Gemeindenetzwerk

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Predigt: Der unehrliche Verwalter

Montag 14. August 2006 von Erzbischof Janis Vanags


Erzbischof Janis Vanags

Der unehrliche Verwalter (Luk. 16,1-9)

Predigt auf dem Kirchentag in Alūksne, Lettland, Juli 2006

Predigttext:

Er sprach aber auch zu den Jüngern: Es war ein reicher Mann, der hatte einen Verwalter; der wurde bei ihm beschuldigt, er verschleudere ihm seinen Besitz. Und er ließ ihn rufen und sprach zu ihm: Was höre ich da von dir? Gib Rechenschaft über deine Verwaltung; denn du kannst hinfort nicht Verwalter sein. Der Verwalter sprach bei sich selbst: Was soll ich tun? Mein Herr nimmt mir das Amt; graben kann ich nicht; auch schäme ich mich zu betteln. Ich weiß, was ich tun will, damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von dem Amt abgesetzt werde. Und er rief zu sich die Schuldner seines Herrn, einen jeden für sich, und fragte den ersten: Wieviel bist du meinem Herren schuldig? Er sprach: Hundert Eimer Öl. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich hin und schreib flugs fünfzig. Danach fragte er den zweiten: Du aber, wie viel bist du schuldig. Er sprach: Hundert Sack Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig. Und der Herr lobte den ungetreuen Verwalter, weil es klug gehandelt hatte, denn die Kinder dieser Welt sind unter ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts. Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn er zu Ende geht, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten.

Liebe Freunde, Gnade und Friede sei euch reichlich beschert in der Erkenntnis unseres Herrn Jesus Christus!

Dieses ist schon ein ganz besonderer Sonntag, denn heute treffen sich in Alūksne viele Menschen im Gottesdienst unseres Kirchentages, die bisher wohl in geistlicher Gemeinschaft miteinander verbunden waren, sich aber noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen haben. Ist das nicht ungewöhnlich, daß wir als Glieder der Evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, und damit in einem Herrn, einem Geist, einem Glauben und in einer Kirche vereint, einander nicht kennen? Deshalb scheint mir der Kirchentag als ein Treffen von einander nahe Stehenden etwas ganz Natürliches und seit langem Erforderliches zu sein.

Es mutet schon ein wenig ironisch an, daß uns heute ein so schwerer Evangelientext zufällt wie der vom unehrlichen Hausverwalter. Vielleicht ist er sogar anlässlich dieses Festes ein wenig ungeeignet. So könnte man versucht sein, über etwas ganz anderes zu sprechen. Zum Beispiel über Johannes 1, 45 – „komm und sieh!“, die Losung des Kirchentages. Doch im Alltag ist die Kirche durch viele Fäden in sich selbst vereint, und einer von ihnen ist die Reihe der Perikopen. Es ist schön, sich bewußt zu machen, daß nicht nur heute, sondern an jedem Sonntag in allen unseren Gemeinden dasselbe Gotteswort laut wird. Deswegen sollte uns auch der Kirchentagssonntag ein besonderer Anlaß sein, der Reihe der Perikopen als ein Bindeglied der Kirche die Ehre zu geben. So reden wir heute über den unehrlichen Verwalter. Dieses Mal erzählt unser Herr ein wirklich ungewöhnliches Gleichnis. Der Ausgangspunkt ist eine Situation, die uns wohl bekannt ist. Ein Beamter gibt Geld aus, das ihm nicht gehört. Das wird der obersten Instanz angezeigt. Es droht ein Ermittlungsverfahren. Er nutzt seine Dienststellung, um etwas für sein Leben nach seiner drohenden Entlassung zu tun. Das liest sich genau so wie ähnliche Berichte, die wir aus Zeitungen kennen. Doch die Lösung ist wirklich überraschend. Der Herr – also der Geschädigte – lobt den unehrlichen Verwalter für seine letzte Manipulation.

Gerade das macht uns Schwierigkeiten beim Lesen dieses Evangeliumstextes. Dadurch daß Jesus das Fälschen eines Wechsels lobt, unterstützt er doch anscheinend die Korruption. Nach unserem Verständnis müßte der Verwalter dafür noch zusätzlich bestraft werden Aber der Herr mit seinen offensichtlich angeschlagenen Vorstellungen über Moral handelt anders. Er erblickt in diesem häßlichen Vorfall sogar etwas Gutes.

