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„Komplett geborgen“. Predigt über Ps. 139,5

Freitag 28. Juli 2017 von Dr. Joachim Cochlovius


Dr. Joachim Cochlovius

Psalm 139,5: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“

Liebe Brüder und Schwestern, diese steile Treppe zur Kanzel hier erinnert mich an eine Geschichte von einem jungen Pfarrer, der zum ersten Mal Dienst zu tun hatte in einem Gefängnis. Da waren 500 Strafgefangene versammelt. Und da war auch so eine steile Treppe zur Kanzel. Die Versammelten warteten natürlich auf alles andere, aber nicht auf das Wort Gottes. Da geht der Pfarrer die steile Treppe hoch und tritt aus Versehen auf seinen Talar, was ich jetzt tunlichst vermieden habe, und rutscht die ganze Treppe wieder hinunter mit einem großen Krach. Der ganze Saal tobt! Das war genau die Gaudi, die man sich erhofft hatte. Dann geht der Pfarrer wieder die Treppe hoch, beugt sich über die Brüstung und sagt zu den Leuten: „Genau deswegen bin ich heute hierher zu euch gekommen, um euch zu sagen und zu zeigen: Ein Mensch kann fallen, aber er kann auch wieder aufstehen.“ Da hatte er die Situation genial gerettet und hat ihnen noch eine gute Botschaft mitgegeben.

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir, das ist für mich ein Wort köstlicher göttlicher, geistlicher Geborgenheit in einer ungeborgenen Zeit, in einer ungeborgenen Welt. Wenn es das gibt, dann kann man ruhig die Frage stellen, was gibt es eigentlich Köstlicheres, als geborgen zu sein in einer ungeborgenen Zeit und einer ungeborgenen Welt. Natürlich könnte man sagen, so fromm wie David, von dem dieser Psalm ja stammt, bin ich leider nicht. Das werde ich wohl nie so intensiv erfahren können wie er. Aber das wäre ein großer Trugschluss! Diese Geborgenheit, die ist für jeden erlebbar, sie ist wirklich greifbar, und Gott will sie durch den Heiligen Geist uns allen geben.

Wir haben jetzt eine lange Reise hinter uns. Heute geht es wieder nach Hause. Wir waren drei Wochen unterwegs, hatten manche Vortragsdienste, aber zwischendurch auch ein paar Urlaubstage. Der erste Dienst war in Weißenfels in Sachsen-Anhalt. Dort stehen wir in Verbindung mit einem Ehepaar, die hatten das arrangiert. Die hatten mich irgendwann einmal bei Bibel TV gesehen und hatten dann Kontakt aufgenommen und wir kamen per eMail ins Gespräch. Dieser Dienst war schon fast ein halbes Jahr vorher eingefädelt worden, und dann schrieb sie ein paar Wochen vorher, es hängt alles noch an einem seidenen Faden. Der Mann war schwer erkrankt und hatte eine lebensgefährliche Operation, Prostata-Entfernung, alles, aber noch viel mehr. Wenige Tage nach der Operation schrieb sie mir. Ich lese mal ein paar Sätze aus dieser Mail vor:

„Mein Mann war während dieser Zeit oft so erschöpft und mutlos, dass er am liebsten sterben wollte. Aber ich wollte das nicht zulassen, dass er so resigniert. Ich weiß, wie das ist, wenn man in ein tiefes Loch fällt. Härter als ich wollte sagte ich ihm eines Tages: Ich heiße nicht Frau Hiob, die ihrem armen Mann den dummen Rat gab, seinem Gott abzusagen und zu sterben. Ich heiße Frau …, die dir jetzt sagt: Pack die Hand deines Herrn fester und warte auf seinen Zeitpunkt zum Sterben! Ich weiß nicht, ob das richtig war. Jedenfalls war es nicht lieblos gemeint. Und nun freue ich mich, dass er heute nach Hause kommt. Soeben bekam ich die telefonische Bestätigung. Ich glaube und spüre, dass solche schlimmen Erfahrungen Jesus-Nachfolger im Glauben stärken können. Was auch kommt, wir wollen ihm weiter angehören und vertrauen, seine Zeugen sein im Leben und Sterben mit dem größten Beistand, den es überhaupt gibt, mit Gottes Kraft.“

So spricht jemand, der diese Geborgenheit kennt. Die wünsche ich uns allen. Und deswegen soll diese Predigt dazu dienen, dass wir uns öffnen für die Geborgenheit Gottes in einer ungeborgenen Zeit.

