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Scheinheilig und antisemitisch – Wie eine Tourismusbroschüre kirchlicher Hilfswerke Israel dämonisiert

Dienstag 7. Juni 2016 von Feigenbaum e.V.


Feigenbaum e.V.

Die beiden großen Hilfswerke der evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland, »Brot für die Welt« und »Mise­reor« haben es sich zur Aufgabe gemacht, Israelreisende über die völkerrechtliche Lage in Israel aufzuklären und für einen »fair gestalteten Tourismus« zu gewinnen. Dabei herausge­kommen ist eine vollfarbig gestaltete Broschüre mit dem frommen Titel »Kommt und seht!«, einem Bibelzitat aus dem Johannes­evangelium (Joh 1,39). Doch der äußere fromme Schein trügt. Auf den folgenden fast 50 Seiten findet sich keine einzige weitere Bibelstelle, und schon gar keine zum The­ma Israel. Die Broschüre hat nur ein Thema: Israel handle völkerrechtswidrig und sei für die schlechte Lage der Menschen in den palästinensischen Autonomiegebieten verantwortlich.

Biblische Inhalte sind nicht relevant

Biblische Aussagen zum Anspruch Israels auf das biblische Land sucht man in der Bro­schüre vergebens. Bereits der Untertitel, »Orien­tierungen für einen fair gestalteten Tourismus in Israel und Palästina unter Berücksichtigung des Völkerrechts«, lässt erahnen, dass es den Autoren nicht um biblische Bezüge, sondern um die Darstellung des Nah­ostkonflikts als einem rein politischen Kon­flikt geht. Obwohl die Bibel nur den Begriff »Eretz Jisrael« (Land Israel) kennt, wird versucht, diese Bezeichnung zu relativieren. Für das biblische Kernland Judäa und Samaria wird systematisch der Name »Palästina« verwendet, ein Name der vom römischen Kaiser und Judenhasser Hadrian 135 n. Chr. eingeführt wurde, um die Erinnerung an das jüdische Volk auszulöschen. Dieser Name wird heutzutage bewusst eingesetzt, um den biblischen und historischen Anspruch des jüdischen Volkes auf das Land zu delegitimieren und um die Existenz eines nicht vorhandenen Staates »Palästina« zu suggerieren.

Historische Fakten werden ignoriert

Immer wieder werden historische Fakten ignoriert, die nicht in das präsentierte Bild von den bösen Besatzern (Israelis) und den leidenden Besetzten (Palästinenser) passen. Zum Beispiel wird die Stadt Hebron in der Bro­schüre zwar korrekt als »eine der ältesten kontinuierlich bewohnten Städte der Welt« bezeichnet. Aber dass in Hebron seit über drei Jahrtausenden Juden wohnen, wird unterschlagen; ebenso dass die jüdische Präsenz in Hebron 1929 durch ein arabisches Massaker und anschließende Deportation durch die Briten ein grausames Ende fand. Erst 1968, nach dem Sechstagekrieg, konnten Juden wieder nach Hebron und teilweise in ihr Eigen­tum zurückkehren. Doch genau diese Juden werden in der Broschüre als israelische Sied­ler bezeichnet, die einen Großteil der palästinensischen Bevölkerung aus dem Stadtzen­trum vertrieben hätten und nun in besetzten Häusern leben würden.

Beim Völkerrecht gilt zweierlei Maß

Auf mehreren Seiten wird das Thema Völ­ker­recht abgehandelt. Bei diesem Aspekt zeigt sich klar die antisemitische Tendenz der Broschüre, ganz abgesehen davon, dass dabei falsche Informationen vermittelt werden. Falsch ist z. B. die Behauptung, die palästinensische Führung habe Israel in den Grenzen von 1949 anerkannt. Wer auch immer mit palästinen­sischer Führung gemeint sein soll, die Herren Arafat, Abbas oder Hanije sahen bzw. sehen das anders. Auch die PLO-Charta, der PLO-Stufenplan und die Hamas-Charta sprechen eine andere Sprache.