Mir scheint, daß dieses Gleichnis mehr als viele andere etwas über Gottes geduldiges, langmütiges Vaterherz aussagt. Der Herr versucht zuerst, das Gute zu erkennen und nicht das Böse. Selbst dann, wenn das Böse oben schwimmt und stinkt. Hier haben wir eine der Situationen, in denen sich das Wort erfüllt hat, welches der Herr dem Propheten Jesaja gesagt hatte: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege.“ Uns fällt es schwer, dieses Gleichnis zu verstehen, denn es liegt im Wesen des Menschen, zuerst das Böse zu suchen und zu erkennen. Selbst dann, wenn jemand etwas uneigennützig aus gutem Herzen getan hat, sagen wir nicht selten: „es ist zu schön, um wahr zu sein“ und suchen bei seinem Handeln nach einer niederträchtigen Motivation oder nach einer bösen Absicht. Gott handelt völlig anders. Im irrenden und sündigen Menschen, dessen böse Absichten, Worte und Werke nicht zu übersehen sind, erblickt Er immer noch etwas Gutes, was der Liebe wert ist. Wie gut, daß Gottes Wege und Gedanken höher sind als unsere, und daß der Himmel höher ist als die Erde! Wir würden in Elend und Not versinken, wenn sich Gott uns gegenüber so verhalten würde, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen. Wenn Gott damit begönne, in uns das Böse zu suchen, wer könnte da noch bestehen?

Wir sollten uns an diese Stelle des Evangeliums erinnern, wenn wir darüber nachdenken, daß wir als Ebenbild Gottes geschaffen sind. Bitte, hier haben wir eine Art. die etwas über die Ebenbildlichkeit Gottes aussagt – im Anderen zuerst das Gute zu suchen. Über ihn zuerst Gutes zu reden. Zu versuchen, ihm Gutes zu tun. Ihm Handlungsspielraum zu geben. Uns selbst lieben wir doch fraglos, trotz aller unserer Fehler und Mängel, die wir nur zu genau kennen, nicht wahr? Jesus läßt uns unseren Nächsten lieben wie uns selbst, um damit unsere Ebenbildlichkeit Gottes zu verwirklichen. Deshalb lehrt Er uns beten, daß der Vater uns vergeben möchte, wie wir vergeben. Nicht unser Wille, sondern Gottes Wille geschehe, nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden in unseren menschlichen Beziehungen.

Das Lob, mit dem der Herr das Verhalten des unehrlichen Verwalters bedenkt, ist es ganz bestimmt wert, von uns beachtet zu werden. Sind wir nicht auch solche Verwalter wie er? Verwalten wir das, was uns der Herr anvertraut hat, nicht ebenso schlecht? Unsere Zeit, unsere Gaben, unsere physische Kraft und Gesundheit und die vielen anderen Gaben, die Gott uns anvertraut hat? Vergeuden wir diese Wohltaten Gottes nicht oft unsachgemäß gegen Gottes Bestimmung und gegen Sein Interesse? Deshalb laßt uns versuchen zu entdecken, was den Herrn veranlaßt haben mag, seinen Verwalter zu loben. Erstens hat der Verwalter klug gehandelt, und zweitens hat er sich Freunde gemacht.

Ich weiß nicht so recht, ob man dieses listige Handeln gegen alles Gesetz als lobenswerte Klugheit ansehen kann. Doch der Verwalter war angesichts der bevorstehenden Rechenschaftslegung in Angst geraten. Sein Herz ist unruhig. In der Schrift heißt es, daß die Furcht des Herrn aller Weisheit Anfang sei. Eine der Eigenschaften, vor denen Gott in Seinem Wort die Menschen immer wieder warnt, ist der Leichtsinn und Übermut. Der Mensch beachtet nicht die Gesetze des Lebens, die uns Gott gegeben hat und macht sie sich nicht selbst bewußt, sondern denkt – ach was, es wird schon irgendwie gehen. Ganz so schlimm kann es ja nicht werden. Kann Gott wirklich so kleinlich sein? Möchte er nicht alles ausgleichen und vergeben? Es wird schon alles irgendwie gut gehen.

