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Ernstfall – Corona und die Kirchen

Dienstag 7. April 2020 von Netzwerk Bekennender Christen Pfalz


Netzwerk Bekennender Christen Pfalz

Deutschland und andere Länder befinden sich heute (Anfang April 2020) in einer noch nie dagewesenen Situation. Ganze Volkswirtschaften werden heruntergefahren und das öffentliche und zum Teil sogar private Leben empfindlich beschnitten, um die Ausbreitung eines aggressiven Virus, gegen den es noch kein Heilmittel gibt, zu bremsen. Die Angst geht um, und mittlerweile ist es nicht mehr nur die Angst davor, sich anzustecken, sondern die zunehmende existenzielle Angst vor der Zukunft. Wie wird meine Welt aussehen, wenn die Corona-Krise endlich vorbei ist? Werde ich meinen Arbeitsplatz noch haben? Werde ich mein Haus weiter abbezahlen können? Was wird aus meiner Altersvorsorge? Und nicht zuletzt: Was wird aus meinen bürgerlichen und sonstigen Freiheiten geworden sein, die ich zurzeit um der guten Sache willen einschränken muss? Werde ich sie wirklich alle zurückbekommen?

Und auch dieses: Wie wird es „nachher“ in meiner Kirchengemeinde aussehen? Was wird wieder sein wie zuvor, was wird sich vielleicht verändert haben?

Die folgenden Zeilen wollen keine Analyse der medizinischen Problematik versuchen. Sie wollen nicht der Frage nachgehen, warum wir vor gut drei Jahren, als eine Grippewelle durch Deutschland raste, die 25.000 Tote forderte und den Autor dieses Beitrags von jetzt auf gleich ins Bett warf, weiter zur Kirche, zur Schule, in die Bibliothek und in die Buchhandlung gehen konnten, und heute nicht. Es soll auch nicht um die blühenden Verschwörungstheorien gehen oder um den ebenfalls blühenden erhobenen Medienzeigefinger, ja keiner Verschwörungstheorie zu glauben. Auch nicht um die alte Frage „Cui bono?“ (also: Wer hat etwas davon, wenn die Wirtschaft kollabiert oder Millionen Privatvermögen vernichtet werden?).

Das Thema soll wesentlich begrenzter sein. Es soll um zwei sehr konkrete Einzelaspekte der Corona-Krise gehen: den Umgang mit Gott und das Verhalten der christlichen Kirchen und Gemeinden.

1. Das Große Schweigen

Corona hält uns jetzt schon seit etlichen Wochen in Atem. In dieser Zeit sind die Infektionszahlen explodiert und die Freiheitsräume der Bürger auf ein Maß geschrumpft, wie man es sonst noch nicht einmal aus Kriegszeiten kannte. Doch eines ist beharrlich konstant geblieben: das Schweigen über Gott. Gott kommt im öffentlichen und medialen Diskurs über Corona nicht vor. Oder haben Sie schon einmal einen Bußaufruf eines Ministerpräsidenten und Landesvaters gehört, sich in den Kirchen zu versammeln, um in Bittgottesdiensten Gott anzuflehen, die Epidemie von uns zu nehmen? In welcher ihrer Reden hat die deutsche Kanzlerin Corona als mögliche Antwort Gottes auf die systematische Zerstörung der Familie in Deutschland bezeichnet und sofortige Gesetze zum erneuten Schutz der Familie gefordert? Wie viele Bischöfe haben Corona als Zeichen des Zornes Gottes über eine von ihm und seinem Wort abgefallene Kirche und Theologie bezeichnet? Es wird heftig darüber diskutiert, was Atemschutzmasken bringen – nicht aber darüber, was Buße bringen könnte.

Die biblische Tradition des Alten wie des Neuen Testamentes bezeugt ohne Wenn und Aber einen Gott, der auch zornig sein und strafen kann. Man lese nur die Ankündigung von Segen und Fluch für das junge Gottesvolk Israel, wenn es Gottes Geboten gehorchen bzw. nicht gehorchen wird, in 5. Mose 28 – eine Warnung, die im Babylonischen Exil furchtbare Realität wurde. Es lohnt sich, das ganze Kapitel 5. Mose 28 durchzulesen (Tipp: besser nicht direkt vor dem Schlafengehen).

