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Freude und Frieden (Predigt über Phil 4,1-8)

Sonntag 3. November 2019 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

In Röm 14,17 stehen zwei großartige Kennzeichen des lebendigen Christseins: Freude und Frieden. Vorher steht: nicht Essen und Trinken, also nicht das äußere Wohlergehen ist das Entscheidende im christlichen Glauben, sondern innere Werte. Die Realität ist leider oft so, dass uns gerade Freude und Frieden fehlen bzw. verdunkelt und überdeckt sind durch den Alltag und durch allerlei Trägheiten und Sünden. Wie kann sich das ändern? Der Philipperbrief gibt uns wertvolle Hinweise. Er gilt ja als der Freudenbrief schlechthin. Siebenmal berichtet der Apostel Paulus von seiner eigenen Freude, siebenmal fordert er zur Freude auf. Der Brief klingt im vierten Kapitel aus mit geradezu revolutionären Aufforderungen, die uns alle in eine Lebensmelodie führen können, in der Freude und Frieden die Haupttöne sind. 1.) „Steht fest im Herrn!“ – 2.) „Freut euch im Herrn!“ – 3.) „Eure Güte lasst allen zuteilwerden!“ – 4.) „Sorgt euch um nichts!“ – 5.) „Seid auf das Gute bedacht!“. Es lohnt sich, darüber im Einzelnen näher nachzudenken.

1.) „Steht fest im Herrn!“ In einer anderen Übersetzung heißt es „Haltet euch treu zum Herrn!“ Ohne die Glaubensgemeinschaft mit Christus bleiben Freude und Frieden Wunschträume. Ein Christ aus dem streng buddhistischen Bhutan wurde 2014 verhaftet, weil er im Land unterwegs war, um christliche Hauskreise zu unterrichten. Obwohl Bhutan vor etwa 10 Jahren eine neue Verfassung bekam, die Religionsfreiheit garantierte. Er war über ein Jahr in Einzelhaft, und er berichtet, wie er gerade in dieser Zeit Freude und Frieden erlebte. . „Nie war ich so nahe bei Jesus in dieser Zeit. Ich hatte überraschenderweise auf meinen Wunsch hin eine Bibel bekommen. Während sich andere Gefangene gegenüber dem Gefängnispersonal andauernd schreiend beklagten, haben mich die Beamten meistens beim Bibellesen angetroffen. Meine einzige Freiheit war, viel, viel Zeit zum Gebet zu haben. In meinem ganzen Leben zuvor hatte ich nicht so gebetet wie in dieser Zeit. Wenn man allein ist in der Zelle, ist das eigentlich Schwierige, den Verstand in den Griff zu bekommen. Wenn der nicht mehr richtig funktioniert, führt das zum Zusammenbruch. Das Beten hat mir wunderbar geholfen“ („Stimme der Märtyrer“ November 2019).

Wer sich in Notzeiten ganz auf Jesus konzentriert, kann ungeahnte Freude und Frieden empfangen. Er wird merken, dass in Wahrheit Jesus ihn hält. Paulus und Silas haben das selber in Philippi erlebt, etliche Zeit, bevor der Philipperbrief geschrieben wurde, als sie auf der 2. Missionsreise in Nordgriechenland waren. Nachdem sie dort ausgepeitscht worden waren und ins Gefängnis geworfen wurden, haben sie mitten in der Nacht solche Freude gehabt, dass sie Gott lobten (Apg 16,25).

Um wieviel mehr sollten wir, die keine äußere Verfolgung leiden müssen, treu an unserem Herrn festhalten. In Röm 14,17 heißt es „Friede und Freude im Heiligen Geist“. Im Heiligen Geist ist Jesus gegenwärtig. Das ist die erste und wichtigste Voraussetzung, um Freude und Frieden zu haben, dass wir uns treu zu Jesus halten, in jeder Lebenslage.

2.) „Freut euch im Herrn!“ Die Gemeinde in Philippi war eine bedrängte Gemeinde. Aus dem Philipperbrief wissen wir, dass es ihr zeitweise so schlecht ging, dass sie die Unterstützungszahlungen für Paulus einstellen musste. Ausgerechnet diese Gemeinde fordert Paulus siebenmal auf, sich „im Herrn“ zu freuen. Wie kann das gehen? Auf dem Schreibtisch meiner Frau steht der Spruch „Zufriedenheit liegt nicht darin, zu bekommen, was man will, sondern zu wollen, was man hat“. Das ist zwar keine ausgesprochen christliche Weisheit, aber sie ist trotzdem ein wichtiger Schlüssel zum geistlichen Frieden und zur geistlichen Freude.

