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Pharisäer oder Zöllner? Predigt über Luk 18,9-14

Samstag 22. August 2015 von Dr. Bernhard Kaiser


Dr. Bernhard Kaiser

9 Er sagte aber zu etlichen, die sich selbst vermaßen, daß sie fromm wären, und verachteten die anderen, dies Gleichnis: 10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, zu beten, einer ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. 11 Der Pharisäer stand und betete bei sich selbst: Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. 12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. 13 Und der Zöllner stand von ferne, wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! 14 Ich sage euch: Dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

Zur Einführung

Wenn heute evangelisiert wird, hört man oft den Satz: „Du kannst eine Beziehung zu Gott haben.“ Man sagt dann: „Schau doch, Gott ist da, er ist dir nah, er liebt dich und möchte, daß du dich auf ihn einläßt.“ Was immer das bedeuten mag – es ist ein Appell an den Menschen, etwas zu tun, um mit Gott in Beziehung zu treten. Im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, daß der betreffende Mensch eine Art Bewußtsein entwickelt, daß er eine Beziehung zu Gott hat, daß er bewußt mit Gott leben will. Wenn er ein durchschnittlicher Kirchenchrist ist, dann wird er dem Bettler vor der Kirchentür einen Euro in die Hand drücken und sich für ein besseres gesellschaftliches Miteinander einsetzen, in der Hoffnung, in seinem Engagement seiner Beziehung zu Gott den rechten Ausdruck zu verleihen. Wenn er ein Pietist ist, dann nimmt er Jesus in sein Herz auf. Das ist in Wirklichkeit nur ein Akt des menschlichen Bewußtseins, eine menschliche Entscheidung.

Er äußert sie in der Form, daß er sie in einem Gebet zu Jesus ausspricht und dann glaubt, Jesus sei wirklich in ihm drin, in seinem Herzen. Freilich kann er nicht sagen, was das Herz ist und wie Jesus darin wohnt, aber er gibt sich einfach der Illusion hin, daß Jesus irgendwie in ihm sei. Wenn der Mensch spirituell veranlagt ist, dann zündet er vielleicht eine Kerze an und versenkt sich in dem Gedanken, daß Gott ihm nahe sei; er versucht, die Gegenwart Gottes zu erspüren. Wenn er ein Katholik ist, dann geht er zur Beichte und anschließend zur Messe und glaubt dann, seine Beziehung mit Gott sei wieder ganz in Ordnung. In allen Fällen aber ist es der Mensch, der seine vermeintliche Beziehung zu Gott ins Werk setzt. Doch wie verhält es sich wirklich? Kann man das einfach so? In diesem Gleichnis spricht Jesus von zwei Menschen, die beide eine Beziehung zu Gott haben wollten. Doch die Unterschiede zwischen beiden sind sehr groß.

Und verblüffend ist das Urteil, das Jesus über sie fällt. Wir führen uns zunächst vor Augen, was diese beiden im Blick auf ihre Beziehung zu Gott dachten. Danach spreche ich darüber, wie Gott über sie dachte und schließlich nehme ich uns moderne Menschen ins Visier: Was denken wir über Gott und die Beziehung zu ihm?

  1. Der Pharisäer

Die Pharisäer waren die Zielgruppe, an die Jesus sich richtete. Das waren Menschen, die sich der Illusion hingaben, gerecht zu sein. Sie gründeten ihre Ansicht auf zwei Dinge: Erstens bemühten sie sich ernsthaft, dem Gesetz Gottes zu entsprechen. Sie hatten die fünf Bücher Mose genau studiert und alle einzelnen Gesetze ausgemacht und in ihren theologischen Schulen diskutiert, wie diese Gesetze zu verstehen und zu halten seien. Und dann taten sie, was sie konnten, um den Geboten Gottes zu entsprechen. Wenn der Pharisäer nach den Worten Jesu betete: „Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme“, dann machte er deutlich, daß er auch die Details im Gesetz ernstnahm. Wer wollte etwas dagegen sagen? Deshalb dachte der Pharisäer:

Wenn Gott etwas gebietet, dann hat der Mensch zu gehorchen. Und Gott muß doch, wenn er wirklich gerecht ist, dem, der sein Gesetz hält, spätestens im Himmel wirklich den Lohn geben, der ihm zusteht.