Auch die Propheten und die Psalmen bezeugen einen Gott, der durchaus auch Unheil über sein Volk und seine Schöpfung bringen kann. „Geschieht etwa ein Unglück in der Stadt, und der Herr hat es nicht getan?“ Dieser Satz aus Amos 3,6 ist nur eines von zahlreichen Beispielen.

Und wer meint, im Neuen Testament sei das doch alles abgeschafft, der lese etwa die Endzeitreden Jesu oder die Johannesoffenbarung. Hinter dem Bild von den „Zornesschalen“, die Gott über unserem Planeten auskippt (Offenbarung 16), steckt eine konkrete, furchtbare Realität. Es ist ein dicker roter Faden im Neuen Testament, dass vor der Wiederkunft Christi und dem neuen Himmel und der neuen Erde zunächst einmal große Katastrophen und der Untergang der alten Erde kommen werden.

Man muss kein versponnener „Endzeitspezialist“ sein, um auf die Frage zu kommen, ob Corona – und vielleicht mehr noch die Corona-Angst (vgl. Lukas 21,26!) – nicht vielleicht eine neue Qualität und neue Stufe in der Entwicklung der Welt hin zum Ende unserer Zeit und zur Wiederkunft Christi markiert. Und es braucht nicht allzu viel Fantasie, um sich vorzustellen, für welche Dinge Corona womöglich tatsächlich eine Strafe bzw. ein Gerichtsreden Gottes sein könnte. Zur Wahl stehen etwa die jährliche massenhafte Tötung Ungeborener im Mutterleib, die Gender-Ideologie mit der Zerstörung der Familie und der Frau, der real existierende neue Raubkapitalismus, der hemmungslose Individualismus und Egoismus, der neu florierende Antisemitismus, bei dem wieder einmal die Juden an allem schuld sind, und eine schon viel zu lange Tradition kirchlicher Dekonstruktion der Bibel und ihrer Lehren. Und möglicherweise das Allertiefste, auf das Gott mit Corona und anderen Gerichten zielt, ist jene alte sozialistische Maxime „Es geht ohne Gott“, deren postmoderne Version bekanntlich lautet: „Das schaffen wir schon.“ Der allmächtige Gott demonstriert uns gerade täglich, was wir alles nicht schaffen!

Doch zu all dem herrscht – Schweigen. Man muss in Medien und Internet schon ganz bestimmte Missionswerke und Pastoren aufrufen (die meist als mehr oder weniger fundamentalistische und politisch unkorrekte Außenseiter gelten), um den Versuch einer Einordnung von Corona in den Kontext der Gebote und Strafen, des Redens und Werbens Gottes zu bekommen.

C.S. Lewis hat in einer klassischen Formulierung das Leid als „Megafon Gottes“ bezeichnet. Zurzeit redet Gott schon nicht mehr, er schreit geradezu – und die Politiker, die Medien, die öffentlichkeitsrelevanten Stimmen nehmen es nicht zur Kenntnis. Baumärkte sind systemrelevant und dürfen geöffnet bleiben; Gott ist nicht systemrelevant, sodass Gottesdienste in der Kirche nicht stattfinden dürfen.

2. Das große Einknicken

Als in Deutschland innerhalb von Tagen die behördlich erlaubte Obergrenze für öffentliche Versammlungen von 1.000 auf 100 Personen, dann auf 90 und zum Schluss auf 2 sank und dies ausdrücklich auch auf die Kirchen und ihre Veranstaltungen angewendet wurde, machte eine Kirche nach der anderen dicht (wobei mancherorts die Freikirchen schneller waren als die Großkirchen). In den kirchlichen Nachrichten der Tageszeitungen heißt es seitdem, dass aufgrund der Coronakrise (oder der „aktuellen Situation“) bis auf weiteres keine Veranstaltungen mehr stattfinden. Die Formulierung in den Eingangstüren mancher Läden und Restaurants „Aufgrund behördlicher Anordnung geschlossen“ mutet da etwas präziser an.