Nun könnte man ja sagen, der David, der hatte es ja gut, der König von Israel, dem so viele dienten. Ein Glückskind. Wenn der von Geborgenheit spricht, dann kann man das ja nachvollziehen. Gott war doch von früh bis Abend bei ihm. Wer so denkt, der kennt wahrscheinlich die David-Geschichte gar nicht. Die David-Geschichte ist nämlich voll von lauter Ungeborgenheiten. Und jetzt kommt uns dieser Mann plötzlich ganz nahe, wenn wir sein konkretes Leben einmal betrachten.

Fangen wir bei seiner Kindheit an. Der eigene Vater vergisst ihn. Wir kennen ja vielleicht Davids Biographie. Da kommt der Prophet Samuel und will den König von Israel salben aus der ganzen Schar der Söhne. Und dann marschieren sie alle an, einer selbstbewusster als der andere, jeder in der Überzeugung, dass er es doch sein müsste. Und alle laufen vorbei, aber Samuel sagt nichts. Da ist der König von Israel nicht dabei. Und dann fragt er den Vater: „Hast du nicht noch mehr Söhne?“ Und erst da erinnert sich der Vater: „Ja, stimmt ja. Da ist ja noch einer draußen auf dem Feld. Soll ich den wirklich holen? Ein Hirtenjunge, der stinkt.“ Und Samuel sagt: „Hol ihn!“ Man könnte meinen, das sei eine nette Geschichte, aber da steckt mehr dahinter, tiefe Enttäuschung, innerhalb der eigenen Familie fünftes Rad am Wagen zu sein. Vom eigenen Vater vergessen zu sein, das steckt man nicht so schnell weg. Das ist Ungeborgenheit.

Wenig später beauftragt ihn der Vater, da stand Israel im Kampf gegen Goliath: „Bring doch deinen Brüdern mal ein paar Brote zur Stärkung.“ David macht sich auf und geht ins Heerlager, sieht den Riesen Goliath, und dann geht er zu seinen Brüdern und wird von einem Bruder sehr unfreundlich empfangen: „Was machst du denn hier? Mach dich weg!“ Und David sagt: „Ich soll euch etwas bringen.“ – „Nein! Du bist doch nur gekommen um uns hier zu beobachten!“ Der eigene Bruder!

Ist es nicht schlimm, wenn die Geschwister einen so verkennen? Der Vater vergisst ihn. Die Brüder verkennen ihn. Und es geht noch weiter. Dann, als David König war und diesen wunderbaren Tag erleben konnte, die Bundeslade wieder heimzuholen, die damals Inbegriff war der Nähe und Geborgenheit Gottes, da überkommt ihn der Heilige Geist und er fängt an, mitten auf offener Straße zu tanzen und Gott Loblieder zu singen. Seine Frau Michal schaut hinter der Gardine ihm zu, rümpft die Nase, und als er in seiner großen Freude zu ihr kommt und eigentlich erwarten dürfte, dass seine Frau Anteil nimmt an dieser Freude, dass die Bundeslade wieder da ist, empfängt sie ihn mit Spott: „Na, heute hat sich ja der König von Israel wieder ganz schön blamiert.“ Das ist Ungeborgenheit, wenn die eigene Frau einen nicht mehr versteht. Das hat er alles mitgemacht.