Zweitens gründeten sie ihre Ansicht, sie seien gerecht, auf den Vergleich mit anderen Menschen. Sie legten die Maßstäbe des Gesetzes des Mose auch an die anderen und sahen dann ihr eigenes Leben an und meinten, daß sie besser wären als andere, weil sie mehr taten als die breite Masse. Der Pharisäer in unserem Gleichnis brachte das mit den Worten zum Ausdruck: „Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Ungerechte, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.“

Doch die Frömmigkeit der Pharisäer war bloß eine formale, eine äußerliche: Sie wollten den Anforderungen des mosaischen Gesetzes genügen, und an der erfüllten Form entzündete sich der Applaus, der ihnen selbst galt. Dabei übersahen sie, daß sie das Gesetz Gottes in Wirklichkeit gar nicht erfüllen konnten. Das Gesetz gebot Liebe zu Gott von ganzem Herzen, Liebe zum Nächsten, die so stark war wie die Eigenliebe, und es verbot jegliches Begehren nach dem, was der Nächste hatte. Das aber konnte kein Pharisäer wirklich halten.

Jesus kritisierte mit diesem Gleichnis nicht die Tatsache, daß der Pharisäer ein anständiges Leben führte und gute Werke tat. Er kritisierte vielmehr die Art, wie er darüber bei sich selbst dachte, wie er seine Werke verstand und in welcher Absicht er sie tat: Er wollte mit seinen Werken bei Gott punkten, obwohl er an mehreren Stellen Gottes Gebote übertrat. Er übersah seine Schuld und mißbrauchte seine Leistung, um sich vor Gott zu rühmen. Darin stand seine Vermessenheit. Die Gesinnung, die Jesus kritisierte, fand im Gebet des Pharisäers ihren Ausdruck. Dieses Gebet war eine Aufzählung von guten Taten. Es offenbarte, daß er, der Pharisäer, seinen tatsächlichen Zustand vor Gott, seine Sünde, vollkommen übersah. Er war verblendet. Der Apostel Paulus brachte dies auf den Punkt mit den Worten: „Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und suchen ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten und sind so der Gerechtigkeit Gottes nicht untertan“ (Röm 10,3).

  1. Der Zöllner

Ganz anders der Zöllner. Er war aufgrund seiner beruflichen Leistungen von vornherein als Feind des Volkes Gottes gebrandmarkt. Er arbeitete mit den Heiden, der römischen Besatzungsmacht, zusammen, um den Gliedern des Volkes Gottes das Geld aus der Tasche zu ziehen und nicht wenig davon für sich selbst abzuzweigen, mithin also zu stehlen. Das disqualifizierte ihn der herrschenden Meinung zufolge für das Reich Gottes. Er hatte also ein schlechtes Gewissen, und das, was die Juden über ihn und seine Arbeitskollegen dachten und sagten, trug zu diesem schlechten Gewissen bei. Dieses schlechte Gewissen hatte er auch vor Gott. Er hatte auch keine Argumente, um sich vor Gott zu rechtfertigen, und er konnte die Ansichten im Volk nicht einfach abschütteln und seine Privatüberzeugung dagegen stellen. Israel war ja wirklich das Volk Gottes, und er selbst arbeitete mit den Heiden zusammen und bereicherte sich zudem noch unrechtmäßig am Eigentum seiner Brüder. Womöglich kamen noch andere Sünden hinzu. Alles in allem, er hatte eine tiefe Sündenerkenntnis und schämte sich vor Gott. Er hatte nichts vorzuweisen.

Ihm blieb nichts anderes als an Gottes Gnade zu appellieren. So ging auch er in den Tempel, blieb ganz hinten stehen, schlug betroffen auf seine Brust und betete: „Gott, sei mir Sünder gnädig.“ Er suchte also seine Rechtfertigung bei Gott in der Begnadigung. Er bat Gott, ihm seine Sünden zu vergeben. Das aber entsprach ganz dem, was der alttestamentliche König David erkannt hatte, der sagte: „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstetes, zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verachten“ (Ps 51,19), oder: „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben“ (Ps 34, 19).