Dieser Schritt der Kirchen, quer durch alle Denominationen hindurch, er ist unfassbar, aber wahr. Ein flächendeckendes Verbot für Christen, sich zum Gottesdienst zu versammeln, das hat es selbst in Kriegszeiten und unter den meisten totalitären Regimes nicht gegeben. Und es sind natürlich nicht nur die Gottesdienste betroffen, sondern alle Veranstaltungen über 2 Personen. Kinderkirche? Bibelstunde? Lobpreisabend? Seniorenkreis? Geht nicht mehr. Selbst bei Beerdigungen ist ein würdiger, vollwertiger Gottesdienst vor versammelter Trauergemeinde untersagt.

Es ist unfassbar. Aber, wie gesagt: Baumärkte sind als systemrelevant erklärt worden. Kirchen nicht, womit sie übrigens zum ersten Mal in ihrer Geschichte etwas mit Bordellbetrieben gemeinsam haben, denn die dürfen zurzeit auch keine Kunden bedienen.

Ja, es ist unfassbar, und Gott sucht Menschen, viele Menschen, die dies ebenfalls unfassbar finden.

In einem Leitartikel, der am 28. März 2020 in der „Nürtinger Zeitung“ veröffentlicht wurde, schreibt Paul Kreiner, Rom-Korrespondent der „Stuttgarter Zeitung“: „In Deutschland hat ihr [der Kirche] der Staat sogar alle Gottesdienste verboten – und widerstandslos ließen die Bischöfe diesen Ãœbergriff in ihre Sphäre geschehen. Selbst wenn wenigstens die Kirchenbauten als solche offen bleiben, so ist doch eklatant sichtbar, dass der aktuelle Umgang mit der Corona-Pandemie genau das Gegenteil von dem ist, was Kirche sein und leisten soll. Sie, die Menschen zur Gemeinschaft zusammenführen will, atomisiert sich genauso wie der Rest der Gesellschaft. Jedes ‚Mehr‘ ist verschwunden.“

Was wäre denn geschehen, wenn Bischöfe und Pastoren – viele Bischöfe und Pastoren – in Deutschland weiter Gottesdienst gehalten hätten und die Gläubigen weiter in die Kirche gekommen wären? Hätte die Polizei sie eingelocht? Wie wäre anschließend die Reaktion der Öffentlichkeit gewesen? Wie lange hätte der Staat das überhaupt durchhalten können? Wir werden es nie erfahren, denn die Kirchen und Freikirchen haben keinen Versuch zur Gegenwehr unternommen. Der Aufruf der staatlichen Obrigkeit „Bleibt zu Hause und steckt euch nicht an!“ war stärker als der Aufruf Christi „Gehet hin in alle Welt und lehret alle Nationen!“

Inzwischen (Stand: 4. April 2020) wissen wir, dass es auch anders geht. Eigentlich sollten in Baden-Württemberg am Karfreitag und Ostersonntag die Supermärkte geöffnet sein, um die Kundenströme zu entzerren. Nach scharfer Kritik der Kirchen und Gewerkschaften wurde dies zurückgenommen.

Warum haben die Kirchen bei dieser Gelegenheit nicht auch gefordert, dass sie sich zum Karfreitags- und Ostergottesdienst versammeln dürfen?

3. Ursachenforschung I

Wie ist es zu diesem Einknicken der Kirchen gekommen? Es greift zu kurz, die Sache mit dem Ãœberrumpelungseffekt – es ging halt alles so schnell – der Corona-Krise erklären zu wollen. Zwei tiefere Wurzeln aus verschiedenen Phasen der Kirchengeschichte lassen sich ausmachen.

