellen Neigung die Schöpfungsnorm der heterosexuellen Ehe nicht erfüllen können.

Heißt das aber, dass die Schöpfungsnorm aufgehoben ist, oder dass sie von der Kirche nivelliert werden könnte, indem sie homosexuellen Paaren den Trausegen zuspricht? Auf der Grundlage der Heiligen Schrift muss diese Frage wohl mit einem klaren Nein beantwortet werden. Die Heilige Schrift gibt der Kirche nirgends das Recht, andere Lebensformen der Ehe von Mann und Frau als ebenso normal oder als gleichwertig an die Seite zu stellen. Beispielsweise wird die vegetarische Lebensweise, die Mensch und Tier in Gen 1,29f. gegeben ist, nach biblischer Darstellung im Gefolge der Sintflut relativiert: Gott kommt im sog. „noachitischen Bund“ an dieser Stelle dem gewalttätig gewordenen Menschen unter klar definierten Auflagen entgegen (Gen 9,1-7). Eine vergleichbare Relativierung der Norm der Ehe findet sich in der gesamten Heiligen Schrift nicht. Gerade in Gen 9,1-7 wird der Auftrag zur Mehrung – das heißt: der Auftrag, der Schöpfung als Lebensraum eine Zukunft zu eröffnen – zwei Mal wiederholt (9,1.7). Dass homosexuelle Neigungen Bestandteil einer gefallenen Welt sind, die den Schöpfer nicht respektiert, ist die klare Aussage von Röm 1,26f. Auch wenn sich die Aussagen des Paulus nicht auf das Konzept einer lebenslang treuen homosexuellen Lebenspartnerschaft beziehen werden, und auch wenn man sich der Diktion des Paulus, der von „schändlichen Leidenschaften“ spricht, aus Respekt vor homosexuell empfindenden Menschen nicht anschließen mag, so gibt doch auch der Römerbrief keine Handhabe dazu, die Schöpfungsnorm der Ehe aufzulösen und der für Kinder offenen Ehe von Mann und Frau andere Lebensformen gleichberechtigt an die Seite zu stellen.

Das Diabolische

Wenn nun Pastor Latzel die Auflösung der Norm der Ehe, wie sie in unserer Gesellschaft unter aktiver Mitwirkung der Evangelischen Kirche betrieben wird, „satanisch“ nennt, so ist das ein hartes Wort, das aber vom biblischen Befund her keineswegs falsch ist. Denn was sollte denn – im Licht der Heiligen Schrift – sonst „satanisch“ oder „diabolisch“ sein, wenn nicht das systematische Untergraben und Durcheinanderbringen von Ordnungen, die der Schöpfer gesetzt hat, um Leben und Zukunft zu ermöglichen?

Begründung der „Homo-Ehe“ aus dem Liebesgebot?

Aus den Reihen der Evangelischen Kirche wird dagegen nun oft auf das Liebesgebot verwiesen. So hat der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm, Pastor Latzel entgegengehalten: „Jesus steht für eine radikale Menschenliebe. Sie ist das genaue Gegenteil der Intoleranz, die aus den Worten von Olaf Latzel spricht“ (Der Spiegel, 07.05.2020).

Dabei scheint der Ratsvorsitzende aber zu übersehen, dass das Liebesgebot, wie Jesus es formuliert, ein doppeltes Liebesgebot ist, bei dem die Liebe zu Gott der Liebe zum Nächsten vorangestellt ist (Mk 12,29-31). Jedenfalls stellt sich von daher die Frage: Verlangt die Liebe zu Gott nicht, dass seine Schöpfungsordnung im Vertrauen darauf akzeptiert wird, dass der Schöpfer sie zum Besten aller Menschen gegeben hat?

Dass der Gedanke nicht abwegig ist, dass der Schöpfer die Ehe zum Wohle aller Menschen gegeben hat – und das heißt selbstverständlich (!) auch derer, die diese Norm nicht leben –, kommt in der Erfahrungswelt darin zur Geltung, dass auch ehelose, kinderlose und homosexuelle Menschen davon profitieren, dass es „normal“ ist, dass Männer und Frauen beizeiten heiraten, Kinder bekommen und diese in der Geborgenheit einer Familie erziehen. Spätestens wenn man auf die Hilfe künftiger Generationen angewiesen ist, etwa bei Versorgung und Pflege im Alter, wie sie jedem Menschen zustehen, profitieren auch diejenigen von der Norm der Ehe, die selbst keine Ehe geführt und keine Kinder bekommen haben – auch homosexuelle Menschen, die in ihren Partnerschaften zur Zeugung von Kindern nicht in der Lage sind.