  1. Gott

Mit diesem Gleichnis macht Gott durch seinen Sohn Jesus Christus deutlich, wie ER denkt. Und wir sehen: Gott denkt anders als die Menschen. Das Urteil Jesu war frappieren: „Dieser“, also der Zöllner, „ging hinab gerechtfertigt in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“ Jesus sagt damit, daß der Zöllner fortan vor Gott als Gerechter dastand, trotz seiner fragwürdigen Vergangenheit. Machen wir einen Ausflug in die Grammatik: „Gerechtfertigt“ ist ein Partizip Perfekt Passiv. Das besagt ein Zweifaches:

(1) Das Passiv läßt erkennen, daß die Rechtfertigung ein Akt Gottes ist, den der Mensch erleidet oder empfängt. Gott selbst spricht gerecht. (2) Das Perfekt drückt aus, daß es sich um einen abgeschlossenen Vorgang handelt. Der Zöllner ist fortan gerecht. Er konnte guten Gewissens den Tempelberg hinabsteigen, denn er hatte sein Heil in Gottes Gnade gestellt, und diese war ihm vor Gott zuteil geworden. Mit diesem Gleichnis lehrt Jesus in großer Klarheit die Rechtfertigung allein aus Gnaden. Sie ist der Anfang einer lebendigen Beziehung mit Gott.

Daß Jesus damit dem Pharisäer die Rechtfertigung absprach, war eine Provokation und forderte die Pharisäer und Schriftgelehrten zu massivem Widerspruch heraus. Liegt die Gerechtigkeit eines Menschen nicht in seinem Lebenswandel, seinem Wesen? Und wenn sie dort nicht Wirklichkeit ist, wo soll sie es dann sein? Ist Rechtfertigung dann nicht ein So-Tun-Als-Ob? Irrt Gott nicht, wenn er einen offensichtlichen Sünder für einen Gerechten hält? So würden auch wir argumentieren. Wir fragen durchaus mit Recht nach der Wirklichkeit: Wo und wie ist denn der Zöllner gerecht?

Die Antwort auf diese Frage hat Gott mit dem Opfer Jesu Christi gegeben. Jesus als der Stellvertreter der Menschen hat die Strafe für die Sünden der Welt getragen. Jesaja hatte ja geweissagt: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen.

Die Strafe liegt auf ihm, auf daß wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn“ (Jes 53, 4-6) Auf dieses Sühnopfer sieht Gott, wenn er einen Menschen rechtfertigt, und in Jesus als dem Stellvertreter ist ein Mensch gerecht. Darum kann Paulus sagen: „In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“ (Eph 3, 7). Die Antwort auf die Frage, wieso ein sündiger Mensch gerecht sein kann, ist also Jesus selbst. Wer mit Blick auf Jesus zu Gott kommt, wer glaubt, daß Jesus für seine Sünden gestorben ist und Gott um Gnade bittet, der ist gerechtfertigt – voll und ganz. Kein Wunder also, daß sich an Jesus die Geister schieden und scheiden.

  1. Und wir?

Wir sind moderne Menschen, Kinder der Aufklärung. Die Frage, wie wir vor Gott gerecht sein können, treibt uns nicht mehr um. Wir haben ein optimistisches Menschenbild, glauben an das Gute im Menschen und können uns nicht vorstellen, daß Gott einen Menschen zum ewigen Tod verdammen kann. Wenn überhaupt, dann ist Gott für uns zu einer Chiffre für das Gute geworden. In Wirklichkeit aber haben wir ein ganz materialistisches Weltbild. Wir glauben nur, was wir sehen, und demzufolge kann es Gott überhaupt nicht geben. Allein schon deshalb ist die Frage nach der Gerechtigkeit vor Gott gegenstandslos. So leben wir in den Tag hinein, und keiner kommt auf den Gedanken, Gott um Gnade zu bitten.