Dann fliegen die Speere durch Saul. David muss sich verbergen und verstecken und fliehen. Und irgendwann kommt sein eigener Sohn Absalom auf die Idee, seinen Vater vom Königsthron zu stürzen…

Merken Sie, liebe Brüder und Schwestern, das sind alles Worte mit „ver“. Der Vater vergisst ihn. Die Brüder verkennen ihn. Die Ehefrau verspottet ihn. Saul und Absalom verfolgen ihn. Aber es geht immer noch weiter. Dann ist er auf der Flucht vor Saul und hat ein kleines Dorf Ziklag erobert, wo er sich ein Stückchen niederlässt. Die Amalekiter bedrohen ihn. Dreihundert Freunde sind ihm nur noch geblieben. Und dann machen sie einen Zug und kommen abends zurück und Ziklag ist niedergebrannt. Alle Frauen und Kinder und das Wenige, was er noch hatte, war weg. Und die Freunde, die angeblichen Freunde sammeln Steine und wollen sich rüsten, ihn zu steinigen. Die Freunde verlassen ihn. Wieder ein „ver“. Ist das nicht Ungeborgenheit pur, wenn die paar Leute, auf die ich mich meinte, noch verlassen zu können, mir auch den Rücken zuwenden? Das hat David durchgemacht.

Und dann steht in 1. Samuel 30, wo von dieser Begebenheit berichtet wird, „aber David stärkte sich im Herrn.“ Und dann wird er so sehr von Kraft und Energie angefüllt und ausgefüllt, dass er eine kurze Rede hält, und alle, die eben noch die Steine in der Hand hatten, noch einmal überzeugen kann, gegen die Amalekiter loszuziehen. Aber dann, als er auf der Flucht vor Absalom ist, das war wahrscheinlich der absolute Tiefpunkt, zieht er los und hört, wie einer, der ihm eigentlich Tributpflichtig war, ein Großbauer namens Simei, ihm hinterher brüllt: „Du Dreckskerl, mach dass du weg kommst!“ Auch das hat David durchgemacht. Sein oberster Kriegsherr fragt: „Soll ich den einen Kopf kürzer machen?“ Und David hat die Größe zu sagen: „Nein. Ich nehme das an Demütigung an. Das kommt von Gott. Das kommt nicht von dem.“ Die Untergebenen verachten ihn. Wieder ein „ver“.

Und das letzte, das ist vielleicht nicht das letzte, aber es soll diese kleine Reihe beschließen, um die Ungeborgenheiten klar zu machen, die David durchgemacht hat, das letzte nehme ich aus Psalm 25. Da ist er schon längst in Amt und Würden und könnte sich eigentlich der Geborgenheit Gottes freuen. Da kommt ein unsichtbarer Feind. Da stehen plötzlich die Jugendsünden auf. Das ist etwas ganz Unangenehmes, wenn der Heilige Geist uns die unvergebene Schuld unseres Lebens in die Seele schiebt und wir nicht mehr schlafen können. Auch das hat er durchgemacht. Die Jugendsünden verdammen ihn. „Rechne mir die Sünden meiner Jugend nicht zu“, kann er nur noch beten.

Vergessen, verkennen, verspotten, verfolgen, verlassen, verachten, verdammen – das ist Ungeborgenheit pur. Und dieser Mann spricht von der Geborgenheit. Deswegen ist er so glaubwürdig. Das ist nicht am grünen Schreibtisch entstanden. Aber was nun noch interessanter ist, dieser Psalm 139 ist nicht als Bittgebet formuliert, denn das könnten wir ja nachvollziehen. „Herr, du siehst die Ungeborgenheiten meines Lebens. Schenke mir doch wenigstens bei dir Geborgenheit und Trost und Kraft und Zuversicht.“ Das könnte man sofort nachvollziehen, wenn ein Gottesmensch so betet. Aber es ist keine Bitte. Es ist eine Feststellung. So ist es: „Von allen Seiten umgibst du mich, Herr, wunderbar, ich erlebe das täglich, und ich preise dich in diesem Psalm.“