„Es wird gut gehen.“ Das ist etwas wie ein beruhigendes und einschläferndes Mantra für den heutigen Menschen. Man muß es nur oft genug wiederholen, und dann überkommt mich das Gefühl, daß schließlich alles gut gehen wird. Doch wenn sich der Verwalter auf diese Weise selbst beruhigt hätte, dann hätte er erleben müssen, daß am Ende gar nicht alles gut ausgegangen ist, daß er vertrieben wird, und mit allen schlimmen Folgen seines bösen Handelns leben muß. Der Verwalter ist nicht so sorglos, wie es zunächst scheint. Er ist darüber schockiert, was er angerichtet hat und nicht mehr gut machen kann. In der Schrift heißt es „Ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten.“ (Ps. 51,19) Nicht weil es Gottes Wille ist, daß wir uns quälen, sondern weil das Dastehen mit leeren Händen vor Gott zu einer Lösung führt.

Ein unruhiges Gewissen ist ein Zeichen dafür, daß der Heilige Geist am Werk ist. Der Heilige Geist ist es, der den Menschen seine Sünden zeigt und zur Reue und zur Buße führt. Wenn wir über eine Sache die Vorwürfe des Gewissens verspüren, dann wissen wir, daß der Heilige Geist da ist und uns zur Hilfe kommt. Wir brauchen uns nicht gegen ihn zu wehren und uns mit allerlei Entschuldigungen zu beruhigen, die unser listiges Gewissen geschwind erfunden hat. Statt nach Entschuldigungen sollten wir nach Lösungen suchen. Nicht zufällig ist die einzige Sünde, die nicht vergeben werden kann, die Sünde wider den Heiligen Geist. Wenn sich der Mensch dem Wirken des Heiligen Geistes verschließt, dann vermag er weder Buße zu tun noch sein Leben zu ändern und die Vergebung zu empfangen. In die allergrößte Not gerät die Seele eines Menschen, wenn er Böses tut und sich davor nicht mehr fürchtet. Dann geht der Mensch zu Grunde, und es gibt keinen, der ihn dabei aufhalten kann.

Der Verwalter sprach bei sich selbst: “Was soll ich tun? Was wird nun mit mir geschehen?“ Und der Herr lobt diesen Beamten dafür, daß er nicht sorglos weitergelebt, sondern ernsthaft darüber nachgedacht hat, wie es nachher weitergehen könnte. Er bereitet sich auf seine Zukunft vor. Das ist klug gehandelt. Auch wir, die wir Verwalter des Reichtums Gottes sind, auf die der Tag der Abrechnung zukommt, sollten uns die gleiche Frage stellen. Nur wenn er daran denkt, was danach kommt, vermag der Mensch das heutige Leben recht zu begreifen. Für den unehrlichen Verwalter löst sich seine verzweifelte Situation völlig überraschend. Ohne den ihm zugefügten Schaden auch nur mit einem Wort zu erwähnen, lobt ihn der Herr. Ja, dafür, daß er fremdes Eigentum in seiner Raffgier verschleudert hat, muß er bestraft werden. Doch erhält er Lob dafür, daß er den ihn vom Herrn anvertrauten Besitz verwendet hatte, um sich Freunde zu machen dadurch, daß er deren Situation erleichterte. Vielleicht aus ganz eigennützigen Erwägungen, vielleicht auch aus List. Doch schließlich hat er den Besitz seines Herrn so verwendet wie es der Herr offensichtlich für richtig gehalten hat – um Freundschaft zu schaffen und den Menschen das Tragen ihrer Lasten zu erleichtern. Schließlich hat er damit auch im Interesse seines Herrn gehandelt.

Diese Schriftstelle entspricht auch einem anderen Gleichnis Jesu – dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der nicht danach fragte, ob der Verwundete auf dem Wege sein Nächster sei, sondern der ihn zu seinem Nächsten machte dadurch, daß er ihm half und ihm sein Leid leichter machte und dadurch sein Leben rettete. Gehe hin und tu desgleichen! Diesem Thema begegnen wir oft in Jesu Lehre. Was ihr getan habt einem der Geringsten, das habt ihr mir getan. Helft einander, unterstützt einander, macht den anderen zu eurem Nächsten. Dann gebraucht ihr den Besitz, den euch der Herr anvertraut hat, recht. Dann werdet ihr im Sinne eures Herrn wirken und werdet in eurer Gottesebenbildlichkeit wachsen, nach der ihr geschaffen seid.