Sollte doch jemand Gott ins Spiel bringen, dann sind wir sofort dabei, ihn für all das Böse in der Welt verantwortlich zu machen: für die Terrorakte, für Kriege, für das Unrecht, das Menschen einander antun, für Erdbeben und Tsunamis, für Leid und Elend.

Wir argumentieren: Wenn es einen Gott gibt, dann kann er derlei Dinge nicht zulassen, aber die Tatsache, daß all das Böse geschieht, beweist, daß es keinen Gott gibt. Das Böse in der Welt – nun ja, es kommt dann wohl doch vom Menschen. Also regt sich der moderne Mensch auf über den Umweltsünder, die Atomkraftwerke, die Chemiefabriken, die Waffenschieber, die Amerikaner und vieles andere mehr. Und dann klopft er sich im Stillen auf die Schulter, wenn er Atomstrom verschmäht, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassenhaß Stellung bezieht, sanfte Medizin anwendet und zum Gedenken an die Opfer von Gewalttaten eine Kerze anzündet. Die Gesellschaft akzeptiert solche Gutmenschen, sie sind „in“, und an einigen Stellen springen sogar steuerliche Vorteile für sie heraus. Kurz, für das tägliche Leben ist nicht das Gebot Gottes die Maßgabe, sondern das, was die Gesellschaft für richtig hält. Sie erlaubt dem Menschen, seinen Begierden zu folgen, solange er damit seinem Nächsten nicht schadet.

Als christliche Kirche indes müssen wir gegenüber dieser modernen Form der Gottlosigkeit wieder von dem Gott sprechen, der sich in der heiligen Schrift und der von ihr berichteten Geschichte offenbart hat. Wir müssen an dieser Stelle bedenken, daß trotz anderslautender Theorien Gott als der Schöpfer über allem steht, der heilige und dreieinige Gott. Er hat auch Dich geschaffen. Er hat Dir Deinen Leib und Dein Leben gegeben. Er gibt Dir das tägliche Brot, Gesundheit und Schaffenskraft. Du selbst bist der Beweis dafür, daß es Gott gibt. Du magst diesen Beweis verdrängen und sagen: Die Wissenschaft hat doch bewiesen, daß sich die Welt ohne Gott entwickelt hat. Wir aber halten dagegen: Bewiesen hat sie es nicht; sie hat nur eine imposante Theorie aufgestellt, die von vielen geglaubt und den Massenmedien verbreitet wird. Aber im Grund Deines Herzens weißt Du, daß es die Welt und Dich selbst ohne Gott nicht geben kann.

Dann aber steht Gott doch wieder als Schöpfer im Raum. Die Konsequenz ist, daß wir ihm dann Rechenschaft schuldig sind. Wie aber reagieren wir auf diese Einsicht? Die meisten von uns denken in gleicher Weise wie der Pharisäer. Wir tun Werke, von denen wir meinen, daß Gott sie gutheißen würde. Falls überhaupt, dann suchen wir die Gerechtigkeit, die vor Gott gelten soll, bei uns selbst. Dabei beanspruchen wir nicht mehr, Gottes Gesetz erfüllt zu haben, sondern verweisen auf unser Bemühen, unser Streben, unseren guten Willen, dem Nächsten nichts Böses zu tun. In unserem Herzen vergleichen wir uns mit anderen, und finden immer noch Stellen, an denen wir uns positiv von ihnen abheben. Oder wir meinen, es wäre doch ganz in Ordnung, wenn wir uns bemühen, eine positive Beziehung zu Gott aufzubauen. Das sind ganz menschliche Reaktionsweisen. Sie entsprechen unserem natürlichen Denken, das von der Sünde und dem Unglauben gekennzeichnet ist. Und wir merken: In uns allen steckt der Pharisäer, oder sagen wir besser, die Denkweise des Pharisäers. Die aber ist falsch, denn Gott ist anders, als wir denken.

