Gemeindenetzwerk

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Predigt: Mannschaft mit Macken

Freitag 27. Juli 2007 von Pastor Gero Cochlovius


Pastor Gero Cochlovius

Mannschaft mit Macken
Text: Matthäus 9,35-10,7

Liebe Gemeinde!

Ein Fußballtrainer wurde einmal von einem Reporter gefragt, welche Bedeutung der Profifußball für die Volksgesundheit hätte. Er antwortete: »Sehr wenig. Da haben wir die Situation, daß 50.000 Menschen, die dringend Bewegung brauchen, ein paar Menschen zuschauen, die dringend Erholung brauchen.« Ist das nicht oft auch die Situation in unseren Gemeinden? Viele Zuschauer und eine kleine Mannschaft! und als Zuschauer weiß man natürlich genau Bescheid, was alles besser laufen könnte, man kennt alle Macken der Mannschaft. Doch die Gemeinde Jesu ist eine besondere Mannschaft. Eine Mannschaft mit Macken zwar, aber eine Mannschaft mit noch viel mehr. In unserem Predigttext heute erfahren wir etwas über Auftrag, Wesen und Wirken der Gemeinde. Wir erfahren, was für eine Mannschaft wir sind!

Mt. 9,35 Und Jesus ging ringsum in alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen.
36 Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.
37 Da sprach er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter.
38 Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.
1 Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht über die unreinen Geister, daß sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen.
2 Die Namen aber der zwölf Apostel sind diese: zuerst Simon, genannt Petrus, und Andreas, sein Bruder; Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder;
3 Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Thaddäus;
4 Simon Kananäus und Judas Iskariot, der ihn verriet.
5 Diese Zwölf sandte Jesus aus, gebot ihnen und sprach: Geht nicht den Weg zu den Heiden und zieht in keine Stadt der Samariter,
6 sondern geht hin zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel.
7 Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.

Liebe Gemeinde, in diesen Versen werden wir auf den Ursprung der Gemeinde, auf die Keimzelle der Kirche zurückgeführt. Zwar ist erst Pfingsten die eigentliche Geburtsstunde der Kirche ist, da an Pfingsten die Kraft des Heiligen Geistes der Gemeinde gegeben wird, dennoch sehen wir hier bereits vorgezeichnet, was Sinn und Wesen der Gemeinde ist. Zwar längst noch nicht mit dem weltweiten Horizont, zunächst auf Israel beschränkt, dennoch wird hier schon deutlich, um was es bei Gemeinde geht – auch heute noch. Hier werden einige Merkmale klar, die zur Mannschaft der Gemeinde gehören:

Gemeinde – eine Mannschaft mit Mitleid

„Und als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut, wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Das ist auffallend: Wenn wir Jesus als Herrn und Vorbild der Gemeinde beobachten, dann kommen wir dazu, daß das erste Merkmal von Gemeinde in unserem Predigttext gar nicht die Gemeinde selbst betrifft, sondern die andern, das Volk, die, die draußen sind. Jesus hatte Mitleid mit dem Volk. Und das brachte ihn zum Handeln. Darin steckt ein tiefes Geheimnis: Gemeinde ist kein Selbstzweck. Dietrich Bonhoeffer hat es radikal ausgedrückt, wenn er sagt: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Für uns sind heute oft andere Dinge wichtiger: In meiner Gemeinde will ich mich wohlfühlen. Wenn ich mit Gemeindemitgliedern darüber spreche, was ihnen an Gemeinde wichtig ist, so wird in der Regel als erstes „Gemeinschaft“ genannt. Das ist ja auch ein ganz wichtiges Element. Und eine Gemeinde kann ja überhaupt nur eine gute Ausstrahlung nach außen haben, wenn man sich in der Gemeinde wohlfühlt, wenn sie Heimat und Gemeinschaft bietet – aber Jesus zeigt uns heute neu den Blick für die anderen, für die, die noch nicht dazu gehören, für das Volk! Volkskirche heißt doch in unserer Gesellschaft, in unserm Volk nicht mehr: das Volk ist die Kirche. Sondern wir müssen Kirche für das Volk sein! Warum? Weil wir Mitleid haben sollten mit denen, die ihr Leben so ziel- und sinnlos verbringen, die sich verzehren im Jagen nach Glück. Mitleid mit denen, die meinen ihre Sehnsucht nach Liebe und Sinn allein mit Geld und Gut stillen zu können. Mitleid mit denen, die – ich sage es einmal hart – nach den Aussagen der Bibel für ewig verloren gehen ohne den Glauben an Jesus Christus. Mitleid, das kann sentimental und oberflächlich klingen. Bei Jesus ist es aber der Ausdruck von knallharter Realitätswahrnehmung und von tiefer Liebe und Barmherzigkeit. „Als Jesus das Volk sah“. Das ist der Anfang: Erst einmal die Not um uns herum sehen, wahrnehmen! Wir sind so oft mit uns selbst beschäftigt, mit Zank in den eigenen Reihen, mit dem, was uns an anderen aufregt, wo uns andere Christen ärgern und dadurch sind wir gar nicht mehr in der Lage die zu sehen, die noch nicht zu uns gehören. „Als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn.“ – Das ist harmlos übersetzt. Wörtlich steht da im Urtext: Als Jesus das Volk sah, drehte sich ihm vor Mitleid der Magen um. Das schlug ihm auf den Magen. Das war ein Mitleid im wahrsten Sinne des Wortes, ein „Mitleiden“. Aber das reicht natürlich nicht. Man kann auch Mitleid haben, wenn man Bilder von verhungernden Kindern in Afrika im Fernsehen sieht und 5 Minuten später schaut man sich ein Fußballspiel an und nichts passiert. Mitleid reicht nicht. Deshalb ist die Gemeinde