An allen solchen Stellen lehrt Jesus die Menschen das, was zu tun er Mensch geworden ist. Er ist das Ebenbild Gottes, der bereit ist, Verluste zu erleiden, wenn dadurch die Schuld des Menschen getilgt werden kann und die Freundschaft größer wird. Jesus mußte den allergrößten Verlust erleiden. Um die Schuld des Menschen vor Gott zu tilgen, um uns zu Kindern des himmlischen Vaters und zu Seinen Freunden zu machen, verließ er Seinen göttlichen Status und wurde Mensch. Er nahm die Last der Sünde der ganzen Menschheit auf sich und löste sie durch Seinen Kreuzestod aus. Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an Ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. (Joh. 3,16) Unser Herr Jesus möchte, daß der Glaube, um dessentwillen der Mensch das ewige Leben ererbt, in der Gemeinschaft, in der Vergebung, in gegenseitigem Unterstützen und Helfen unter Seinen Jüngern sichtbar wird. „Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh. 13, 35), sagt Er.

Im Laufe der Zeit ist die Frage oft gestellt worden – Wem nützt die Kirche? Es hat Theologen gegeben, die versucht haben, das Evangelium der Kirche entgegenzustellen, welche dann sagten, daß die wahre Lehre Jesu nichts mit den Strukturen der Kirche zu tun hätte. In Internet-Diskussionen wird die Kirche oft als eine menschliche Erfindung, ja sogar als ein Geschäft bezeichnet. Heute ist es weit verbreitet, daß jeder seine eigenen Beziehungen zu Gott selbst sucht, so daß die Kirche mit ihrer Lehre, ihren Sakramenten und Gottesdiensten von manchem als störend und lästig empfunden wird. Doch urteilen wir nicht übereilt. Die Kirche wurde von Christus selbst gegründet. Er brauchte sie und sie war Ihm wichtig. Und somit ist sie auch für die Menschen notwendig und wichtig. Bleibt uns nur noch zu begreifen, wie und weshalb. Gott ist für das menschliche Auge unsichtbar und für die Hand unberührbar. Einst hatte Er mit Seinem Volk in der Wolke und in der Rauchsäule oder durch die Offenbarungen der Propheten geredet. Doch von Ewigkeit an hatte Gott beschlossen, sich der Menschheit, wenn die Zeit erfüllt war, sichtbar, fühlbar und verstehbar zu offenbaren – in Jesus Christus. Gottes vollkommenste Offenbarung war das fleischgewordene Wort, das unter uns wohnte. Sein Himmelreich war wirklich nahe herbeigekommen. Jesus lehrte, half, speiste, heilte Menschen und befreite sie von der Macht böser Geister. Sein Kreuzestod und Seine Auferstehung war das größte Werk Gottes seit der Schöpfung der Welt. Dort zerbrach Er die Macht des Todes und der Hölle über den Menschen. Der Schlange wurde der Kopf zertreten, obwohl sie ihm in die Ferse stach. Dort erkämpfte Christus uns die Vergebung der Sünde, auf daß niemand, der an Ihn glaubt, verloren ginge. sondern das ewige Leben habe.

Doch es kam für Jesus die Zeit der Rückkehr in den Himmel, woher Er gekommen ist. Wie ging es dann mit Seiner Lehre weiter? Wie ging es mit Seinem Werk weiter? Beachten wir, daß Jesus kein Buch geschrieben hat, damit jeder alles nachlesen könnte, wann und wie er es möchte. Er gründete Seine Kirche. Albert Schweitzer hat einmal gesagt, daß die ersten Jünger auf das Kommen des Reiches Gottes gewartet hätten, doch gekommen wäre nur die Kirche. Dieser hat Er Seine Lehre anvertraut. Er hat ihr den Auftrag gegeben, sie aufzuschreiben und das Neue Testament zu schaffen. Gott schenkte der Kirche den Heiligen Geist, damit sie die Heilige Schrift verstände. Er schenkte es der Kirche, im Laufe der Jahrhunderte auf wichtige Fragen der Zeit aus der Schrift die Antwort zu finden. Er gab der Kirche den Befehl, das Evangelium zu predigen, die Sakramente zu spenden und alle Völker zu Jüngern zu machen, die Kranken zu heilen, die Traurigen zu trösten und den Elenden zu helfen.

Kürzer ausgedrückt: Christus vertraute es der Kirche an, daß sie Sein Werk auf Erden fortsetzen möchte. Noch mehr: Er identifiziert sich mit der Kirche. Als Saul die Gemeinde verfolgte, fragte ihn Jesus: „Saul, Saul, was verfolgst du – mich?“ Im Neuen Testament wird die Kirche Leib Christi genannt, also ist sie die Fortsetzung des Wirkens des Fleisch gewordenen Wortes. Und wenn das so ist, kann dann die Kirche wirklich nur von so geringem Wert sein? Kann sie dann zum Evangelium und zum Glauben im Gegensatz stehen? Nein. Ganz im Gegenteil. Allein können wir Christus außerhalb der Kirche als dem Leibe Christi nicht vollkommen begreifen. „In Christus sein“ ist von „in der Kirche sein“ nicht zu trennen. Er selbst hat es gewollt. So wichtig war für Ihn die Kirche. Was bedeutet das für uns?