Als Christen sind wir unwahrscheinlich reich. Aber wollen wir eigentlich diesen Reichtum? Durch Christus haben wir Liebe (Röm 5,5). Sie ist in unser Herz ausgegossen. Wir müssen sie nicht extra erbitten. Sie ist da. Aber wollen wir sie? Unserer alten Natur liegt es näher, unliebsame Zeitgenossen abzulehnen und ihnen das auch zu zeigen. Als Pastor Uwe Holmer in den letzten Monaten der DDR gefragt wurde, ob er Ehepaar Honecker bei sich im Haus aufnehmen könnte, hätte er allen Grund gehabt abzulehnen, denn seine Kinder waren trotz guter Zeugnisse nicht zum Studium zugelassen worden. Aber er ließ Gnade vor Recht ergehen. Er hat gewollt, was er hatte. Durch Christus haben wir Hoffnung (1 Petr 1,3). Die christliche Hoffnung ist nicht ein vages Hoffnungsgefühl im Sinn einer Hoffnung auf gutes Wetter. Petrus gibt dieser Hoffnung einen Namen: sie ist der neue Herrlichkeitskeib, den alle bekommen, die den Heiligen Geist haben (Röm 8,23-25). Wer sich dessen bewusst ist, wer diese Hoffnung wirklich will, der wird zufrieden in des Wortes tiefster Bedeutung, der hat Frieden. Und noch ein großer Reichtum: Wir haben den „Schild des Glaubens“ (Eph 6,16). Mit dem können wir die Versuche des Teufels abwehren, der uns immer wieder zum Sündigen verführen will. Dieser immense geistliche Reichtum ist der Garant für Freude und Frieden. Aber wir müssen ihn wollen.

3.) „Eure Güte lasst allen zuteilwerden!“ Wenn wir nur an unser eigenes körperliches, materielles und geistiges Wohl denken, kommen wir zwar in den Genuss etlicher Annehmlichkeiten, aber Freude und Frieden gewinnen wir dadurch nicht. Gott gibt jedem von uns viel an äußeren und inneren Gaben, aber sein Prinzip ist es, dass er gibt, damit es weitergegeben wird. Auf diesem Prinzip ist die ganze Natur aufgebaut, auch unser eigener Organismus. „Empfangen und weitergeben“ – so funktioniert das Leben. Eine 80-jährige Rotbuche füllt einen Raum von 2700 Kubikmetern aus. Sie hat etwa 800 000 Blätter, die eine Gesamt-oberfläche von 1600 Quadratmetern bilden. In einer Stunde verbraucht sie 2,5 kg Kohlenstoffdioxid und gibt 1,7 kg Sauerstoff ab, was den Verbrauch von 10 Menschen ausmacht. Sie verfügt über 15 Kubikmeter Holz. Ganz ähnlich ist es auch in unserem Leben als Christ. Wenn wir weitergeben, was Gott uns anvertraut, bleiben wir geistlich lebendig.

Dabei kommt es nicht auf Quantität an. Ein einziges aufmunterndes Lächeln und ein liebevoller Satz können Wunder bewirken. Es gibt das Buch eines ehemaligen sowjetischen Soldaten: Sergej Kourdakov, Vergib mir, Natascha. Darin schildert er eine bewegende Szene. Er war eingeteilt, um in den Wäldern Russlands christliche Versammlungen aufzuspüren und aufzulösen. Bei einem solchen Einsatz trifft er auf eine junge Russin, die er brutal niederschlägt. Sie blickt ihn dennoch voll Liebe an und fragt nur „Warum tust du das?“ Diese Reaktion geht ihm so sehr nach, dass er an seinen ganzen Einsätzen zu zweifeln beginnt und sich für den christlichen Glauben öffnet.

Heutzutage, wo christliche Glaubensfragen in der Öffentlichkeit kaum noch diskutiert geschweige denn ernstgenommen werden, bekommt der diakonische Einsatz der Christen eine ganz neue missionarische Bedeutung. Säkularisierte Mitmenschen werden uns im Allgemeinen nicht nach unserem Glauben fragen, aber Taten der Nächstenliebe nehmen sie durchaus wahr. Uns selber helfen sie, dass der Ballast der Selbstbezogenheit von der Seele abfällt und unser Christsein wieder authentisch wird. Und: wer aus christlicher Nächstenliebe einen kranken Menschen besucht, einer überlasteten Familienmutter hilft, einem Asylanten zu einem Fahrrad verhilft, einem kinderlosen jungen Ehepaar hilft, ein Pflegekind zu bekommen, einer abtreibungswilligen Mutter beisteht, so dass sie andere Lebensperspektiven bekommt, der wird schnell merken, dass Gott sich nichts schenken lässt und dass Freude und Frieden in ihm wachsen.