Gemeinde – eine Mannschaft mit Mission

Mission heißt: Sendung, Auftrag. Jesus gibt der Gemeinde einen Auftrag, eine Mission: „Die Ernte ist groß, aber wenige sind der Arbeiter. Darum bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.“ Die Arbeiter, das sind die Jünger, die Nachfolger Jesu – nicht nur die Zwölf, sondern auch jeder von uns, der Jünger Jesu sind. Die Ernte – das ist die Welt, die Menschen, die wie reifes Korn auf dem Feld stehen, die einen prall gefüllt mit den guten Gütern des Lebens, die anderen vielleicht vom Sturm und Hagel des Lebens geknickt. Aber in jedem Fall: nur dann erfüllen die Ähren Sinn, wenn sie geerntet werden in Gottes Himmels-Scheunen. Überläßt man sie sich selbst – dann mögen sie noch so satt und reich auf den Feldern stehen, letztlich verderben sie; spätestens, wenn der Winter des Lebens kommt: Tod und Sterben. Oder eben das andere Bild: Schafe, die ohne Hirten orientierungslos umherirren.

Die Handwerker waren gerade dabei, letzte Hand an den Neubau einer Kirche zu legen. Ein Besucher stellte befriedigt fest, daß alles bald fertig sein würde. Alles? Sein Blick fiel auf die hohe Wand hinter dem Altar, die offenbar mit einem großen Christusbild geschmückt werden sollte; denn die Kirche sollte „Zum Guten Hirten“ heißen. Man konnte aber nur die Umrisse des Hauptes und der Schultern und einen großen Hirtenstab erkennen. „Schaffen Sie das Bild denn noch bis zur Einweihung?“, fragte der Besucher den Bauführer. „Das Bild ist doch fertig!“ – „Aber ich bitte Sie, das meiste fehlt ja noch: Die Hände, die Füße – praktisch fehlt der ganze Leib.“ – „Nein“, beharrte der Bauführer, „das Bild bleibt, wie es ist. Den Leib Christi bilden lebendige Menschen, diejenigen, die hier einmal zur Kirche gehen werden, Christen, die ihr Christsein wirklich ernst nehmen.“ Der Bauführer hat ganz Recht. Wenn wir nicht die Füße sind, mit denen Jesus durch die Straßen geht, die Augen und Ohren, die sehen und hören, der Mund, der redet, die Hände, die zufassen, dann sind wir mit daran schuld, daß Christi Hände bei uns nicht heilen und halten, nicht mehr trösten und zurechtbringen. Das ist die Mission, die wir haben. Übrigens geht es dabei nicht um puren Aktivismus. Es ist doch interessant: Bevor Jesus die Jünger selbst losschickt als Arbeiter in die Ernte, sagt er ihnen: „Bittet den Herrn der Ernte.“ – Also, das Gebet für die Mission ist schon der Beginn der Mission! Jetzt denken manche vielleicht: Na ja, das ist doch was für Spezialisten, für besonders fromme Christen oder für besonders begabte oder für Pastoren und Theologen… Nein, es ist für jeden. Denn 1) sind auch Pastoren und Theologen nicht besonders fromm oder begabt, sondern haben auch viele Macken (fragen Sie meine Frau!), und 2) die ersten Jünger Jesu – da war kein einziger Theologe dabei.