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts hat uns Christus zu Verwaltern Seines Reichtums ernannt – zu Verwaltern der Kirche. Er hat es uns anvertraut, Haushalter Seiner Geheimnisse zu sein. Der Apostel Petrus schreibt: „Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, daß ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Petrus 2,9). Als berufene Haushalter ist es für uns wichtig, zu beachten, was der Herr Jesus bei der Arbeit eines Haushalters lobenswert findet.

Erstens, daß ein Haushalter klug handelt und auf den Tag der Rechenschaft vorbereitet ist. Erinnern wir uns an ein anderes Gleichnis Jesu, in dem auch vom Tag der Rechenschaft die Rede ist. Ein Mensch vertraut seinen Besitz seinen Dienern an und verreist. Am Tage der Abrechnung kommt der Diener, de seinen Anteil anscheinend am sichersten aufbewahrt hat dadurch, daß er ihn in der Erde vergrub. Dafür wird er nicht gelobt sondern gerügt. Stattdessen ernten die Knechte Lob, die das anvertraute Geld haben arbeiten lassen und damit fünffachen oder zehnfachen Gewinn machen.

Der Herr hat seiner Kirche viele Reichtümer geschenkt – sein Wort und Sakrament, die Gaben des Heiligen Geistes und das Gebet der Gläubigen vieler Generationen und die reichen Erfahrungen des geistlichen Lebens. Er hat uns das nicht anvertraut, damit wir es in der Erde vergraben, sondern es richtig einsetzten und vermehrten und es Zinsen einbrächte. Zuerst sollte jeder, der glaubt, dafür sorgen, daß die von Christus geschenkte Erlösung und der Heilige Geist in ihm selbst Früchte brächte. Die Früchte des Geistes sind Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit.“ (Galater 5,22) „Wenn ihr durch den Geist die Taten des Fleisches tötet, so werdet ihr leben. Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder,“ schreibt der Apostel Paulus (Römer 8, 13-14).

Das ist eine Aufforderung zum ernsthaften, inneren, geistlichen Leben. Zu einem Leben mit dem Wort Gottes, den Sakramenten, mit dem Gottesdienst und dem persönlichen Gebet, dem Studium und der Betrachtung der Heiligen Schrift – nicht nur am Sonntag, sondern auch im Alltag, immer. Christus hat uns dafür das Leben wiedergegeben. Wie viel in unserem Leben geben wir dem Raum? Christus hat die Rechtfertigung und die Vergebung der Sünde allen geschenkt, die an Ihn glauben und Ihm nachfolgen. Das predigen wir in unseren Gemeinden sehr oft. Doch sind das Geschenk des Heils und das Sakrament der Taufe auch Aufrufe zur Heiligung ein ganzes Leben lang. Heiligung heißt alles, was die Seele dem Heiligen Geist öffnet, daß er dort die innere Wiedergeburt und Erneuerung bewirkte. Wenn wir das suchen und tun, dann sind wir ehrliche Haushalter der anvertrauten Gaben, die Frucht bringen

Nur durch die Gaben des Geistes werden die Glieder der Kirche zu glaubwürdigen Zeugen Christi. Wir haben noch die Worte Christi im Ohr, daß die Kinder der Welt unter ihresgleichen klüger sind als die Kinder des Lichts. Sie erkennen schnell, wo jemand mit dem Mund Worte ausspricht, die in seinem Herzen und in seinem Geist nicht lebendig sind. Die Mission und das Zeugnis geht von unserem eigenen Hineinwachsen in das Leben des Geistes aus.

Christus hat es gewollt, daß Seine Kirche der Ort in der Welt sei, in dem der Mensch seine Schuld getilgt sieht und sich von seinen Lasten befreit wiederfindet. Dann kann auch er das Lob des Herrn erhoffen. Natürlich kann die Kirche noch viel anderes machen – sich in die Kultur und die Politik mit einbeziehen, sich für den Umweltschutz mit verantwortlich fühlen, für den Frieden in der Welt beten: Doch wenn wir das tun, dann dürfen wir die Hauptsache nicht beiseite schieben: Das Wort Gottes und die Sakramente. Jede andere gesellschaftliche Aktivität kann auch der Staat oder eine andere Organisation leisten, aber kein anderer kann den Menschen das Evangelium nahe bringen als nur die Kirche. Wenn die Kirche dieses beiseite schiebt, dann ist sie mit dem unnützen Knecht zu vergleichen, der das ihm anvertraute Gut, die anvertraute Zeit und seine Vollmachten nur verschwendet.

