Gemeindenetzwerk

Ein Arbeitsbereich des Gemeindehilfsbundes

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Interview mit Pastor Dr. Joachim Cochlovius

Freitag 9. Dezember 2005 von Evangelischer Aufbruch in Deutschland


Evangelischer Aufbruch in Deutschland

Interview mit Pastor Dr. Joachim Cochlovius im „Aufbruch“
(Mitglieder- und Freundesbrief des „Evangelischen Aufbruchs in Deutschland“), Dezember 2005

Herr Pfarrer Cochlovius, Sie haben vor einiger Zeit zusammen mit gleichgesinnten Freunden ein neues Netzwerk evangelischer Gemeinden ins Leben gerufen. Können Sie kurz schildern, worum es dabei ging und geht?

Das Netzwerk heißt Gemeindenetzwerk und schafft eine neue Kommunikationsstruktur unter Pfarrern, Gemeindegliedern und ganzen Gemeinden innerhalb der 23 Gliedkirchen der EKD. Im Herbst 2004 wurde es von Vertretern aus allen 23 Landeskirchen in Kassel gegründet. Der Anlaß war die skandalöse „Empfehlung“, die im März 2004 von der VELKD-Bischofskonferenz den VELKD-Gliedkirchen gegeben wurde, wonach unter bestimmten Umständen kirchliche Amtsträger, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben, ihren Partner bzw. ihre Partnerin mit ins Pfarrhaus nehmen dürfen. Das Gemeindenetzwerk hat keine Mitglieder, sondern Teilnehmer. Sie sind namentlich auf der Internetseite www.gemeindenetzwerk.de erfaßt. Die Basis ihrer Zusammenarbeit sind die gemeinsam verabschiedeten „Leitlinien“, die ebenfalls auf der Internetseite abrufbar sind.

Wieviele Gemeinden haben Sie inzwischen in das Netzwerk aufnehmen können, und was waren bisher die wichtigsten Aktivitäten?

Z. Zt. nehmen am Gemeindenetzwerk Vertreter aus mehr als 50 landeskirchlichen Gemeinden teil. Einige Gemeinden sind kraft Kirchenvorstandsbeschluß ebenfalls Teilnehmer. Unsere wichtigste Kommunikationsschiene ist die schon erwähnte Internetseite. Dort haben wir mittlerweile weit über 100 aktuelle Texte aus Kirche und Gesellschaft platziert. Die Zugriffsrate erhöht sich laufend. Der GNW-Vertrauensrat hat im Frühjahr mit Vertretern der VELKD_Bischofskonferenz diskutiert und dringend um Rücknahme der o.g. „Empfehlung“ gebeten. Dieser Bitte wurde jedoch nicht entsprochen.

Für bekennende Christen wird die Lage nicht nur in unserem Land, sondern auch in der evangelischen Kirche immer schwieriger. Worauf müssen sich Christen in der Zukunft einstellen – auch was die Gemeindeformen betrifft?

Ich mache als Vorsitzender des Gemeindehilfsbundes bei meinen Diensten in ganz Deutschland die Erfahrung, daß die Schere zwischen unevangelischen, zeitangepaßten und liberalen Entscheidungen der Kirchenleitungen und solchen Gemeinden, die einen bewußt biblisch-reformatorischen Weg gehen, sich immer weiter öffnet. Wenn Pfarrer und Kirchenvorstand im genannten Sinn zusammenstehen, entstehen im Raum der Landeskirche geistliche Oasen. Wenn keine Einigkeit herrscht, stehen Pfarrer oft unter einem hohen Anpassungsdruck und geraten in Gefahr, ungeistliche Kompromisse einzugehen. Als Gemeindehilfsbund bemühen wir uns um die geistlichen Oasen genauso wie um angefochtene Pfarrer und Gemeindeglieder. Das Gemeindenetzwerk schafft neben seinen Internetinformationen ein eigenständiges Kontaktforum, das für bekennende Christen wichtig und ermutigend sein kann. Neben der herkömmlichen Parochialstruktur der Landeskirchlichen Gemeinden wird die Personalstruktur immer wichtiger. Die Mobilität der meisten Gemeindeglieder ermöglicht es, dorthin zu gehen, wo Brot statt Steine angeboten werden. Davon machen immer mehr mündige Christen Gebrauch. Elektronische Verkündigungsmedien wie Fernsehkanäle oder z.B. Radio Neue Hoffnung schaffen sich eigene Hörergemeinden. Auch innerlandeskirchliche Gemeindestrukturen ändern sich, wenn Gemeinden über Fördervereine Verkündiger und Seelsorger selber finanzieren. Es ist vieles im Fluß. Wichtig bleibt bei allen Veränderungen immer, daß Gemeinden sowohl im geschichtlichen Kontakt mit den reformatorischen Bewegungen als auch im aktuellen Kontakt mit anderen biblisch-reformatorisch ausgerichteten Gemeinden bleiben. Ein frommes Einzelgängertum schadet sowohl dem Einzelnen als auch ganzen Gemeinden.