Dieser Geborgenheit von allen Seiten möchte ich jetzt ein wenig auf die Spur kommen. Wie viele Seiten haben wir Menschen denn? Ich will mal nicht von den Schattenseiten reden, sonst bin ich morgen früh noch am predigen. Ich will nur von den äußeren Seiten reden. Wer war denn gut in Mathematik und in Geometrie? Wie viele Seiten hat der Mensch? Sechs Seiten: Hinten, unten, rechts, links, oben und vorne. Von allen diesen Seiten gibt uns Gott Geborgenheit durch den Heiligen Geist. Das möchte ich jetzt ein bisschen anschaulich darstellen. Ich war niemals gut in Mathematik, aber diese sechs Seiten faszinieren mich immer wieder aufs Neue.

Was ist es denn, wenn wir von hinten Geborgenheit bekommen? Hinten ist ja die ungemütlichste Seite. Da haben wir keine Augen. Wenn wir da nicht wissen, was da läuft, wird es immer ungemütlich. Als kleines Kind musste ich für meinen Vater öfters Bier aus dem Keller holen. Ich war immer überzeugt davon, dass da unten ein weißer Elefant auf mich wartet, und wenn ich wieder hochgehe, dann greift der mich mit dem Rüssel. Ich kam immer völlig durchgeschwitzt wieder oben an. Meine Eltern fragten mich: „Was hast du denn, wenn du in den Keller gehst?“ Ich konnte ihnen doch nicht sagen, dass da ein weißer Elefant steht. Aber diese Urangst hat mich jahrelang umgetrieben. Wenn man mit einem Auto ohne Rückspiegel fährt, dann ist es noch unangenehmer. Neulich hatte ich mit einem Kleinlaster vieles zu transportieren und habe nicht daran gedacht, dass der Rückspiegel frei bleiben muss für freie Sicht. Das waren ziemlich riskante Kilometer. Aber das Unangenehmste ist eigentlich dies: Was geschieht hinter unserem Rücken? Ich habe von einem Pfarrer gehört aus Oberfranken, ich war ja fünf Jahre in Oberfranken tätig, der hat nach einer gesegneten Zeit seines Wirkens dort das Handtuch geworfen, weil ein feindlich gesonnener Mensch Gerüchte gestreut hat über ihn, und er hat es nicht mehr ausgehalten. Er hat sich woanders hin gemeldet.

Wenn Leute hinter unserem Rücken etwas Falsches verbreiten, wird es sehr ungemütlich. Aber das Schlimmste ist doch, wenn die Vergangenheit uns einholt, so wie David das erlebt hat. „Die Sünden meiner Jugend, Herr, wo soll ich damit hin, wenn ich vor dir erscheine?“ Ziehen dich deine Sünden weg in Unruhe und Verzweiflung? Was soll ich damit tun? Ich kann sie nicht mehr korrigieren, denn die Menschen, an denen ich schuldig geworden bin, sind schon längst gestorben. Und da kommt Jesus und sagt: „Du hast eine echte Vergangenheit.“ Christen sind die Einzigen, die wirkliche Vergangenheit haben, weil Christus sie durchkreuzt und unsere Sünden ins tiefste Meer hineinwirft. Das nenne ich Geborgenheit von hinten.

Ich fange jeden Morgen meine Gebete mit der Bitte um Sündenvergebung an: „Herr, vergib mir meine Sünden und gib mir reine Lippen“, denn es sammelt sich jeden Tag so vieles an. Weg damit! Weg mit den Sünden! In unserer Ehearbeit ist es immer die erste oder zweite Frage: „Gibt es unvergebene Schuld in Ihrer Beziehung? Vorehelicher Intimverkehr? Haben Sie schon mal gebeichtet und die Sündenvergebung in Anspruch genommen? Noch nie? Wir bieten es Ihnen an.“ Das ist die Geborgenheit von hinten.