Jesus lehrt uns mit unserem Gleichnis, daß wir mit unseren guten Taten nicht vor Gott gerecht sind. Das ist so, wie wenn der Lehrer einem Schüler, der mit viel Mühe und Witz einen Aufsatz geschrieben hat, bescheinigt: Thema verfehlt, ungenügend. Es ärgert uns, weil Gott unser positives Bemühen, gut und christlich zu sein, für nichts achtet. Wenn wir im Grunde unseres Herzens der Meinung sind, erst unsere Frömmigkeit rette uns, erst unsere Entscheidung oder Bekehrung mache das Heil, erst unser christlicher Lebenswandel, unser tatsächliches Gutsein, unsere Heiligung sei die Grundlage eines positiven Urteils Gottes über uns, dann irren wir. Unsere Sünde ist viel zu groß, als daß sie mit menschlicher Leistung ausgeglichen werden könnte. Unsere Trennung von Gott ist so fundamental, daß kein Versuch, eine Beziehung zu Gott aufzubauen, sie überbrücken kann. Unsere Werke sind nutzlos, wenn es darum geht, vor Gott gerecht zu sein.

Wir sollten wieder zu dieser ganz realistischen Sicht des Menschen zurückkehren. Denn sie öffnet uns für die Einsicht, daß wir unser Heil woanders suchen müssen. Schauen wir uns dazu das Gebet des Zöllners an. Es ist ein ganz kurzes Gebet, im Grunde nur ein Hilfeschrei: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ Wir sehen hier keine Absage an den Teufel, keine Einladung an Jesus, kein Übergabegebet, noch nicht einmal eine detaillierte Beichte in Form eine Aufzählung der vielen kleinen und großen Sünden. Es war rechte Gottesfurcht, die dem Zöllner die Einsicht gab: Ich bin so durchtrieben und böse, daß ich bei Gott nichts verdienen kann. Wenn es einen Weg zum Heil gibt, dann nur, indem Gott bei mir Gnade walten läßt. Das aber heißt: Wir haben nur dann eine Beziehung zu Gott, wenn wir ihn in seinem Sohn Jesus Christus erkennen, und verstehen, daß er uns um seinetwillen gnädig ist und unsere Sünden vergibt. Nur wenn wir durch den Glauben die Gerechtigkeit Jesu Christi haben, haben wir eine rechtsgültige Beziehung zu ihm.

Dazu aber lade ich Dich ein: Daß Du Dich im Gebet an Gott wendest und ihn bittest, daß er Dir um Christi willen gnädig sei. Dieses Gebet ist in sich schon ein Ausdruck des Glaubens. Es ist nicht eine Leistung, eine Bedingung, die Du erfüllen müßtest. Vielmehr darfst Du der Zusage Gottes trauen: „Wer den Namen des Herrn anrufen wird, wird gerettet werden“ (Apg 2,21). Vielleicht denkst Du, das sei zu simpel, zu wenig, und Du müßtest noch mehr tun: Dich erst einmal richtig bekehren, Dein ganzes verkorkstes Leben in Ordnung bringen und noch einmal ganz neu anfangen. Ich will das nicht abwerten, aber das kannst Du nachher tun; das ist allenfalls eine Frucht des Glaubens.

Vielleicht siehst Du auch das ganze Ausmaß der Sünde in Deinem Leben noch nicht. Aber Du siehst, daß Du verloren bist. Darum kehre doch um, rufe Gott an, und suche Deine Hilfe bei ihm. Und dann denke daran: gerade wenn Du keine Bonuspunkte bei Gott vorweisen kannst, dann bete mit dem Zöllner: „Gott, sei mir Sünder gnädig“ und Du darfst vor Gott in der vollkommenen Gerechtigkeit Christi stehen. Um es kurz zu fassen: Entweder wir sind wie die Pharisäer selbstgerecht und brauchen einen Jesus, der Sünder gerechtmacht, nicht und sind ohne ihn verloren, oder wir erkennen wie der Zöllner unsere Verlorenheit, kommen zu Gott im Namen Jesu und haben in ihm die vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi, die Gott uns zurechnet, ohne daß wir es verdienen – eben weil Gott gnädig ist.

Amen.

 Quelle: http://www.bernhard-kaiser.homepage.t-online.de/index.php

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Dieser Beitrag wurde erstellt am Samstag 22. August 2015 um 14:48 und abgelegt unter Predigten / Andachten.