4.) „Sorgt euch um nichts!“. Das ist ganz bestimmt kein Aufruf zu allgemeiner Sorglosigkeit, denn Fürsorge und Vorsorge sind durchaus auch christliche Tugenden. Paulus ermahnt hier vielmehr, die Sorgen zum Gebet zu machen. Es soll ein intensives und flehentliches Gebet sein, das steht ausdrücklich da. Jesus sagt es ähnlich in der Bergpredigt: „Wer anklopft, dem wird aufgetan“ (Mt 7,8). Zur Zeit Jesu waren die Türen deutlich dicker als heute. Ein bloßes Klopfen mit dem Zeigefinger hätte da nichts gebracht. Nein, man musste kräftig an die Türe schlagen. Ähnlich kräftig sollen auch wir unsere Sorgen zu Jesus hinschieben.

Als Theologiestudent hatte ich einmal eine Begegnung mit einem Russland-Missionar, der Bibeln in die Sowjetunion brachte und Evangelien im Briefformat anfertigen ließ, die er dann massenweise verschickte. Sein Name war Leonid Kolomietz. Er war der erste Christ, den ich kennenlernte, der in der eben erwähnten Art betete, intensiv und kräftig. Er hatte Postsendungen in der Hand, die er abschicken wollte, und er war voller Sorge, ob sie durch die Kontrolle gehen würden. Er ging mit mir in einen Hausflur hinein, wo er dann diese Sorgen zum Gebet machte, unvergesslich für mich. Paulus fügt noch hinzu, dass unsere Sorgengebete den Dank nicht vergessen dürfen. Jemand sagte einmal, der Dank mache aus nehmenden beschenkte Menschen, ein gutes Wort. Dank verändert uns und öffnet uns die Augen dafür, was Gott bereits alles getan hat.

So gesehen ist auch unser Gebetsleben eine Quelle für Freude und Frieden.

5.) „Seid auf das Gute bedacht!“ In einer anderen Übersetzung heißt es „Richtet eure Gedanken auf das, was gut ist und Lob verdient, was wahr, edel, gerecht, sauber, liebenswert und schön ist“ (Die Gute Nachricht). Hier geht es also um nichts anderes als um ein Denk- und Gedankentrainingsprogramm. Unsere Gedankenwelt liebt ihr Eigenleben, nach dem Motto „Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten, sie fliehen vorbei wie nächtliche Schatten. Kein Mensch kann sie wissen, keine Jäger erschießen, es bleibet dabei: die Gedanken sind frei“. Aber haben wir schon einmal bedacht, was ungezügelte Gedanken mit uns anrichten? Sie verderben die Stimmung, sie machen Angst, sie entfachen Neid- und Hassgefühle und säen Zweifel an Gott und Gottes Wort. Mit einem alten Klassenkameraden aus der Oberschulzeit liefere ich mir immer wieder einmal eine Debatte um Evolution und Schöpfung. Er ist völlig durchdrungen von der Evolutionslehre, so dass ich mit meinen Worten dagegen nicht ankomme. Ich merke bei unseren Diskussionen, welche Macht Gedankengebäude haben können.

Der bekannte christliche Naturwissenschaftler Prof. Wilder-Smith erzählte uns in Krelingen bei seinen Besuchen der Studienarbeit in den 80er Jahren öfters ein eindrucksvolles Gleichnis. Er verwies auf eine Kaffeemaschine, die unweigerlich kaputt geht, wenn man sie mit Steinen füllt. Und er fügte hinzu, dass wir unser Denken erheblich schädigen, wenn wir andauernd ungöttliche Gedanken denken. Die europäische Geschichte liefert uns viele Beispiele, die diese Aussage bestätigen. Welche Kraft haben gottlose Ideen, die sich zur Ideologie verfestigen, allein im vergangenen Jahrhundert gehabt. Z.Zt. erleben wir Ähnliches mit der Gender-Idee, dass angeblich unser sog. soziales Geschlecht von uns  bestimmbar und zumindest erheblich beeinflussbar wäre.

Angesichts der Macht der Gedanken empfiehlt sich die alte Weisheit, dass das Schlechte durch Gutes überwunden werden muss (Röm 12,21). Nichts anderes empfiehlt Paulus hier. Wir sollen bewusst unsere Gedanken auf göttliche Inhalte lenken, auf das, was in Gottes Augen wahr und richtig und gut und schön ist. So reinigen wir mit Gottes Hilfe unser Denken, und der uns geschenkte Frieden und die uns geschenkte Freude können uns wieder neu erfüllen und ausfüllen.

Freude und Frieden sind nicht im Wolkenkuckucksheim angesiedelt, sondern Wirklichkeiten, die Christus uns erworben hat und die er durch den Heiligen Geist jederzeit präsent machen kann. So wünsche ich uns allen, dass der Freudenbrief des Paulus, den er übrigens im Gefängnis geschrieben hat, uns neu zu diesen wunderbaren geistlichen Erfahrungen hinführt. Dann erfüllt sich Phil 4,7: „Der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft (nämlich unsere natürliche und so schnell zu Zweifeln neigende Gedankenwelt) bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“.

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Sonntag 3. November 2019 um 15:20 und abgelegt unter Predigten / Andachten.