Die Geborgenheit von unten, was ist denn das? Das kann man sich ja lebhaft vorstellen, nicht wahr? Geborgen bin ich von unten, wenn ich einen festen Stand habe. Ich habe mal vor vielen Jahren mit den Kindern Volleyball gespielt an der Nordsee auf lockerem Sand, das geht über die Kräfte. Da hat man keinen guten Stand. Jesus spricht von einem Mann, der sein Haus auf Sand baut. Eben haben wir gesungen: „…der hat auf keinen Sand gebaut, der dem Herrn vertraut.“ Das ist ein wunderbares Lied von Georg Neumark. Und da sind wir bei der Geborgenheit von unten, die Jesus uns zuspricht. Er ist das feste und bleibende Fundament unseres Lebens. Halleluja, kann man da nur dreimal singen über jeden Menschen, der das erkannt hat, weil er dann ein fest gegründeter Mensch, eine Persönlichkeit werden kann, die nicht die Meinungen wechselt wie die Unterhosen und nicht die Fahne nach dem Wind hängt je nachdem, ob wieder eine neue political correctness kommt. Das ist nur möglich, wenn ich einen festen Stand habe. Pastor Kemner in Krelingen forderte immer „Leuchtturmchristen“, die wir auch heute dringender denn je brauchen. Ich hoffe, liebe Brüder und Schwestern, dass ihr alle Leuchtturmchristen seid, fest gegründet auf Christus. Dann pustet uns nichts mehr um, auch der Tod und auch der Teufel nicht, nichts mehr, denn Christus ist das Fundament.

Dann gehen wir nach links. Wir haben Reformationsjubiläum, da kann man an Luther erinnern. Der hat sehr schön von den zwei Armen Gottes gesprochen, von Gottes doppelter Regierungsweise. Er sagt: „Gott regiert mit dem linken Arm durch das Gesetz und mit dem rechten Arm durch das Evangelium.“ Das sind zwei ganz unterschiedliche Regierungsweisen. Das stimmt, und Luther hat das genial auf einen Nenner gebracht. Gott regiert also durch sein Gesetz. Wir könnten hier gar nicht in Ruhe sitzen, wenn nicht noch ein Minimum an Ehrfurcht vor den Geboten Gottes in unserer Gesetzgebung und in unserer Gesellschaft herrschte. Das haben wir doch alles Gott zu verdanken, der dafür Staat, Polizei und Justiz einsetzt. Es ist schlimm, wenn die Gebote Gottes außer Geltung kommen.

Ich habe mir ein Strafgesetzbuch gekauft von 1950 und habe es verglichen mit einem aktuellen. Da zieht es einem die Schuhe aus, was an biblischer Substanz innerhalb 50 Jahren abgebaut wurde in unserer Strafgesetzgebung. Früher war Kuppelei verboten. Heute wird ein Vermieter womöglich angeklagt, wenn er fordert, dass zusammenwohnende Mieter verheiratet sind. Das stand früher unter Strafandrohung. Gotteslästerung stand unter Strafe. Heute wird die schlimmste Blasphemie verkauft. Allerdings nicht gegen Mohammed, da hat man dann bezeichnenderweise Bedenken. Oder praktizierte Homosexualität, das stand früher unter Strafe. Heute wird es gefeiert. Ehebruch stand unter Strafe. Aber wir haben ja so viel Freiheit und haben uns von allen diesen Einengungen befreit und bauen eine wunderbar tolerante Gesellschaft auf! Die ist so wunderbar, dass die Polizei wie in Hamburg nicht mehr in der Lage ist, 2000 Chaoten an ihrem Tun zu hindern.