Sie, sehr geehrte Frau Kirchenpräsidentin, sagen in Ihrem Video völlig zu Recht, dass es bei diesen Fragen um Menschen – um Gottes geliebte Kinder – geht. Gerade deshalb kann aber die Ordnung, die Gott in die Schöpfung gelegt hat, nicht nivelliert werden! Da der Ratsvorsitzende von der radikalen Menschenliebe Jesu spricht, sei nebenbei darauf hingewiesen, dass sich auch Jesus nach neutestamentlichem Zeugnis in der Frage der Ehescheidung auf die Schöpfungsnorm der Ehe berufen hat (Mk 10,6).

Damit bietet auch das Liebesgebot, in der Form, in der Jesus es vorträgt, der Kirche keine Handhabung, homosexuelle Partnerschaften mit der Ehe gleichzustellen.

Wurzeln des Hasses

Sie werfen Pastor Latzel vor, dass sein Vortrag in dem Eheseminar den Hass erzeugt habe, der sich heute in Hassmails und -briefen an die Bremische Evangelische Kirche niederschlage. Ich beurteile den Anteil von Pastor Latzel an dieser Entwicklung nicht, weil ich den Vortrag im vollen Wortlaut nicht kenne. Der Hass aber kann mehrere Wurzeln haben. Da Sie an dieser Stelle eine sehr einseitige Schuldzuweisung vornehmen, möchte ich gerne eine Rückfrage stellen: Können Sie sich vorstellen, dass auch das Verhalten und öffentliche Äußerungen von Vertretern der EKD – bei weitem nicht nur der BEK – dazu beigetragen hat, dass ein solcher Hass entstehen konnte? Manche Zuschriften, die Sie erhalten, sind nach Ihrer Aussage freundlich gehalten, aber von „großer Arroganz“ geprägt. Haben Sie nie darüber nachgedacht haben, dass auch das Vorgehen offizieller Repräsentanten der Kirche als arrogant empfunden werden könnte?

Dass Sie Opfer von Hassreaktionen werden, ist nicht im Dienste der Sache und freut mich in keiner Weise. Aber könnte diese Entwicklung nicht – auch – damit zu tun haben, dass viele Christen, die an Schrift und Bekenntnis orientiert sind, die Stellungnahmen von führenden Repräsentanten der EKD schlicht nicht mehr mit dem in Einklang bringen können, was in den normativen Quellen des christlichen Glaubens zu lesen ist? Ich kenne jedenfalls Christen, die sich von der Befürwortung der „Homo-Ehe“ und vielen anderen Dingen, etwa der Bestreitung der Wirklichkeit der Jungfrauengeburt Jesu und seiner Auferstehung, durch hohe Repräsentanten der Kirche, tief verletzt fühlen. Dabei verletzt vor allem die Selbstverständlichkeit, mit der diese Positionen oftmals vertreten werden. Mache Gläubige kommen sich regelrecht als dumm verkauft vor.

Schriftbefund und Konsens über die Norm der Ehe

Was die Ehe angeht, so ist der nicht ernsthaft zu bestreitende Schriftbefund dafür, dass die Ehe von Mann und Frau die vom Schöpfer gesetzte Norm ist, nicht nur unter konservativen evangelischen Christen anerkannt. Er schlägt sich auch im Katechismus der Römisch-Katholischen Kirche nieder; er ist in den Ostkirchen anerkannt und, soweit ich es beurteilen kann, auch im Protestantismus außerhalb der westlichen Welt. Ich denke an eine Vorlesung zur Biblischen Urgeschichte, die ich im Wintersemester 2018 / 19 an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal gehalten habe. Ein Kommilitone aus Madagaskar, der Hörer der Vorlesung war, war höchst erstaunt, dass es in Europa Christen gibt, die nicht anerkennen, dass die Ehe von Mann und Frau vom Schöpfer als Norm gesetzt ist.

Dass selbst die EKD noch in den 1990er Jahren in einem offiziellen Dokument („Mit Spannungen leben“) festgestellt hat, dass es keine Handhabe zur Trauung homosexueller Paare gebe, hat der Kirchenvorstand von St. Martini zu Bremen in der vom Verwaltenden Bauherrn, Herrn Dr. Fischer, verlesenen Erklärung zur Causa Latzel, zu Recht betont. Vor diesem Hintergrund ist die Befürwortung der „Homo-Ehe“ in besonderer Weise theologisch begründungspflichtig. Ich sehe nicht, dass die Befürworter der „Homo-Ehe“ bereit sind, dieser Pflicht nachzukommen. Ihr Video unterstreicht diesen Eindruck nur.