Da ist erstens die sogenannte historisch-kritische Theologie, die im 19. Jahrhundert ihren Siegeszug im christlichen Abendland, zuvörderst Deutschland, begann, den sie im Laufe des 20. Jahrhunderts vollendete. Diese in der philosophischen Aufklärung mit dem Primat des autonomen Menschen wurzelnde Methode, mit dem christlichen Glauben umzugehen, hat zu dem größten Paradigmenwechsel in der Geschichte des Christentums geführt: Die Bibel ist nicht mehr Gottes Wort, sondern ein Sammelsurium von interpretationsbedürftigen Texten. Sie ist nicht mehr ein historischer Raum, sondern nur noch ein semantischer Raum („natürlich“ hat es den Exodus aus Ägypten nie gegeben, aber er ist ein wunderbares Symbol, das etwas bedeuten muss). Der durchschnittliche evangelische Pastor, der heute (zum Beispiel in einem Taufgottesdienst) das Apostolische Glaubensbekenntnis murmeln lässt, glaubt nur noch einen Bruchteil von dem, was dort steht.

Der Gott der heute auf der Mehrzahl der Kanzeln im Mutterland der Reformation herrschenden Theologie kann keine Wunder tun, Christus ist nie auferstanden und wird auch nicht wiederkommen, es gibt viele Wege zu Gott (nicht nur Christus), es gibt kein Gericht und keine Hölle. Wer solch eine Art „Christentum“ vertritt, wird sich natürlich nicht mit dem Staat anlegen, wenn dieser anfängt, Gottesdienste zu verbieten.

Doch auch im sogenannten „evangelikalen“ Sektor, der sich traditionell als „bibeltreu“ verstanden wissen will, gibt es Entwicklungen, die das große Corona-Kuschen der Kirchen befördert haben. In immer mehr Gemeinden ist der richtende und gnädige Gott der Bibel, vor dessen Richterthron wir alle einmal werden treten müssen (Römer 14,10-12; 2. Korinther 5,10), abgelöst worden von einem alltoleranten himmlischen Opa, der uns selbstverständlich „bedingungslos“ liebt, uns super toll findet und selbstverständlich nichts und niemand straft (ausgenommen vielleicht Menschen, die homophob oder islamophob sind und nicht genug fürs Klima tun). Diese Gotteskonstruktion wird bis zum Abwinken gut gefunden und lobgepreist. Viele Gemeinden, die als Früchte der großen Erweckungsbewegungen begannen, sind heute zu Wohlfühlkirchen verkommen, und man darf sich nicht wundern, dass sie unfähig sind, Corona realistisch-biblisch zu bewerten.

Doch nicht nur der strafende (und damit ja immer auch an unsere Erlösungsbedürftigkeit erinnernde) Gott ist weithin aus dem Blickfeld geraden, sondern auch die eindeutigen biblischen Mahnungen an die Gläubigen, auf Menschen in Not zuzugehen, wenn es sein muss, auch auf weniger als zwei Meter. Was für ein Ansteckungsrisiko mag der Barmherzige Samariter in Lukas 10 eingegangen sein? Und sollte es uns heute nicht in den Ohren klingeln, wenn es im Gleichnis vom Großen Weltgericht heißt: „Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht“ (Matthäus 25,43)?

4. Ursachenerforschung II: Vor was soll ein Christenmensch Angst haben?

Noch stärker als die Pandemie sind bekanntlich die Ängste, zu denen sie geführt hat. Dies führt zu einer Frage, die bei der Erforschung der Ursachen für das Einknicken der Kirchen die tiefste Ebene darstellt: Vor was darf ein Christ eigentlich Angst haben und vor was nicht? Das traditionelle christliche Paradigma, das sich von den ersten Christengenerationen über Mittelalter, Reformation, die großen Missions- und Erweckungsbewegungen bis hin zu den gläubigen Rebellen unserer Tage findet, sieht folgendermaßen aus: Ein Christ hat Angst zu haben vor dem Teufel, der Sünde und der ewigen Verdammnis. Also: Angst vor dem großen Widersacher Gottes, der als transzendente Macht und Person in dieser Welt wütet und auch die Christen verführen und beherrschen will. Angst davor, durch ein Leben, das Gottes Geboten zuwiderläuft, Gott zu betrüben, meinen Mitmenschen zu schaden, ja meiner eigenen Seele zu schaden. Und Angst davor, in Gottes Gericht verworfen zu werden und in der Hölle zu landen.