Nach dem Mauerfall war ich mit einem Freund in Ostberlin. Wir sind durch die Hinterhöfe gegangen. Er hat mir alles gezeigt. Dann kommen wir an einem Park vorbei, und da sagt er: „Hier kannst du dich nach 18 Uhr nicht mehr hinein wagen.“ Ich frage: „Wieso das denn?“ – „Ja,“ sagt er, „die Berliner Unterwelt hat einen Deal gemacht mit der Polizei. Hier kommt keine Polizei mehr hin. Dieser Park ist fest in der Hand der Unterwelt.“ So weit sind wir gekommen. Gesetzesfreie Räume. Nein, die Gesetze Gottes, wo sie denn noch in Geltung stehen, können ein Stück Geborgenheit schenken. Das wollen wir nicht verachten. Ich bete jeden Tag für die Bundeskanzlerin, für den Bundespräsidenten, für die Ministerpräsidenten der Länder, für alle, die das Sagen haben in unserem Land. Paulus fordert das von jedem Christen, 1 Tim 2,1-7. Das ist unsere Pflicht als Christen, damit wenigstens noch ein Minimalbestand von Gottes Geboten in unserer Gesetzgebung übrig bleibt. Da ist jeder von uns in der Pflicht. Ich hoffe, dass jeder das tut, jeden Tag für die Obrigkeit zu beten! Das ist das Allerwichtigste! 1 Tim 2: „Vor allen Dingen ermahne ich euch, liebe Brüder und Schwestern, dass ihr betet, zunächst für die Obrigkeit…“ Das ist ein ganz wichtiger Dienst.

Und dann die Geborgenheit von rechts. Das ist natürlich etwas ganz anderes. Da lässt Gott sein Evangelium verkündigen. Da entsteht Gemeinde. Es ist doch wunderbar, dass wir hier als Gemeinde Jesu versammelt sind. Und was heißt Gemeinde? Das sind Brüder und Schwestern, die auch den Jesus-Weg gehen. Das sind Brüder und Schwestern, mit denen ich beten kann. Das sind Brüder und Schwestern, die auch für mich beten, die mich auch ermahnen. Die besten Freunde sind die, die mich liebevoll ermahnen, nicht die, die mir Honig ums Maul schmieren. Meine beste Freundin ist meine Frau. Sie schmiert mir niemals Honig ums Maul. Die sagt immer, was Sache ist. Und das ist gut so, das brauche ich. Ich hoffe, dass jeder von uns einen Glaubensbruder, eine Glaubensschwester hat, mit denen er oder sie ganz offen von Mensch zu Mensch, von Christ zu Christ reden und beten kann. Das ist ganz wichtig. Man muss sich nicht gleich jedem offenbaren, aber eine Handvoll Menschen sollten wir schon haben, eine Handvoll Christen, die wir Freunde in Christo nennen können. Das tut gut. Das brauchen wir, dass wir nicht als geistliche Singles durch die Welt gehen. So entsteht die Geborgenheit von rechts. Wohl dem, der Glaubensbrüder und Glaubensschwestern, Glaubensväter und Glaubensmütter hat. Ich bin dankbar, dass ich viele Jahre bei Pastor Heinrich Kemner in Krelingen Dienst tun konnte. Er ist eine prägende Figur gewesen, und es ist jemand hier, der das auch so bestätigen kann. Bei Pastor Kemner konnte man authentisches Christentum studieren, oder bei Gertrud Wehl in Hamburg, dieser Zigeunermissionarin, die wir auch ein bisschen näher kennengelernt haben. Das brauchen wir alle. Das ist Geborgenheit von rechts.