Emotionen und Ausgrenzungen

Das Video ist schon von Anfang an, wo die Regenbogenfahne eingeblendet und ein Segenslied eingespielt wird, stark emotional geprägt. Das gilt auch für Ihre weiteren Ausführungen, etwa die von mir bereits erwähnte Aussage über Menschen als „Gottes geliebte Kinder“, bei der aber die Frage völlig offenbleibt, was eigentlich die Position der Menschenliebe in der anstehenden Frage ist – wohlgemerkt im Horizont des biblischen doppelten Liebesgebotes. Sie setzen einfach voraus, dass die Nächstenliebe verlange, die „Homo-Ehe“ zu akzeptieren.

Sie sagen, dass Sie stolz seien auf Ihre Bremische Evangelische Kirche, weil diese nachdenkt, theologisch arbeitet und den Moralapostel abgelegt hat. Im Kontext ist das nicht anders zu verstehen als dass Sie Christen, die am biblischen Zeugnis über die Ehe festhalten, der Sache nach absprechen, nachzudenken und theologische Arbeit zu leisten. Der Begriff des „Moralapostels“ zielt offenbar darauf, das Festhalten an der Ordnung des Schöpfers als spießiges Moralaposteltum abzuqualifizieren. Können Sie sich vorstellen, dass auch das als Arroganz aufgefasst werden kann?

Ich rechtfertige keine Hassmails und schreibe Ihnen nicht im Hass. Aber ich bekenne, dass ich mich von Ihrer Art der Argumentation ausgegrenzt und in die Ecke von Stammtischpolitikern gerückt sehe. Dabei wird die Position, die ich vertrete – die Ablehnung der Segnung oder Trauung homosexueller Partnerschaften sowie homosexuellen Lebens im Pfarrhaus – keineswegs nur an Stammtischen vertreten, sondern ist in der weltweiten Ökumene weitgehend Konsens. Ihr Video verletzt mich nicht, aber ich habe als Theologe in mehreren Jahrzehnten das Streiten gelernt. Manche Christen, die ihre Position weniger selbstbewusst vertreten können, werden dagegen durch Ihre Worte verletzt oder vor allem verärgert sein und sich keineswegs auf die Einladung zur Begegnung einlassen, die Sie am Ende des Videos aussprechen.

Vaterunser und Zehn Gebote?

Sie fragen in Ihrem Video, was der Bremischen Kirche verloren gegangen sei, seitdem sie homosexuelle Paare traut und homosexuelles Leben im Pfarrhaus ermöglicht. Dabei beziehen Sie sich darauf, dass weder das Vaterunser, noch die Zehn Gebote oder die Seligpreisungen abgeschafft oder geleugnet würden. Wenn aber das Festhalten am Vaterunser und die Berufung auf die Zehn Gebote keine Floskel sein soll, dann stellen sich Fragen. Welchen Gott sprechen Sie im Vaterunser als „Vater“ an und bitten, dass Sein Wille geschehe? Sie wenden sich wohl nicht an den Schöpfer, von dem in Gen 1 die Rede ist, denn dessen Willen, dass der Mensch normalerweise als Mann und Frau zusammenlebt, nivellieren sie. Die Zehn Gebote beginnen mit der Forderung, keinen anderen als den biblisch bezeugten Gott anzuerkennen. Erst danach folgen die Gebote über die zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Struktur der Zehn Gebote entspricht damit der des doppelten Liebesgebotes. In dessen Konsequenz liegt es aber, die Ordnung, die der Schöpfer gesetzt hat, vertrauensvoll anzuerkennen. Wenn Sie tatsächlich eine Kirche repräsentieren, die nachdenkt und theologisch arbeitet, dann darf die kirchliche Öffentlichkeit innerhalb und außerhalb Bremens meines Erachtens auch erwarten, dass sie auf diese Fragen eine Antwort haben. Sonst bliebe das Bekenntnis zur theologischen Arbeit Ihrer nachdenkenden Kirche eine Worthülse.