Gemeinde – eine Mannschaft mit Macken

Wenn wir uns die Namen der Jünger anschauen und deren Geschichte, Charakter und Temperament, dann merken wir: Das waren keine besonders frommen Leute. Das waren richtiger Durchschnittsmenschen wie wir. Mit vielen Macken. In aller Vielfalt und Verschiedenheit wie vielleicht auch die Hohnhorster Martins-Gemeinde. Da waren welche dabei, die wollten immer im Vordergrund sein, die haben den Mund oft ein bißchen zu voll genommen, wie Petrus, und andere, die sind so unscheinbar im Hintergrund, daß wir von ihnen kaum mehr als den Namen kennen. Da waren Leute, die politisch eher linksaußen waren, Rebellen und Krawallmacher wie Simon Kananäus, der Zelot, und dann waren gutbürgerliche Leute etwa Philippus oder Matthäus. Johannes und Jakobus waren eher aufbrausend im Temperament – Donnersöhne wurden sie genannt – Andreas dagegen war ein zarter, zurückhaltender Charakter. Thomas der Zweifler gehörte auch dazu. Sie alle konnte und wollte Jesus einsetzen in seinem Reich. Sie alle hatten ihre Macken! Wissen Sie, was „Macke“ heißt? Es klingt ja ein bisschen niedlich, aber es kommt aus dem Jiddischen und heißt eigentlich Fehler, Schlag. Die hatten also richtige Fehler, ja manchmal auch einen richtigen Schlag weg. Das tröstet doch. Denn wir haben auch Fehler. Wir sind auch so unterschiedlich, und doch will Jesus uns genauso einsetzen wie seine Jünger damals. Nur wenn wir doch mit unseren Christen nur halbwegs so barmherzig sein würden, wie Jesus mit uns ist. Was regen Sie sich denn auf, wenn der andere anders ist als Sie. Nehmen Sie es mit Humor. Sehen wir uns doch mit den Augen Jesus an und nehmen einander an mit allen Fehlern und Macken!

Es war in Amerika in der guten alten Zeit, als eine Grundschullehrerin zu Beginn der Religionsstunde ihre Klasse fragte: „Wer von euch möchte später einmal in den Himmel kommen?” Alle Kinder der Klasse streckten den Arm. Nur Charlie nicht. Da wandte sich die Lehrerin erstaunt an ihn: „Nun Charlie, möchtest du nicht?” Der Junge antwortete: „Natürlich will ich in den Himmel kommen, aber doch nicht mit dem Haufen da!” Nehmen wir einander an. Und dann werden wir eine wunderbare Erfahrung machen:

Gemeinde – eine Mannschaft mit Macht

Die Gemeinde hat Macht. Zwar ganz anders als die Mächtigen der Welt, die etwa beim G8-Gipfel tagen und wo es letztlich nur um Macht geht. Nein, die Gemeinde hat eine ganz andere Macht. Eine Macht die in den Augen der Welt oft als Ohnmacht verstanden wird. Es ist die Macht der Liebe. Und er rief seine zwölf Jünger zu sich und gab ihnen Macht, Macht über die unreinen Geister, daß sie die austrieben und heilten alle Krankheiten und alle Gebrechen. Das ist schon eine besondere Macht: unreine Geister zu bekämpfen. Ich glaube, wir haben genügend Dinge vor Augen, wo es in unserer Zeit unreine Geister gibt. Sei es die ganze Pornographie, oder andere Süchte, oder ganz anderes. Jesus gibt uns Macht, den Kampf gegen diese Dinge aufzunehmen. Unsere Stimme dagegen zu erheben. Voraussetzung: Daß wir bei ihm bleiben, in seiner Nähe! Im Gebet und Bibellesen mit ihm verbunden sind. „Er rief sie zu sich“ – das steht am Anfang. Er ist es ja, der sagt: Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. An dieser Macht können wir nur teilhaben, wenn wir in seiner Nähe bleiben. Und dann ist es unsere Aufgabe zu heilen. Wie es in dem schönen Lied heißt: Komm, Herr, segne uns: „Segen kann gedeihn, wo wir alles teilen, schlimmen Schaden heilen, lieben und verzeihn.“ Gemeinde, das ist eine Mannschaft mit Mitleid, eine Mannschaft mit Mission, eine Mannschaft mit Macken und eine Mannschaft mit Macht.

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 27. Juli 2007 um 21:05 und abgelegt unter Predigten / Andachten.