Ein klares Zeichen für Antisemitismus liegt vor, wenn bei vergleichbaren Umständen Ju­den bzw. dem Staat Is­ra­el nicht dasselbe zugestanden wird, was gleich­zeitig allen anderen Völkern und Staaten zugebilligt wird. Wenn ein Staat seine Nach­barn angreift, so wie Deutsch­land im Zweiten Weltkrieg Polen angegriffen hat, und dabei eigenes Territorium verliert, hat er keinen Anspruch auf eine He­raus­gabe seines verlorenen Territori­ums. Das ist anerkanntes Völke­r­recht. Niemand redet von den ehemaligen deutschen Ostgebie­­ten, die von Polen oder Russland völker­rechts­wi­drig besetzt seien. Wenn Polen heute auf ehemals deutschem Gebiet Häuser bauen, dann ist dies eine Selbstverständlichkeit, niemand bezeichnet sie als »illegale polnische Siedler« oder »polnische Besatzungsmacht«.

Genauso wie Polen im Zweiten Weltkrieg, wurde Israel im Sechstagekrieg von Jordanien angegriffen. Jordanien verlor dadurch die von ihm besetzte »Westbank«, das biblische Kern­land von Judäa und Samaria an Israel. Wenn nun für Juden der gleiche Maßstab gilt wie für alle anderen Völker der Welt, dann sind auch die jüdischen Siedlungen völkerrechtlich legal. Wer das Gegenteil behauptet, ist ein Anti­semit, denn er spricht Juden, nur weil sie Juden sind, ein Recht ab, das er allen anderen Völkern zugesteht. Wenngleich von einer moralisch bankrotten UNO diesbezüglich keine Fairness erwartet werden kann, sollte man bei kirchlichen Organisationen etwas mehr Ehr­lich­keit und Zurückhaltung erwarten können. Schließlich war der von christlichen Kreuz­rittern in Jerusalem errichtete Kreuzfahrer­staat alles andere als völkerrechtskonform.

Die »böse« Mauer, die Leben rettet

Immer wieder wird in der Broschüre die von Israel während der Zwei­ten Intifada begonnene Trennungsanlage kritisiert, die Israel und die palästinensischen Au­to­nomiegebiete trennt, weil diese die Bewe­gungsfreiheit der Palästi­­nenser einschränkt. Dass die Trennungsanlage bzw. Mauer inzwischen auf israelischer Seite hunderte Leben gerettet hat, wird nicht erwähnt. Im Jahr 2002, vor Er­richtung der Trennungsanlage, wurden 457 Israelis durch Terroranschläge ermordet und Tausende verletzt. Die Zahl der jährlich getöteten Israelis ging daraufhin bis auf zehn im Jahr 2009 zurück. Die Gegner und Kritiker der Tren­nungsan­lage sehen in der Bewe­gungs­­freiheit der Palästinenser ein höheres Gut als das Leben unzähliger Israelis. Sie berufen sich auf ein Gutachten des Internationalen Ge­richtshofs (IGH) zum Bau der Trennungs­an­lage aus dem Jahr 2004, in dem es wörtlich, ohne eine entsprechende Begründung heißt: »Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass sich Israel nicht auf das Recht zur Selbstver­teidigung berufen kann …«. Mit anderen Wor­ten: Nur tote Juden sind gute Juden. Juden, die ihr Leben schützen, verstoßen gegen das Völkerrecht!

Fairer Tourismus im heiligen Land?