In diesem Paradigma treten alle normalen geschöpflichen Ängste in den Hintergrund. Der gläubige Christ muss keine Angst haben vor Leiden, Mühsalen, Verfolgung und eben auch Krankheit und Tod, denn all diese Dinge sind vorübergehend und nicht das Letzte. Die absolute Zentralität meiner Verlorenheit vor Gott und der Erlösung, die mir durch das stellvertretende Sühneopfer und die Auferstehung Christi angeboten wird, sticht alles andere aus. Die große Frage Martin Luthers und später John Wesleys war nicht: „Wie bekomme ich ein langes, leidensfreies Leben?“, sondern: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ Wen diese Frage nie umgetrieben hat, der kann kein Christ sein.

Jesus hat die Frage, vor was wir uns fürchten sollten und vor was nicht, auf den Punkt gebracht in dem klassischen Satz: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und danach nichts mehr tun können. Ich will euch aber sagen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, der, nachdem er getötet hat, Macht hat, in die Hölle zu werfen. Ja, ich sage euch, den sollt ihr fürchten“ (Lukas 12,4-5). Viele heutige Gemeinden und Theologen haben dies genau umgedreht: Bei dem ach so „lieben“ Gott gibt es nichts zum Fürchten, denn das Gericht und die Hölle sind ja abgeschafft. Nein, der postmoderne Christ fürchtet sich vor all dem, was ihm das irdische Leben schwer machen könnte. In den Himmel komme ich sowieso, aber vorher möchte ich, bitte sehr, ein gelungenes Leben haben und vor allem glücklich werden …

Kein Wunder, dass diese Kirchen und Gemeinden so prompt den Laden zugemacht haben.

5. Was lernt die Gesellschaft gerade von den Kirchen?

Was können der Staat, die Behörden, die verschiedenen Meinungslobbys, aber auch der ganz normale Durchschnittsbürger aus der Reaktion der Kirchen auf Corona lernen? Was haben sie vielleicht schon gelernt?

Es dürften vor allem zwei Dinge sein. Erstens: Christen haben die gleichen Ängste wie die „normalen“ Menschen. Wenn sie sich in der Kirche anstecken könnten, kommen sie lieber nicht mehr zusammen. Dass in Krisenzeiten Christen sich erst recht versammeln, es gilt nicht mehr.

Wie viel Anziehungskraft geht von solchen Christen und Kirchen noch aus?

Zweitens und noch ominöser: Es ist möglich, den Kirchen Versammlungsverbote aufzulegen, ohne dass sie sich wehren. Mag sein, dass dies in der jetzigen Situation noch keine weiter reichenden Folgen hat, und sicher haben die jetzigen Behörden in Deutschland nicht an Christenverfolgung gedacht, als sie gottesdienstliche Versammlungen untersagten. Aber immer stärkeren Kräften im Lande sind das Christentum, die Bibel, christliche Werte und christliche Kultur ein Dorn im Auge. Sie werden das Corona-Einknicken der Kirchen möglicherweise als Muster und Vorlage für künftige Beschränkungsversuche kirchlicher Arbeit und christlicher Existenz deuten. Wie wäre es zum Beispiel mit der systematischen Einschränkung der kirchlichen Kinder- und Jugendarbeit? Oder damit, nur noch staatlich „zertifizierte“ kirchliche Ausbildungsstätten und Mitarbeiter zuzulassen? Es waren genau solche Wege, die die kommunistischen Machthaber in der Christenverfolgung im ehemaligen Ostblock in den Jahren zwischen dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs gegangen sind; heute werden sie z.B. in China erneut gegangen.

Künftige antichristliche Kräfte in den postchristlichen Gesellschaften des ehemaligen christlichen Abendlandes werden sich gerne an die bereitwillige Selbstbeschränkung der Kirchen und Gemeinden während der Corona-Krise erinnern.

6. Internet gut – alles gut?

Aber hat die Corona-Krise doch nicht schon auch kirchliche Entwicklungen in Gang gesetzt, die ausgesprochen positiv sind? Man kann doch weiter den Gottesdienst feiern und Predigten hören, jetzt halt im Internet. Richtig live sieht man da den Prediger, und die passende Musik, von Bach bis Pop, kann dazugeliefert werden. Schon gibt es Träume von einer neuen, „digitalen Kirche“.