Der Haushalter sollte sich stets dessen bewußt sein, daß nicht er der Herr des ihm anvertrauten Gutes ist, sondern nur der Verwalter. Die heutige postmoderne Gesellschaft möchte und erwartet von der Kirche, daß diese sich ihr anpaßt. Daß die Kirche bestätigte,. daß Recht auf seine eigene Wahrheit, seine eigene Sittlichkeit hätte und das ein jeder das Recht auf Gottes Segen hätte, ganz gleich, was er tut und unternimmt. Das kann der Kirche verlockend erscheinen, denn dafür erntet sie den Beifall der Welt. Dennoch ist die Kirche nur Verwalterin und nicht der Herr. Das Wort, die Wahrheit und die Lehre gehören Gott und nicht der Kirche. Die Kirche hat nicht die Freiheit, etwas anderes zu lehren als nur das Wort Gottes – Gesetz und Evangelium. Das muß sie zu jeder Zeit in einer Sprache tun, die der Mensch versteht, und dennoch ist es stets die gleiche Botschaft. Wenn die Kirche das tut, dann erntet sie oft die Rügen der Welt. Dennoch darf sie nicht das Lob der Welt anstreben, sondern nur das Lob ihres Herren. Der Haushalter handelt klug, wenn er sich auf den Tag der Abrechnung einstellt. Gottes Wort sagt: Seid getreu bis an das Ende.

Und schließlich noch das: Der Herr lobt Seinen Verwalter dafür, daß er sich Freunde gemacht hatte. Auch das ist unser Auftrag – Freunde machen, Freundschaft mehren. Überall wo wir sind – in unserer Familie, an unserer Arbeitsstelle, in unserer Stadt sollten Christen sich und ihrem Herrn Freunde machen. Einmal kam Jesus mit Seinen Jüngern in ein Dorf, in dem sich die Einwohner ihnen gegenüber nicht allzu freundlich verhielten. Die Jünger waren entrüstet. Sie wollten sogar Feuer vom Himmel herabrufen, damit es das Dorf verbrannte. Aber Jesus sagte: „Denkt daran, wes Geistes Kinder ihr seid!“ Das ist auch eine Erinnerung an uns, die wir unter den Kindern dieser Welt leben – daran zu denken, wes Geistes Kinder wir sind und für die Früchte des Geistes in unserem Leben zu sorgen. Dadurch machen wir uns und unserem Herrn aus Nichtfreunden Freunde.

Heute an diesem Kirchentag möchte ich zum Abschluß besonders die Gemeinschaft in der Kirche betonen Die wird unser Herr besonders loben. Als Haushalter müssen wir die Gemeinschaft in der Kirche und in unserer Gemeinde, unserer Propstei, mit unseren Nachbargemeinden, zwischen allen unseren Gemeinden ganz besonders schaffen und fördern. An der Gemeinschaft in unserer Kirche müssen wir noch sehr arbeiten und für sie beten. Auch für die Gemeinschaft unter den christlichen Kirchen in Lettland und in der ganzen Welt. Erinnern wir uns, wofür der Herr Seinen Verwalter gelobt hat – daß er sich Freunde machte. Auch wenn das mit der Hilfe des ungerechten Mammons geschah, doch er hat Freundschaft verbreitet. Gemeinschaft in Christus muß gepflegt werden. Wir müssen unseren Seelen Liebe und den Wunsch nach der Einheit der Kirche zutragen und darum beten. Für sie müssen wir immer etwas tun. Das ist nicht unser Wunsch, sondern die Pflicht des Haushalters. Gott segne uns, daß unser Kirchentag zur Tradition wird, die die Einheit und die Gemeinschaft unserer Kirche stärkt. Der Kirchentag möge auch dazu beitragen, daß wir die Schönheit unserer Kirche entdecken und sie immer mehr lieben. Amen

Aus: Svētdienas Rīts, Zeitung der Evangelisch-lutherischen Kirche Lettlands, 5.8.06

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Montag 14. August 2006 um 16:32 und abgelegt unter Predigten / Andachten.