Bunte evangelische Identität

Das gleiche gilt für Ihre Aussage, Ihre Bremische Evangelische Kirche sei „voller herzlicher bunter evangelischer Identität“. Sie benutzen den Begriff „evangelische Identität“, als sei klar, was damit gemeint ist. Wenn dem so ist, darf ich den Begriff wohl so füllen, wie ich ihn nur füllen kann: aus der Tradition heraus. Dann ist „evangelische Identität“ (im konfessionellen Sinn) in erster Linie durch die Berufung auf das Zeugnis der Heiligen Schrift und ihre Auslegung in den altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnissen bestimmt. Wenn das aber „evangelische Identität“ sein soll, frage ich mich, wie man diese Identität für sich in Anspruch nehmen, aber zugleich das Zeugnis der Heiligen Schrift in der Weise außer Acht lassen kann, wie es da der Fall ist, wo die Kirche nicht erkennt, dass die Nivellierung der Schöpfungsnorm der Ehe diabolische Züge hat. Und das auch, weil diese Nivellierung allen, auch homosexuell empfindenden Menschen schadet.

Noch einmal: Wurzeln des Hasses

Und damit nähern wir uns wohl ein weiteres Mal einem Punkt, an dem deutlich wird, woher der Hass, der Ihnen entgegenschlägt, zumindest auch kommen kann: Ich kenne viele Christen, die genug davon haben, dass die Evangelische Kirche so oft mit Worthülsen operiert oder zu operieren scheint. Dass Glaubensbekenntnisse gesprochen werden, an deren Inhalt viele Pastoren selbst gar nicht mehr oder nur noch in kaum nachvollziehbaren Interpretationen glauben. Ich weiß: Beim Glaubensbekenntnis ist man in Bremen seit langem ehrlicher. Es gibt Gemeinden, die kein Apostolikum sprechen. Aber das ist ja auch nur ein Beispiel. Das Vaterunser zu sprechen und zu sagen „Dein Wille geschehe“, dabei aber die Ordnung nicht mehr zu respektieren, die der Schöpfer vorgegeben hat, ist keineswegs besser.

Können Sie sich vorstellen, dass viele Christen dies als unehrlich empfinden, und dass sie es als Etikettenschwindel verstehen, wenn sich eine Kirche „evangelisch“ nennt, aber dem, was traditionell unter diesem Begriff verstanden wird, nicht entspricht? Und sollte ein solcher Etikettenschwindel nicht Ärger erzeugen können, der sich bei manchen bedauerlicherweise in Hassmails niederschlägt, wenn sie mitbekommen, dass sich einer der wenigen landeskirchlichen Pastoren, die noch erkennbar „evangelisch“ im Sinne von Schrift und Bekenntnis sind, einem Disziplinarverfahren unterziehen muss.

Was immer Pastor Latzel gesagt hat, und was immer ein Disziplinarverfahren rechtfertigen mag – darüber erlaube ich mir kein Urteil – aber als Theologe muss ich feststellen, dass er in der Frage der Ehe als Schöpfungsordnung offenbar eine theologisch klare, an der Heiligen Schrift orientierte nachvollziehbare Position vertritt, der ich im Kern zustimme. Und vielleicht wissen manche Menschen solche Positionen zu schätzen, sogar wenn man nicht zustimmen sollte.

Daher denke ich, dass auch Sie eine vergleichbar klare Position vertreten sollten, die Ausdruck der theologischen Arbeit Ihrer Kirche ist, und die ein deutliches „Ja“ oder – wenn es sein soll – ein deutliches „Nein“ zu Schrift und Bekenntnis enthalten müsste, aber dann auch mit allen Konsequenzen. Die Zeit von Unklarheiten und Worthülsen sollte vorüber sein. Das wird der Kirche von vielen nicht mehr abgenommen. Dann führt vielleicht kein Weg an einer Spaltung der Kirche vorbei, die Sie in Ihrem Video befürchten. Dadurch aber würde Dampf aus dem Kessel genommen und künftigen Hassattacken die Grundlage entzogen.

Trotz aller Kritik mit freundlichen Grüßen, Meik Gerhards

Göttingen, den 3. Juni 2020

PD Dr. theol. habil. Meik Gerhards
Am Goldgraben 13
37073 Göttingen
E-Mail: meik.gerhards@gmx.net

Quelle: www.bibelundbekenntnis.de

Drucke diesen Beitrag Drucke diesen Beitrag Artikel empfehlen Artikel empfehlen

Dieser Beitrag wurde erstellt am Donnerstag 11. Juni 2020 um 11:44 und abgelegt unter Ehe u. Familie, Kirche, Sexualethik.