Solchen Träumen müssen drei große Bedenken entgegengestellt werden. Erstens: Das, was das Neue Testament, ja die ganze Kirchengeschichte unter Gemeinschaft und Nachfolge versteht, ist eindeutig etwas Physisches, nicht Virtuelles. Es ist schön, die Predigten vollmächtiger Pastoren im Internet hören bzw. sehen zu können, aber ein Ersatz für eine physische Gottesdienstgemeinde ist dies nicht. Und das Heilige Abendmahl im Internet oder am Telefon? Man kann dies bestenfalls als Not-Abendmahl sehen; das physische Zusammensein wie in jenem Raum in Jerusalem, es fehlt einfach. Und sollte man, wenn man hier den Gedankenfaden weiterspinnt, dann womöglich auch virtuelle Taufen veranstalten, bei denen der Täufling daheim in die Badewanne steigt, während in seinem Smartphone der Pastor die passenden Worte sagt? Oder virtuelle Beichten mit Absolution via Skype? Und was, wenn findige Kirchenleitungen auf die Idee kommen sollten, dass man ja jetzt noch mehr Pastorenstellen einsparen kann, wenn die ganze Sache auch per Internet und Smartphone geht?

Hätte Martin Luther das Internet genutzt, wenn es das damals bereits gegeben hätte? Absolut! Hätte er seine Predigten und Gottesdienste in Wittenberg ohne eine Gemeinde im Kirchengebäude gehalten? Absolut nicht!

Zweitens: Die digitale Kirche bedeutet, dass die Ausgrenzung der Älteren in den Gemeinden (von denen viele aus nachvollziehbaren Gründen nicht ins Internet gehen, ja vielleicht gar keinen Computer haben) noch weiter getrieben wird. Jetzt nimmt man ihnen sozusagen nicht nur Paul Gerhardt weg, sondern den ganzen Gottesdienst.

Drittens kann die digitale Kirche die Gemeinde vor Ort schwächen. Zurzeit erleben viele Christen, dass im Internet alle Gemeinden gleich weit entfernt sind. Der Autor dieser Zeilen verfolgt zurzeit die Internetgottesdienste in St. Martini im Bremen. Er käme niemals auf die Idee, in den Zug zu steigen und nach Bremen und zurück zu fahren – viel zu weit, viel zu teuer. Aber am Computer ist die Distanz aufgehoben. Wenn das Versammlungsverbot für die Kirchen genügend lange weitergeht, werden sich dann, wenn die Normalität zurückkehrt, möglicherweise manche Pastoren die Augen reiben, dass bestimmte Leute nicht mehr kommen. Sie haben im Internet etwas Besseres gefunden, und warum sollten sie das wieder aufgeben?

Beim vierten und letzten Einwand wird es ganz heikel: Jeder, der sich ernsthaft mit dem Internet befasst, weiß, dass so ziemlich alles, was im Internet läuft, von außen beobachtet und kontrolliert werden kann. Längst verschwinden Beiträge aus den Sozialen Medien oder werden User gesperrt, weil sie – angeblich – „Hassrede“ bringen oder „rassistisch“ oder sonstwie „istisch“ sind. Wer heute die Predigten bekannter gottesfürchtiger Pastoren auf entsprechend definierte „Hassrede“ durchforstet, wird fündig werden – vielleicht nicht so sehr wie bei Jeremia, Elia, Mose, Paulus oder Jesus, aber immerhin.

Um einen „physischen“ Gottesdienst zu observieren, müssen die Behörden oder Lobbys Personen abstellen, die dorthin gehen; um einen gut besuchten Gottesdienst zu sprengen, braucht es ein paar Dutzend Einsatzkräfte oder geschulte Schläger. Im Internet reicht es, wenn man die Leitung blockiert, die Übertragung stört oder einen Lösch-Knopf drückt.

Um es ganz deutlich zu sagen: Die digitale Kirche ist die total gläserne Kirche.