Nun kommt die Geborgenheit von oben, die muss ich wohl nicht lange erläutern. Das sind die Führungen, die Segnungen, die Bewahrungen, und es wird uns in der Ewigkeit aufgehen, wie oft uns Gott geführt, bewahrt, gehalten hat. Corrie ten Boom hat dieses schöne Bild vom Teppich gebraucht. Sie sagte: „Gott ist der große Webmeister, der aus unserem Leben einen Teppich webt. Zu Lebzeiten sehen wir den Teppich von unten. Da sind viele Knoten drin. Wir wundern uns: Herr, kannst du daraus irgendetwas machen zu deiner Ehre, aus diesem verknoteten Leben?“ Und dann sagt Corrie ten Boom: „In der Ewigkeit, da sehen wir unseren Lebensteppich von oben. Da sehen wir die schönste Musterung, die schönsten Farben. Da hat Gott aus unseren ganzen Schwächen, Fehlern, Versäumnissen, Sünden, aus all den Verknotungen in unserer Biographie etwas Schönes gebaut.“ Alle Dinge dienen zum Besten denen, die Gott lieben. Das ist wunderbar, wenn ich mir das vor Augen stelle, dass Gott aus meinem verpfuschten Leben einen schönen Lebensteppich webt. Ich weiß, wovon ich rede. Ich bin ein verwöhntes Einzelkind gewesen. Ich bin von der Schule geflogen. Ich habe meinen Eltern viel Kummer gemacht, viele Sorgen, die ich niemals wieder gutmachen kann. Aber trotzdem, Christus hat alles durchgestrichen mit seinem Blut. Mein Vater sagte mir öfters: „Aus dir wird ein Straßenfeger werden.“ Ich habe nichts gegen Straßenfeger, aber mein Vater hat sich in dieser Beziehung geirrt. Das danke ich Gott. Das sind die Führungen und Segnungen, die Bewahrungen in unserem Leben, die uns in der Ewigkeit alle noch groß werden. Wir werden viel, viel Anlass haben, Gott in der Ewigkeit zu preisen für die Wunder, die er in unserem Leben getan hat.

Ich komme zum Schluss. Das ist die Geborgenheit von vorne. Wann haben wir die? Das ist ja ebenfalls einsichtig, nämlich wenn wir einen klaren Blick haben, eine klare Sicht, wenn wir wissen, wo es lang geht, wenn wir wissen, wo unsere Lebensreise hingeht. Dann haben wir die Geborgenheit von vorne. Das gilt für das Autofahren. Schlecht ist es, wenn man ein altes Navigationsgerät hat wie bei uns im Auto. Neulich hat uns das vollkommen im Stich gelassen. Was nützt das dann? Da wird man unsicher. Aber das viel, viel Wichtigere ist doch, dass wir wissen, wo die Lebensreise hingeht, dass wir wissen, wie es weitergeht, wenn der Sargdeckel kommt. Dass wir wissen, dass es da eine unwahrscheinlich große Verheißung gibt in Röm 8, „Bist du Kind, dann bist du ein Erbe“. Dann erbst du etwas, nämlich den Herrlichkeitsleib, in dem du von Ewigkeit zu Ewigkeit ohne Krankheit, ohne Vergänglichkeit, ohne Sünde im Himmel deine Himmelsbürgerschaft lebst. Das ist Zukunft! Das ist Geborgenheit von vorn. Dann muss man nicht sterben, dann kann man sterben. Ich hoffe, dass ich das in meiner Sterbestunde auch sagen kann, was mir immer wieder mal Leute sagten, nicht sehr viele, aber einige: „Herr Pfarrer, ich kann sterben.“ Das ist wunderbar.

Spurgeon hat das so schön gesagt in seiner Auslegung zum Psalm 23: „Und ob ich schon wanderte durch das Tal der Todesschatten, du bist bei mir. Dein Stecken und Stab trösten mich…“, und da sagt er: „Hast du das genau gelesen, was David dort sagt? Du musst mal durch das Tal der Todesschatten hindurch. Hast du das schon ernst genommen? Bist du schon mal gebissen worden vom Schatten eines Hundes? Nein. Ein Schatten kann nicht beißen. Und wenn der Tod seinen Schatten über uns wirft, dann kann er uns gar nichts anhaben. Es wird dunkel, aber wir kommen durch dieses Tal hindurch, und am anderen Ende wartet Christus.“ Das ist doch eine phantastische Aussicht.

Liebe Brüder und Schwestern, „von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“. Es gibt kaum ein Psalmwort oder ein Wort aus der Bibel, das diese komplette geistliche göttliche Geborgenheit uns so nahe bringt. Ich wünsche uns allen, dass wir immer mehr in diese Geborgenheit hineinwachsen. Der Herr segne uns alle nach dem Reichtum seiner Gnade. Amen.

Predigt am 16.7.2017 im GHB-NbC-Gottesdienst Landau-Mörzheim

 

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 28. Juli 2017 um 19:36 und abgelegt unter Predigten / Andachten.