Wer kann und sollte mit dem Gemeindenetzwerk Kontakt aufnehmen?

Sowohl einzelne Christen als auch Gruppen, Hauskreise oder Gemeinden können am Gemeindenetzwerk teilnehmen. Die Voraussetzung ist die Unterschrift unter die Leitlinien. Die Postanschrift des Gemeindenetzwerks ist Lerchenweg 3, 29664 Walsrode.

Einen anderen Themenbereich möchten wir noch ansprechen: Persönlich arbeiten Sie viel auf dem Gebiet der Eheseelsorge, Sie setzen sich dabei für die unverbrüchliche Gültigkeit biblischer Maßstäbe auch in unserer Zeit ein. Was antworten Sie jenen, die heute meinen, man müsse die biblischen Maßstäbe, etwa das Verbot der Wiederheirat Geschiedener, das im Neuen Testament eindeutig bezeugt ist, aus „seelsorgerlichen“ Gründen revidieren oder doch relativieren?

Meist ist es der Glaube, der fehlt. Man rechnet einfach nicht mehr mit dem Gott, der Wunder tut und das, was nicht ist, ruft, daß es sei (Röm. 4,17). Deswegen nehmen im kirchlichen und evangelikalen Raum Ehescheidungen, Wiedertrauungen und das unverheiratete Zusammenleben zu. Viele Gemeinden, auch evangelikale, werden nicht mehr biblisch geschult. Der Event steht über der biblischen Lehre. Da kann man es dem Einzelnen kaum noch verübeln, wenn er weltangepaßt lebt. Hinzu kommt, daß weithin eine große Seelsorgenot herrscht. In vielen Ehegesprächen, die wir führen, stellt sich heraus, daß die Menschen seit langer Zeit nicht mehr gebeichtet haben und demzufolge mit ihrer Schuld durchs Leben laufen. Dabei ist es das höchste Vorrecht der Christen, ohne Vergangenheit leben zu dürfen.

Erleben Sie es auch, daß gerade das Bezeugen der biblischen Maßstäbe die eigentliche seelsorgerliche Hilfe ist? Haben Sie ein anschauliches Beispiel aus Ihrer Praxis?

Biblische Lehre ist immer Seelsorge. Jesus war Lehrer. Aber nicht im akademischen Sinn, sondern so, daß er drei Jahre seinen Jüngern gezeigt hat, was es bedeutet, unter Gottes Herrschaft zu leben. Die Bergpredigt ist Lehre und Lebensprogramm zugleich. Es ist völlig abwegig, Lehre und Seelsorge gegeneinander zu stellen. Wir merken es besonders bei unseren Eheseminaren, daß die einfache, persönliche, beispielreiche und humorvolle Darbietung der biblischen Ehelehre immer wieder Menschenherzen erreicht und zur Erneuerung des Lebens und der Ehe führt.

Kürzlich haben Sie in Tübingen auf einer Veranstaltung der Evangelischen Studentengemeinde als einziger Redner gegen fünf andere Referenten, darunter zwei Theologieprofessoren, gegen die Homo-Segnungen Stellung genommen. Wie erklären Sie sich das fast komplette Einknicken der Landeskirchen und der evangelischen Theologenschaft in dieser von der biblischen Grundlage her so eindeutigen Frage? Und was treibt die Vorkämpfer der „Segnungen“, die oft vor brachialen Methoden nicht zurückscheuen, im Innersten an?

Ich war dankbar, auf dem Studientag der Evang.-theol. Fakultät Tübingen in dieser Frage die neutestamentliche Ethik, ihre Aktualität, ihren Ernst und ihre seelsorgerliche Dimension vor der Studentenschaft aufzeigen zu können. Ein Student schrieb mir anschließend, daß ich zwar die absolute Minderheitenposition vertreten hätte, daß aber die Ewigkeit zeigen werde, wer aus dem biblischen Wort neue Impulse empfangen hat. Mit der schriftwidrigen Anerkennung homosexueller Praxis verlassen die EKD-Landeskirchen nicht nur das sola scriptura, sondern auch 2000 Jahre Kirchengeschichte und den ethischen Konsens mit den großen Weltkirchen. Dieser Weg kann nur in die komplette Selbstisolierung und ins geistliche Abseits führen. Desto wichtiger ist es, daß Christen, die in ihrem Gewissen an das apostolische Wort gebunden sind, unerschrocken für dessen zeitlose Gültigkeit eintreten. Dabei muß jedes Bekennen Hand in Hand gehen mit missionarischer und seelsorgerlicher Bemühung um Menschen mit homophiler Neigung. Das setzt Sachkenntnis und Liebe voraus. Hier stehen die bekennenden Christen vor großen Herausforderungen in der Zukunft.

Herr Pfr. Cochlovius, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen Gottes Segen für Ihre Arbeit!

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Freitag 9. Dezember 2005 um 11:46 und abgelegt unter Allgemein.