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Heiliger Geist oder Heilige Geistin?

Freitag 22. März 2019 von Gemeindehilfsbund


Gemeindehilfsbund

Längst hat das Gender Mainstreaming auch in den Kirchen Einzug gehalten. Der Gott Israels hat sich als Vater offenbart und Jesus war ein Mann. Das ist vielen Theologen zu männlich und ein Dorn im Auge. Sie halten das angeblich patriarchalische Gottesbild der damaligen Zeit für überholt und wollen es überwinden. So wird u. a. argumentiert, dass das hebräische Wort für „Geist“ (Ruach) ja weiblich sei. Patriarchalisch gesinnte Übersetzer hätten dann diese weibliche Seite Gottes versteckt, in dem sie das hebräische Ruach neutrisch oder maskulin übersetzt hätten. Heute müsse man diese verborgene weibliche Seite Gottes wieder freilegen.

In unseren Bibelübersetzungen müsse man „Heiliger Geist“ demnach eigentlich durch „die Heilige Geistin“ oder „die Heilige Geistkraft“ ersetzen. Was ist von solchen Vorstellungen und Argumenten zu halten? Wir haben dazu den Sprachwissenschaftler und Honorarprofessor für Biblische Sprachen an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen Heinrich von Siebenthal gefragt und dokumentieren hier seine Antwort:

„Die beschriebene Sichtweise ist weder sprachwissenschaftlich noch innerbiblisch haltbar:

  1. Ruach kommt auch maskulin vor, sodass dieses Wort nicht eindeutig feminin ist.
  2. Zwischen grammatischem und wesenbezogenem Geschlecht besteht zudem in einem Großteil von Sprachen kein eindeutiger Zusammenhang. So beziehen sich im Deutschen (auch im Althebräischen) unzählige Maskulina und Feminina auf geschlechtlose Größen, z.B. der Stuhl, die Tür usw. Man darf also von der dominierenden grammatischen Zuordnung von Ruach zum femininen Genus nicht ohne Weiteres auf eine sachbezogene Klassifizierung des Bezeichneten als weibliches Wesen schließen. Für eine solche Klassifizierung müssten über das Sprachliche hinaus eindeutige sachliche Kriterien ins Spiel kommen. Kriterien dieser Art sprechen im Fall von Ruach aber nicht für eine Klassifizierung als weibliches Wesen.
  3. Bei der frühesten für uns greifbaren Übersetzung des AT ins Griechische (Septuaginta) wurde Ruach durch das eindeutig neutrische Pneuma übersetzt, obwohl an sich ein Femininum (Pnoä) zur Verfügung stand. So darf geschlossen werden, dass im Bewusstsein dieser sorgfältig arbeitenden Übersetzer das feminine Genus von Ruach neutrisch zu verstehen war (man beachte, dass im Althebräischen das Femininum häufig die Rolle des griechischen und deutschen Neutrums innehat).
  4. Im NT, dem abschließenden, krönenden Teil der Heiligen Schrift, wird eben für das hebräische Ruach das neutrische Pneuma verwendet. Auch bezogen auf Gottes Geist wird nicht statt zu Pneuma zu einem Femininum gegriffen. Wer also für „Geistin“ plädiert, verstößt nicht nur gegen den deutschen Sprachgebrauch (ein solches Wort gibt es nicht), sondern steht im Konflikt mit neutestamentlicher Gebrauchsweise. Zu bedenken ist auch, dass Jesus bei seinen recht detaillierten Erläuterungen zu Wesen und Aufgabe des Heiligen Geistes in den Abschiedsreden im Johannesevangelium (Kapitel 14 bis 16) eine maskuline Analogie verwendet: Er bezeichnet den Heiligen Geist als anderen Tröster/Beistand (Paraklätos), als einen, der seine (Jesu) „Funktionen“ übernehmen werde. Sobald er nicht den Ausdruck Pneuma selbst mit Bezug auf Gottes Geist verwendet, greift er zu einem maskulinen Ausdruck, was eher für eine Klassifizierung als männlich zu denkendes Wesen spricht.“

Prof. em. Dr. Heinrich von Siebenthal – Biblische Sprachen und Übersetzungstheorie, 20.3.2019

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 22. März 2019 um 9:30 und abgelegt unter Kirche, Theologie.