Die Broschüre will Touris­ten, Kirchengemein­den und Reiseveranstalter motivieren, einen „fairen“ Tourismus zu praktizieren, d. h. bei einer Israelreise auch die heiligen Stätten und Menschen in den palästinensischen Autono­mie­gebieten zu besuchen. Viele Pilger, so wird bedauert, wüssten oft nicht, ob sich eine heilige Stätte in Israel oder auf palästinensischem Gebiet befinde. Deshalb soll eine mitgelieferte Landkarte den zukünftigen Pilgern helfen, fein säuberlich zu unterscheiden, auf welchem Gebiet sich die besuchte heilige Stätte befindet. Eine wesentliche Information bleibt die Broschüre jedoch schuldig: Die Tatsache, dass in Israel 20 Prozent arabische Bürger gleichberechtigt leben, während die palästinensischen Autono­mie­gebiete heute praktisch »judenrein« sind. Der Staat Israel ver­­bietet deshalb seinen Bürgern, die Auto­nomiege­biete, wie z. B. Beth­lehem, zu betreten. Sonst ist, wenn sie Juden sind, ihr Leben in höchster Gefahr. Zu viele Juden wurden schon vom palästinensischen Mob gelyncht, nachdem sie versehentlich ins palästinensische Autono­mie­gebiet abgebogen waren. Ist das ein »fairer Tourismus«, bei dem alle will­kommen sind, nur Juden nicht?

Ausgewogenheit sieht anders aus

Die Broschüre erweckt den Anschein, sie fördere ausgewogene Informationen. Israeltouristen und Reiseveranstalter werden an ihre »besondere Verantwortung« erinnert, »nicht eine der Konfliktparteien zu sehr zu befördern und die andere zu diskreditieren.« Diese »besondere Verantwortung« gilt offensichtlich nicht für die Herausgeber, denn praktisch alle Organisationen, welche die Broschüre zur weiteren Informationsbeschaffung empfiehlt, sind bekannt dafür, dass sie die palästinensische Propaganda unterstützen. Das gilt insbesondere für das in der Broschüre hervorgehobene sogenannte Kairos-Palästina-Dokument. Einseitiger kann man kaum über die komplexe Situation im Nahen Osten informieren.

Auf dem Weg nach Bethlehem

»Ob Maria und Josef vor gut 2000 Jahren wohl den Weg nach Bethlehem gefunden hätten, wenn es damals bereits um die 90 Check­points in der Region gegeben hätte?« Mit dieser Frage beginnt die Pressemeldung von »Brot für die Welt«, in welcher die Broschüre im Dezember 2014 vorgestellt wurde. Meine Antwort lautet: »Ja, warum nicht?« Aber würden Maria und Josef heute, wenn sie von Na­za­reth nach Bethlehem wandern, auch ankommen? Die bittere Wahrheit lautet »Nein«, denn wenn sie als Juden das palästinensische Autonomiegebiet auf ihrer Reise beträten, würden sie mit hoher Wahr­schein­lichkeit auf brutale Art und Weise ermordet, denn die in der Broschüre hoch gepriesene Gastfreund­schaft auf palästinensischer Seite gilt in der Regel leider nicht für Juden. Da kann man nur froh sein, dass Maria und Josef nicht in unserer Zeit nach Bethlehem müssen.

Fazit

In dieser Broschüre wird Israel mal eher subtil, mal ganz direkt dämonisiert, delegitimiert und mit doppeltem Maß gemessen. Dass solcher Antisemitismus mit Spenden­geldern von »Brot für die Welt« und »Misere­or« sowie mit Kirchensteuermitteln finanziert wird, ist ein Skandal. Ich werde jedenfalls der Auffor­derung, nicht nur Israel, sondern auch die palästinensischen Gebiete zu besuchen, erst dann nachkommen, wenn ich das in Be­glei­tung jüdischer Freunde tun kann, ohne dass diese dabei ermordet werden, nur weil sie Juden sind.

Wilfried Bullinger, aus „Seht den Feigenbaum“, Nr. 316, Oktober-Dezember 2015

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Dienstag 7. Juni 2016 um 9:29 und abgelegt unter Gesellschaft / Politik, Kirche, Weltreligionen.