7. Gesucht: Eine neue Reformation

Jede Krise birgt Chancen. Die Corona-Krise der Kirchen kann zum Brandbeschleuniger ihrer Selbstunterwerfung unter eine zunehmend gottlose Gesellschaft werden, sie muss das aber nicht. Als Martin Luther sich zu Wort meldete, befand sich die abendländische Kirche am Rande des geistlichen Ruins, und ihre Führungsstrukturen waren zum Teil mafiös. Weil einige wenige Leute sich von Gott aufwecken ließen und gehorsam waren, konnte der Untergang abgewendet werden.

Wir brauchen heute eine neue Reformation, und wenn die Corona-Krise zum Beschleuniger dieser Entwicklung wird, hat sie sogar etwas Gutes gehabt. Folgende Veränderungen dürften unabdingbar sein:

  1. Entschlossene Abkehr vom Wohlfühlevangelium und der Wohlfühlgemeinde; Wiederentdeckung des Gottes der Bibel (es gibt nur diesen Gott, andere existieren nicht). Nur der Gott des Gerichtes kann uns begnadigen und erlösen, nur der heilige Gott kann uns zu heiligen Menschen machen, d.h. zu Menschen, die nicht Sklaven der Welt mit ihren Ideologien sind.
  2. Neuentdeckung der Bibel. Die gute alte Bibelstunde muss wieder zum festen Bestandteil des Wochenplans unserer Gemeinden werden. Sie ist nicht Luxus, sondern Fundament. Sie ist Pflicht, das 1001. Lobpreisexperiment ist nur Kür. Gerne darf man auch die Sonntagsschule wieder einführen, also den Bibelgesprächskreis in der Kirche, vor dem eigentlichen Gottesdienst. (Bei den Adventisten ist das die Sabbatschule – ein absoluter Schatz.)
  3. Neuentdeckung der Schätze in den alten Liturgien und Kirchenliedern. Abkehr von der unchristlichen pauschalen Verachtung von allem, was „alt“ und „nicht mehr zeitgemäß“ ist oder angeblich „die Leute nicht erreicht“. Ersetzung des Zeitgeistes durch den Heiligen Geist. Neues Lernen, was Liturgie ist, wozu sie überhaupt gut ist und wie man sie richtig macht.
  4. Neuanfang bei Evangelisation und Mission. „In keinem anderen ist das Heil …“ (Apostelgeschichte 4,12). Unsere Gemeinden müssen wieder zu Orten werden, wo die Menschen erfahren, dass es Erlösung NUR in Jesus Christus gibt.
  5. Neuentdeckung des Prinzips: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“ (Apostelgeschichte 5,29). Der Lieblingsbibelvers vieler Gemeinden, wenn es um den Christen in der Gesellschaft geht, scheint heute ja „Suchet der Stadt Bestes“ zu sein (Jeremia 29,7). Manchmal bekommt man den Eindruck, dass die Kirchen diesen Vers nicht als das verstehen, was er war (nämlich eine Aufforderung an das Volk Gottes, in einer sehr schweren Zeit zusammenzuhalten und sich nicht aufzugeben), sondern als Ermutigung dazu, sich möglichst stark mit der „Gesellschaft“ bzw. „Zivilgesellschaft“ zu identifizieren. Die Zivilgesellschaft im ehemaligen christlichen Abendland ist das postmoderne Gegenstück zum alten Rom – und sie wird die Christen nicht weniger konsequent verfolgen, wie Rom das tat. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen – dies wird die auf die Wiederkunft Christi, aber auch den Antichristen zugehende Gemeinde buchstabieren lernen müssen, oder sie wird scheitern.

Und wenn die Welt voll Teufel wär‘
und wollt‘ uns gar verschlingen,
so fürchten wir uns nicht so sehr,
es soll uns doch gelingen.
Der Fürst dieser Welt,
wie sau’r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht‘:
ein Wörtlein kann ihn fällen.

(Martin Luther, 1529)

Ein einziges Wort der Wahrheit
kann die ganze Welt aufwiegen.

(Alexander Solchenizyn, Nobelpreisrede1970)

Friedemann Lux, Nürtingen, 04.04.2020

Quelle: www.nbc-pfalz.de

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 7. April 2020 um 12:14 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche.